Vereinbarkeit des § 1578b BGB bzgl. einer Befristung des Krankheitsunterhalts eines Ehegatten mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz; Ehebedingter
Nachteil eines unterhaltsbedürftigen Ehegatten durch eine durch Ehekrise und Trennung ausgelöste psychische Erkrankung; Berücksichtigung
eines Vertrauensschutzes eines Unterhaltsberechtigten aufgrund nach alter Rechtslage gewährten Unterhalts i.R.e. Entscheidung
über eine Unterhaltsbefristung; Erforderlichkeit einer Berücksichtigung der gesetzlichen Bewertung zur Zumutbarkeit einer
Abänderung nach § 36 Nr. 1 Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) i.R.e. umfassenden Interessenabwägung
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Befristung nachehelichen Krankheitsunterhalts.
Die Parteien heirateten 1986. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Scheidung ist rechtskräftig seit dem 14. November
1997. Der Unterhalt ist zuletzt festgelegt durch Urteil des Amtsgerichts, bestätigt durch das Urteil des Berufungsgerichts
aus dem Jahr 2001. Danach wurde der Unterhalt fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung gemäß §
1578 Abs.
1 Satz 2
BGB a. F. herabgesetzt und beträgt seit dem 14. November 2002 1.300 DM Elementarunterhalt, 269 DM Krankenvorsorge- und 34 DM
Pflegevorsorgeunterhalt (insgesamt umgerechnet ca. 820 €). Der Kläger zahlt wegen erhöhter Versicherungsbeiträge nunmehr monatlich
insgesamt 899 €.
Der Kläger begehrt die Befristung des Unterhalts und beruft sich auf die seit 2008 geänderte Gesetzeslage sowie die Unbilligkeit
einer weiteren Unterhaltspflicht.
Die 1962 geborene Beklagte absolvierte in der Ehe erfolglos mehrere Prüfungen zur Versicherungskauffrau und erwarb 1988 schließlich
- gefördert durch das Arbeitsamt - einen Abschluss zur Stenokontoristin. 1988 übernahm sie die Pflege ihrer schwerbehinderten
Großmutter. Erst 1990 fand die Beklagte eine Arbeitsstelle mit 20 Wochenstunden, verlor diese aber schon nach zwei Wochen.
Seit 1993 besaß sie eine Gewerbeerlaubnis als Immobilienmaklerin.
Die Beklagte leidet an einer paranoiden Psychose. Nach dem im Vorprozess eingeholten psychiatrischen Gutachten hat die Krankheit
ihre Wurzeln in der Kindheit (Verhältnis der Beklagten zu ihren Eltern), ist jedoch erst durch die Ehekrise und Trennung der
Parteien im Jahr 1996 zu Tage getreten. Während im Vorprozess noch eine spätere Arbeitsfähigkeit der Beklagten für möglich
gehalten wurde, steht nach einer weiteren erfolglosen mehrmonatigen Therapie fest, dass die Beklagte dauerhaft arbeitsunfähig
ist.
Das Amtsgericht hat den Unterhalt bis einschließlich November 2008 befristet. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit welcher er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen
Entscheidung erstrebt.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat in seinem in FamRZ 2009, 1153 veröffentlichten Urteil die Auffassung vertreten, eine Unbilligkeit liege erst vor, wenn die andauernden Unterhaltszahlungen
den Kläger unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und des ihm verbleibenden Einkommens besonders belasteten.
Das könne schon nicht festgestellt werden, weil der Kläger - abgesehen von pauschal behaupteten 2.200 € - nicht einmal sein
Einkommen ausreichend dargetan habe. Er habe keine neue Familie gegründet. In Anbetracht der geänderten Rangfolge könne die
Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen Ehefrau insoweit kein Billigkeitskriterium sein. Aus der gesamten Gesetzesbegründung
des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der
Ansicht gewesen sei, dass im Falle des Bestehens einer Krankheit zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung die nacheheliche
Solidarität, in der die Rechtfertigung für die Unterhaltstatbestände liege, - je nach Einzelfall - irgendwann nach der Ehe
ende und dann die gesellschaftliche Solidarität einzutreten habe. Gegen diese Intention spreche bereits Art.
6 GG, in dessen Lichte §
1578 b BGB auszulegen sei. Verfassungsrechtlich sei es nicht haltbar, wenn ein Ehegatte, der krankheitsbedingt seit der Rechtskraft
der Scheidung nicht in der Lage sei, der vom Gesetzgeber postulierten Eigenverantwortung nachzukommen, der nachehelichen Solidarität
verlustig gehen solle.
