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1964 (5)
1963 (3)
1962 (2)
1960 (1)
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LSG Thüringen, Urteil vom 23.05.2012 - 8 SO 640/09
Anspruch auf Sozialhilfe; Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft; Gewährung eines Zuschusses für eine Gruppenreise
1. Für die Entscheidung über die Art und Weise der Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach den §§ 54ff SGB XII besteht nach § 17 Abs. 2 SGB XII auch in den Fällen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII grundsätzlich Auswahlmessen der Träger der Sozialhilfe.
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Träger der Sozialhilfe den Eigenanteil für Unterkunft und Fahrtkosten der Gruppenreise von Teilnehmern einer ambulanten Tagesstätte für psychisch behinderte Menschen nicht als Leistung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 SGB XII in Verbindung mit §
55
SGB IX
erstattet, weil sich die Reise im Ergebnis als Erholungsurlaub darstellt und der Förderbedarf in gleichem Maße in der Tagesstätte gedeckt werden kann. Darüber können das Programm der Reise und die Aktivitäten der Tagesstätte, aber auch Angaben des behinderten Menschen selbst Aufschluss geben.
3. Hilfebedürftige behinderte Menschen können nicht aus Art.
3
GG
ein Recht auf Förderung der Teilnahme an mehrtägigen Erholungsreisen ableiten, weil sie dieselben Möglichkeiten haben müssen, wie nichtbehinderte Menschen; die zutreffende Vergleichsgruppe sind nicht alle nichtbehinderten Menschen, sondern nur solche die selbst hilfebedürftig sind. Hilfebedürftige Menschen ohne Behinderung können indes aus dem SGB XII ebenfalls kein Recht auf Förderung von Erholungsreisen herleiten. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
GG
Art.
3
Abs.
1
,
SGB XII § 17 Abs. 2
,
SGB XII § 53 Abs. 1 S. 1
,
SGB XII § 54 Abs. 1 S. 1
,
SGB IX
§
55
Abs.
1
,
SGB IX
§
55
Abs.
2
Nr.
7
,
SGB IX
§
58
Nr. 1
Vorinstanzen:
SG Altenburg 12.05.2009 S 21 SO 1735/08
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Mai 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Zuschusses in Höhe von (noch) 125,00 Euro für eine Gruppenreise vom 18. bis 22. Juni 2007 nach P. am See. Der 1968 geborene Kläger ist alleinstehend und bewohnte im streitbefangenen Zeitraum eine eigene Mietwohnung in G. (Warmmiete 337,45 Euro). Er leidet laut neurologisch-psychiatrischem Gutachten des Dipl. med. R. vom 18. Dezember 2006 unter einem zerebralen Anfallsleiden (Epilepsie), welches (jedenfalls) 2006 unter einer antiepileptischen Therapie anfallsfrei verlief. Daneben liegt eine rezidivierende depressive Verstimmung auf der Grundlage einer persönlichen Disposition sowie reaktiv verstärkt eine Neurasthenie mit Einschränkung der allgemeinen psychischen und physischen Belastbarkeit und körperlichen Beschwerden vor allem im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates vor. Der Kläger ist laut dem Gutachten vor allem wegen fehlender Sozialkontakte unzufrieden und leidet unter dynamischen Defiziten, einem leicht verlangsamten Sprachfluss und Verlangsamung der grob motorischen Abläufe, einer Antriebsschwäche sowie mangelnder Eigenmotivation und Spontaneität. Im subjektiven Erleben werden kognitive Beeinträchtigungen (teils als Medikamentennebenwirkungen) berichtet. Neben den fehlenden Sozialkontakten folge daraus vor allem eine fehlende Initiative zur Alltagsstrukturierung. