Tatbestand:
Der 1964 geborene Kläger verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Teilfacharbeiter für Straßenbau und war zuletzt
in diversen Malerbetrieben als Maler, Lackierer, Fassadendämmer und Fußbodenverleger tätig. Am 9. Dezember 2010 beantragte
er bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung. Diese zog u.a. Befundberichte der behandelnden Ärzte und einen Entlassungsbericht
der B.-Klinik St. vom 22. September 2010 bei. Nach Letzterem liege bei dem Kläger eine Somatisierungsstörung vor, weil den
geklagten Beschwerden keine objektiven Befunde gegenüber stünden. Der Kläger könne in seinem Beruf als Maler und auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt noch 6 Stunden und mehr tätig sein kann. Allerdings bestehe eine geringe Motivation zur Verbesserung seines Gesundheitszustandes.
So bringe er kaum Verständnis für ein Behandlungsmodell auf und demonstriere eine medizinisch nicht begründete Schonhaltung,
die ihm Aufmerksamkeit und Befreiung von einer Arbeitstätigkeit bringe. Dagegen bestünden die Freizeitaktivitäten in Arbeiten
am Haus, Waldspaziergängen, Skat spielen und Fußball, Einkaufen, Dorfclub und Wandern. Mit dem Bescheid vom 10. Januar 2011
lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2011 zurück.
Am 22. Juni 2011 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Feststellungen der Reha-Ärzte falsch seien. Er führe die beschriebenen
Freizeitaktivitäten nicht durch. Sein Gesundheitszustand erlaube keine Erwerbstätigkeit, da er ständig einen Rollator benutzen
müsse und nicht wegefähig sei.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers beigezogen. Die Hausärztin Dr. D. und der Facharzt für Innere Medizin
Dr. R. haben von einem gleichbleibenden Gesundheitszustand seit 2009 berichtet. Die Neurologin und Psychiaterin Dr. M. hat
ausgeführt, dass es zu einer fundierten Psychotherapie nicht gekommen sei und sich die Behandlung in vier Sitzungen erschöpft
habe. Daraufhin hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Oktober 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger
zur Überzeugung des Gerichts in der Lage sei, seinen bisherigen Beruf als Maler und Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
sechs Stunden und mehr täglich zu verrichten. Das hätten bereits die Klinikärzte in der vom Kläger absolvierten Rehabilitationsmaßnahme
festgestellt und eine Fixierung des Klägers auf ein Krankheitsmodell beschrieben, ohne dass dem objektive Krankheitsbefunde
gegenüber stünden. Der Reha-Aufenthalt werde als nicht konstruktiv gewertet. Diese Leistungseinschätzung werde auch von den
Feststellungen der behandelnden Ärzte bestätigt. Auf die fehlende Bereitschaft für ein Behandlungsmodell habe Dr. M. hingewiesen.
Danach sei eine Psychotherapie bereits nach wenigen Sitzungen beendet worden. Ferner hätten die behandelnden Ärzte des Klägers
von einem gleichbleibenden Gesundheitszustand berichtet.
Mit seiner am 14. November 2012 eingelegten Berufung gegen den seinem Bevollmächtigten am 18. Oktober 2012 zugestellten Gerichtsbescheid
verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und macht geltend, er halte sich für nicht mehr in der Lage, Tätigkeiten sechs Stunden
und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Er sei bereits seit dem 30. August 2013 durchgängig arbeitsunfähig. Nach dem Reha-Entlassungsbericht
der S. Klinik vom 12. Juni 2014 ergebe sich ausdrücklich, dass mit einer Wiederherstellung der vollschichtigen Erwerbsfähigkeit
in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Des Weiteren habe die Sachverständige Dr. B. eindeutig festgestellt, dass er an einer
langjährigen chronischen Schmerzerkrankung leide, die bereits zu einer Persönlichkeitsänderung geführt habe. Es handele sich
dabei um einen Dauerzustand, der mindestens für die nächsten zwei bis drei Jahre nicht abänderbar sei. Die Beschwerden lägen
auch bereits seit der Rentenantragstellung vor. Dagegen werde dem Gutachten des Dr. St. nicht gefolgt, sondern eine neurologisch-psychiatrische
Begutachtung für erforderlich erachtet.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 8. Oktober 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2011 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 2011
Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchs- und Klageverfahren und ist der Auffassung, dass der Leistungsbeurteilung
im Reha-Entlassungsbericht der S. Klinik nicht gefolgt werden könne. Die dortigen Untersuchungen hätten teils zu nicht verwertbaren
Ergebnissen geführt. Auch entspreche der Bericht nicht den Leitlinien für die Begutachtung von Schmerzen, da eine ausführliche
Anamnese zur Alltagsbewältigung und zur Tagesstrukturierung fehle. Ebenso wenig könne dem Gutachten der Dr. B. gefolgt werden.
