Anspruch auf Sozialhilfe; Einsatz von Vermögen; Verwertbarkeit einer Kapitallebensversicherung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in der Berufung noch über die Ablehnung der Übernahme ungedeckter Kosten für eine Kurzzeit- und Verhinderungspflege
des Klägers vom 1. Juli 2009 bis 28. Juli 2009 sowie die Rücknahme von Grundsicherungsleistungen nach dem Vierten Kapitel
des SGB XII (Grundsicherung) für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010.
Der am 14. Dezember 1951 geborene Kläger ist wegen einer schweren Behinderung mit einem Grad der Behinderung von 100 nach
§
69 Abs.
1 S. 1
SGB IX dauerhaft voll erwerbsgemindert. Er bezieht von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine unbefristete Rente wegen voller
Erwerbsminderung jedenfalls seit dem 1. Juli 2002. Der Zahlbetrag der Rente betrug ab 1. Juli 2009 214,61 Euro monatlich.
Sein Bruder, seinerseits verstorben am 1. März 2008, nahm den Kläger in den gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau auf, nachdem
die gemeinsamen Eltern verstorben waren. Mit im Haushalt lebt die Familie des gemeinsamen Sohnes des Bruders des Klägers (Bruder)
und seiner Ehefrau - Sohn, Ehefrau, drei Kinder -. Das Haus steht im Eigentum der Familie, so dass nur Betriebs- und Heizkosten
anfallen, die für den Kläger anteilig weniger als 50 Euro monatlich betragen.
Die Ehefrau des Bruders des Klägers (Betreuerin) ist laut Betreuerausweis vom 26. Juli 2005 zum Betreuer des Klägers auf dem
Gebiet der Vermögenssorge, Gesundheitssorge und Vertretung gegenüber Rentenversicherungen, privaten Versicherungen und öffentliche
Einrichtungen ohne Einwilligungsvorbehalt bestellt. Davor war der Bruder der Betreuer des Klägers. Die Betreuerin erhält für
den Kläger Kindergeld in Höhe von 164 Euro monatlich für das Kalenderjahr 2009 und 184 Euro monatlich für das Kalenderjahr
2010.
Der Bruder schloss zu Gunsten des Klägers ab dem 1. Juni 1995 eine Kapitallebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall
(Versicherung) mit einem privaten Versicherungsunternehmen (Versicherer) ab. Der Versicherungsbeitrag betrug zu Beginn monatlich
50 DM und zuletzt ab 1. Juli 2009 monatlich 61,55 Euro. Bestritten wurde der Beitrag aus dem für die Betreuung des Klägers
gezahlten Pflegegeld.
Der Bruder hatte den Versicherungsschein über die Versicherung bereits zum ersten Antrag auf Grundsicherungsleistungen im
Jahr 2003 bei dem Beklagten eingereicht.
Am 1. April 2009 beantragte die Betreuerin für den Kläger die Übernahme der ungedeckten Kosten für eine Kurzzeit- und Verhinderungspflege
in einer stationären Einrichtung vom 15. Juni 2009 bis 28. Juli 2009. Ausweislich des Vertrages mit dem Leistungserbringer
betrugen die Kosten für den Zeitraum vom 15. Juni 2009 bis 30. Juni 2009 420,32 Euro und für den Zeitraum vom 1. Juli 2009
bis 28. Juli 2009 749,28 Euro. Aufgrund der Betreuungsleistungen der sozialen Pflegeversicherung verblieb es bei einem ungedeckten
Bedarf in Höhe von 469,60 Euro allein für Juli 2009.
Anhand der von der Betreuerin am 18. August 2009 vorgelegten Kontoauszüge des Klägers, erkannte der Beklagte, dass zu Lasten
des Klägers eine Beitragswertstellung für die Versicherung in Höhe von 61,55 Euro am 3. Juni 2009 erfolgte.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 (Bewilligungsbescheid), adressiert an den verstorbenen Bruder, bewilligte der Beklagte dem
Kläger auf den Folgeantrag vom 25. September 2009 die Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Oktober
2010 in Höhe von 162,84 Euro monatlich weiter. Wegen der Bedürftigkeitsberechnung im Einzelnen wird auf den Berechnungsbogen
des Beklagten verwiesen.