Die Gesetzesbegründung trage dem Rechnung. Auf die von den Parteien im Sinne einer Vorwerfbarkeit aufgeworfenen Fragen, inwieweit
die Art der Eheführung Ursache der Erkrankung der Beklagten oder ob die Beklagte bereits in der Ehe gegen den Willen des Klägers
nicht erwerbstätig gewesen sei, komme es nicht an. Eine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens finde im Rahmen des §
1578 b BGB nicht statt.
Nicht zuletzt stehe die Übergangsregelung des § 36 Nr. 1 EGZPO der Abänderung entgegen, weil es in Anbetracht der bereits früher durchgeführten Unterhaltsherabsetzung zumindest an der
Zumutbarkeit der Änderung für die Beklagte fehle.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den rechtlichen Rahmen der gemäß
§
1578 b Abs.
2 BGB in Bezug auf den Krankheitsunterhalt nach §
1572 BGB zu treffenden Billigkeitsbetrachtung verkannt.
1.
Auf die Befristung ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Unterhaltsrecht anzuwenden (Art. 4 Unterhaltsrechtsänderungsgesetz; vgl. auch § 36 Nr. 7 EGZPO und Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 27 f.). Seit dem 1. Januar 2008 ist gemäß §
1578 b Abs.
2 BGB auch für den nachehelichen Krankheitsunterhalt nach §
1572 BGB eine Befristung zulässig.
a)
Der Unterhalt ist vom Familiengericht zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der
Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere
zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt
zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§
1578 b Abs.
2 Satz 2, Abs.
1 BGB).
b)
Die Regelung in §
1578 b BGB ist entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. Es entspricht der mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz
vom 21. Dezember 2007 verfolgten Absicht des Gesetzgebers, sich in weiten Teilen auf konkretisierungsbedürftige Grundaussagen
und Generalklauseln zu beschränken und damit den Gerichten einen relativ breiten Spielraum zu geben, um dem konkreten Einzelfall
nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gerecht zu werden (BT-Drucks. 16/1830 S. 13). Dadurch verstößt der Gesetzgeber
nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art.
20 Abs.
3 GG) folgende Gebot der Normenklarheit.
Zwar wird eine Krankheit selten ehebedingt sein, sodass das nach der gesetzlichen Konzeption vorrangige Kriterium des Vorliegens
ehebedingter Nachteile jedenfalls aufgrund der Krankheit regelmäßig nicht einschlägig ist. Die Befristung ist aber auch ohne
ehebedingte Erkrankung nicht der gesetzliche Regelfall (vgl. Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 36 f.). Zudem stellt das Gesetz für die Beurteilung der Unbilligkeit einer weitergehenden Unterhaltspflicht in §
1578 b Abs.
1 BGB mit der Ehedauer und der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sowie der Kindererziehung Kriterien zur Verfügung,
die auch für die generelle Bemessung der nachehelichen Solidarität heranzuziehen sind (vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Jedenfalls
unter Berücksichtigung dieser näheren Vorgaben stand es dem Gesetzgeber nicht zuletzt wegen der Vielgestaltigkeit der Fallgruppen
und mit Rücksicht auf den Umstand, dass es wegen der zuvor beim Krankheitsunterhalt fehlenden gesetzlichen Befristungsmöglichkeit
an rechtstatsächlichen Erfahrungen noch mangelte, frei, die Entscheidung über die Befristung der tatrichterlichen Beurteilung
des Einzelfalls zu überlassen.
2.
a)
Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Krankheitsunterhalt nach §
1572 BGB - allein - auf der fortwirkenden nachehelichen Solidarität beruht (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 37) und eine Befristung des Unterhalts nicht damit begründet werden kann, dass ehebedingte Nachteile nicht vorliegen.
aa)
Dass in der Erkrankung der Beklagten hier - ausnahmsweise - ein ehebedingter Nachteil liegen sollte, hat das Berufungsgericht
ebenfalls zutreffend verneint. Denn die Erkrankung der Beklagten steht nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der
Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 15 m.w.N.).
Dass eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - in der Ehekrise aufgetreten oder durch diese sogar ausgelöst
worden ist, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von §
1578 b Abs.
1 Satz 2
BGB. Bereits aus der Formulierung des Gesetzes geht hervor, dass ehebedingte Nachteile durch die Ehe verursacht sein müssen und
hierfür insbesondere die Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit
bedeutsam sind (§
1578 b Abs.
1 Satz 3
BGB). Daraus wird deutlich, dass unter ehebedingten Nachteilen vornehmlich solche Einbußen zu verstehen sind, die sich aus der
Rollenverteilung (vgl. §
1356 BGB) ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die etwa mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen.