Dagegen überzeuge das orthopädische Gutachten des Dr. St. sowie das psychosomatische/psychiatrische Gutachten des Dr. D.
Der Senat hat im Berufungsverfahren Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, darunter der Hausärzte Dr. F. vom 11.
März 2013 sowie Dr. B. vom 16. Dezember 2013 und des Facharztes für Neurologie P. vom 2. März 2013, sowie die Epikrise der
L. gGmbH vom 22. August 2013, den stationären Aufenthalt des Klägers vom 20. bis zum 22. August 2013 wegen akuter rechtsseitiger
Oberbauchbeschwerden betreffend, und den Reha-Entlassungsbericht der S. Klinik vom 12. Juni 2014, betreffend die stationäre
psychosomatische Behandlung des Klägers vom 13. März bis zum 17. April 2014, eingeholt. Im Reha-Entlassungsbericht wurde die
Behandlung des Klägers aus therapeutischer Sicht als erfolglos eingeschätzt. Er verfüge bezüglich seiner Schmerzproblematik
ebenso wie seiner Nikotinabhängigkeit über ein geringes Problemverständnis und eine geringe Veränderungsbereitschaft. Die
Entlassung erfolge als arbeitsunfähig. Er sei hinsichtlich seiner letzten Tätigkeit als Maler/Lackierer und auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt unter 3 Stunden arbeitstäglich einsetzbar. Häufig auftretende Schmerzattacken ließen ein kontinuierliches Arbeiten
nicht zu. Zudem bestünden orthopädische Beschwerden. Mit einer Wiederherstellung der vollschichtigen Erwerbstätigkeit sei
in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Sodann hat der Senat die Erstellung eines Schmerzgutachtens bei Dr. B. in Auftrag gegeben. Diese hat in ihrem Gutachten vom
15. April 2015 folgende Diagnosen gestellt:
- Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerz,
- chronisches HWS/LWS-Schmerzsyndrom,
- Pseudospondylolisthesis Grad I Meyerding im Segment C3/4,
- Spondylolisthesis im Segment L5/S1,
- Spondylosis deformans HWS,
- Spondylarthrose,
- lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie,
- chronischer Spannungskopfschmerz,
- chronische Migräne ohne Aura,
- Schwindel,
- Agoraphobie mit Panikstörung,
- soziale und spezifische Phobie,
- generalisierte Angststörung,
- rezidivierende depressive Störung,
- Hypercholesterinämie,
- Zustand nach 30jährigem Nikotinabusus,
- Stress,
- Hypertonus und
- Adipositas.
Der Kläger sei wegen der Schwere dieser Gesundheitsstörungen und im Zusammenspiel derselben wenn überhaupt nur unter 3 Stunden
mit frei wählbaren Pausen und ohne Zielvorgaben belastbar. Er leide unter ausgeprägten Phobien und könne daher weder öffentliche
Verkehrsmittel benutzen noch ein Kfz führen. Wegen seiner Schmerzproblematik sei auch das Gehen stark beeinträchtigt, so dass
die mögliche Wegstrecke unter 200 m liege. Das Leistungsvermögen des Klägers bestehe mindestens seit seinem Reha-Aufenthalt
in der S. Klinik im Frühjahr 2014. Da sich die Beschwerden jedoch nicht verändert hätten, könne davon ausgegangen werden,
dass dieses Leistungsbild schon seit der Rentenantragstellung im Dezember 2010 so bestehe. Es liege ein Dauerzustand vor,
der jedoch behandelbar sei. Allerdings sei die Teilhabe am Arbeitsleben in absehbarer Zeit, mindestens für zwei bis drei Jahre,
nicht wiederherzustellen. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 8. Oktober 2015 hat Dr. B. ihre gutachterliche Einschätzung
bekräftigt.
