Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten die Kosten der seinen beiden Töchtern erbrachten
Sozialhilfeleistungen gemäß § 104 bzw. § 103 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu ersetzen.
Von Oktober 1997 bis Mai 2004 bezog die heutige Ehefrau des Klägers, Frau I T1, fortlaufend und ohne Unterbrechungen (bis
auf die Monate Dezember 2003 und Januar 2004) Sozialhilfe von der Beklagten. Mit ihr im Leistungsbezug standen durchgängig
ihre Töchter O (geb. 00.001997) und ab Mai 2000 N (geb. 00.00.2000), deren Vater jeweils der Kläger ist. Allein sorgeberechtigt
war bis Ende Mai 2004 die heutige Ehefrau des Klägers, auf deren Konto die Sozialhilfeleistungen für die Töchter überwiesen
wurden. Seit Oktober 1998 lebte der Kläger in einer Wohnung in dem Mehrfamilienhaus, in dem auch seine heutige Ehefrau und
die beiden Töchtern ihre gemeinsame Wohnung hatten.
Am 25.06.2004 heiratete der Kläger seine heutige Ehefrau. Ab Juni 2004 erbrachte die Beklagte keine Sozialhilfeleistungen
mehr, weil der Kläger den Bedarf übersteigendes Erwerbseinkommen hatte, so dass seine Ehefrau und Kinder damit nicht mehr
hilfebedürftig waren.
Mit Bescheid vom 01.02.2007 nahm die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Ehefrau des Klägers (Schreiben vom 25.08.2006)
gegenüber O, gesetzlich vertreten durch die Ehefrau des Klägers, die in der Anlage zu diesem Bescheid aufgeführten Bewilligungen
von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 13.10.1998 bis 31.05.2004 insoweit zurück,
"soweit es die Berücksichtigung
1. ihres Vaters, des Herrn I T, seines Einkommens aus seiner Erwerbstätigkeit bei der Firma W, den geänderten Regelsatz, den
Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfen, die Überschussanteile etc.,
2. Ihr UVG im Juli und August 2003
3. die Einkünfte Ihrer Mutter aus deren Erwerbstätigkeit bei der Lorenz Gastronomie und die damit verbundenen Änderungen betrifft
und hierdurch Überzahlungen entstanden sind."
Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Erwerbseinkommen des Klägers hatte bei der Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt
werden müssen, weil der Kläger und seine Ehefrau eine eheähnliche Lebensgemeinschaft gebildet hätten. Außerdem seien Unterhaltsvorschussleistungen
bewilligt worden, die bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt im Juli und August 2003 nicht berücksichtigt worden
seien. Des Weiteren hätte die Ehefrau des Klägers für den Zeitraum September bis Oktober 2003 Erwerbseinkommen erzielt, das
ebenfalls bei der Hilfegewährung nicht berücksichtigt worden sei. Es liege daher ein Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor. Zwar treffe O kein Verschulden hinsichtlich der unrichtigen bzw. unvollständigen Angabe maßgeblicher Tatsachen; jedoch
erfolge die Rücknahme des Bewilligungsbescheides, um im Anschluss den in § 104 SGB XII verankerten Anspruch gegenüber dem eigentlichen Verursacher der zu Unrecht gewährten Hilfe, nämlich der Ehefrau des Klägers
als gesetzlicher Vertreterin von O, geltend machen zu können.
Mit Bescheid vom 02.02.2007 erließ die Beklagte einen identischen Rücknahmebescheid gegenüber N, gesetzlich vertreten durch
die Ehefrau des Klägers.
Mit Bescheid vom 05.02.2007 nahm die Beklagte zudem gegenüber der Ehefrau des Klägers die in der Anlage 1 zu diesem Bescheid
aufgeführten Entscheidungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis 30.11.2003
und vom 01.02.2004 bis 31.05.2004 insoweit zurück,
"soweit es die Berücksichtigung
1. Ihres Ehemannes, des Herrn I T, seines Einkommens aus seiner Erwerbstätigkeit bei der Firma W, den geänderten Regelsatz,
den Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfe, die Überschussanteile etc.
2. Ihre Einkünfte aus Ihrer Erwerbstätigkeit bei der Firma Lorenz Gastronomie und die damit verbundenen Änderungen betrifft
und hierdurch Überzahlungen entstanden sind."
Gleichzeitig wurde die Ehefrau des Klägers aufgefordert, die zu Unrecht erhaltene Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt
24.160,32 EUR zu erstatten. Aus der Anlage 2 zu diesem Bescheid ergibt sich, dass die Beklagte von der Ehefrau des Klägers
sämtliche ihr für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis 30.11.2003 und vom 01.02.2004 bis 31.05.2004 bewilligten und gezahlten Sozialhilfeleistungen
zurückforderte.