Unter welchen Umständen eine Krankheit im Einzelfall mittelbar oder unmittelbar auf der Ehe beruhen und sich als ehebedingter
Nachteil darstellen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Bestimmung. Denn die Erkrankung der Beklagten war nach
den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits vor der Ehe angelegt. Auch wenn ihr Ausbruch schließlich durch die Ehekrise
ausgelöst worden ist, liegt damit die Krankheitsursache nicht in der Ehe als solcher oder der mit ihr verbundenen Rollenverteilung,
sondern in den persönlichen Umständen der Parteien und ihrer schicksalhaften Entwicklung.
bb)
Dadurch ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall der Unterhaltspflichtige auch unabhängig von der Ehe für
die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen
ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall indessen nicht festgestellt und den Ausbruch der Krankheit
im Zusammenhang mit der Ehekrise zutreffend als schicksalsbedingt bezeichnet. Dabei hat es auch ein etwaiges Trennungsverschulden
des Klägers zu Recht für nicht erheblich gehalten.
b)
Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden
Unterhaltsanspruchs begründet. Bei der hier anzustellenden Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene
Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in §
1578 b Abs.
1 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 17). Auch in solchen Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet,
fällt den in §
1578 b Abs.
1 Satz 3
BGB genannten Umständen besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege
oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der
Dauer der Ehe ist auch der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen (Senatsurteil vom 27. Mai 2009
- XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 39 und vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 17). Demnach setzt die Frage der Befristung eine umfassende Würdigung aller Einzelfallumstände voraus.
3.
Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung des §
1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden,
ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe
wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter
sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung
also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 14.
Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Tz. 19 und vom 14. April 2010 - XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869 Tz. 48).
Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil allerdings im Ergebnis nicht.
a)
Das Berufungsgericht hat zunächst das Einkommen des Klägers als Gesichtspunkt herangezogen, welches sich nach der Behauptung
der Beklagten gegenüber dem früheren Einkommen deutlich erhöht haben soll. Das ist insoweit zutreffend, auch wenn der Unterhalt
bereits im Vorprozess auf den angemessenen Bedarf herabgesetzt worden ist und damit der Höhe nach vom Einkommen des Klägers
unabhängig ist. Denn von der Höhe des Einkommens hängt es ab, in welchem Ausmaß der Unterhaltspflichtige durch die fortwährende
Unterhaltspflicht belastet wird, was als Billigkeitsaspekt im Rahmen von §
1578 b BGB zu berücksichtigen ist. Der Unterhaltspflichtige, der wie der Kläger eine unbillige Belastung durch den Unterhalt geltend
macht, trägt, wenn sein Einkommen nicht bereits vorrangig bei der Bedarfsermittlung zu klären ist, für sein - unzureichendes
- Einkommen die Darlegungs- und Beweislast.
b)
Abgesehen von der aufgezeigten Beanstandung durfte das Berufungsgericht die Prüfung einer Befristung damit nicht abschließen.
Seine weitere Begründung zeigt indessen, dass es die Tragweite der Befristung für den Krankheitsunterhalt offenbar verkannt
hat.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber sei nicht der Ansicht gewesen, dass im Falle des Bestehens einer Krankheit
zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung die nacheheliche Solidarität, in der die Rechtfertigung für die Unterhaltstatbestände
liege, - je nach Einzelfall - irgendwann nach der Ehe ende und dann die gesellschaftliche Solidarität einzutreten habe, trifft
nicht zu. Die Revision macht mit Recht geltend, dass mit dieser Begründung die Befristung des Krankheitsunterhalts überhaupt
ausgeschlossen wäre. Das widerspräche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Denn eine der wesentlichen Neuerungen des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes
vom 21. Dezember 2007 besteht gerade darin, dass die Befristungsmöglichkeit über den Unterhalt nach §
1573 BGB hinaus auch auf die weiteren Unterhaltsansprüche, insbesondere also auch auf den Krankheitsunterhalt nach §
1572 BGB, ausgedehnt werden sollte. Aus Art.
6 Abs.
1 GG folgt nichts Gegenteiliges. Art.
6 Abs.
1 GG schreibt insbesondere nicht vor, dass nach der Scheidung der Ehe eine lebenslange Unterhaltspflicht besteht, wie es hingegen
aus der offensichtlich zu weit gefassten Begründung des Berufungsgerichts hervorgeht.
Vielmehr spielt es für die generelle Bewertung des Krankheitsunterhalts durchaus eine Rolle, dass die Krankheit regelmäßig
schicksalsbedingt ist und nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe steht (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 37). Daraus darf aber nicht der umgekehrt fehlerhafte Schluss gezogen werden, dass der Krankheitsunterhalt stets zu
befristen wäre.