Des Weiteren hat der Senat ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. St. vom 5. Februar 2016 eingeholt. Dieser hat im Gutachten
die Diagnosen
- Arthrose des Ellenbogengelenkes beidseits mit mäßiger Funktionseinschränkung,
- chronisch rezidivierendes Zervikal-Syndrom mit leichten Funktionseinschränkungen bei degenerativen Veränderungen und muskulären
Dysbalancen ohne Zeichen einer Nervenwurzelirritation,
- chronisch rezidivierendes BWS-Syndrom mit leichter Funktionseinschränkung bei muskulären Dysbalancen,
- chronisch rezidivierende Lumbalgie mit mittelgradiger Funktionseinschränkung bei Spondylolisthesis L5/S1 und degenerativen
Veränderungen,
- Gonalgie beidseits ohne Funktionseinschränkung bei initialer medialer Gonarthrose beidseits und retropatellarer Chondropathie
beidseits sowie
- Senk-Spreizfuß beidseits mit Hallux valgus beidseits und Klauenzehen beidseits mit Belastungseinschränkung gestellt
und zu den daraus resultierenden Leistungseinschränkungen ausgeführt, dass auf orthopädischem Fachgebiet keine erhebliche
Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers vorliege. Er könne noch körperlich leichte Tätigkeiten, also mit Heben und Tragen
von Lasten bis 10 kg, sechs Stunden und mehr pro Tag ausüben. Die Tätigkeiten sollten im regelmäßigen Wechsel von Gehen, Stehen
und Sitzen ausgeübt werden, wobei das Sitzen überwiegen solle. Arbeiten mit vermehrter Belastung der Hals- und der Lendenwirbelsäule
sowie mit einseitiger Körperhaltung und Überkopf bzw. mit Vorhaltung der Arme könnten nicht mehr durchgeführt werden. Ebenso
könne der Kläger keine Tätigkeiten mehr auf Leitern und Gerüsten bzw. im Knien oder mit häufigem Treppensteigen ausüben. Arbeiten
mit nervlicher Belastung und unter Zeitdruck sowie unter Einfluss von Kälte, Zugluft und Feuchtigkeit seien nicht mehr zumutbar.
Hinsichtlich der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit solle jedoch eine zusätzliche neurologisch-psychiatrische Beurteilung
erfolgen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt, zusätzliche, betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Eine
Tätigkeit als Maler komme für den Kläger nicht mehr in Betracht. Dagegen könne er die Tätigkeit eines Produktionshelfers sowie
sonstige ungelernte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus orthopädischer Sicht noch ausüben. Die beschriebenen Leistungseinschränkungen
bestünden bereits seit der Rentenantragstellung und seien voraussichtlich auch nicht mehr zu beheben. Ein zusätzliches neurologisch-psychiatrisches
Gutachten halte er nicht für erforderlich. Die im Reha-Entlassungsbericht der S. Klinik benannte Diagnose einer Coxarthrose
beidseits lasse sich weder dem Untersuchungsbefund noch der bildgebenden Diagnostik entnehmen. Auch die im Gutachten der Dr.
