LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25.04.2018 - 5 KR 109/17
Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung
Berücksichtigung von einmaligen Kapitalleistungen aus einem Gruppenversicherungsvertrag mit der Bundeslotsenkammer
Einmalige Kapitalleistungen aus einem Gruppenversicherungsvertrag mit der Bundeslotsenkammer stellen eine Rente einer Versicherungs-
bzw. Versorgungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V dar.
Normenkette: ,
SeeLG § 21 ,
SeeLG § 28 Abs. 1 Nr. 6
Vorinstanzen: SG Schleswig 22.06.2017 S 6 KR 119/16
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 22. Juni 2017 wird zurückgewiesen. Die Klage wird
abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen aus einem Gruppenversicherungsvertrag, den die Bundeslotsenkammer mit der
G , u.a. für die Mitglieder der L vereinbart hat, zur Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung heranzuziehen
sind.
Der 1948 geborene Kläger war bis zum Eintritt in den Ruhestand als Lotse tätig und gehörte der L an. Deren Mitglieder waren
seit dem 30. September 1972 Versicherungsnehmer des zwischen der Bundeslotsenkammer und dem G abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrages
vom 23./31. August 1972 (Nachtrag Nr. 1). Für sie wurden gemäß § 2 des Vertrages Anwartschaften auf Berufsunfähigkeits-, Alters-,
Witwen- und Waisenrenten gebildet. Die Lotsenbrüderschaft zog die Versicherungsprämien von den Lotsgeldern ab. Die Bundeslotsenkammer
überwies die fälligen Prämien gemäß § 4 des Vertrages in einem Betrag kostenfrei an den G. Dieser verpflichtete sich, für
alle zur Versicherung anzumeldenden Mitglieder auf eine Gesundheitsprüfung zu verzichten. Während der Laufzeit des Vertrages
waren stets alle Mitglieder der versicherten Lotsenbrüderschaften versichert. Versicherungsnehmer war gemäß § 6 des Vertrages
das versicherte Mitglied. Die Bundeslotsenkammer erklärte, von den Versicherten zur Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten
aus den Versicherungsverträgen bevollmächtigt zu sein, wobei sich die Vollmacht nicht auf die Entgegennahme von Versicherungsleistungen,
die Änderung des Bezugsrechtes und die Beantragung der Aufhebung der Versicherung gemäß § 10 des Vertrages erstreckte. Danach
wurde der Vertrag auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und sollte sich stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängern,
wenn er nicht zum Ablauf der ersten fünf Jahre oder danach zum Ablauf eines jeden Versicherungsjahres von einer der beiden
Vertragsparteien gekündigt wird. Der G verpflichtete sich, die bei Erlöschen des Vertrages bestehenden Versicherungen unverändert
fortzuführen, solange die Prämien gesammelt an ihn abgeführt würden. Andernfalls sollte § 7 des Vertrages sinngemäß Anwendung
finden, wobei der Fortsetzungsantrag innerhalt eines Monats nach Erlöschen des Vertrages gestellt sein musste. Nach § 7 des
Vertrages konnten die aus den Lotsenbrüderschaften austretenden Personen innerhalb von drei Monaten nach ihrem Austritt unter
Einreichung des Versicherungsscheins vom G die Fortsetzung der durch ihren Austritt erloschenen Versicherung ohne Gesundheitsprüfung
nach dem entsprechenden Fortsetzungstarif des G s verlangen.
Der Kläger ist pflichtversichertes Mitglied der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Er erhielt seit Januar 2012 neben
der Altersrente in Höhe von 1.909,13 EUR monatlich einen laufenden Versorgungsbezug von der Bundeslotsenkammer - Gemeinsame
Übergangskassen - in Höhe von 202,00 EUR. Im September 2011 zahlte die H zwei einmalige Kapitalleistungen in Höhe von insgesamt
314.891,28 EUR aus. Mit Bescheiden vom 4. Mai 2012 stellte die Beklagte fest, dass die Kapitalabfindung unter Berücksichtigung
der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung (2012 = 3.825,00
EUR monatlich) gemäß § 229 Abs. 1 Satz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ( SGB V) für 10 Jahre zur Beitragsberechnung heranzuziehen sei. Sie forderte Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 296,96
EUR (Beitragssatz 15,5 %) und Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 37,36 EUR (Beitragssatz 1,95 %).