Auf telefonische Nachfrage bestätigte die Betreuerin zunächst fernmündlich am 20. Oktober 2009 der Sachbearbeitung des Beklagten
die Versicherung. Weiter führte sie schriftlich am 30. Oktober 2009 aus, der Bruder habe die Versicherung abgeschlossen, um
die Kosten einer angemessenen Erdbestattung des Klägers sicherzustellen. Zugleich legte sie die Versicherungsunterlagen vor,
aus denen sich unter anderem aus einer Auskunft der Versicherung zum 1. Juni 2009 ein Rückkaufwert von 5.500,49 Euro ergab.
Mit Bescheid vom 9. November 2009 (Ablehnungsbescheid) lehnte es der Beklagte gegenüber der Betreuerin als gesetzliche Vertreterin
des Klägers ab, die ungedeckten Kosten der stationären Pflege zu übernehmen. Ausweislich eines Bedarfes nur für den Zeitraum
vom 1. Juli 2009 bis 28. Juli 2009 in Höhe von 469,60 Euro sei der Kläger nicht bedürftig, weil er vorrangig sein Einkommen
in Höhe von 221,70 Euro (anteilige Rente vermindert um anteiligen Barbetrag und anteilige Grundsicherungsleistung vermindert
um vollen Anteil für Kosten der Unterkunft) sowie die Versicherung in Höhe des Rückkaufwertes und das Barvermögen in Höhe
von 871,24 Euro oberhalb der Vermögensfreigrenze in Höhe von 2.600 Euro vorrangig einzusetzen habe.
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage einer Vollmacht der Betreuerin am 30. November 2009 schriftlich
Widerspruch ein. Die Verwertung der Versicherung sei unwirtschaftlich, da die eingezahlten Versicherungsbeiträge höher wären
als der Rückkaufwert. Außerdem handele es sich um eine zweckgebundene Sterbegeldversicherung.
Mit Schreiben vom 18. November 2009 hörte der Beklagte die Betreuerin zu einer beabsichtigten Rückforderung der über der Vermögensfreigrenze
liegenden Ansparsumme an.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2010 (Rücknahme- und Erstattungsbescheid, kurz: Rückforderung), gerichtet an die Betreuerin, nahm
der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 13. Oktober 2009 zurück, stellte einen Kostenersatzbetrag in Höhe von 488,52 Euro
für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Januar 2010 fest und stellte die Leistungen zum 1. Februar 2010 ein, weil bereits
zum 1. Juni 1995 eine Sterbeversicherung für den Kläger abgeschlossen sei. Die Betreuerin habe für den Kläger vorsätzlich
bzw. zumindest grob fahrlässig gehandelt und könne sich auf Vertrauensschutz nicht berufen. Die Tatbestandsvoraussetzungen
für die rückwirkende Aufhebung seien in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ab 1. November 2009 erfüllt. Ebenso bestünde Ersatzpflicht
nach § 104 SGB XII i.V.m. § 50 SGB X. Die Härtefallregelung nach § 104 i.V.m. § 103 Abs. 1 S. 3 SGB XII würde angewandt, um den Zusammenhalt der Familie nicht zu gefährden. Die Rücknahme solle deshalb erst ab 1. November 2009
erfolgen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers legte gegen die Rückforderung mit Schriftsatz vom 1. Februar 2010 am 2. Februar 2010
Widerspruch ein. Dabei reichte er eine schriftliche Vollmacht der Betreuerin für den Kläger und eine Auskunft der Versicherung
vom 17. Februar 2010 nach, nach der es sich um eine Sterbegeldversicherung handeln würde. Auf ein weiteres Schreiben des Beklagten
vom 3. März 2010 reichte der Prozessbevollmächtigte eine Auskunft des Versicherers vom 4. Februar 2010 ein, der zu entnehmen
ist, dass zum Stichtag 1. April 2010 der Rückkaufswert 6.127,02 Euro, die beitragsfreie Versicherungssumme hingegen 9.293,17
Euro betragen hat. Aus einer weiteren Auskunft des Versicherers vom 10. Mai 2010 geht zudem hervor, dass zum Stichtag 1. Juni
2010 Beiträge in Höhe von 7.647,49 Euro eingezahlt sind und der Rückkaufwert 6.254,51 Euro beträgt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2010 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Ablehnungsbescheid und
die Rückforderung als unbegründet zurück. Der Ablehnungsbescheid sei rechtmäßig. Die Versicherung des Klägers sei als vorrangig
einzusetzendes Vermögen gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII anzusehen. Die Versicherung unterfalle nicht dem Vermögensschutz nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 SGB XII. Ebenso wenig stelle die Vermögensverwertung eine nach § 90 Abs. 3 SGB XII zu beachtende unzumutbare Härte dar. Geschützt seien danach nur ein Bestattungsvorsorgevertrag bzw. eine echte Sterbegeldversicherung.
