Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin aufgrund einer Genehmigungsfiktion
nach §
13 Abs.
3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Cannabis hat.
Der 1983 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Er leidet unter Psoriasis vulgaris, Psoriasis-Arthropathie,
einer Erkrankung der Haarfolikel sowie einer Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Mit Schreiben vom 07.04.2017, bei der
Antragsgegnerin eingegangen am 18.04.2017, teilte der den Antragsteller behandelnde Facharzt für Innere- und Allgemeinmedizin,
Suchtmedizinische Grundversorgung, Dr. G mit, beim Antragsteller befalle die Arthritis psoriatica praktisch alle Gelenke;
es komme zu rezidivierenden Schmerzattacken sowie deutlicher Morgensteifigkeit von 60 Minuten. Nach mehrfachen Behandlungsversuchen
werde zurzeit eine Schmerztherapie mit Tilidin durchgeführt, die nur einigermaßen befriedigend sei, da es immer wieder zu
Durchbruchschmerzen komme. Nur durch eine multimodale Schmerztherapie sei zurzeit Arbeitsfähigkeit gegeben. Nach eingehender
Beschäftigung mit dem Krankheitsbild und Durchforsten der therapeutischen Alternativen halte er bei dem Antragsteller eine
Therapie mit Cannabis-Produkten für sinnvoll. Er sei mit der Apotheke vor Ort im Gespräch, um eine entsprechende Beschaffungslogistik
aufzubauen. Er erbitte die Zusage der Kostenübernahme.
Mit Schreiben vom 26.4.2017 teilte die Antragsgegnerin dem Arzt mit, vor der Bewilligung sei eine sozialmedizinische Begutachtung
durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) notwendig. Hierfür werde um Beantwortung der Fragen in dem beigelegten
Fragebogen gebeten. Mit Schreiben vom 5.5.2017 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, eine Entscheidung über seinen
Antrag sei innerhalb der gesetzlichen Drei-Wochen-Frist leider nicht möglich, weil sein Arzt bisher eine Anfrage noch nicht
beantwortet habe. Sobald ihr die erforderlichen Unterlagen vorlägen, werde sie unverzüglich über den Antrag entscheiden. Am
9.5.2017 ging der vom Arzt ausgefüllte Fragebogen bei der Antragsgegnerin ein. Am 10.5.2017 übersandte die Antragsgegnerin
die Unterlagen an den MDK und teilte dies dem Antragsteller mit. Der MDK kam zu dem Ergebnis, dass die gesetzlichen Voraussetzungen
für die Verordnung von Cannabis nicht erfüllt seien. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es sich um eine schwerwiegende Erkrankung
handle. Als alternative, allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stünden medikamentöse und
nicht medikamentöse Verfahren zur Verfügung (u.a. multimodale Schmerztherapie, soziales Kompetenztraining bei sozialen Kompetenzdefiziten
und aggressiven Verhaltensstörungen, Einzel- und/oder Gruppen-Psychotherapie ggf. auch stationär). Zu den Alternativen liege
keine begründete und nachvollziehbare Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen
und unter Berücksichtigung des Krankheitszustands des Versicherten vor. Eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine
spürbare positive Einwirkung von Cannabis auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome könne vorliegen. Mit
Bescheid vom 31.5.2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag unter Hinweis auf die Beurteilung des MDK ab.
Am 6.6.2017 hat der Antragsteller hiergegen Widerspruch eingelegt und beim Sozialgericht unter Hinweis auf die seiner Auffassung
nach eingetretene Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3a SGB V einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Mit Beschluss vom 22.6.2017 hat das Sozialgericht Koblenz die Antragsgegnerin vorläufig
bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verpflichtet, den Antragsteller mit einer Cannabis-Therapie entsprechend der Empfehlung
von Dr. G vom 7.4.2017 zu versorgen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die begehrte einstweilige Anordnung
sei zu erlassen, da der geltend gemachte Anspruch bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend wahrscheinlich
und die für den Fall des Unterbleibens der Leistung drohenden Nachteile für den Antragsteller schlechthin unzumutbar seien.
Der Anspruch ergebe sich aus §
13 Abs.
3a SGB V. Der am 18.4.2017 bei der Antragsgegnerin eingegangene Antrag sei hinreichend bestimmt. Hierfür reiche es aus, dass aus dem
Antrag erkennbar sei, dass und welche Leistungen der Leistungsberechtigte begehre. Die Anforderung weiterer Unterlagen durch
die Antragsgegnerin habe nicht zu einer Verlängerung der Entscheidungsfrist geführt. Das Fehlen einer förmlichen ärztlichen
Verordnung sei unschädlich; es genüge, dass der Arzt sich für die beantragte Therapie ausgesprochen habe. §
13 Abs.
3a SGB V begründe sowohl einen Kostenerstattungs- als auch einen Sachleistungsanspruch und zwar unabhängig davon, ob die begehrte
Leistung medizinisch zwingend notwendig oder wirtschaftlich sinnvoll sei. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor, da der Antragsteller
unter erheblichen Schmerzen leide und nur durch die begehrte Therapie seine Arbeitsfähigkeit erhalten werden könne.