Die drei Rücknahmebescheide vom 01.02.2007, 02.02.2007 und 05.02.2007 gegenüber O, N und der Ehefrau des Klägers wurden bestandskräftig,
nachdem die Ehefrau des Klägers die gegen diese Bescheide (in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 09.04.2008) erhobene Klage
vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 23 SO 39/08) am 09.12.2008 zurückgenommen hatte.
Mit Bescheid vom 05.03.2009 setzte die Beklagte die für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis zum 31.05.2004 für die Tochter O zu
Unrecht gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 50 Abs. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf 10.759,91 EUR und die für den Zeitraum vom 01.07.2000 bis zum 31.05.2004 für die Tochter N zu Unrecht gewährte Hilfe
zum Lebensunterhalt auf 5.679,26 EUR fest.
Mit demselben Bescheid forderte die Beklagte den Kläger nach dessen vorheriger Anhörung auf, diese Beträge - insgesamt 16.439,17
EUR - im Rahmen des Kostenersatzes nach § 104 SGB XII (entsprechend § 92 a Abs. 4 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) zu erstatten. Der Kläger habe die Gewährung von Sozialhilfeleistungen durch
zumindest grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt, so dass er nach § 104 SGB XII zum Kostenersatz für die an seine Töchter geleistete Sozialhilfe verpflichtet sei.
Hinsichtlich des Sachverhalts und der grob fahrlässigen Herbeiführung zu Unrecht bezogener Sozialleistungen zitierte die Beklagte
aus dem Widerspruchsbescheid vom 09.04.2008 an die Ehefrau des Klägers als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter N. Dabei
unterschied die Beklagte Sachverhalt I (eheähnliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau), Sachverhalt
II (Sozialhilfezahlungen für die Monate Juli und August 2003 ohne Anrechnung von Unterhaltsvorschussleistungen) und Sachverhalt
III (Nichtberücksichtigung des Erwerbseinkommens der Ehefrau des Klägers in den Monaten September und Oktober 2003). In der
rechtlichen Begründung führte sie aus, dass angesichts des Gesamtbildes der aufgezählten Kriterien (wie zeitgleiches Wohnen
des Klägers und seiner Ehefrau unter derselben Anschrift, Zeugenaussagen über ein tatsächlich gemeinsames Zusammenleben, gemeinsame
Kinder und spätere Heirat, gemeinsames Konto) von einer eheähnlichen Gemeinschaft im Sinne des § 122 BSHG bzw. § 20 SGB XII auszugehen sei. Dadurch dass der Kläger nicht mitgeteilt habe, dass er mit seiner heutigen Ehefrau zum damaligen Zeitpunkt
als seiner Lebensgefährtin zusammengelebt habe, sei die Sozialhilfeleistung für seine Kinder zu Unrecht gezahlt worden. Die
Bewilligung der Sozialhilfe gegenüber O und N mit Bescheid vom 01.02.2007 bzw. Bescheid vom 02.02.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 09.04.2008 sei bestandskräftig aufgehoben geworden.
Mit Datum vom 04.03.2009 erließ die Beklagte einen gleichlautenden Bescheid über Kostenersatz gegenüber der Ehefrau des Klägers;
dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Gegen den Bescheid vom 05.03.2009 erhob der Kläger mit Schreiben vom 30.03.2009 Widerspruch. Er habe sich weder vorsätzlich
noch grob fahrlässig verhalten. Er sei nicht in das Antragsverfahren für die Gewährung von Sozialhilfe an seine beiden Töchter
eingebunden gewesen. Er habe keine Erklärungen abgegeben. Bis zum Ablauf der Leistungsgewährung im Juni 2004 sei keine irgendwie
geartete Tätigkeit seinerseits im Rahmen des Antragsverfahrens auf Leistungen an seine heutige Ehefrau und die Kinder gegeben
gewesen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2009 zurück. Gemäß § 103 Abs. 1 S. 2 bzw. § 104 SGB XII werde von dem Kläger für die an seine Töchter O und N gewährte Sozialhilfe Kostenersatz in Höhe von - nur noch - insgesamt
15.472,60 EUR gefordert. Es greife zu kurz, im Nachhinein lediglich die heutige Ehefrau des Klägers als verantwortlich für
die rechtswidrige Sozialhilfegewährung an die gemeinsamen Töchter darzustellen. Es möge sein, dass der Kläger in Bezug auf
die Sozialhilfe gegenüber der Behörde selbst nicht in Erscheinung getreten sei, keine Anträge gestellt oder Erklärung abgegeben
habe. Dies könne ihn jedoch nicht entlasten. Denn entsprechende Aktivitäten hätten geradezu in Widerspruch zu der offensichtlich
von Beginn an vorhandenen Betrugsabsicht gestanden. Nach den Umständen des Einzelfalls - so wie sie auch in den Strafverfahren
vor dem Amtsgericht und Landgericht gegen die heutige Ehefrau des Klägers zu Sprache gekommen seien - sei davon auszugehen,
dass der Kläger zusammen mit seiner heutigen Ehefrau von Beginn an gemeinsam geplant habe, in betrügerischer Absicht Sozialhilfemittel
zu erlangen. Durch sein konkludentes Verhalten habe der Kläger ebenso wie seine heutige Ehefrau die rechtswidrige Sozialhilfegewährung
herbeigeführt. Die Voraussetzungen für eine Kostenersatzpflicht gemäß § 104 SGB XII seien demzufolge erfüllt. Der Kläger habe sich auch sozialwidrig verhalten. Im Übrigen seien auch die Voraussetzungen für
eine Ersatzpflicht nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII gegeben, denn der Kläger habe nach aller Lebenserfahrung und nach allen bekannten Umständen von Beginn an von der Sozialhilfegewährung
und auch der Rechtswidrigkeit der gewährten Leistungen Kenntnis gehabt.