B. beschriebene Müdigkeit und Erschöpfung habe sich bei seiner Anamneseerhebung nicht feststellen lassen. Der dortige orthopädische
somatische Befund sei sehr knapp bemessen und weiche deutlich von seinen Befundergebnissen ab. So habe er im Gegensatz zu
Dr. B. eine deutliche Beweglichkeit der Halswirbelsäule festgestellt. Weder habe sich bei seiner Untersuchung ein Laségue
im Bereich der Lendenwirbelsäule noch eine Blockierung am rechten Kreuz-Darmbeingelenk verifizieren lassen. Zudem sei dem
Gutachten der Dr. B. eine Befunderhebung, die deren Leistungseinschätzung unterstützen würde, nicht zu entnehmen. Bezüglich
ihrer Aussagen zur psychischen Belastbarkeit des Klägers werde ein zusätzliches neurologisch-psychiatrisches Gutachten empfohlen.
Nicht nachvollziehbar sei außerdem die Einschätzung der Wegefähigkeit, da das Gangbild des Klägers bei seiner Untersuchung
keine Auffälligkeiten gezeigt habe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 1. April 2016 hat Dr. St. ausgeführt, dass es
sich um Schreibfehler handle, soweit er im Gutachten eine zusätzliche neurologisch-psychiatrische Begutachtung empfohlen habe.
Tatsächlich empfehle er keine weitere Begutachtung.
Schließlich hat der Senat ein psychosomatisch/psychiatrisches Gutachten unter besonderer Berücksichtigung chronischer Schmerzen
bei Dr. D. in Auftrag gegeben. Dieser hat in seinem Gutachten vom 24. Januar 2017 beim Kläger eine Somatisierungsstörung,
eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung und eine gegenwärtig leichte bis mittelgradige rezidivierende depressive
Störung diagnostiziert und eingeschätzt, dass dieser damit zwar seine letzte Tätigkeit als Maler nicht mehr ausüben könne.
Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, darunter die eines Produktionshelfers, seien ihm jedoch weiterhin noch
vollschichtig zumutbar. Die Testpsychologie belege ein sorgfältiges Arbeiten mit einer Differenziertheit, die über ungelernte
Arbeiten hinausgehe. Einschränkungen bestünden neben den im orthopädischen Gutachten des Dr. St. genannten für alle Arbeiten,
die eine Schwindelfreiheit voraussetzten. Zusätzliche betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Nach der zu erwartenden
therapeutischen Besserung seiner Angststörung könne der Kläger öffentliche Verkehrsmittel benutzen, ein Kraftfahrzeug führen
und auch einen Fußweg in zumutbarer Zeit ohne besondere Gefährdung seiner Gesundheit zurücklegen. Eine Besserung sei allerdings
im Wesentlichen von einer Änderung der Motivationslage sowie vom Abbau des Schon- und Vermeidungsverhaltens abhängig. Dies
sei jedoch aus seiner Sicht möglich und zumutbar.
Mit Schriftsätzen vom 27. Februar 2017 (Kläger) und vom 14. März 2017 (Beklagte) haben die Beteiligten auf die Durchführung
einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der geheimen Beratung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §
124 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist zulässig (§
151 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet; das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung
nach §
43 SGB VI.
Nach §
43 Abs.
2 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare
Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig
zu sein. Nach §
43 Abs.
3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger ist nicht voll erwerbsgemindert. Er kann jedenfalls leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, vorwiegend
jedoch im Sitzen mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Dies haben die im Laufe des Berufungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten
der Dres. St. und D. ergeben, deren Leistungseinschätzungen sich der Senat anschließt.
Die Benennung einer Verweisungstätigkeit ist bei einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich zwar grundsätzlich
nicht erforderlich. Angesichts der Rechtsprechung des 13. Senats des BSG, nach der auch eine größere Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen wegen des Vorliegens ernster Zweifel an der
Einsatzfähigkeit des bzw. der Versicherten für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zur
Verpflichtung der Benennung einer Verweisungstätigkeit führen kann (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1997 - Az.: 13 RJ 1/94 in BSGE 81, S. 15, bestätigt durch Urteil vom 19. Oktober 2011 - Az.: B 13 R 78/09 R), benennt der Senat jedoch im Hinblick auf die festgestellten Leistungseinschränkungen des Klägers vorsorglich als zumutbare
und angesichts seiner gesundheitlichen Einschränkungen mögliche ungelernte Verweisungstätigkeit die eines Produktionshelfers
und lässt dahingestellt, ob danach eine Summierung in diesem Sinne überhaupt vorliegt.
