Rentenrechtliche Anerkennung von Zeiten einer nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Kindes
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Rüge einer Gehörsverletzung
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung der Zeiten vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2003 als Zeiten der nicht erwerbsmäßigen
Pflege des 1991 geborenen, an einer autistischen Störung leidenden Sohnes des Klägers.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger Regelaltersrente ab Juni 2017 ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Zeiten (Bescheid vom 20.7.2017). Deren Anerkennung lehnte sie zudem gesondert ab (Bescheid vom 9.4.2018; Widerspruchsbescheid vom 18.3.2019). Das SG hat die gegen den Ablehnungsbescheid gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 1.3.2021). Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG mit Beschluss vom 20.9.2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, der Versicherungstatbestand des §
3 Satz 1 Nr 1a
SGB VI sei nicht erfüllt. Der Sohn des Klägers habe im streitbefangenen Zeitraum schon deswegen keinen Anspruch auf Leistungen aus
der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung gehabt, weil derartige Leistungen seinerzeit nicht beantragt worden seien;
ein Antrag sei aber materielle Anspruchsvoraussetzung. Es sei auch kein Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit
betrieben worden. Es komme daher nicht darauf an, ob der Sohn seinerzeit pflegebedürftig iS des §
14 SGB XI gewesen und vom Kläger mindestens 14 Stunden wöchentlich gepflegt worden sei. Es erscheine im Übrigen ausgeschlossen, dass
dieser Nachweis geführt werde könne. Der Kläger verfüge nach eigenen Angaben über keine weiteren Unterlagen betreffend den
streitbefangenen Zeitraum. Ebenso wenig komme es auf die Verjährung einer etwaigen Beitragsforderung gegen die Pflegekasse
an. Allerdings habe die Verjährungsfrist, anderes als vom SG angenommen, nicht einmal zu laufen begonnen.
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 20.12.2021 begründet hat.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Form begründet wird. Sie ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG zu verwerfen. Der Kläger bezeichnet die geltend gemachten Verfahrensmängel nicht anforderungsgerecht.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensfehler (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
a) Der Kläger rügt es als eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) sowie seines aus Art
2 Abs
1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren, das LSG habe "sich nicht in ausreichendem
Maß mit dem Sach- und Streitstand auseinander(gesetzt)". Er bringt vor, ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG zur Verjährung
sei es rechtlich möglich, die fehlenden Feststellungen nachzuholen. Gleichwohl habe das LSG ihn an seiner Erklärung festgehalten,
Unterlagen zum seinerzeitigen Pflegebedarf des Sohnes seien nicht vorhanden und auch nicht mehr zu beschaffen. Diese Erklärung
habe er aber im erstinstanzlichen Verfahren auch unter dem Eindruck abgegeben, eine Rekonstruktion der damaligen Situation
sei wegen der nach Rechtsauffassung des SG eingetretenen Verjährung nicht zielführend. Da das LSG die Verjährungsfrage abweichend beurteilt habe, sei es gehalten gewesen,
zumindest die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das SG zurückzuverweisen. Dem lässt sich nicht ausreichend deutlich entnehmen, unter welchem Aspekt der Kläger seinen Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs als verletzt ansieht. Ebenso wenig bezeichnet der Kläger eine Verletzung seines Prozessgrundrechts
auf ein faires Verfahren hinreichend (vgl hierzu zB BVerfG Beschluss vom 15.1.2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248 RdNr 69 mwN; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 14.11.2018 - 1 BvR 433/16 - juris RdNr 11 mwN). Er zeigt nicht auf, inwiefern das prozessuale Vorgehen des LSG grundlegende Rechtsschutzstandards unterlaufen haben und
zB als widersprüchlich oder willkürlich anzusehen sein könnte. Letztlich rügt der Kläger mit seinem Vorbringen, das LSG habe
falsch entschieden. Darauf kann eine Revisionszulassung nicht gestützt werden (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
Falls der Kläger mit seinem Vorbringen, das LSG habe ihn nicht ausreichend auf die fehlerhaften Ausführungen des SG zur Verjährung hingewiesen, sinngemäß eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör in Form einer sog Überraschungsentscheidung
(vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 11.8.2021 - B 5 R 162/21 B - juris RdNr 12 mwN) geltend machen will, wäre auch insoweit keine Gehörsverletzung anforderungsgerecht dargetan. Die Beschwerdebegründung zeigt
nicht auf, unter welchem Gesichtspunkt die Auffassung des LSG zur Verjährung dem Rechtsstreit eine Wende gegeben haben könnte,
mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht zu rechnen brauchte. Der Kläger
setzt sich insbesondere nicht mit den Ausführungen des LSG auseinander, wonach es nicht entscheidend auf die Verjährung einer
etwaigen Beitragsforderung gegen die Pflegekasse ankomme, weil sein Sohn schon mangels Antragstellung keine Leistungen aus
der Pflegeversicherung für den streitbefangenen Zeitraum beanspruchen konnte.
Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen zu den aus seiner Sicht nachzuholenden Feststellungen eine Verletzung des §
103 Satz 1 Halbsatz 1
SGG rügen will, entspricht die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den für die Sachaufklärungsrüge bestehenden Darlegungsanforderungen
(vgl dazu zB BSG Beschluss vom 14.4.2020 - B 5 RS 13/19 B - juris RdNr 11). Der Kläger bezeichnet schon keinen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt
ist. Er macht selbst nicht geltend, einen solchen Beweisantrag in der Berufungsinstanz gestellt und hieran bis zuletzt festgehalten
zu haben.
Soweit der Kläger sich schon durch das Urteil des SG in seinen Rechten verletzt fühlt, bezeichnet er keinen Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens.
b) Mit dem Vorbringen, das LSG habe fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß §
153 Abs
4 Satz 1
SGG entschieden, benennt der Kläger schon keine Verfahrensvorschrift, die insoweit verletzt worden sein könnte. Sollte er eine
Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art
103 Abs
1 GG, §
62 SGG) rügen wollen, wäre auch insoweit keine Gehörsverletzung anforderungsgerecht dargetan. Nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG kann das Berufungsgericht, außer in den Fällen, in denen erstinstanzlich durch Gerichtsbescheid entschieden worden ist, die
Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich
hält. Die vom Berufungsgericht danach zu treffende Ermessensentscheidung für ein Vorgehen nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG wird vom Revisionsgericht lediglich darauf geprüft, ob das Berufungsgericht von seinem Ermessen unter Berücksichtigung dieser
Maßstäbe erkennbar fehlerhaften Gebrauch gemacht hat, etwa wenn der Beurteilung sachfremde Erwägungen oder eine grobe Fehleinschätzung
zugrunde liegen (vgl zB BSG Beschluss vom 6.8.2019 - B 13 R 233/18 B - juris RdNr 10 mwN; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 499 mwN). Eine solche Ermessensüberschreitung durch das LSG ist nicht anforderungsgerecht dargetan.
Der Kläger bringt vor, das LSG sei selbst von der Erforderlichkeit weiterer Ermittlungen ausgegangen und habe die Auffassung
des SG zur Verjährung nicht geteilt. Damit ist nicht schlüssig dargetan, das LSG sei einer groben Fehleinschätzung erlegen oder
habe aus anderen Gründen sein Ermessen bei der Entscheidung für ein Vorgehen nach §
153 Abs
4 Satz 1
SGG überschritten. Auch insoweit fehlt es an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des LSG, wonach es weder auf eine
Pflegebedürftigkeit des Sohnes noch den zeitlichen Umfang einer Pflegeleistung durch den Kläger im streitbefangenen Zeitraum
ankomme. Im Kern erhebt der Kläger auch an dieser Stelle eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen können nicht
durch eine Rüge in anderer Gestalt umgangen werden, weil andernfalls die Beschränkungen, die §
160 Abs
2 Nr
3 SGG für die Sachaufklärungsrüge normiert, im Ergebnis ins Leere liefen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - juris RdNr 11 mwN).
Ebenso wenig ist eine Gehörsverletzung anforderungsgerecht dargetan, indem der Kläger vorbringt, er sei nicht ordnungsgemäß
nach §
153 Abs
4 Satz 2
SGG zu der beabsichtigten Verfahrensweise angehört worden, weil das LSG ihn nicht deutlich auf die abweichende Auffassung zur
Verjährung hingewiesen habe. Der Kläger versäumt es jedenfalls darzutun, welcher entscheidungserheblicher Vortrag hierdurch
unterblieben sein könnte, wenn der geltend gemachte Anspruch nach der materiellen Rechtsansicht des LSG bereits an der fehlenden
Antragstellung gegenüber der Pflegeversicherung scheitert.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 und 4
SGG.