Hiergegen hat der Kläger am 21.07.2009 Klage vor dem SG Düsseldorf erhoben. Es gebe insgesamt keine Mitwirkungshandlung seinerseits
bezogen auf die Leistungen der Beklagten an seine Töchter.
Die Beklagte hat den angegriffenen Bescheid für rechtmäßig gehalten.
Mit Urteil vom 22.03.2011 hat das SG Düsseldorf der Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung stattgegeben und den angefochtenen
Bescheid aufgehoben. Die Beteiligten hatten zuvor ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
erklärt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt:
Der Bescheid vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2009 sei rechtswidrig. Die Kostenersatzforderung
gegenüber dem Kläger für zu Unrecht erbrachte Sozialhilfeleistungen an seine Töchter sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen
für den Kostenersatz seien weder nach § 104 S. 1 SGB XII noch nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII erfüllt. Nach § 104 S. 1 SGB XII (vormals § 92 a Abs. 4 S. 1 BSHG) sei zum Ersatz der Kosten für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des § 103 SGB XII verpflichtet, wer die Leistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt habe.
Der Ersatzanspruch nach § 104 S. 1 SGB XII erfordere in tatbestandlicher Hinsicht zunächst, dass der Sozialhilfeträger den bzw. die Bescheide, mit denen rechtswidrig
Sozialhilfe bewilligt worden ist, aufgehoben habe. Diese Voraussetzung sei erfüllt. Die Rücknahmebescheide vom 01.02.2007
und 02.02.2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 09.04.2008 seien bestandskräftig. Zum Ersatz der Kosten sei jedoch
nur verpflichtet, wer die Leistungen - an sich selbst oder an einen Dritten - durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten
herbeigeführt habe. Darüber hinaus sei als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in objektiver Hinsicht nach der Rechtsprechung
weiter erforderlich, dass das Verhalten, durch das die Leistungen der Sozialhilfe herbeigeführt worden seien, sozialwidrig
sei. Die grob fahrlässige bzw. vorsätzliche Handlung müsse also auch einem Unwerturteil unterworfen werden, d.h. die Handlung
müsse aus Sicht der Solidargemeinschaft zu missbilligen sein.
Die Kammer gehe davon aus, dass der Kläger die Sozialhilfegewährung an seine Töchter nicht herbeigeführt habe. Eine entsprechende
konkrete Handlung - Tun oder pflichtwidriges Unterlassen - sei für die Kammer nicht nachgewiesen. Der Kläger sei im Rahmen
der Sozialhilfegewährung gegenüber der Beklagten nicht aktiv aufgetreten. Davon gehe auch die Beklagte aus. Der Kläger habe
während des Sozialhilfebezuges keinen Antrag gestellt oder sonstige Erklärungen zur Gewährung von Sozialhilfe an seine Töchter
abgegeben. Es sei zwar richtig, dass dieses Verhalten aus Sicht der Beklagten Teil der Täuschung gegenüber dem Sozialhilfeträger
gewesen sei, gleichwohl sei eine bestimmte zweckgerichtete Handlung des Klägers gegenüber der Beklagten zur Gewährung von
Sozialhilfe nicht nachgewiesen.