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 60 ohne Merkzeichen. Seine einzige Einkommensquelle ist eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland in Höhe von 575,16 Euro netto ab Mai 2005. Die Warmmiete wurde ab Oktober 2006 auf monatlich 349,69 Euro warm angehoben. Für eine Hausrat- und Haftpflichtversicherung zahlt der Kläger monatlich 13,02 Euro. Seinen Kontoauszügen bis Dezember 2006 war maximal ein Guthaben von 600,00 Euro zu entnehmen. Über weiteres Vermögen verfügt er nicht. Unter dem 7. Dezember 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Hilfen in besonderen Lebenslagen. Mit seinem daraufhin erstellten Gutachten vom 18. Dezember 2006 empfahl der Neurologe und Psychiater Dipl. med. R. die Eingliederung in ein tagesstrukturierendes Angebot wegen der obengenannten Erkrankungen und deren Folgen. Die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft schätzt er als anhaltend beeinträchtigt ein; der Kläger zähle zum Personenkreis des § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i. V. m. §
2
Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX
) wegen einer seelischen Behinderung in Form einer neurotischen Störung und Belastungsstörung. Auf die daraufhin eingeleitete Hilfeplanungskonferenz wurde unter dem 7. Dezember 2006 ein integrierter Behandlungs-/Rehabilitationsplan erstellt, mit welchem der Besuch einer Tagesstätte empfohlen wurde. Ziel der Maßnahme sollte seine Integration sein, die Wiedererlangung einer geregelten Tagesstruktur, die Wiedererlangung von Selbstständigkeit und das Training von lebenspraktischen Kompetenzen. Dazu wurde die Teilnahme an einem Programm zur Aktivierung durch Beteiligung an Gymnastik bzw. Walken, ein hauswirtschaftliches Training, ein kognitives Training, die Beteiligung an Gruppenaktivitäten wie Wandern, Besuch kultureller Veranstaltungen, Kegeln, Fitness und Kennenlernen kreativer Angebote zur Beförderung manueller Fähigkeiten empfohlen. Mit Bescheid vom 1. Februar 2007 bewilligte die Beklagte den Besuch der Tagesstätte für psychisch Kranke für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juli 2007 für fünf Tage die Woche. Daneben wurde festgelegt, dass die Kosten für die Teilnahme an Veranstaltungen, Ausflügen und Ähnlichem innerhalb der Tagesstätte vom Kläger selbst zu tragen sind. Die Entscheidung wurde nicht angefochten. Parallel hierzu wurde mit Bescheid gleichen Datums festgesetzt, dass aufgrund fehlender häuslicher Ersparnis kein Kostenbeitrag erhoben werde. Die monatlichen Kosten für die Tagesstätte beliefen sich in der Folgezeit auf circa 1300,00 Euro. Unter dem 15. Februar 2007 beantragte der Kläger einen Kostenzuschuss in Höhe von 135,00 Euro für eine gemeinsame Fahrt der Tagesstättenbesucher vom 18. bis 22. Juni 2007 nach P. am See. Die Gesamtkosten wurden mit 220,00 Euro veranschlagt (40,00 Euro Fahrtkosten plus 180,00 Euro Unterkunft und Halbpension) wobei der Eigenanteil des Klägers von der Tagesstättenleitung in Höhe des beantragten Zuschusses festgesetzt wurde. Die beigelegten Kopien der aktuellen Kontoauszüge wiesen kein höheres Guthaben als maximal 620,00 Euro aus. Ein Programm der Urlaubsfahrt war nicht beigefügt. Unter dem 26. April 2007 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Zuschusses ab, da das Ziel der Förderung des Umgangs mit Nichtbehinderten auch ohne die Reise erreicht werde. Erholungsreisen würden nicht gefördert. Der Aufenthalt am Urlaubsort beinhalte nicht zwangsläufig den Umgang mit nichtbehinderten Menschen. Die Förderung einer solchen Reise sei insbesondere dann eine geeignete Maßnahme, wenn sonst das Leben in stationären Einrichtungen und daher ohne ausreichende Außenkontakte geführt werde. Nichtbehinderte Menschen können auch nicht immer jährlich eine Urlaubsreise antreten. Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch vom 8. Mai 2007 machte der Kläger geltend, die Reise sei durch das Verlassen der heimischen Umgebung für seine Aktivierung erforderlich. Außerdem werde seine Integration in die Gemeinschaft der Tagesstätte gefördert und seine sozialen Kontakte somit aufgebaut. Mit Fortschreibung des integrierten Behandlungs- und Rehabilitationsplanes unter dem 12. Juni 2007 wurde festgestellt, dass es dem Kläger gut gelungen sei, sich in der Tagesstätte einzufinden und zu entwickeln. Außer seiner Familie und einzelnen Tagesstättenbesuchern habe er kaum soziale Kontakte. Mit der Behandlungsplanung habe er weiterhin Schwierigkeiten und benötige Fremdmotivation bei Misserfolgen. Vor Veränderungen, auch beruflichen, äußere er, noch Angst zu haben. Ziel einer weiteren Teilnahme an der Tagesstätte sei unter anderem die Steigerung der Belastungsfähigkeit durch Konfrontation mit neuen Herausforderungen und der Ausbau sozialer Kontakte unter Einschluss privater Möglichkeiten. Ausdrücklich wurde zur Angstbewältigung die Konfrontation mit neuen, unbekannten Situationen durch Beteiligung an einer gemeinsamen Urlaubsfahrt (neue Herausforderung, neue Umgebung) aufgeführt. Mit Bescheid vom 5. Juli 2007 wurde die Förderung des Tagesstättenbesuchs unter denselben Bedingungen wie zuvor nun für den Zeitraum Juli ´07 bis Juni ´08 bewilligt. Ergänzend teilte der Kläger mit, dass die beabsichtigte Urlaubsfahrt unter Begleitung von Betreuern der Tagesstätte stattfinde. Erst unter dem 4. Juni 2008 legte er das Programm der Urlaubsfahrt vor. Danach war für den Anreisetag, dem 18. Juni 2007, die Erkundung der näheren Umgebung sowie gemütliches Zusammensein und ein Spielabend vorgesehen. Der Folgetag sollte mit Frühsport bzw. Walking beginnen, gefolgt von einer Stadtrundfahrt und der anschließenden Erkundung der Stadt in kleinen Gruppen mit der Möglichkeit Museen, Ausstellungen und Kirchen zu besuchen. Für den Nachmittag waren eine Wanderung und Führung durch eine Imkerei mit Honigverkostung (Wahrnehmungstraining) und ein Spieleabend (kognitives Training) geplant. Der 20. Juni sollte wiederum mit Frühsport bzw. Walking beginnen und von einer geführten Wanderung mit einem Förster durch die Tier- und Pflanzenwelt im Seen-Gebiet (Wahrnehmungstraining) gefolgt werden. Am Nachmittag war wahlweise eine Radtour oder Schwimmen am See bzw. kreatives Gestalten vorgesehen. Für den Abend waren Gesellschaftsspiele und Gespräche vorgesehen. Auch der 21. Juni sollte mit Frühsport bzw. Walking beginnen, gefolgt von einer Dampferfahrt auf der Seen-Landschaft bei freier Gestaltung des Nachmittags. Schließlich sollte er mit einem Spieleabend und Gesprächen abschließen. Für den 22. Juni 2006 war die Abreise vorgesehen. Die Unterbringung war im Hotel/Pension "R." geplant. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2008 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Nach § 17 Abs. 2 SGB XII bestehe ein Auswahlermessen der Beklagten hinsichtlich der Art und des Maßes der Leistungserbringung. Behindertenpädagogische Gruppenfahrten seien förderungsfähig, wenn sie weder Urlaubsreisen noch Kurmaßnahmen seien. Sie müssten geeignet sein, den Behinderten am Zielort die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Personen zu ermöglichen und zu erleichtern. Hier könne dieser Bedarf indes anderweitig gedeckt werden, nämlich entsprechend den Festlegungen des Behandlungs- und Rehabilitationsplans in der Tagesstätte selbst. Der Erfolg dieser Maßnahme werde im Plan selbst bestätigt. Die Aktivitäten auf der Reise beschränkten sich im Wesentlichen auf solche innerhalb der Gruppe der Tagesstättenbesucher selbst. Es erfolge nur eine örtliche Verlagerung der Hilfe an den Urlaubsort. Folglich sei kein weiterer notwendiger zu deckender Bedarf vorhanden. Das Problem des Klägers sei es nicht den Kontakt zu nichtbehinderten Menschen herzustellen, sondern überhaupt Kontakte herzustellen. Dazu diene die Tagesstätte. Aufgrund des selbstständigen Wohnens des Klägers würden sich ohnehin genügend Kontakte zu nichtbehinderten Menschen im Alltag ergeben. Die Tagesstätte solle hierfür lediglich den Grundstein legen. In dem