Gegen den Beschluss hat die Antragsgegnerin am 23.6.2017 Beschwerde eingelegt. Sie bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen
und trägt ergänzend vor, der Antrag des Antragstellers sei nicht fiktionsfähig, da er nicht hinreichend bestimmt sei; aus
ihm ergebe sich auch nicht im Wege der Auslegung, für wen welche Leistungen in welchem Umfang erbracht werden solle. In dem
ursprünglichen Antrag des Antragstellers sei nur allgemein von "medizinischen Cannabis-Produkten" die Rede gewesen. Eine Konkretisierung
sei erst in der Arztauskunft vom 9.5.2017 auf "Cannabisblüten der Sorte Bedrocan in einem Umfang von zwei Gramm Blüten pro
Tag" erfolgt. Gerechnet von diesem Zeitpunkt sei der Bescheid vom 31.5.2017 innerhalb der Fünf-Wochen-Frist ergangen. Die
Ablehnung der Leistung sei unter Berücksichtigung der Stellungnahme des MDK zu Recht erfolgt. Zudem liege kein Anordnungsgrund
vor. Der Antragsteller habe nicht belegt, dass er seinen Arbeitsplatz nur bei Verordnung von Cannabis-Blüten erhalten könne.
Auch habe er nicht belegt, dass er finanziell nicht in der Lage sei, sich die Cannabisblüten wie bisher selbst auf eigene
Kosten zu beschaffen. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung sei zu unbestimmt, da er nicht erkennen lasse, mit welcher
Art von Cannabis-Therapie der Antragsteller zu versorgen sei. Das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob dem Antragsteller nicht
jedenfalls vorerst auch mit dem wesentlich günstigeren und allgemein in der Schmerztherapie bewährten Dronabinol (Wirkstoff
THC) geholfen werden könnte.
Der Antragsteller trägt vor, sein Antrag vom 7.4.2017 sei hinreichend bestimmt gewesen. Zu berücksichtigen sei, dass §
31 Abs.
6 SGB V eine Genehmigung durch die Krankenkasse nur bei der ersten Verordnung fordere; dabei gehe es also nicht um die Frage, in
welcher Form und in welcher Dosis Cannabis eingesetzt werden solle. Es sei Aufgabe des verordnenden Arztes, das Wirtschaftlichkeitsgebot
des §
12 SGB V zu berücksichtigen. Die Leistung sei auch eilbedürftig. Ohne die Cannabistherapie drohten ihm schwere gesundheitliche Nachteile
sowie der Verlust des Arbeitsplatzes. Zudem habe er in den vergangenen Jahren unter anderem auch durch den Erwerb von Cannabis,
erhebliche Schulden angesammelt. Es sei ihm daher nicht weiter möglich, mehr als 1000 € für seinen Cannabisbedarf aufzubringen.
Im Übrigen sei die begehrte einstweilige Anordnung auch im Rahmen einer gebotenen Folgenabwägung zu erlassen.
Der Antragsteller hat eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 21.6.2017 vorgelegt, wonach sein Arbeitsverhältnis nur aufrechterhalten
werden könne, wenn ihm die Kostenübernahme der Krankenkasse für die dringend notwendige Medikation erteilt werde; anderenfalls
müsse das Arbeitsverhältnis aufgrund der unzureichenden Leistungs- und Einsatzfähigkeit beendet werden. Weiter hat er ein
Attest des Facharztes für Innere Medizin E vom 21.6.2017 vorgelegt, wonach durch seine Psoriarisarthritis ein chronisches
Schmerzsyndrom mit Beeinträchtigung der Konzentration und der Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz bestehe. In der Vergangenheit
seien erfolglos verschiedene Schmerzmittel ausgetestet worden. Durch den Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln sei der Antragsteller
in der Lage, seinen Verpflichtungen am Arbeitsplatz nachzukommen. Ohne diese Arzneimittel sei eine regelmäßige Tätigkeit nicht
möglich und der Arbeitsplatz gefährdet.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der
Antragsgegnerin, der Gegenstand der Beratung war.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht verpflichtet,
den Antragsteller vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit einer Cannabistherapie zu versorgen. Es war lediglich
klarzustellen, dass diese Verpflichtung nur entsprechend einer jeweils auszustellenden ärztlichen Verordnung und nur bis zum
Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens gilt. Zudem war die Fortgeltung der Verpflichtung davon abhängig zu machen,
dass der Antragsteller Klage erhebt.