Auch ein Herbeiführen durch Unterlassen liege nicht vor. Zwar komme ein Herbeiführen der Sozialhilfegewährung nicht nur durch
ein aktives Tun (Angabe falscher Tatsachen), sondern grundsätzlich auch durch ein Verschweigen wesentlicher Tatsachen nach
§
60 Abs.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) - hier die Führung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit dem Arbeitseinkommen erzielenden Kläger - in Betracht. Denn
nach §
60 Abs.
1 S. 1
SGB I habe, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, u.a. alle Tatsachen anzugeben und unverzüglich Änderungen in den Verhältnissen,
die für die Leistung erheblich seien oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden seien, mitzuteilen.
Die Verpflichtung treffe jedoch ausdrücklich nur denjenigen, der Sozialleistungen beantrage oder erhalte. Der Kläger habe
jedoch weder Sozialleistungen für seine Töchter beantragt, noch habe er - in Vertretung für seine minderjährigen Töchter -
Sozialleistungen erhalten. Allein sorgeberechtigt sei die heutige Ehefrau des Klägers gewesen, auf deren Konto die Sozialhilfeleistungen
für die Töchter eingegangen seien. Vor diesem Hintergrund sei von der Beklagten offenbar auch keine Straftat des Klägers (wegen
Beihilfe oder Mittäterschaft) zur Anzeige gebracht worden oder sonst - im Rahmen des Strafverfahrens gegen die heutige Ehefrau
des Klägers - keine Strafverfolgung von den Strafverfolgungsbehörden selbst eingeleitet worden. Ein Verursachungsbeitrag durch
aktives Herbeiführen der Sozialhilfegewährung oder durch pflichtwidrige Verletzung von ihn treffenden Mitwirkungspflichten
sei deshalb nicht gegeben.
Gehe man von einer eheähnlichen Gemeinschaft des Klägers mit seiner heutigen Ehefrau im Sinne des § 122 BSHG bzw. § 20 SGB XII aus, habe der Kläger zwar mittelbar von der Sozialhilfegewährung profitiert; "herbeigeführt" im Sinne des § 104 S. 1 SGB XII habe er die Sozialhilfegewährung an seine Töchter in eigener Person jedoch nicht. Davon gehe die Beklagte in ihren Rücknahmebescheid
vom 01.02.2007 bzw. 02.02.2007 offenbar auch selbst aus. Darin heiße es, dass die Rücknahme gegenüber O bzw. N lediglich erfolge,
"um im Anschluss den in § 104 SGB XII verankerten Kostenersatzanspruch gegenüber dem eigentlichen Verursacher der zu Unrecht gewährten Hilfe, nämlich vorliegend
der Mutter als gesetzlicher Vertreter, geltend machen zu können". Von dem Kläger als Vater sei hingegen nicht die Rede.
Darüber hinaus liege erst recht kein Herbeiführen der Sozialhilfegewährung durch den Kläger bezüglich der im angegriffenen
Bescheid vom 05.03.2009 als Sachverhalt II (Sozialhilfezahlungen für die Monate Juli und August 2003 ohne Anrechnung von Unterhaltsvorschussleistungen)
bezeichneten Überzahlung vor. Denn schon nach den Angaben der Beklagten im Bescheid vom 05.03.2009 habe allein die heutige
Ehefrau des Klägers die Beklagte nicht über die Nach- und Weiterzahlung der Unterhaltsvorschussleistungen unterrichtet. Ein
Tun oder pflichtwidriges Unterlassen des Klägers werde insoweit nicht geltend gemacht und sei auch sonst nicht ersichtlich.
Dasselbe gelte für den Sachverhalt III (Nichtberücksichtigung des Erwerbseinkommens der heutigen Ehefrau des Klägers in den
Monaten September und Oktober 2003).
Die Härtefallregelung in § 103 Abs. 1 S. 3 SGB XII sei im Rahmen des § 104 S. 1 SGB XII entsprechend anzuwenden. Danach könne von der Heranziehung zum Kostenersatz abgesehen werden, soweit sie eine Härte bedeuten
würde. Der Begriff der Härte als unbestimmter Rechtsbegriff unterliege der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Erforderlich
sei eine Atypik, die es rechtfertige, von der grundsätzlichen Verpflichtung zum Kostenersatz abzuweichen. Anhaltspunkte für
die Beurteilung einer Härte seien dabei auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen, wobei bloße ungünstige
wirtschaftliche Verhältnisse des Ersatzpflichtigen noch nicht genügten. Eine Härte könne aber darin liegen, dass im Hinblick
auf die voraussichtlich dauerhafte wirtschaftliche Schwäche des Verpflichteten sich die Rückzahlung als ein Auftürmen eines
Schuldenberges darstellen würde, weil von den Einkünften unter Berücksichtigung des Sozialhilfebedarfs eine Rückzahlung kaum
oder nur in einem langen Zeitraum möglich sei (Hinweis auf Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteil
vom 22.05.2000, 16 A 5805/96, juris). Mit Blick darauf, dass der Kläger nach seinen Angaben im Erörterungstermin weiterhin Alleinverdiener sei, mittlerweile
vier minderjährige Kinder zur Familie gehörten und ein Kostenersatz in Höhe von 15.472,60 EUR geltend gemacht werde, halte
das Gericht eine Härte - das Gesetz verlange "nur" eine Härte, hingegen keine unzumutbare Härte - jedenfalls nicht für ausgeschlossen,
so dass ein vollständiges, teilweises oder zeitweises Absehen von der Heranziehung zum Kostenersatz möglich wäre (vgl. § 103 Abs. 1 S. 3 SGB XII: "soweit"). Da jedoch der Kläger die Sozialhilfegewährung an seine Töchter schon nicht herbeigeführt habe, bedürfe es dazu
keiner abschließenden Entscheidung.
Nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII sei zum Kostenersatz auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit
des der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Der Kläger
habe keine Sozialhilfe bezogen; er sei damit nicht die leistungsberechtigte Person gewesen. Er sei aber auch nicht Vertreter
der leistungsberechtigten Person(en) - hier der Töchter - gewesen. Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis habe insoweit
nicht vorgelegen und es habe auch keine gesetzliche Vertretungsmacht bestanden. Denn nicht der Kläger, sondern allein seine
heutige Ehefrau sei bis zur Eheschließung sorgeberechtigt für die minderjährigen Töchter gewesen (§
1629 Abs.
1 S. 3
Bürgerliches Gesetzbuch -
BGB). Soweit sich die Beklagte auf §
1687a BGB berufe, regele diese Norm zwar einzelne Entscheidungsbefugnisse des nicht sorgeberechtigten Elternteils; diese habe der Kläger
- der im vorliegenden Fall gegenüber der Beklagten gerade überhaupt nicht in Erscheinung getreten sei, jedoch nicht wahrgenommen.
Im Übrigen seien die dazu erforderlichen Voraussetzungen (Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung, Gefahr im Verzug) auch
gar nicht gegeben. Die Kammer folge insoweit dem "tatsächlichen Vertreterbegriff" der Beklagten nicht. Der Wortlaut der Norm
spreche ausdrücklich von einem "Vertreter" und nicht von einem "Dritten". Gerade aus dem Zusammenspiel der Vorschriften bei
Kostenersatz für rechtswidrig erbrachte Leistungen - nämlich § 104 S. 1 SGB XII und § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII - ergebe sich, dass der sich nur auf gesetzlich oder vertraglich bevollmächtigte Vertreter beziehende § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII enger sei als der von § 104 S. 1 SGB XII erfasste Personenkreis (Hinweis auf Weber, Kostenerstattung und Kostenersatz bei rechtswidrig oder zu Unrecht gewährter Sozialhilfe
nach dem SGB XII, DVP 2010, S. 278, 279).
Diese Differenzierung zwischen einem Vertreter im Sinne eines ausschließlich rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreters
einerseits und eines Dritten andererseits erscheine im Hinblick auf die sonstigen Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach
§ 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII bzw. § 104 S. 1 SGB XII auch sachgerecht. Während der Dritte nach § 104 SGB XII nur hafte, wenn er die Hilfegewährung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe, reiche bei einem Vertreter - und
eben nur bei einem Vertreter, der für den Hilfeempfänger rechtlich bindend auftreten könne - schon die Kenntnis bzw. grob
fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes. Bei gemeinsam sorgeberechtigten
Eltern, von denen einer einen Antrag auf Sozialhilfe für die Kinder stelle, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen,
hafte deshalb der Antrag stellende EIternteil (auch) nach § 104 S. 1 SGB XII, während der andere nur nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII zum Kostenersatz herangezogen werden könne. Dies gelte jedoch eben nur bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern. Sei nur der
eine Elternteil sorgeberechtigt und trete für die Kinder gegenüber dem Sozialamt in Erscheinung, könne - wie hier - der andere
Elternteil nicht zum Kostenersatz herangezogen werden. Dies möge die Beklagte als unbillig empfinden, angesichts der gesetzlichen
Vorgaben sei nach Ansicht der Kammer ein anderes Ergebnis jedoch nicht zu rechtfertigen.
Gegen dieses ihr am 28.03.2011 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf hat die Beklagte am 21.04.2011 Berufung eingelegt.