Fortschreibungsplan vom 28. Mai 2009 werden noch Schwierigkeiten bei der geordneten Lebensführung berichtet. Daneben wird von einer positiven Entwicklung des Selbstwertgefühls gesprochen. Die zunächst mit dem Ziel der Verurteilung zur Gewährung eines Zuschusses von 135,00 Euro eingereichte Klage ist entsprechend der Höhe einer in Folgenden vorgelegten, quittierten Darlehenserklärung des Klägers über 125,00 Euro zur Finanzierung der Urlaubsreise durch seinen Vater in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts auf 125,00 Euro reduziert worden. Entsprechend einer Erklärung der Tagesstättenleitung hat der Kläger neben seinem Eigenanteil weitere 50,00 Euro für die Kosten der Tagesausflüge zahlen müssen. Der Kläger ist der Auffassung, die Fahrt nach P. am See fördere einen Fall nach §
55
Nr. 2
SGB IX
und diene dem Kontakt zu anderen Maßnahmeteilnehmern sowie nichtbehinderten Dritten. Es handele sich insbesondere nicht um eine aufwendige Reise, sondern um eine einwöchige Erholungsfahrt, die auch Behinderten zustehen solle. Unter dem 12. Mai 2009 hat das Sozialgericht Altenburg die Beklagte zur Zahlung eines Zuschusses von 125,00 Euro unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt. Die Kosten sind mit 93 % entsprechend der Antragsreduzierung während des Verfahrens festgelegt worden. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf eine Veröffentlichung von Gagel bezogen. Danach sei §
58
SGB IX
eine sehr offene und weite Vorschrift mit dem Ziel, die Defizite auszugleichen, die sich im Umgang mit dem Umfeld durch die Behinderung ergeben würden. Dazu sei eine möglichst weitgehende Kommunikationsmöglichkeit zu schaffen, wie bei nichtbehinderten Menschen; es sei nicht die Erhaltung eines Minimums an Kommunikation das Ziel, sondern ein weitestgehender Behinderungsausgleich. Der behinderte Mensch dürfe nicht von Tätigkeiten ausgeschlossen werden, die im normalen Leben üblich seien, wie den Wechsel des Umfeldes in Gemeinschaft. So sei der vorliegende Fall gelagert. Die Reise fördere die Persönlichkeit durch die Aktivitäten sowie die Sozialisationsfähigkeit; dies sei eine gegenüber Tagesausflügen grundsätzlich andere Situation. Diese Situation unterscheide sich auch vom Alltagsleben des Klägers in seiner eigenen Wohnung. Die Fahrt diene der Konfrontation mit dem Ziel der Angstbewältigung. Der vorliegenden Entscheidung stünde auch nicht die Bedingung aus dem Bescheid vom 1. Februar 2007 entgegen, dass die Finanzierung von Tagesausflügen ausgeschlossen sei. Dies gelte nämlich nicht für mehrtägige Reisen. Weil der Kläger seinen Bedarf wegen der Ablehnung der Beklagten darlehensweise gedeckt habe, sei der Zuschuss auch für vergangene Bedarfe zu gewähren. Über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen verfüge der Kläger nicht. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. Beigeschlossen worden ist ein Tagesstättenkonzept der Beklagten, welches teilstationäre Hilfen unter anderem durch Einsatz von Sozialpädagogen, Ergotherapeuten, Heilerziehungspflegern und Erziehern vorsieht. Ziel sei die Integration in die Gesellschaft durch Förderung von Alltagskompetenz und Lebenspraxis, Tages- und Kontaktgestaltung sowie Teilnahme am öffentlichen Leben und gegebenenfalls spezifische Förderungen. Ausdrücklich ist auch die Urlaubsgestaltung durch einmal jährliche Urlaubsfahrt als Ziel genannt worden. Beigeschlossen worden ist ferner die Kopie eines Zeitschriftenartikels des Klägers, mit welchem er die Urlaubsfahrt als jährlichen Höhepunkt der Aktivitäten der Tagesstätte bezeichnete, welche auch für sozial Schwache kostengünstig sei. Die Beklagte ist der Auffassung, es handele sich im Ergebnis um einen nichtförderungsfähigen Erholungsurlaub und wiederholt im Übrigen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid.