1. Das Sozialgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach
§
86b Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ausgegangen. Dem Antragsteller steht keine einfachere Möglichkeit zur Durchsetzung seiner Rechte zur Verfügung. Wie noch
auszuführen sein wird, ist bei der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der
Antragsteller gegen die Antragsgegnerin auf Grund einer Genehmigungsfiktion nach §
13 Abs.
3a SGB V Anspruch auf Versorgung mit Cannabis hat. Rechtsfolge der Genehmigungsfiktion ist ein Verwaltungsakt, der eigenständig einen
dem Antrag entsprechenden Naturalleistungsanspruch begründet (BSG 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R, Terminbericht). Für den Antragsteller ist eine unmittelbare Vollstreckung aus diesem (fiktiven) Verwaltungsakt nicht möglich.
Denn § 66 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) regelt nur die Vollstreckung zugunsten der Behörde, nicht aber gegen eine Behörde oder juristische Person des öffentlichen
Rechts. Erfüllt ein Sozialversicherungsträger einen bindend festgestellten Leistungsanspruch nicht, muss der Betroffene Leistungsklage
erheben oder - wenn ein Titel vorliegt - nach §§ 198 ff.
SGG vorgehen (Mutschler, in KassKomm, SGB X § 66 Rn. 2-4, zitiert nach [...]). Eine Vollstreckung nach §§
198 ff.
SGG ist hier nicht möglich, da der hier in Rede stehende Verwaltungsakt nicht zu den nach §
199 SGG genannten Vollstreckungstiteln zählt (B. Schmidt, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
198 Rn. 3 m.w.N.). Zur Durchsetzung der fiktiven Genehmigung hat der Antragsteller daher nur die Möglichkeit, Leistungsklage
zu erheben und zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §
86b Abs.
2 SGG zu beantragen, die dann nach §
199 Abs.
1 Nr.
2 SGG vollstreckbar ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist schon vor Erhebung der (Leistungs-) Klage zulässig
(§
86b Abs.
3 SGG).
Der Zulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung steht die in §
86b Abs.
2 Satz 1
SGG geregelte Vorrangigkeit des Rechtsschutzes nach §
86b Abs.
1 SGG nicht entgegen. Ein Fall des §
86b Abs.
1 SGG liegt nur vor, wenn die Situation einer Anfechtungsklage vorliegt. Das ist hier nicht der Fall. Zwar hat die Antragsgegnerin
den Antrag des Antragstellers mit ihrem Bescheid vom 31.5.2017 abgelehnt und der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid Widerspruch
erhoben. Mit dem vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wendet sich der Antragsteller jedoch nicht gegen diese
ablehnende Entscheidung. Er macht vielmehr geltend, dass sein Antrag bereits als fiktiv genehmigt gelte. Der ablehnende Bescheid
der Antragsgegnerin lässt die Wirksamkeit dieser fiktiven Genehmigung nicht entfallen (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, [...] Rn. 32). Die Antragsgegnerin hat die fingierte Genehmigung auch nicht nach §§
45 ff.
SGB V aufgehoben; die Genehmigung hat sich auch nicht durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt (vgl. dazu BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, [...] Rn. 31). Der somit fortbestehende Anspruch aus der Genehmigungsfiktion ist im Hauptsacheverfahren mit der Leistungsklage
geltend zu machen, eines Widerspruchsverfahrens bedarf es insoweit nicht (LSG Rheinland-Pfalz 2.3.2017 - L 5 KR 217/16, [...] Rn. 11; 3.11.2016 - L 5 KR 197/15, [...] Rn. 13). Dem entsprechend richtet sich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach §
86b Abs.
2 SGG.
2. Das Sozialgericht hat auch zu Recht die Begründetheit des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bejaht. Zu den Voraussetzungen
für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG verweist der Senat gemäß §
153 Abs.
2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Anordnungsanspruch ist zu bejahen, weil eine Leistungsklage
im Hauptsacheverfahren überwiegende Aussicht auf Erfolg hat. Bei der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen
Prüfung der Erfolgsaussichten ist davon auszugehen, dass der Antragsteller Anspruch auf die begehrte Versorgung mit Cannabis
gemäß §
13 Abs.
3a SGB V hat.