Sie ist der Auffassung, das SG habe das Erfordernis der Sozialwidrigkeit im Sinne des § 103 SGB XII zu weit eingeschränkt. Die Täuschung über einen vermeintlichen Hilfebedarf an steuerfinanzierten Mitteln stellte gerade den
Beispielfall eines sozialwidrigen Verhaltens dar. Hierfür sei auch keine konkrete Handlung erforderlich, vielmehr lediglich
ein Verhalten. Ob ein Unterlassen auch strafrechtlich relevant sei, sei unerheblich. Für einen Vertreter im Sinne des § 103 SGB XII komme es nicht darauf an, ob er sich selbst sozialwidrig verhalten habe. Entscheidend sei allein, dass er die Rechtswidrigkeit
der Leistungsgewährung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. § 103 SGB X erweitere den Kreis der Erstattungspflichtigen in Fällen rechtswidriger Leistungsgewährung. Der Kläger sei als Vater der
Töchter schon in dieser Eigenschaft Vertreter im Sinne des § 103 SGB X, dieser Begriff sei weit auszulegen. Dass er nicht Inhaber des elterlichen Sorgerechts gewesen sei, sei unerheblich. Anders
als bei § 104 SGB X hafteten die Vertreter im Sinne des § 103 SGB X allein aufgrund ihrer Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis, sie bräuchten die rechtswidrige Leistungsgewährung nicht
selbst (durch sozialwidriges Verhalten) herbeigeführt zu haben.
Ein Härtefall liege entgegen der Auffassung des SG nicht vor. Die bloße Aussage des Klägers, eine sechsköpfige Familie alleine unterhalten zu müssen, reiche nicht aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.03.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das SG habe in vollem Umfang zu Recht entschieden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte, die beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten sowie die ebenfalls beigezogene Gerichtsakte SG Düsseldorf S 23 SO 39/08 Bezug genommen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, in der Sache indes nicht begründet. Das SG hat auf die zulässige und begründete Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 Fall 1
SGG) den Bescheid vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2009 zu Recht aufgehoben; denn er ist rechtswidrig.
Für die durch die Beklagte verfügte Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz besteht keine Rechtsgrundlage.
1. Nach § 104 S. 1 SGB XII (bis 31.12.2004: § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG ) ist zum Ersatz der Kosten für zu Unrecht erbrachte Leistungen der Sozialhilfe in entsprechender Anwendung des § 103 SGB XII verpflichtet, wer die Leistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat.
Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht verwirklicht. Der Kläger hat die Sozialhilfeleistungen nicht durch sein (vorsätzliches
oder grob fahrlässiges) Verhalten herbeigeführt. Aktiv hat er gar nichts getan. Dies wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
Es kommt somit nur ein Unterlassen in Betracht. Ein Unterlassen wird in der Literatur im Zusammenhang mit der Nichterfüllung
einer Mitwirkungsobliegenheit gemäß §§
60 ff.
SGB I thematisiert (Weber DVP 2010, S. 278, 280 f.; vgl. Bieback in: Grube/Wahrendorf, SGB X, 3. Aufl. 2010, § 104 Rn. 6 und § 103 Rn. 9 und 11 ff. m.w.N.).
Eine Mitwirkung gemäß §§
60 ff.
SGB I oblag dem Kläger nicht, weil er Sozialleistungen weder beantragt hat noch bezog (§
60 Abs.
1 S. 1
SGB I). Andere Rechtsnormen, die eine Pflicht zur Mitteilung gegenüber der Beklagten begründen könnten (entsprechend einer strafrechtlichen
Garantenstellung beim Unterlassen), sind nicht ersichtlich. Insbesondere besteht keine Verpflichtung aus vorangegangenem pflichtwidrigen
Tun (im Sinne einer Ingerenz), weil der Kläger insoweit gegenüber der Beklagten (auch zuvor) nicht in Erscheinung getreten
ist. Dies wird von der Beklagten auch nicht behauptet.
Ein Unterlassen setzt zur Überzeugung des Senates immer eine Garantenpflicht in der Weise voraus, dass ein legislatives Werturteil
eine Rechtspflicht zum Tun fordert. Die Feststellung eines "Unwerturteils" (Bieback, a.a.O., § 104 Rn. 9; Conradis in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 103 Rn. 6) ist - jedenfalls bei der Bestimmung bzw. zur Eingrenzung kostenersatzrechtlich relevanten Unterlassens - nicht ausreichend,
außerdem unklar beschrieben. Das "Unwerturteil" muss vielmehr auf ein legislatives Werturteil zurückzuführen sein und darf
nicht auf einer bloßen Missbilligung im Sinne eines Werturteils der Gesellschaft oder des jeweiligen Normanwenders beruhen.
Dies reicht bei der hier vorliegenden Eingriffsverwaltung als Rechtsgrundlage nicht aus, weil hierfür ein Gesetz und damit
eine legislative (Be-)Wertung (des Lebenssachverhaltes) erforderlich ist (§
37 S. 2 i.V.m. §
31 SGB I). Andernfalls würde der Normanwender sein Werturteil an die Stelle des maßgeblichen legislativen Werturteils und damit sich
an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Außerdem basiert das Postulat der "Feststellung eines Werturteils" nur auf der - angeblich
vorhandenen - ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzung des "sozialwidrigen Verhaltens" (vgl. Bieback, a.a.O., § 103 Rn. 9).