Sie beantragt daher, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung für zutreffend. Auf Anfrage des ehemaligen Berichterstatters hat die Leitung der Tagesstätte mit Schreiben vom 31. März 2010 mitgeteilt, das die Urlaubsgestaltung der Entwicklung des Selbstwertgefühls in fremder Umgebung gedient habe. Die Gesamtkosten für die Fahrt hätten 220,00 Euro betragen, wobei der Eigenanteil von Teilnehmern mit einem Einkommen unter 700,00 Euro auf 135,00 Euro festgelegt worden sei. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, welche zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe:
Die vom Sozialgericht zugelassene Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht der Klage auf Gewährung eines verlorenen Zuschusses stattgegeben und die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Dahingestellt bleiben kann, ob der Entscheidung der Beklagten über die Gewährung des Zuschusses bereits die Bedingung in Ziffer vier des Bewilligungsbescheides vom 1. Februar 2007 entgegenstand; entgegen der Annahme des Sozialgerichts spricht der Wortlaut allerdings für den Einschluss mehrtägiger Gruppenreisen, denn Veranstaltungen und Ausflüge werden nur beispielhaft aufgezählt. Jedenfalls handelt es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 26. April 2007 insoweit um einen in der Verfügungsbefugnis der Beklagten liegenden sogenannten Zweitbescheid. Einem Leistungsträger steht es frei, über einen bereits bestandskräftig abgelehnten Leistungsantrag erneut vollumfänglich zu entscheiden. Dem stehen insbesondere auch nicht die Vorschriften der § 44 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entgegen. Wählt die Behörde zudem nicht die Form des § 44 SGB X, so entfallen auch die gegebenenfalls zutreffenden Einschränkungen dieser Vorschrift. Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen, angefochtenen Bescheid unter Berufung auf die Bestandskraft der Entscheidung vom 1. Februar 2007 nach § 44 Abs. 1 SGB X entscheiden wollte. Die Beklagte ist nach § 98 Abs. 1 SGB XII örtlich und nach § 97 SGB XII i. V. m. § 3 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ThürAGSGBXII) auch sachlich zuständig. Die Zuständigkeit für den Erlass des Widerspruchbescheides folgt aus §
85
Abs.
2
Nr.
4
Sozialgerichtsgesetz
(
SGG
), da es sich um eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung handelt. Eine Beteiligung sozial erfahrener Dritter nach § 116 SGB XII bedurfte es in Anwendung der Vorschrift des § 12 (jetzt: 11) ThürAGSGBXII nicht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses in Höhe von 125,00 Euro für die Teilnahme an einer Gruppenreise vom 18.bis 22. Juni 2007 nach P. am See als Leistung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53, 54 SGB XII. Der Kläger gehört zwar zum Personenkreis der wesentlich behinderten Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII, wie dem Gutachten von Dipl. med. R. überzeugend zu entnehmen ist; danach ist er nicht nur vorübergehend seelisch wesentlich behindert. Doch liegen die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nicht vor. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII werden Leistungen nach §55 Abs.
1
SGB IX
erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern und sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln Vier bis Sechs
SGB IX
nicht erbracht werden. Nach §
55
Abs.
2
Nr.
7
SGB IX
sind dies insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben und kulturellen Leben. Nach §
58
Nr. 1
SGB IX
umfassen diese Hilfen vor allem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen. Handelt es sich um eine Leistung dieser Art, so hat der Sozialhilfeträger nach § 17 Abs. 2 SGB XII über Art und Ausmaß dieser Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (Bieritz-Harder in LPK-SGB XII § 54 RdNr. 66f.; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 54 RdNr. 8), auch wenn das "Ob" der Leistung nicht in seinem Ermessen steht. Dieser Spielraum entfällt nur dort, wo das Gesetz selbst eine bestimmte Art der Leistungserbringung oder ein bestimmtes Maß der Leistung vorschreibt (Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 18. Aufl. 2010, § 17 