Maßgeblich kommt es dann darauf an, welches Vertrauen der Unterhaltsbedürftige angesichts des Verlaufs der Ehe auf den Fortbestand
des Unterhalts haben durfte. Wesentliche Aspekte sind die Ehedauer, die Rollenverteilung während der Ehe wie auch die vom
Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207). Bei der Beurteilung der Unbilligkeit der fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse
der Parteien sowie Umfang und Dauer der vom Unterhaltspflichtigen bis zur Scheidung erbrachten Trennungsunterhaltsleistungen
von Bedeutung.
c)
Das Berufungsgericht hat die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte nicht fehlerfrei gewürdigt. Das ergibt sich bereits aus
dem von ihm gewählten unzutreffenden Ausgangspunkt, dass der Gesetzgeber nicht der Ansicht gewesen sei, dass die nacheheliche
Solidarität irgendwann nach der Scheidung ende.
Bei der Ehedauer hat das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Rechtskraft der Ehescheidung abgestellt. Für die Ehedauer ist
nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf die Zeit von der Eheschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrags abzustellen
(Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 34 m.w.N.).
Außerdem ist in die Würdigung des Berufungsgerichts nicht eingeflossen, dass der Kläger außer dem Trennungsunterhalt nach
der Scheidung fünf Jahre vollen Unterhalt und - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - seit
weiteren sechs Jahren immerhin monatlich über 800 € gezahlt hat.
d)
Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach §
1578 b BGB ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten - durch Urteil - tituliert ist. Denn einem titulierten
oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten
oder durch Titulierung gesicherten Anspruch. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch
stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen von §
1578 b BGB nicht. Da die Beurteilung der Begrenzung und Befristung nach §
1578 b BGB vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des §
1578 b BGB sogar geboten. Dass damit die Zumutbarkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO bereits in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des §
1578 b BGB aufgeht (vgl. auch Senatsurteil vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124 Tz. 55), ist unbedenklich, weil bei einem Zusammentreffen der Abänderung eines Alttitels mit der Befristung den gesetzlichen
Wertungen des § 36 Nr. 1 EGZPO bereits im Rahmen der Befristung nach §
1578 b BGB in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist.
Auch in dieser Hinsicht ist allerdings das Berufungsurteil zu beanstanden. Denn es fehlt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
nicht schon deswegen an der Zumutbarkeit einer Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels im Sinne von § 36 Nr. 1 EGZPO, weil die Ausgangsentscheidung eine Herabsetzung des Unterhalts nach §
1578 Abs.
1 Satz 2
BGB a. F. ausgesprochen hat. Dass die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, deswegen könne eine spätere Befristung nicht mehr
stattfinden, entbehrt der Grundlage. Das ergibt sich schon daraus, dass bei Erlass des Ausgangsurteils eine Befristung des
Krankheitsunterhalts gesetzlich noch nicht möglich war.
Der Gesetzgeber hat vielmehr die Geltung des neuen Unterhaltsrechts bewusst auch für sog. Altfälle geregelt, was sich ohnedies
als gesetzliche Regel darstellt, weil die Gesetzesänderung erst ab ihrem Inkrafttreten Wirkung entfaltet. Wie aus der Regelung
des § 36 Nr. 1 EGZPO zu erkennen ist, stellt die Unabänderbarkeit eines bestehenden Titels dagegen nicht den Regelfall, sondern die Ausnahme dar.
III.
Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden. Auch wenn die Befristung des Unterhalts im Sinne
des amtsgerichtlichen Urteils als nicht fernliegend erscheint, ist dem Senat eine eigene Beurteilung wegen noch aufzuklärender
Tatsachen verwehrt. Dazu gehören das Einkommen des Klägers, die - richtig bemessene - Ehedauer sowie Dauer und Umfang des
vom Beklagten geleisteten Trennungsunterhalts, wozu es jeweils ergänzender Feststellungen des Berufungsgerichts bedarf.
IV.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass auch bei einem Einkommen des Klägers in der von der Beklagten behaupteten
Größenordnung von mindestens 4.000 € der Unterhalt zu befristen sein dürfte. Bei einer Dauer der Ehe von nicht mehr als elf
Jahren und einem Alter der Beklagten von 35 Jahren bei Scheidung der kinderlosen Ehe entspricht eine unbefristete und somit
lebenslange Unterhaltspflicht nicht mehr der Billigkeit. Dem steht auch nicht ohne weiteres entgegen, dass der Unterhaltsberechtigte
durch den Wegfall des Unterhalts sozialleistungsbedürftig wird (Senatsurteil 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010,1057). Ob die vom Amtsgericht vorgenommene Befristung angemessen ist oder der Beklagten - nicht zuletzt auch
wegen der erst seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich ermöglichten Befristung - ein längerer Unterhaltsanspruch zuzubilligen ist,
bleibt der abschließenden Würdigung durch das Berufungsgericht vorbehalten.