Vorliegend handele es sich jedoch um eine kapitalbildende Erlebens- und Todesfallversicherung, die keine andere Zweckverwendung
ausschließe. Auch eine Härte sei bei einem Wertverlust von ca. 18 % nicht anzunehmen. Schließlich sichere der Anspruch nach
§ 74 SGB XII eine angemessene Beerdigung, soweit bestattungspflichtige Verwandte nach § 18 ThürBestG nicht vorrangig eintreten können.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 21. Juli 2010 bei dem Sozialgericht Gotha (SG) Klage erhoben.
Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2011 die Klage mit dem Antrag des Klägers, die Bescheide
des Beklagten vom 9. November 2009 und 14. Januar 2010 aufzuheben, sowie den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere
Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu gewähren, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides des Beklagten
wiederholt.
Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 14. Januar 2011 bei dem Thüringer Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Auf Hinweis des Senats, dass ein Schuldvorwurf dem Kläger nicht zuzurechnen sei, weil der Bruder bereits im Jahr 2003 die
Versicherung dem Beklagten mitgeteilt habe, und nachweislich die Rückforderung erst am 1. Februar 2010 bekanntgegeben sei,
hat der Beklagte mit angenommenem Teilanerkenntnis in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 den Rechtsstreit erledigt,
soweit er zunächst die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem IV. Kapitel des SGB XII auch für die Vergangenheit bis 31. Januar 2010 zurückgenommenen und einen Erstattungsbetrag festgesetzt hat. Weiter hat der
Prozessbevollmächtigte des Klägers auf Hinweis des Vorsitzenden in seinem Sachantrag klargestellt Hilfe zur Pflege statt Leistungen
nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu begehren.
Der Kläger behauptet, aus der Auskunft des Versicherers ergebe sich, dass es sich bei der Versicherung um eine echte Sterbegeldversicherung
handele, die unstreitig nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung geschützt sei. Komme aus religiösen Gründen für den Kläger
nur eine Erdbestattung in Betracht, sei ohne die Versicherung nicht sichergestellt, diese aus dem Schonvermögen erbringen
zu können. Auch könne das Schonvermögen vorher verbraucht sein. Schließlich stelle bereits ein wirtschaftlicher Verlust von
mehr als 10 % eine unzumutbare Härte dar.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gotha vom 3. Januar 2011 abzuändern und
a) den Bescheid des Beklagten vom 9. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2010 aufzuheben und den
Beklagten zu verurteilen, an ihn Hilfe zur Pflege für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis 28. Juli 2009 zu zahlen,
b) den Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juni 2010 und in der Fassung
des Teilanerkenntnisses vom 23. Mai 2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte weist darauf hin, auf die Benennung der Versicherung durch den Versicherer komme es nicht an. Entscheidend sei
alleine, dass die Versicherung im vorliegenden Fall auf eine Geldleistung ohne Zweckbindung gerichtet sei, auch wenn die Finanzierung
der Bestattungskosten handlungsleitendes Motiv gewesen sein mag. Eine unwirtschaftliche Härte sei im Übrigen selbst dann nicht
anzunehmen, wenn der wirtschaftliche Verlust mehr als die Hälfte der eingebrachten Leistungen betrage. Im Übrigen käme eine
unzumutbare Härte nur in Betracht, wenn kein naher bestattungspflichtiger Verwandter vorhanden sei. Das sei vorliegend ausgeschlossen,
weil fünf Halbgeschwister und ein Bruder des Klägers vorhanden seien. Auch könne eine würdige Beerdigung und Trauerfeier alleine
aus dem Schonvermögen im Landkreis finanziert werden. Angehörige von finanziellen Belastungen im Falle des Todes freizustellen
erfahre ebenfalls keinen sozialhilferechtlichen Schutz. Im Übrigen stünde bei Bedürftigkeit der Anspruch auf Übernahme der
Beerdigungskosten nach § 74 SGB XII zur Verfügung.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte
des Beklagten (Bl. 1 bis 186) einschließlich der Archivakte VA/WAK5075 Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klagen, insbesondere der Sachantrag des Klägers zu a) hinsichtlich des Leistungsbegehrens, sind zulässig. Dabei handelt