Der Kläger erhob am 15. Mai 2012 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er sei selbst Versicherungsnehmer des Vertrages
gewesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 28. September 2010 unterlägen
die Kapitalleistungen nicht der Beitragspflicht.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Korrektur der Beitragsberechnung und eine Beitragserstattung
nicht möglich sei. Die Beschlüsse des BVerfG vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08 und 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - seien zu Direktversicherungen ergangen. Nach Auskunft der H beruhten die Kapitalleistungen nicht auf Direktversicherungen.
In der Folgebescheid berechnete die Beklagte mit Bescheiden vom 6. Juli 2012, 20. Dezember 2012, 8. Mai 2013, 10. Juli 2013,
6. September 2013, 18. Dezember 2013, 11. Juli 2014, 25. Juli 2014,. 18. Dezember 2014, 7. Juli 2015, 15. Juli 2015 und 17.
Dezember 2015 neu, weil sich das Einkommen oder die Beitragsbemessungsgrenze geändert hatten.
Den Widerspruch des Klägers vom 15. Mai 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2016 zurück.
Der Kläger hat am 29. März 2016 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Das Sozialgericht hat sich mit Beschluss vom 15. April
2016 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung seiner
Klage hat der Kläger vorgebracht, die Kapitalleistung des G s sei als private Altersvorsorge nicht beitragspflichtig. Der
Seelotse sei kein Arbeitnehmer. Seine besondere Rechtsstellung als Selbstständiger, der seine Tätigkeit als freien, nicht
gewerblichen Beruf ausübe, folge aus § 21 Seelotsgesetz (SeeLG). Die Beiträge zur Kapitallebensversicherung seien aus seinem
privaten, zu versteuernden und auch mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belasteten Einkommen finanziert worden.
Er selbst sei Versicherungsnehmer gewesen. Die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 10. Juni 1988 - 12 RK 35/86 - nach der zu den in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) beitragspflichtigen Versorgungsbezügen im Sinne des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung ( RVO) auch Leistungen gehören können, die von einem privaten Versicherungsunternehmen aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrages
erbracht würden, der für die Mitglieder der Berufsgruppe der Seelotsen Leistungen im Falle der Berufsunfähigkeit, des Alters
und des Todes vorsehe, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - keinen Bestand mehr haben.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2012 in der Fassung des Bescheides vom 24. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. März 2016 aufzuheben.
Die Beklage hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat weiterhin die Rechtsauffassung vertreten, dass die Rechtsprechung des BVerfG zu Direktversicherungen des Arbeitgebers
nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar sei.
Das Sozialgericht hat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) die Klage ohne mündliche Verhandlung mit Urteil vom 22. Juni 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Anfechtungsklage
sei unzulässig, soweit sie sich gegen "den Bescheid" vom 24. Juli 2012 richte. Bei diesem handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt,
sondern lediglich um ein Hinweisschreiben der Beklagten. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Beklagte habe zu Recht
die an den Kläger ausgezahlten einmaligen Kapitalleistungen in Höhe von 121.861,50 EUR und 193.029,78 EUR bis zur Beitragsbemessungsgrenze
zur Beitragsbemessung in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner herangezogen. Die Kapitalleistungen würden eine Rente
einer Versicherungs- bzw. Versorgungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V darstellen. Das habe das Bundessozialgericht (BSG) zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung ( RVO) für den hier zugrunde liegenden Gruppenversicherungsvertrag zwischen der Bundeslotsenkammer und der Gerling Lebensversicherungs-AG
mit Urteil vom 10. Juni 1988 - 12 RK 35/86 - entschieden. Dieser Entscheidung schließe sich die Kammer an. Denn der geschlossene Gruppenversicherungsvertrag stelle
eine kollektive Maßnahme einer Berufsgruppe - hier der Lotsen - dar, die Leistungen in Form von einmaligen Kapitalleistungen
zum Gegenstand habe, die einen unmittelbaren Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit des Klägers als Lotse aufweise. Der Leistung