Die Bestimmung ist anwendbar, da der Antragsteller einen Sachleistungsanspruch geltend macht, der nicht auf eine Leistung
der medizinischen Rehabilitation gerichtet ist (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, [...] Rn. 16 f.). Die Voraussetzungen für den Eintritt der Genehmigungsfiktion sind erfüllt. Der Antragsteller gehört zum
leistungsberechtigten Personenkreis, da er bei der Antragsgegnerin versichert ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin
ist der ursprüngliche, am 18.4.2017 bei der Antragsgegnerin eingegangene Antrag bereits hinreichend bestimmt. Der Antrag ist
hinreichend bestimmt, wenn sich der Inhalt der fingierten Genehmigung aus dem Antrag in Verbindung mit den einschlägigen Genehmigungsvorschriften
hinreichend bestimmen lässt (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, [...] Rn. 23). Hierfür genügt es, dass das Behandlungsziel klar ist (BSG 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R, Terminbericht).
Im vorliegenden Fall ist der ursprüngliche Antrag gerichtet auf die Genehmigung der "Verordnung von medizinischen Cannabis-Produkten,
die seit März 2017 erlaubt sind", wobei das konkrete Produkt von den Beschaffungsmöglichkeiten der örtlichen Apotheke abhängen
sollte. In Verbindung mit der dadurch in Bezug genommenen, zum 10.3.2017 in Kraft getretenen Regelung des §
31 Abs.
6 SGB V war der Antrag somit auf Versorgung mit den dort genannten Cannabis-Produkten in Form von "getrockneten Blüten oder Extrakten
in standardisierter Qualität" sowie "Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon" gerichtet. Jedenfalls unter
Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls erachtet der Senat bei der hier gebotenen summarischen Prüfung
diesen Antrag als hinreichend bestimmt. Durch die Bezugnahme auf §
31 Abs.
6 SGB V ist der Antrag auf die dort genannten vier Produktarten eingeschränkt. Diese sind nach der gesetzlichen Regelung sämtlich
grundsätzlich genehmigungsfähig. Mit der im Antrag enthaltenen Umschreibung war auch das Behandlungsziel (Schmerzlinderung)
konkret bestimmt. Aus dem Antrag war auch ersichtlich, dass die Auswahl des konkreten Produkts aus dem Kreis der genehmigungsfähigen
Produkte von den Liefermöglichkeiten der Apotheken abhängig sein sollte. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände
des Einzelfalls erscheint vertretbar, den Antrag als hinreichend bestimmt anzusehen.
Soweit die Antragsgegnerin meint, auch im Rahmen der fiktiven Genehmigung müsse gewährleistet sein, dass der Leistungsberechtigte
nur mit dem wirtschaftlich günstigsten Cannabis-Produkt versorgt wird, steht das der Fiktionsfähigkeit des Antrags nicht entgegen.
Denn der verordnende Arzt ist bei der konkreten Verordnung zur Vermeidung von Regressansprüchen an das Wirtschaftlichkeitsgebot
des §
12 Abs.
1 SGB V gebunden.
Der Antragsteller durfte die beantragte Leistung auch für erforderlich halten. Eine Leistung ist im Sinne des §
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V erforderlich, wenn der Berechtigte sie subjektiv für erforderlich halten darf, weil sie fachlich befürwortet wird, sie nicht
offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung liegt und keine Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch
vorliegen (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, [...] Rn. 26 f.). Zwar mag bei der Beantragung von Cannabis-Produkten die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs besonders groß
sein. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass nach §
31 Abs.
6 Satz 2
SGB V die Genehmigung "nur in besonders begründeten Ausnahmefällen" abgelehnt werden darf. Im vorliegenden Fall hat der behandelnde
Arzt die Versorgung befürwortet. Der Arzt führt zudem die Zusatzbezeichnung "Suchtmedizinische Grundversorgung", die nach
der Weiterbildungsordnung u.a. besondere Kenntnisse in der Beratung im Zusammenhang mit suchterzeugenden Stoffen erfordert. Seiner fachlichen Befürwortung
kommt daher ein besonderes Gewicht zu. Mit der Einführung eines Anspruchs auf Versorgung mit Cannabis durch Einfügung von
§
31 Abs.
6 SGB V mit Wirkung vom 10.3.2017 ist die Leistung auch Bestandteil des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung. Der
Arzt hat in dem Antrag auch die den Anforderungen des §
31 Abs.
6 Satz 1 Nr.
1 und
2 SGB V entsprechenden Gründe für die Versorgung mit Cannabis näher dargelegt. Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch sind daher nicht
erkennbar.