es sich nicht um eine Klageänderung nach §
99 Abs.
1 SGG, obwohl der Kläger nunmehr auch dem Wortlaut nach richtigerweise Hilfe zur Pflege statt Leistungen nach dem Vierten Kapitel
des SGB XII begehrt. Insoweit ist entgegen dem Wortlaut des Sachantrages in der ersten Instanz davon auszugehen, dass er auch dort diese
Leistung begehrt hat, da allein sie in Betracht gekommen ist und der Beklagte auch nur sie mit dem zugleich angefochtenen
Ablehnungsbescheid abgelehnt hat. Die Leistung ist nur - wohl auf Hinweis des Kammervorsitzenden - falsch bezeichnet worden.
Das SG hat die Klage im verbliebenen Umfang zu Recht in der Sache abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind in dem durch das angenommene Teilanerkenntnis verbliebenen Umfang rechtlich
nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich des Antrages zu a) steht dem Kläger kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis
28. Juli 2009 zu.
Die Voraussetzungen für Hilfe zur Pflege nach § 61 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 SGB XII liegen nicht vor, weil der Kläger nicht bedürftig gewesen ist.
Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII hat der Kläger vorrangig Vermögen aus der Versicherung in Höhe von mindestens 2.900,49 Euro einzusetzen, welches den ungedeckten
Bedarf für die Kurzzeit- und Abwesenheitspflege in Höhe von 469,90 Euro übersteigt. Sind die Hilfen nach dem Fünften bis Neunten
Kapitel des SGB XII, zu dem die Hilfe zur Pflege gehört, nicht ausdrücklich von einem Antrag abhängig (Kenntnisprinzip gemäß § 18 SGB XII), ist bei der Bedürftigkeitsprüfung auf das Vermögen im Zeitpunkt des Beginnes des Bedürftigkeitszeitraumes am 1. Juli 2009
abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger über verwertbares Vermögen gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII in Höhe von mindestens 5.500,49 Euro aus dem Rückkaufwert der Versicherung verfügt. Zwar ist der Rückkaufwert zum Stichtag
1. Juni 2009 angegeben. Doch wird sich der Vermögenswert aus der Versicherung innerhalb eines Monats zumindest nicht gemindert
haben.
Sind Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII betroffen, ist gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1.b VO § 90 SGB XII hiervon ein Freibetrag in Höhe von 2.600 Euro abzusetzen, so dass es bei einem einzusetzenden Vermögen in Höhe von 2.900,49
Euro verbleibt.
Privilegierungstatbestände nach § 90 Abs. 2 SGB X, bei deren Vorliegen Vermögen ausnahmsweise nicht vorrangig einzusetzen ist, greifen ohnehin nicht und sind vom Kläger nicht
geltend gemacht.
Entgegen seiner Auffassung ist jedoch auch keine die Verwertung ausschließende Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII anzunehmen. Eine unzumutbare wirtschaftliche Härte liegt nicht vor, weil die niederschwellige Rechtsprechung des BSG zur Arbeitslosenhilfe, nach der bereits ein Verlust von 18 % eine unzumutbare Härte auslösen konnte, auf die Sozialhilfe
nicht zu übertragen ist. Der Arbeitslosenhilfe war ein besonderer Vermögensschutz zu eigen, der bereits auf die inhaltsgleiche
Vorschrift in § 88 BSHG nicht übernommen wurde (selbst Verlust von mehr als 50 % unschädlich: BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1970 - V C 33/70, juris). Insoweit liegt es nahe, dass der Wertungsunterschied auch nach Überführung der Sozialhilfe in das SGB XII fortbestehen sollte. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass der besondere Vermögensschutz bei erwerbsfähigen Menschen seinen
Grund darin hat, dass jedenfalls normativ typisierend von einem nur vorübergehenden Leistungsbezug auszugehen ist, der es
näher legt, Vermögen für die Zeit danach dem Hilfeempfänger zu erhalten. Jedenfalls bei einem Wertverlust von weniger als
20 % ist daher eine besondere Härte nicht anzunehmen (offen gelassen unter Bestätigung der geringeren Vermögensprivilegierung
in der Sozialhilfe: BSG, Urteil vom 25. August 2011 - B 8 SO 19/10 R, juris). Ausgehend von der Angabe der Versicherung, zum Stichtag 1. Juni 2010
sei dem Substanzwert von 7.647,49 Euro ein Rückkaufwert von 6.245,51 Euro gegenüber zu stellen, ergibt sich ein Verlust in
Höhe von 18,3 %. Eine wesentlich andere Quote wird zum 1. Juli 2009 nicht anzunehmen sein.