komme Einkommensersatzfunktion zu. Das Versicherungsverhältnis habe daher nicht lediglich auf berufsfremder Eigenvorsorge
beruht. Soweit der Kläger vortrage, es habe sich bei dem Gruppenvertrag um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gehandelt,
weil eine entsprechende Rechtsmacht unter Berücksichtigung zivilrechtlicher Maßstäbe nicht aus § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG abgeleitet
werden könne, spiele das für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide keine Rolle. Zum einen sei das
Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der G zum Zeitpunkt der Verbeitragung der ausgezahlten Kapitalleistungen bereits
abgewickelt und beendet gewesen. Zum anderen würde es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn der Kläger
einerseits den Vertrag bis zur Auszahlung der Kapitalleistungen akzeptiert und die Vorteile der Gruppenversicherung für sich
genutzt habe, sich nunmehr im Nachhinein unter Berufung auf die (mögliche) Unwirksamkeit des Vertrages der Beitragspflicht
entziehen wollen. In diesem Zusammenhang könne auch dahinstehen, ob der Kläger eine Wahlmöglichkeit gehabt habe, sich für
oder gegen den Vertragsbeitritt zu entscheiden, da auch Renten, die aufgrund freiwilliger Mitgliedschaft in einem Versicherungsverein
für bestimmte Berufe erworben worden seien, der Beitragspflicht unterlägen. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V enthalte diesbezüglich keine Beschränkung auf Renten aus Pflichtversicherungen. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden,
dass der Gesetzgeber mit den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und den Versorgungsbezügen im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich und in typisierender Weise alle diejenigen Bezüge von Institutionen und aus Sicherungssystemen der Beitragspflicht
unterworfen habe, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit und der Erwerbstätigkeit bestehe und die nach Eintritt
des Versicherungsfalles dazu dienten, Erwerbseinkommen zu ersetzen oder die Hinterbliebenenversorgung sicherzustellen. Die
grundlegende Entscheidung des BSG vom 10. Juni 1988 - 12 RK 35/86 - sei durch die aktuelle Rechtsprechung des BVerfG, die zu Direktversicherungen ergangen sei, nicht überholt. Sie sei auf
die hier vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar. Das BVerfG habe maßgeblich darauf abgestellt, dass nach Beendigung
des Beschäftigungsverhältnisses der Beschäftigte in die Versichertennehmereigenschaft des Arbeitgebers eintrete und selbst
weiter Prämien zahle. Erst dann könne von einer vollständigen Lösung aus dem beruflichen Bezug ausgegangen werden. Hier sei
der Kläger zwar von Beginn an Versicherungsnehmer gewesen und habe die Beiträge gezahlt. Während der gesamten Zeit seiner
Berufstätigkeit habe jedoch durch die Bestallung und die damit einhergehende Pflichtmitgliedschaft in der Lotsenbrüderschaft
ein unmittelbarer beruflicher Bezug vorgelegen. Danach seien Prämien nicht mehr gezahlt worden.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 27. Juni 2017 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, die
am 10. Juli 2017 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen
sein bisheriges Vorbringen, dass es sich bei der Kapitalleistung aus der Lebensversicherung um private Vorsorge handele, die
nicht der Beitragspflicht unterliege. Die Lebensversicherung werde nicht deshalb zum Versorgungsbezug, weil sie über den Rahmenvertrag
flankiert werde. Mit dem Rahmenvertrag sei nur die Absicht verfolgt worden, dass die jeweilige Lotsenbrüderschaft als eine
Art "Poststelle" fungiere. Da die Lotsenbrüderschaft für Rechnung der Lotsen die Lotsgelder einnehme und dann nach Maßgabe
einer Verteilungsordnung an die Lotsen verteile, sei es für den G von Interesse gewesen, die Zahlungen gebündelt zu erhalten,
um den administrativen Aufwand zu verringern. Ansonsten hätten sich die Umstände, unter denen die Lebensversicherungsverträge
abgeschlossen worden seien, nicht von denen privater Vorsorge unterschieden. Er selbst sei Versicherungsnehmer gewesen und
habe die Prämien für die Versicherung aus seinem bereits verbeitragten und versteuerten Einkommen gezahlt. Die Prämienhöhe
in § 2 Ziffer 2 des Vertrages von 6,9 % sei nicht verbindlich gewesen. Allenfalls habe es sich um eine Mindestsumme gehandelt.