SGB XII RdNr. 77), oder eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verlangt eine Entscheidung im Einzelfall und schließt daher gerade nicht das Ermessen über Art und Ausmaß der Leistungserbringung aus. Im vorliegenden Fall hat der Kläger zwar dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe, indes ist die Entscheidung der Beklagten über die Einschränkung des Ausmaßes des Leistungsgewährung unter Ausschluss der Bezuschussung der Kosten der Unterkunft und der Fahrt im vorliegenden Fall nicht ermessensfehlerhaft; insbesondere ist das Ermessen - anders als das Sozialgericht meint - nicht auf Null reduziert. (Jedenfalls) im Widerspruchsbescheid hat der Beklagte von seinem Ermessen dahingehend Gebrauch gemacht, die Bezuschussung der Teilnahme des Klägers an der Gemeinschaftsreise deshalb abzulehnen, weil dadurch die Teilhabe am Gemeinschaftsleben nicht erkennbar besser gefördert wird, als durch den ohnehin bereits geförderten Besuch der Tagesstätte. Dabei ist für die Entscheidung der Kostenübernahme maßgeblich, ob über die angebotene Ferienfreizeit hinaus die Begegnung mit nichtbehinderten Menschen erkennbar gefördert wird; und zwar nicht nur durch die Förderung von Kontakten zu nahe stehenden Personen wie Familienangehörigen, Freunden und Bekannten, sondern darüber hinaus zu allen Personen, die aufgrund gemeinsamer Interessen und Bedürfnisse den behinderten Menschen helfen können, das Gefühl menschlicher Isolierung zu überwinden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2010 -L 9 SO 163/10 - juris, RdNr. 36; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 31. Oktober 2002 - 4 LB 286/02 - juris, RdNr. 30). Gerade dort, wo solche Kontakte zu nichtbehinderten Menschen nicht bestehen (wie in stationären Einrichtungen), wird die Hilfe darauf zu richten sein, solche Kontakte erst einmal herzustellen. Richtigerweise führt die Beklagte allerdings aus, dass es nicht Zweck der Eingliederungshilfe sei, sozial schwachen Personen einen Erholungsurlaub zu verschaffen. Auch Personen, die Sozialhilfe beziehen und keine Behinderung haben oder solche die von vornherein keine Leistungen der Sozialhilfe beziehen, können aus finanziellen Gründen nicht immer Urlaubsreisen antreten. Nach den Umständen und dem Inhalt des vorgelegten Reiseprogramms handelte es sich hier im Kern um eine organisierte Erholungsreise, die nicht in besonderem Maße der Förderung von Kontakten zu nichtbehinderten Menschen diente. Tatsächlich handelte es sich im Wesentlichen um Aktivitäten innerhalb der Gemeinschaft der übrigen Tagesstättenbesucher. Dementsprechend beschreibt der Kläger selbst in seinem Widerspruchsschreiben vom 8. Mai 2007 die Integration in die Gemeinschaft der Tagesstätte und den damit zusammenhängenden Aufbau sozialer Kontakte als wesentlichen Inhalt der Reiseaktivität. Dieses verständliche Ansinnen dient jedoch eher dazu, Kontaktaufnahme zu dritten, nichtbehinderten Menschen auszuschließen. Gemeinsamer Frühsport, Stadtrundfahrten, Wanderungen und eine Dampferfahrt unterstreichen den Charakter der Reise als interne Veranstaltung der Tagesstätte. Hinzu kommen noch die gemeinsamen Spiele- und Gesprächsabende. Die Fixierung des Klägers auf die Kontakte zu den übrigen Tagesstättenbesuchern, wie sie insbesondere auch in den Behandlungs- und Rehabilitationsplänen zum Ausdruck kommen, wird damit zusätzlich vertieft. Soweit die Behandlung von Ängsten durch die Konfrontation mit fremder Umgebung als Ziel benannt wird, handelt es sich um einen (erfreulichen) Nebeneffekt; spezifische Konfrontationstherapeutische Aktivitäten sind nicht erkennbar. Insgesamt kommt der Reise vor allem ein Erholungscharakter zu, wie es der Kläger selbst auch einräumt. Zudem setzt sich der Zuschuss aus Fahrtkosten und den Kosten der Unterbringung in der Pension/Hotel "R." incl. Halbpension zusammen. Die spezifischen Mehrkosten der Einbettung der Maßnahme in das Programm der Tagesstätte werden bereits durch die bewilligte Förderung des Tagesstättenbesuches des Klägers mit umfasst. Die Kosten für sich genommen entsprechen denen, die auch bei einer Urlaubsreise eines nichtbehinderten Menschen anfallen und von diesen