Diese Tätigkeit kann der Kläger, wie die Dres. St. und D. in ihren Gutachten ausdrücklich bestätigt haben, trotz seiner gesundheitlichen
Beschwerden ausüben. Dies ergibt sich aus dem Vergleich mit den im beigezogenen Gutachten der Sachverständigen J. vom 6. Juni
2004 beschriebenen Tätigkeitsanforderungen (S. 9 ff. des Sachverständigengutachtens). Produktionshelfertätigkeiten sind danach
in vielen Branchen und bei unterschiedlichen Produkten anzutreffen, zum Teil auch bei Firmen, die sich auf derartige Arbeiten
im Kundenauftrag spezialisiert haben. Die körperliche Belastung ist abhängig von den zu verrichtenden Detailaufgaben. Z.B.
in der Metall-, Elektro- oder Kunststoffindustrie sowie im Spielwaren- oder Hobbybereich sind Tätigkeiten vorhanden, die nur
leicht belasten und bei denen wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen nicht vorkommen. Auch das Arbeitstempo wird
nicht durch Maschinen oder Anlagen vorgegeben, der Lohn wird nicht nach Akkordrichtsätzen errechnet. Als Einzelaufgaben werden
Waren beklebt, eingehüllt, gezählt, sortiert; es werden Abziehbilder, Warenzeichen oder Etiketten angebracht. Es wird in Papp-,
Holzschachteln oder sonstige Behältnisse eingepackt; diese werden verschlossen und es werden Hinweise oder Kennzeichnungen
angebracht. Bei vorhandenem körperlichem Leistungsvermögen im individuellen Fall sind Tätigkeiten im Innenbereich an Werkbänken
und Arbeitstischen, die nur leicht belasten, möglich und vorhanden.
Als Beispiel für diese Tätigkeiten benennt die Sachverständige Verpackungstätigkeiten in einem Unternehmen der Dentalbranche.
Die im Unternehmen hergestellten Produkte gelangen in die Endverpackung, wo die Produkte so verpackt werden, wie sie an den
Endverbraucher ausgeliefert werden. Es werden z.B. abgefüllte Produkte in eine Faltschachtel gepackt, Spritzen werden in Tiefziehteile
gelegt und kommen dann in eine Faltschachtel. Es werden eine Gebrauchsanweisung oder Mischblöcke dazu gelegt und die Faltschachtel
verschlossen. Die Tätigkeit ist körperlich leicht, die zuvor verpackten Teile wiegen unter fünf Kilogramm, die Tätigkeit kann
im Wechsel von Gehen und Stehen ausgeübt werden, es kann auch nur gesessen werden. Überall da, wo Produkte hergestellt werden,
die direkt an den Endverbraucher gehen, findet eine Endverpackung statt. Diese erfolgt maschinell oder per Hand. Im letzteren
Fall, findet sie nicht im Akkord statt bzw. ist nicht an einen Maschinentakt gebunden. Sofern die zuvor verpackten Teile leicht
sind bzw. nicht mehr als körperlich leicht belasten, können sie von Arbeitnehmern verrichtet werden, die nur körperlich leichte
Arbeiten verrichten dürfen.
Diesem Anforderungsprofil entspricht das festgestellte Leistungsvermögen des Klägers in den von den Dres. St. und D. erstellten
Gutachten, deren Beurteilungen der Senat folgt. Danach kann dieser eine Tätigkeit als Produktionshelfer noch mindestens sechs
Stunden täglich ausüben, da hierbei zwar auch in wechselnder Körperhaltung, jedoch vor allem überwiegend im Sitzen gearbeitet
werden kann.