Ebenso wenig lässt sich der Härteausschluss damit begründen, die Versicherung solle die Beerdigungskosten des Klägers abdecken.
Insoweit hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass entgegen der Behauptung der Versicherung ausweislich des Versicherungsscheines eine solche
Zweckbindung gerade nicht vereinbart ist. Insbesondere bleibt gerade eine vorzeitige Kündigung und Verwertung der Versicherung
zu anderen Zwecken möglich (vgl. hierzu: LSG NRW, Urteil vom 19. März 2009 - L 9 SO 5/07, juris). Eine andere Beurteilung
folgt auch nicht aus der Behauptung der Betreuerin, die Versicherung gleichwohl ausschließlich hierfür verwenden zu wollen.
Zwar hat das BSG an die Wertung des BVerwG zu § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG anknüpfend (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 5 C 84.02, juris) bereits entschieden, dass die Verwertung eines Bestattungsvorsorgevertrages eine unzumutbare Härte nach § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII darstellen kann (ausdrücklich zu § 88 Abs. 3 S. 2 BSHG mit Hinweis auf Vorschrift des § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII: BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 8/9b SO 9/06 R, juris), weil aus der Gesetzesbegründung zu einer vorgesehenen Änderung des
§ 90 Abs. 2 SGB XII ersichtlich, eine ausdrückliche Aufnahme in den Privilegierungskatalog im Hinblick auf den bereits nach der Rechtsprechung
des BVerwG sichergestellten Schutz für entbehrlich gehalten worden ist (BT-Drucks 16/239 S. 10, 15 und 17). Doch sollte der
zunächst gesetzlich vorgesehene Vermögensschutz nur greifen, wenn sichergestellt ist, dass das dafür verwendete Vermögen nur
für die Bestattung verwendet werden kann - nicht soll - (BT-Drucks, aaO., S. 15). Ist daher allein auf eine objektive Zweckbindung
abzustellen, konnte der Senat von weiteren Ermittlungen zu einer nur subjektiven Zweckbindung hinsichtlich der Versicherung
absehen.
Der auch für Leistungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII vorgesehene besondere Vermögensschutz nach § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII greift ohnehin nicht, weil unter die aufgeführten Regelbeispiele - angemessene Lebensführung und angemessene Alterssicherung
- die Bestattungsvorsorge nicht zu fassen ist (BSG, Urteil vom 18. März 2008, aaO.).
Dahingestellt bleiben kann, ob darüber hinaus auch das an die Betreuerin gezahlte Kindergeld auf den Bedarf des Klägers anzurechnen
ist.
Der aufgrund des Teilanerkenntnisses des Beklagten verbliebene Rücknahmebescheid mit Wirkung für die Zukunft ist ebenfalls
rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Rücknahmebescheid leidet nicht unter einem gemäß § 42 S. 2 SGB X beachtlichen formellen Fehler, weil die nach § 24 Abs. 1 SGB X erforderliche Anhörung erfolgt ist. Zwar ist der Inhalt der am 7. Januar 2010 und damit vor Erlass des Bescheides vom 14.
Januar 2010 erfolgten persönliche Unterredung der Sachbearbeitung des Beklagten mit der Betreuerin nicht im Einzelnen aktenkundig.
Doch ist die erforderliche Anhörung wenigstens im Widerspruchsverfahren gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X nachgeholt worden, weil der Ausgangsbescheid vom 14. Januar 2010 alle Tatsachen benannt hat, welche für den Beklagten nach
seiner Vorstellung entscheidungserheblich gewesen sind.
Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides für die Zukunft nach § 45 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 SGB X liegen vor. Danach darf die zuständige Behörde einen anfänglich rechtswidrigen Bewilligungsbescheid innerhalb von zwei Jahren
nach seiner Bekanntgabe mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen, wenn der Rücknahme kein schutzwürdiges Vertrauen des Bewilligungsadressaten
entgegensteht. Ein schutzwürdiges Vertrauen ist in der Regel anzunehmen, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht
oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.
Weiter kann die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner
Bekanntgabe erfolgen.
Der Bewilligungsbescheid vom 13. Oktober 2009 ist anfänglich, d.h. bereits im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe, rechtswidrig gewesen.
Dem Kläger hat ein Anspruch auf Grundsicherung gemäß §§ 19 Abs. 2, 41 SGB XII nicht zugestanden, weil er wegen vorrangig einzusetzenden Vermögens nicht bedürftig gewesen ist. Insoweit kann auf die vorherigen
Ausführungen mit der Besonderheit verwiesen werden, dass ihm nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1.a VO § 90 SGB XII für die Grundsicherung nur ein Schonvermögen in Höhe von 1.600 Euro zur Verfügung gestanden hat. Soweit entweder auf den
Folgeantrag (25. September 2009) oder den Beginn des Bewilligungszeitraumes (1. November 2009) abzustellen ist, ist unschädlich,
dass nur der Rückkaufwert zum 1. Juni 2009 oder 1. Juni 2010 mitgeteilt ist, weil sich insoweit jedenfalls keine Minderung
des Rückkaufwertes am 1. Juni 2009 in der Folgezeit ergeben haben kann. Das danach vorrangig einzusetzende Vermögen hat in
jedem Fall ausgereicht, den Bedarf des Klägers für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. Oktober 2010 zu decken, weil er
aufgrund seines Einkommens aus Rente nur einen monatlichen Bedarf in Höhe von maximal 162,84 Euro aus dem Berechnungsbogen
des Beklagten ersichtlich aufgewiesen hat.
Die Vertrauensschutzprüfung nach § 45 Abs. 2 S. 2 SGB X geht jedenfalls unter Berücksichtigung der Rücknahmebeschränkung auf den Zeitraum ab 1. Februar 2010 zu Lasten des Klägers
aus. Bei der Abwägung ist dem Rückforderungsinteresse des Beklagten Vorrang vor dem Vertrauen des Klägers bzw. der Betreuerin
auf die Rechtmäßigkeit der Bewilligung jedenfalls für den Zeitraum ab 1. November 2009 einzuräumen. Beachtlich ist insoweit
auch, dass bereits am 20. Oktober 2009 und damit vor Beginn des Bewilligungszeitraumes die Betreuerin als gesetzliche Vertreterin
Kenntnis davon erlangt hat, dass der Einsatz des Vermögens gefordert sein kann und der Kläger den Zahlbetrag für den gesamten
Bewilligungszeitraum in Höhe von 1.954,08 Euro aus dem einzusetzenden Vermögen bestreiten kann.
Die vorbenannte Zwei-Jahres-Frist ist ebenfalls eingehalten.
Ebenso hat der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen nach §
39 SGB I noch hinreichend erkennbar pflichtgemäß ausgeübt. Der Begründung der Rückforderung ist zu entnehmen, dass der Beklagte sein
Ermessen erkannt und nach seiner Rechtsauffassung deshalb die Rücknahme auf den Zeitpunkt ab dem 1. November 2009 beschränkt
hat, um den Zusammenhalt der Familie, in der der schwerbehinderte Kläger lebt, nicht zu gefährden.
Unschädlich ist dabei, dass der Beklagte bei seiner Ermessensausübung davon ausgegangen ist, aufgrund eines Vertrauen ausschließenden
Tatbestandes nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X die Bewilligung auch für die Vergangenheit über den 1. November 2009 hinaus zurücknehmen zu können. Denn ungeachtet dessen
durfte er auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Rücknahmevoraussetzungen erst ab dem 1. Februar 2010 ermessensfehlerfrei
ab diesem Zeitpunkt die Rücknahme verfügen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits gemäß §
193 Abs.
1 S. 1
SGG. Berücksichtigt ist dabei das Teilanerkenntnis des Beklagten.
Gründe die Revision nach §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.