Dies kann hier aber letztlich dahinstehen. Die Rechtsordnung begründete für den Kläger keine Rechtspflicht zum Tun. Eine solche
ergibt sich, wie dargelegt, insbesondere nicht aus strafrechtlichen Normen. Gegen den Kläger wurde - anders als gegen seine
Ehefrau - entsprechend auch kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht
- als möglicher Anknüpfungspunkt einer Rechtspflicht zum Tun (Simon in: jurisPK-SGB XII, 1. Auf. 2010, § 103 Rn. 25) - ist nicht ersichtlich. Ein Anknüpfungspunkt für ein "sozialwidriges Verhalten" - dessen Relevanz unterstellt -
ist ebenfalls nicht zu erkennen.
Wesentlich für die zu Unrecht gewährten Sozialhilfeleistungen waren allein die (aktiven) falschen bzw. unzutreffenden Angaben
der damaligen Ehefrau des Klägers. Ihr Verhalten kann dem Kläger von vornherein nicht zugerechnet werden. Zugerechnet werden
könnte allenfalls ein Verschulden (entsprechend §
278 BGB) oder eine Kenntnis (entsprechend §
166 BGB); dies setzt aber immer ein eigenes Verhalten voraus.
Der Senat nimmt im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§
153 Abs.
2 SGG).
2. Der Kläger ist auch nicht ersatzpflichtig gemäß § 103 SGB XII.
a) Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (bis 31.12.2004: § 92 a Abs. 1 Satz 1 BSHG) sind nicht erfüllt, weil der Kläger, wie zuvor ausgeführt, nicht die Leistungen durch sein (vorsätzliches oder grob fahrlässiges)
Verhalten herbeigeführt hat.
b) Nach § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist zum Kostenersatz auch verpflichtet, wer als leistungsberechtigte Person oder als deren Vertreter die Rechtswidrigkeit
des der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.
Die Voraussetzungen dieser Norm sind ebenfalls nicht erfüllt. Es kann dahinstehen, ob der zeitliche Anwendungsbereich dieser
Norm auch den Ersatz solcher Kosten für Sozialhilfeleistungen erfasst, die noch vor dem Inkrafttreten des SGB XII zum 01.01.2005 (und damit noch unter Geltung des BSHG) gewährt wurden; denn § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB XII hat keine Vorgängerregelung im BSHG (Simon in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 103 Rn. 2). Der Kläger war jedenfalls unstreitig keine "leistungsberechtigte Person". Er war entgegen der Rechtsauffassung der
Beklagten auch kein "Vertreter" i.S. § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII.
aa) Eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis hat nicht bestanden. Es hat auch keine gesetzliche Vertretungsmacht vorgelegen.
Denn nicht der Kläger, sondern allein seine heutige Ehefrau war bis zur Eheschließung sorgeberechtigt für die minderjährigen
Töchter gewesen. Dies folgt aus §
1629 Abs.
1 S. 3
BGB. Danach vertritt ein Elternteil das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach
§
1628 BGB übertragen ist. Die elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern ist in §
1626 a BGB normiert. Danach steht den Eltern, wenn sie bei der Geburt ihres Kindes nicht miteinander verheiratet sind, die elterliche
Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder einander
heiraten; im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.
Da keine Sorgeerklärung vorliegt, hatte die Ehefrau des Klägers bis zu ihrer Vermählung mit dem Kläger das alleinige Sorgerecht
über ihre beiden Töchter gemäß §
1626 a Abs.
2 BGB. Damit vertrat sie auch die Töchter allein. Der Kläger war demgegenüber nicht gesetzlicher Vertreter der Töchter.
bb) Eine erweiternde Auslegung des Ausdrucks des "Vertreters" i.S.d. § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB XII ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht zulässig.
§ 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII setzt ausdrücklich einen "Vertreter" im Sinne eines rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreters voraus (ebenso im Ergebnis
Klinge in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 103 Rn. 16 [Stand 2012]; Simon in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 103 Rn. 36 a.E.; Weber DVP 2010, S. 278, 279), nicht dagegen einen "Dritten". Eine andere Auslegung widerspräche auch der Binnensystematik des Kostenersatzrechts nach
§ 103 SGB XII einerseits und § 104 SGB XII andererseits. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und macht sich diese nach Prüfung zu eigen (§
153 Abs.
2 SGG).
Im Übrigen liegt die Differenzierung zwischen Vertretern und Dritten der gesamten bundesdeutschen Rechtsordnung auch jenseits
des Sozialrechts (z.B. im Zivilrecht) zugrunde. Es ist nicht zu erkennen, dass die Gesetzgebung hiervon im Anwendungsbereich
des § 103 SGB XII abweichen oder einen nicht juristischen "Vertreter"begriff verwenden wollte.
3. Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 103 sowie des § 104 SGB XII nicht vorliegen, kann dahinstehen, ob ein Ersatzanspruch wegen des Ablaufs der Frist von drei Jahren nach Erbringung der
Leistung erloschen ist (§ 103 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, § 104 Satz 1 SGB X). Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die Erlöschensfrist bei fortlaufender Leistungsgewährung für jedes Kalenderjahr gesondert
zu laufen beginnt (so Bieback, a.a.O., § 103 Rn. 52), und ob es im Falle späterer Kenntnis der Behörde von der Rechtswidrigkeit
der Leistungsgewährung auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Aufhebungsentscheidung ankommt (hierzu Weber, NDV 2010, S. 278, 282 mit Verweis auf die Rspr. des BVerwG in Fn. 36; a.A. Conradis in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 103 Rn. 23).
Es handelt sich um ein kostenpflichtiges Verfahren nach §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG. Nach dieser Vorschrift werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu dem in §
183 SGG genannten Personenkreis gehört. Hierzu zählen Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger,
Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach §
56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind (§
183 Satz 1
SGG).
Der beklagte Sozialhilfeträger gehört nicht zu diesem Personenkreis. Auch der Kläger ist weder Versicherter noch Leistungsempfänger.
Leistungsempfänger im Sinne des §
183 Satz 1
SGG sind alle Personen, die Sozialleistungen im Sinne des §
11 SGB I beziehen. Der Kläger hat Sozialleistungen weder bezogen noch begehrt. Er wendet sich vielmehr gegen einen Kostenerstattungsanspruch
nach § 103 bzw. 104 SGB XII. Ein solcher Anspruch richtet sich gerade nicht gegen den jeweiligen Leistungsempfänger, sondern gegen einen Dritten, der
die Voraussetzungen für Sozialhilfeleistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten (§ 103 SGB XII) bzw. die zu Unrechte Erbringung von Sozialhilfeleistungen (§ 104 SGB XII) herbeigeführt hat. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 20. Senates des Landessozialgerichtes Nordrhein-Westfalen
(LSG NRW) an (Beschluss vom 21.10.2011, L 20 SO 373/11 B).
Gerichtskostenfreiheit für das erstinstanzliche Verfahren lässt sich auch nicht im Wege eines Umkehrschlusses aus §
197a Abs.
3 SGG begründen. Diese Regelung stellt lediglich klar, dass die Träger der Sozialhilfe nach dem Übergang der Zuständigkeit für
die Sozialhilfe von den Verwaltungsgerichten auf die Sozialgerichte zum 1. Januar 2005 gemäß § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X zwar grundsätzlich weiter von Gerichtskosten freigestellt sind, dies jedoch ausnahmsweise nicht in Erstattungsstreitigkeiten
zwischen Sozialleistungsträgern, die unter §
197a SGG fallen, gelten soll. Schon wegen des lediglich klarstellenden Charakters des §
197a Abs.
3 SGG lässt sich aus dieser Vorschrift jedoch nicht der Umkehrschluss ableiten, dass Verfahren, in denen Sozialhilfeträger als
Kläger oder Beklagter beteiligt sind und die nicht Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Sozialhilfeträgern zum Gegenstand
haben, gerichtskostenfreie Verfahren sind, für die die Kostenentscheidung nach §
193 SGG und nicht nach §
197a SGG zu erfolgen hat (zum Vorstehenden LSG NRW, a.a.O.; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller, Leitherer,
SGG, 10. Aufl. 2012, §
197a Rn. 2b; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007, L 7 SO 5195/06; ebenso bereits LSG NRW, Beschluss vom 09.01.2007, L
20 B 137/06 SO, m.w.N.). Ob eine Streitsache von §
197a SGG erfasst wird oder nicht, ist vielmehr unabhängig von der Frage der hier einschlägigen Befreiung des Sozialhilfeträgers von
den Gerichtskosten nach § 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X allein anhand der Kriterien des §
183 SGG zu beurteilen (Leitherer, a.a.O.).
5. Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) lagen nicht vor. Es ergibt sich eindeutig und unmittelbar aus dem Gesetzestext, dass § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB XII das Vorhandensein eines Vertreters und damit nicht eines bloßen Dritten voraussetzt. Die Anwendung des § 104 SGB XII betrifft die tatrichterliche Sachverhaltswürdigung.