Auch die von diesen festgestellten weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen werden bei der Tätigkeit eines Produktionshelfers
berücksichtigt. So werden keine Lasten gehoben oder getragen, die schwerer als 10 kg sind. Die Tätigkeiten sind ferner weder
mit vermehrter Belastung der Hals- und der Lendenwirbelsäule noch mit einseitiger Körperhaltung, wie auf bzw. im Knien, oder
mit häufigem Treppensteigen oder mit Überkopfarbeiten bzw. mit Vorhaltung der Arme verbunden. Sie setzen keine Schwindelfreiheit
voraus, denn sie werden nicht auf Leitern und Gerüsten ausgeübt. Arbeiten unter Einfluss von Kälte, Zugluft und Feuchtigkeit
fallen bei einer Tätigkeit als Produktionshelfer nicht an. Insbesondere bei den Verpackungsarbeiten, die von Hand durchgeführt
werden, gibt es auch keinen besonderen Zeitdruck oder nervliche Belastung. Schließlich wird die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit
des Klägers von Dr. D. als unproblematisch angesehen. Danach belegt die Testpsychologie ein sorgfältiges Arbeiten mit einer
Differenziertheit, die über ungelernte Arbeiten hinausgeht. Auch von der derzeit noch eingeschränkten Wegefähigkeit des Klägers,
die allerdings nach den Ausführungen Dr. St. nicht vom orthopädischen Fachgebiet herrührt, ist nach einer zu erwartenden therapeutischen
Besserung auszugehen. Die hierfür erforderliche Änderung seiner Motivationslage sowie der Abbau des Schon- und Vermeidungsverhaltens
sind dem Kläger nach Einschätzung des Dr. D. möglich und zumutbar.
Der Senat folgt ausdrücklich nicht dem Entlassungsbericht der S. Klinik vom 12. Juni 2014, betreffend die stationäre psychosomatische
Behandlung des Klägers vom 13. März bis zum 17. April 2014, sowie dem Schmerzgutachten der Dr. B. vom 15. April 2015.
Sowohl die Ärzte der S. Klinik als auch Dr. B. haben nach der Einschätzung der Dres. St. und D. die Angaben und Sichtweisen
des Klägers ihren Diagnosen bzw. ihrer Leistungseinschätzung ohne kritische Würdigung zugrunde gelegt. Dr. D. führt hierzu
aus, dass der stationäre Aufenthalt des Klägers in der S. Klinik keine derart geringe Fähigkeit zur Aktivität abbildet, wie
im Entlassungsbericht im Rahmen der Leistungseinschätzung ausgeführt wird. Vielmehr liegt hierbei nach Dr. D. eine deutliche
Unterschätzung der wahrnehmbaren und potenziellen Leistungsfähigkeit vor. Des Weiteren weist Dr. D. darauf hin, dass Dr. B.
im psychischen Befund nur wenig objektive Kriterien beschreibt, sondern die Beschwerdeschilderung des Klägers übernimmt und
damit den Schweregrad der Störung festlegt, ohne eine genaue Konsistenzprüfung vorzunehmen. Auch trifft ihre Diagnose "Persönlichkeitsveränderung
bei chronischem Schmerz (F62.8)" nicht zu und für das Vorliegen einer eigenständigen Angststörung im Sinne einer sozialen
Phobie lassen sich in der Krankheitsanamnese keine ausreichenden Anhaltspunkte finden. Außerdem ist der von ihr beschriebene
orthopädische Befund nach Einschätzung des Dr. St. als knapp zu bezeichnen und weist zudem eine deutliche Diskrepanz zu dessen
Befunderhebung auf. Zusammenfassend ist der Senat der Auffassung, dass das im Entlassungsbericht der S. Klinik sowie im Gutachten
der Dr. B. beschriebene aufgehobene Leistungsbild nicht nachvollziehbar begründet wurde. Der Senat macht sich insofern die
Kritik der Dres. St. und D. zu eigen.
Ob dem Kläger mit seinem Leistungsvermögen eine entsprechende Tätigkeit als Produktionshelfer vermittelt werden kann, ist
unwesentlich. Für vollschichtig einsatzfähige Versicherte besteht im Allgemeinen ein offener Arbeitsmarkt (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Ein Versicherter muss sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich auf dem Arbeitsmarkt
im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden,
trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.