Die Lotsen seien berechtigt gewesen, weitere Zahlung auf die Einzelversicherung zu leisten. dies sei auch erfolgt. Es habe
sogar ein Wahlrecht bestanden. So habe die L im Jahr 2008 einen sogenannten "VA-Überschuss" erwirtschaftet, der unter den
Lotsen zu verteilen gewesen sei. Diese hätten ein Wahlrecht gehabt, ob sie sich diesen Betrag ganz oder teilweise auf das
private Konto überweisen ließen oder - auch teilweise - zusätzlich auf die Versicherung zahlen wollten. § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V beziehe sich nur auf Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe etabliert würden.
Das sei hier nicht der Fall. Allenfalls könne davon ausgegangen werden, dass der G einen Tarif gewährt habe, mit dem "Gruppen"
versichert würden. Die gewählte Tarifkonstruktion sei jedoch nicht ausschließlich auf die Berufsgruppe der Lotsen bezogen.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass hier noch nicht einmal die gesamte Berufsgruppe der Lotsen betroffen sei. 1/3 der Lotsenbrüderschaften
seien von dem Rahmenvertrag nicht umfasst gewesen. Sie repräsentierten rund 50 % aller in der Bundesrepublik Deutschland bestallten
Seelotsen. Eine derartige "Insellösung" eines vermeintlich bestehenden Versorgungsproblems der Lotsen im Alter könne nicht
als eine für eine bestimmte Berufsgruppe geltende Einrichtung angesehen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten und
des Sozialgerichts sei auch die Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar. Es sei dem BVerfG für die Beurteilung des betrieblichen Bezugs maßgeblich
auf die Frage angekommen, wer Versicherungsnehmer sei und wer die Prämien zahle. Würde die Kapitalleistung der Beitragspflicht
unterworfen, obwohl von ihm als Versicherungsnehmer bereits die Prämien für die Lebensversicherung aus verbeitragten und versteuerten
Einkommen gezahlt worden seien, läge eine unzulässige doppelte Beitragserhebung vor, die gegen die Eigentumsgarantie des Art.
14 Abs. 1 Grundgesetz ( GG) verstoße. Das BVerfG habe aus Art. 14 Abs. 1 GG sowohl entwickelt, dass eine Doppelbesteuerung unzulässig sei wie auch den Grundsatz, dass dem Steuerpflichtigen im Kern
ungefähr die Hälfte seines Einkommens belassen werden müsse. Deswegen könne - beispielsweise - bei der Besteuerung von Zinseinkünften
nur der Ertragsanteil herangezogen werden, wobei der Kapitalstock unangetastet bleibe. Selbst wenn man zu dem Ergebnis gelangen
würde, dass es sich hier um Versorgungsbezug handeln solle, sei nicht erkennbar, warum dann nicht auch hier nur der durch
die Versicherung erzielte Ertragsanteil der Beitragspflicht unterworfen werde. Weder die Bundeslotsenkammer noch die einzelnen
Lotsenbrüderschaften seien zum Abschluss eines Versicherungsvertrages, aus dem die einzelnen Lotsen verpflichtet worden, ermächtigt
gewesen. Diese Ermächtigung könne insbesondere nicht aus § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG abgeleitet werden. Er beziehe eine angemessene
Altersversorgung über die gesetzliche Rentenversicherung und eine laufende Versorgung von der Bundeslotsenkammer. Mehr als
eine angemessene Altersversorgung könne nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG nicht verlangt werden. Eine Versorgungs- oder Versicherungseinrichtung
im Sinne des § 229 Abs. 1 Nr. 3 SGB V setze zudem ein verpflichtendes Moment voraus, welches mangels gesetzlicher Ermächtigung und fehlender Vollmacht der Bundeslotsenkammer,
für die einzelnen Lotsen rechtswirksame Erklärungen abzugeben, hier nicht vorgelegen habe.
Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren sämtliche im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ergangenen Beitragsanpassungsbescheide
benannt bzw. vorgelegt hat,
beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 22. Juni 2017 und die Bescheide vom 4. Mai 2012, 6. Juli 2012, 20. Dezember 2012,
8. Mai 2013, 10. Juli 2013, 6. September 2013, 18. Dezember 2013, 11. Juli 2014, 25. Juli 2014, 18. Dezember 2014, 7. Juli
2015, 15. Juli 2015 und 17. Dezember 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2016 sowie die Bescheide vom
8. Juli 2016, 21. Dezember 2016, 13. Juli 2017, 19. Juli 2017 und 23. Juli 2017 aufzuheben, soweit damit Beiträge zur gesetzlichen
Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund Einnahmen aus Kapitalzahlungen der H erhoben worden sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen die Bescheide vom 13. Juli 2017, 19. Juli 2017 und 23. Dezember 2017 abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten
verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers und seine Klage gegen die im Berufungsverfahren erlassenen Bescheide sind zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide, zu denen
gemäß §§ 86, 96 SGG auch die von der Beklagten im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren erlassenen und im Berufungsantrag aufgeführten Änderungsbescheide
gehören, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht die dem Kläger vom G ausgezahlte Lebensversicherung
zur Beitragsberechnung herangezogen. Das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts ist sowohl in der Begründung, die auf die
Rechtsprechung des BSG Bezug nimmt, als auch im Ergebnis rechtmäßig. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweist der Senat auf die Entscheidungsgründe
des Sozialgerichts gemäß § 153 Abs. 2 SGG.
Die Berufungsbegründung des Klägers, dass die Heranziehung der ausbezahlten Lebensversicherung zur Beitragsbemessung rechtswidrig
ist, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Insoweit verweist der Senat auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 10. Juni 1988 - 12 RK 35/88 -, der er sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG im Beschluss vom 28. September 2010 - 1 BvR 1660/08 - weiterhin anschließt. Bei der hier streitigen Kapitalleistung in Höhe von 314.891,28 EUR handelt es sich um Renten einer
Versicherungseinrichtung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Das hat das BSG zu der im Wesentlichen gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 180 Abs. 8 Satz 2 Nr. 3 RV0 für den Gruppenversicherungsvertrag zwischen der Bundeslotsenkammer und dem G in dem genannten Urteil bereits
entschieden.
Danach ist eine Versicherungseinrichtung im Sinne von § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V jede kollektive Maßnahme einer Berufsgruppe, die Leistungen zum Gegenstand hat, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit
der früheren Erwerbstätigkeit stehen und Einkommensersatzfunktion haben. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie von einer
öffentlich-rechtlichen oder privatrechtrechtlichen Einrichtung bezogen werden. Der Begriff der Versicherungseinrichtung setzt
ferner keine sächlichen oder personellen Vorkehrungen voraus, die in einer bestimmten Organisation oder Institution der Berufsgruppe
in Erscheinung treten. Die Einrichtung braucht auch nicht über ein für die Berufsgruppe abgrenzbares Sondervermögen zu verfügen
(BSG, Urteil vom 10. Juni 1988, a.a.O.).