Die Antragsgegnerin hat über den am 18.4.2017 eingegangenen Antrag nicht innerhalb der maßgeblichen Frist entschieden. Dabei
kann dahinstehen, ob eine Entscheidungsfrist von drei Wochen galt, weil die Antragsgegnerin den Antragsteller erst nach Ablauf
der Drei-Wochen-Frist (9.5.2017) mit Schreiben vom 10.5.2017 darüber unterrichtet hat, dass sie den MDK beteilige, oder ob
eine bis 23.5.2017 laufende Fünf-Wochen-Frist galt, weil die Antragsgegnerin den Arzt, der den Antrag für den Antragsteller
gestellt hat, bereits mit Schreiben vom 24.4.2017 über die Beteiligung des MDK unterrichtet hatte. Auch die Fünf-Wochen-Frist
wäre durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 31.5.2017 nicht eingehalten. Wie bereits ausgeführt, war der ursprüngliche,
am 18.4.2017 eingegangene Antrag hinreichend bestimmt und hat die Frist in Lauf gesetzt.
Die maßgebliche Frist hat sich auch nicht durch eine Mitteilung der Antragsgegnerin gemäß §
13 Abs.
3a Satz 5
SGB V verlängert. Sie hat dem Antragsteller zwar mit Schreiben vom 5.5.2017 mitgeteilt, dass sie wegen der ausstehenden Antwort
des behandelnden Arztes auf ihre Anfrage nicht innerhalb der gesetzlichen Drei-Wochen-Frist entscheiden könne. Sie hat es
jedoch versäumt, hierbei die prognostizierte Dauer der Verzögerung taggenau anzugeben (zu diesem Erfordernis BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/15 R, [...] Rn. 20).
Damit ist die Genehmigungsfiktion eingetreten mit der Folge, dass der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin nicht nur gemäß
§
13 Abs.
3a Satz 7
SGB V einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbst beschafften Leistung, sondern auch einen Anspruch auf Gewährung der
Leistung als Naturalleistung hat (BSG 8.3.2016 - B 1 KR 25/16 R, [...] Rn. 25; BSG 11.7.2017 - B 1 KR 26/16 R, Terminbericht).
Das Sozialgericht hat auch zu Recht einen Anordnungsgrund bejaht. Aus den ärztlichen Stellungnahmen geht hervor, dass der
Antragsteller ohne Cannabis unter erheblichen Schmerzen leidet. Durch die im Beschwerdeverfahren vorgelegte Bescheinigung
des Arbeitgebers ist auch glaubhaft gemacht, dass er ohne die Einnahme von Cannabis nicht arbeitsfähig wäre und Gefahr läuft,
seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Der Antragsteller hat auch glaubhaft dargelegt, dass ihm die Beschaffung der Cannabis-Produkte
aus eigenen Mitteln nicht weiter möglich ist.
Durch die einstweilige Anordnung wird die Hauptsache nicht vorweggenommen, da die Antragsgegnerin, falls sie im Hauptsacheverfahren
obsiegt, einen Rückgewähr- bzw. Schadensersatzanspruch hätte (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
86b Rn. 31, 49).
Zur Klarstellung war die Zurückweisung der Beschwerde mit der Maßgabe zu versehen, dass einer Verpflichtung der Antragsgegnerin
nur besteht, wenn eine ärztliche Verordnung vorliegt. In zeitlicher Hinsicht war unter Berücksichtigung der Vorläufigkeit
der einstweiligen Anordnung klarzustellen, dass sie nur bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens gilt.
Da nicht ersichtlich ist, ob der Antragsteller die nicht an eine Klagefrist gebundene Leistungsklage in der Hauptsache erhoben
hat, war die Fortgeltung der einstweiligen Anordnung an die Bedingung zu knüpfen, dass der Antragsteller - soweit noch nicht
geschehen - bis spätestens einen Monat nach Zustellung dieses Beschlusses im Hauptsacheverfahren Leistungsklage erhebt. Eine
solche Bedingung erscheint unabhängig von einem Antrag der Antragsgegnerin gemäß §
86b Abs.
2 Satz 4
SGG in Verbindung mit §
926 Zivilprozessordnung (vgl. dazu Keller, in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
86b Rn. 48 m.w.N.) zur Wahrung der Vorläufigkeit der einstweiligen Anordnung geboten, da der Antragsteller ansonsten durch Nichterhebung
der nicht fristgebundenen Leistungsklage eine unbefristete Leistungspflicht der Antragsgegnerin herbeiführen könnte. Erhebt
der Antragsteller die Klage in der Hauptsache nicht innerhalb der im Tenor bestimmten Frist, verliert die einstweilige Anordnung
ihre Gültigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§
177 SGG).