selbst zu tragen sind. Sie sind nicht behinderungsbedingt. Dafür spricht schon, dass der Eigenanteil laut Angaben der Tagesstättenleitung allein in Abhängigkeit vom Einkommen des Teilnehmers festgesetzt wurde; wäre er behinderungsbedingt, so wäre der Anteil für alle anderen Teilnehmer mit gleicher Behinderung gleich festzusetzen. Dass der Kläger der Ansicht ist, genau diese Kosten müsse die Beklagte zahlen, weil ihm als sozial schwache Person die selben Möglichkeiten eröffnet werden müssten, wie Nichtbedürftigen, geht sowohl aus seinem Widerspruchsschreiben als auch dem von der Beklagten vorgelegten Artikel des Klägers auf Blatt 89 der Gerichtsakte hervor. Dies ist tatsächlich eher ein Hinweis dafür, dass im Vordergrund der Reise die Erholung des Klägers und nicht die Teilhabe an der Gemeinschaft stand. Vor dem Hintergrund dieser Gestaltung der Urlaubsreise ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte - ungeachtet der auch von ihr in ihrem Tagesstättenkonzept aufgeführten Aktivität "Urlaubsgestaltung" - die Förderung von Sozialkontakten, Stabilisierung des Selbstwertgefühls und die Aktivierung zur besseren Tagesstrukturierung auch im privaten Bereich des Klägers durch den Aufenthalt in der Tagesstätte als ausreichend einschätzt. Zu Recht weist die Beklagte zudem darauf hin, dass der Kläger über eine eigene Wohnung verfügt und somit sein Leben im Wesentlichen außerhalb einer Rehabilitationseinrichtung verbringt. An diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von den vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (aaO.) oder dem VG Potsdam (Urteil vom 28. März 2008 - 11 K 2698/04) entschiedenen Fällen. In beiden Fällen lebte der behinderte Mensch in einem Wohnheim und besuchte eine Werkstatt für behinderte Menschen bzw. hielt sich dort de facto (wegen Werkstattunfähigkeit) auf (vgl. auch Wehrhahn in jurisPK-SGB XII § 94 RdNr. 43). In diesen Fällen hängt der Kontakt mit nichtbehinderten Menschen allein vom Zufall ab und muss als Ausnahme angesehen werden; demgegenüber ist durch die Lebensführung des Klägers notwendigerweise regelmäßig ein Kontakt auch mit nichtbehinderten Menschen verbunden und sei es auch nur oberflächlicher, geschäftsmäßiger Natur. Allein der Wunsch, das Gemeinschaftsgefühl mit den übrigen, behinderten Besuchern der Tagesstätte zu stärken, fördert die Teilhabe an der Gemeinschaft nicht erkennbar besser als die Aktivitäten in der Tagesstätte dies ohnehin schon vermögen. So sind bereits dort zahlreiche Ausflüge und gemeinschaftliche Unternehmungen vorgesehen und auch durchgeführt worden. Mit dem Ausschluss der Bezuschussung nimmt die Beklagte den Kläger nicht etwa von Tätigkeiten aus, welche auch im normalen Leben üblich sind. Diese Aktivitäten des Klägers werden vielmehr durch die Förderung der Begleitung durch Tagesstättenpersonal noch gefördert. Es werden nur diejenigen Kosten von der Bezuschussung ausgenommen, welche über das in der normalen Lebensführung (zu der auch Urlaub gehört) übliche hinaus keinen weiteren Teilhabegewinn zur Folge haben. Zudem ist an keiner Stelle zu erkennen, dass der Kläger bei entsprechenden finanziellen Voraussetzungen nicht etwa in der Lage wäre, eine vergleichsweise Fahrt auch ohne Begleitung der Tagesstättenbesucher durchzuführen. Ein wesentlicher Gesichtspunkt der vom Kläger hier geforderten Gleichbehandlung ist der, dass gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln sind (Art.
3
Grundgesetz
-
GG
). Hier ist indes die richtige Vergleichsgruppe diejenige der nicht behinderten hilfebedürftigen Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII. Auch diese Personengruppe hat keinen Anspruch auf Finanzierung von Fahrtkosten und Unterkunftskosten für die Dauer einer Erholungsreise. Ein spezifisch behinderungsbedingter (Mehr-)Bedarf wird mit der Finanzierung der Fahrt- und Unterkunftskosten nicht begehrt. Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln zur selbstständigen Urlaubsgestaltung ist keine Frage eines Ausgleiches von Behinderungen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193
Abs.
1
SGG
. Gründe, die Revision nach §
160
Abs.
2
SGG
zuzulassen, sind nicht ersichtlich.