Die Leistungen an den Kläger aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages mit dem G weisen einen unmittelbaren Bezug zu seiner
früheren Erwerbstätigkeit als bestallter Lotse und Mitglied der L auf und haben Einkommensersatzfunktion. Das Versicherungsverhältnis
beruhte daher nicht lediglich auf berufsfremder Eigenvorsorge. Der Abschluss des Gruppenversicherungsvertrages gehörte zu
den Maßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 Nr. 6 SeeLG, die - zusammen mit den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und
den Leistungen der Gemeinsamen Ausgleichskassen - den Mitgliedern der Lotsenbrüderschaften und ihren Hinterbliebenen eine
ausreichende Versorgung für den Fall des Alters, der Berufsunfähigkeit und des Todes gewährleisten sollten. Die gesetzliche
Ermächtigung und zugleich Verpflichtung, Maßnahmen dieser Art zu treffen, umfasste auch die Befugnis, für die Mitglieder der
Lotsenbrüderschaften Gruppenversicherungsverträge abzuschließen und darin die Mitglieder nicht nur als Bezugsberechtigte,
sondern als Versicherungsnehmer mit entsprechenden eigenen Beitragspflichten zu benennen. Zur Wirksamkeit eines solchen Vertrages
bedurfte es weder der Mitwirkung der einzelnen Seelotsen noch ihrer vorherigen oder nachträglichen Zustimmung, insbesondere
nicht einer von ihnen erteilen Vollmacht zum Vertragsabschluss. Nach § 6 Satz 2 des Vertrages hatten die Seelotsen als Versicherungsnehmer
die Bundeslotsenkammer auch nicht zum Abschluss des Vertrages, sondern lediglich "zur Wahrnehmung aller Rechte und Pflichten
aus den Versicherungsverträgen bevollmächtigt". Jedes Mitglied der Lotsenbrüderschaft war für die Dauer seiner Mitgliedschaft
an die Bestimmungen des Vertrages gebunden und insbesondere zur Entrichtung der vereinbarten Beiträge verpflichtet (§ 7 des
Vertrages).
Der Einwand des Klägers, er habe die Wahlmöglichkeit gehabt, sich für höhere Prämienzahlungen zu entscheiden, ist rechtlich
irrelevant, denn sogar Renten, die aufgrund freiwilliger Mitgliedschaft in einem Versicherungsverein für bestimmte Berufe
erworben wurden, unterliegen der Beitragspflicht nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Diese Vorschrift enthält keine Beschränkung auf Renten aus Pflichtversicherungen (BSG, Urteil vom 30. März 1995 - 12 RK 40/95 -, juris). Eben so wenig spielt es eine Rolle, ob der Lebensunterhalt des Klägers auch schon ohne die Kapitallebensversicherung
allein durch die gesetzliche Rente und die Versorgungsbezüge gesichert gewesen wäre. Es gibt keine rechtlichen Anknüpfungspunkte
dafür, Versorgungsbezüge von der Beitragspflicht auszunehmen, nur weil diese das zum Lebensunterhalt Unerlässliche übersteigen
(vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 24. April 2014 - L 1 KR 88/13). Die Grenze bildet insoweit nur die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs. 3 SGB V), die vorliegend beachtet wurde.
Entgegen der Auffassung des Klägers steht dieser Beurteilung auch nicht entgegen, dass nicht die Mitglieder aller Lotsenbrüderschaften
von dem Versicherungsvertrag umfasst waren. Zwar gehört eine privatrechtliche Versicherungseinrichtung nur dann zu den in
§ 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V genannten Versicherungseinrichtungen, wenn der Kreis der Mitglieder auf die Angehörigen eines oder mehrerer Berufe beschränkt
ist (BSG, Urteil vom 30. März 1995, a.a.O.; BSG, Urteil vom 30. Januar 1997 - 12 RK 17/96; beide juris), wenn also außer den Mitgliedern einer Berufsgruppe nicht auch Dritte als Versicherte in Betracht kommen. Dies
ist indes der Fall, denn der Gruppenversicherungsvertrag ist auf die Angehörigen der dort genannten Lotsenbrüderschaften -
also auf See- und Hafenlotsen - beschränkt. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass alle Angehörigen eines Berufes in der
betreffenden Versicherungseinrichtung versichert sind (LSG Hamburg, Urteil vom 24. April 2014 - L 1 KR 88/13).
Der Beitragspflicht steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die Prämien für die Versicherungen aus seinem Einkommen gezahlt
hat, für das er bereits Beiträge entrichtet hatte. Insoweit gilt ein "Verbot der Doppelverbeitragung" unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten nicht (LSG Hamburg, a.a.O. m.w.N.).
Zwar hat das BVerfG für das Steuerrecht den Grundsatz entwickelt, dass steuerbares Einkommen nur beim erstmaligen Zufluss
zu versteuern sei. Für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten jedoch andere Grundsätze (BVerfG, Nichtannahmebeschluss
vom 6. September 2010 - 1 BvR 739/08 -, juris).
Schließlich ergibt sich auch keine andere Beurteilung unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG im Beschluss vom
28.September 2010. Der Senat teilt die Rechtsauffassung der Beklagten und ihr folgend des Sozialgerichts, dass diese Entscheidung
eine vom Arbeitgeber abgeschlossene Direktversicherung betraf und auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar
ist. Die Entscheidung des BVerfG, wonach mit dem Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung als Versicherungsnehmer nach
Beendigung der Erwerbstätigkeit der betriebliche Bezug gelöst worden sei, ist mit dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nicht
vergleichbar. Denn hier ergibt sich der Bezug zur früheren Erwerbstätigkeit von vornherein nicht aus der Stellung des Arbeitgebers
als Versicherungsnehmer - wie der Kläger selbst in der Berufungsbegründung einräumt, weil weder die Lotsenbrüderschaft noch
die Bundelotsenkammer Arbeitgeber des bestallten Lotsen sind, der seine Tätigkeit gemäß § 21 SeeLG als Selbstständiger ausübt.
Vielmehr folgt die berufliche Bezug daraus, dass die Tätigkeit als bestallter Lotse und die Mitgliedschaft in der L während
der gesamten Laufzeit des aufgrund des Gruppenversicherungsvertrages begründeten Einzelvertrages mit dem Kläger unabdingbare
Voraussetzung für den Abschluss und den Fortbestand der Lebensversicherung war. Der Kläger hatte - solange er Mitglied der
Lotsenbrüderschaft war - keine Möglichkeit, sich durch Kündigung des Einzelvertrages der Pflicht zur Zahlung der Prämien zu
entziehen, obwohl er selbst Versicherungsnehmer war. Insoweit unterscheidet er sich wesentlich von einem Versicherungsnehmer,
der aufgrund einer rein privaten Entscheidung Altersvorsorge durch Abschluss oder Fortführung eines Lebensversicherungsvertrages
betreibt oder eines Arbeitnehmers, der nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die Stellung eines Versicherungsnehmers
einrückt. Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung des BVerfG, auf die der Kläger sein Begehren maßgeblich stützt, keinen
Einfluss auf den Ausgang des vorliegenden Streitfalls haben. Das BVerfG (SozR 4-2500 § 229 Nr. 11 Rdnr. 13,15) hält einen
Berufsbezug nur dann nicht mehr für gegeben, "wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit Beiträge auf eine frühere Direktversicherung
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und nach Einrücken des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers allein
von ihm gezahlt werden". Danach kommt es für die Abgrenzung betrieblicher Altersversorgung von (beitragsfreier) privater Eigenvorsorge
nicht nur auf die "Eigenschaft als Versicherungsnehmer", sondern zusätzlich auch noch auf das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis
im Zeitraum der Beitragszahlung an. Hierauf hat auch das BSG im Beschluss vom 10. September 2015 (B 12 KR 62/14 B), mit dem die
Nichtzulassungsbeschwerde gegen das o.g. Urteil des LSG Hamburg zurückgewiesen wurde, ausdrücklich hingewiesen.
Der berufliche Bezug hätte in Fall des Klägers nur dann gelöst werden können, wenn er während der Laufzeit des Einzelvertrages
nicht mehr als Lotse bestallt und Mitglied einer Lotsenbrüderschaft gewesen wäre und sich gemäß § 7 des Gruppenvertrages nach
Austreten aus der Lotsenbrüderschaft entschieden hätte, die Lebensversicherung zu den dort genannten Bedingungen nach dem
entsprechenden Fortsetzungstarif weiterzuführen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Höhe der berechneten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung unzutreffend
festgesetzt hat, sind für den Senat nicht ersichtlich. Die Beitragsberechnung wird insoweit vom Kläger auch nicht beanstandet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
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