Gründe:
I
Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 13.4.2018 bis 12.7.2019. Im Streit ist die pauschalierte
Berücksichtigung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag im Rahmen der Bemessung.
Die 1964 geborene, verheiratete und kinderlose Klägerin wohnt in Frankreich und war ab dem 1.3.2013 als Bäckereiverkäuferin
in Deutschland beschäftigt. Sie kehrte arbeitstäglich zu ihrem Wohnort zurück. Zuletzt bezog die Klägerin vom 4.10.2017 bis
zum 12.4.2018 Krankengeld und arbeitete danach trotz weiterbestehenden Arbeitsvertrags aus gesundheitlichen Gründen nicht
mehr.
Am 8.2.2018 meldete die Klägerin sich bei der Beklagten zum 13.4.2018 arbeitslos und beantragte Alg. Nach einem Gutachten
des Ärztlichen Dienstes der Beklagten war sie mit Einschränkungen vollschichtig leistungsfähig (Gutachten vom 16.3.2018).
Die Beklagte bewilligte Alg für 450 Kalendertage (Zeitraum vom 13.4.2018 bis zum 12.7.2019) iHv täglich 16,67 Euro (Bescheid
vom 19.4.2018). Ausgehend von den in der Arbeitsbescheinigung angegebenen Entgelten und Entgeltabrechnungszeiträumen in einem
Bemessungsrahmen vom 13.4.2016 bis 12.4.2018 legte sie ein tägliches Bemessungsentgelt von 41,69 Euro und unter Berücksichtigung
der Lohnsteuerklasse V ein tägliches Leistungsentgelt von 27,78 Euro zugrunde. Bei einem Leistungssatz von 60 % ergab sich
daraus ein täglicher Leistungsbetrag von 16,67 Euro.
Der von der Klägerin mit der Begründung erhobene Widerspruch, sie sei aufgrund ihres Wohnsitzes in Frankreich nicht in Deutschland
steuerpflichtig und deswegen dürfe zur Vermeidung einer unzulässigen Doppelbesteuerung bei der Berechnung des Alg kein Steuerabzug
in Deutschland berücksichtigt werden, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7.5.2018). Im Klageverfahren hat die Beklagte
wegen der Absenkung der Sozialversicherungspauschale ab dem 1.1.2019 von 21 % auf 20 % (§
153 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB III) den angefochtenen Bescheid geändert und ab dem 1.1.2019 einen täglichen Leistungsbetrag von 16,91 Euro (statt zuvor 16,67
Euro) bewilligt (Änderungsbescheid vom 30.11.2018). Klage und Berufung, weiterhin gerichtet auf höheres Alg ohne Berücksichtigung
eines pauschalierten Lohnsteuerabzugs, blieben ebenfalls ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 26.8.2019; Urteil des LSG vom 23.7.2021). Die wegen des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zuständige Beklagte habe
die Höhe des Alg zutreffend berechnet. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte infolge der fehlenden Lohnsteuerpflicht
der Klägerin in Deutschland den fiktiven Steuerabzug nach §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III durch die Einordnung der Grenzgängerin als beschränkt Steuerpflichtige ermittelt habe. Weil die Berechnung des Alg anhand
der Vorschrift des §
153 Abs
1 Satz 2
SGB III für alle Bezugsberechtigten in Deutschland unabhängig von Staatsangehörigkeit und Wohnsitz erfolge, liege auch kein Verstoß
gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art 18 AEUV vor.
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III. Dieser habe den Zweck, den Steuerabzug vorzunehmen, den Arbeitslose auch in ihrem Beschäftigungsverhältnis hinzunehmen hätten.
Der fiktive Abzug von Steuern verletze zudem als europarechtlich unzulässige Diskriminierung von Grenzgängern das primärrechtliche
Diskriminierungsverbot des Art 45 AEUV iVm dem Sicherstellungsauftrag des Art 48 AEUV und das Diskriminierungsverbot nach Art 7 Abs 2 der VO (EG) 492/2011. Benachteiligt würden Personen, die in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland ansässig
und steuerpflichtig seien, gegenüber Arbeitnehmern, die in Deutschland ihren Wohnsitz hätten und dort zur Steuer herangezogen
würden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Juli 2021 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg
vom 26. August 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19. April 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 7. Mai 2018 und des Änderungsbescheides vom 30. November 2018 zu verurteilen, höheres Arbeitslosengeld ohne Berücksichtigung
eines pauschalierten Lohnsteuerabzugs zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das BSG verkenne in seiner Entscheidung vom 3.11.2021 (B 11 AL 6/21 R) die Rechtslage, wenn es davon ausgehe, dass Grenzgänger im Fall der steuerlichen Freistellung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) keiner Lohnsteuerklasse in Deutschland unterlägen. Vielmehr gälten im Ausland ansässige Arbeitnehmer mit ihren Einkünften
aus Deutschland nach §
1 Abs
4 iVm §
49 Abs
1 Nr
4a Einkommensteuergesetz (
EStG) als beschränkt einkommensteuerpflichtig und würden daher in der Regel der Steuerklasse I nach §
38b Abs
1 Nr
1b EStG zugeordnet. Eine auf Antrag erteilte Freistellung des Arbeitslohns nach einem DBA stelle lediglich ein weiteres Lohnsteuerabzugsmerkmal iS von §
39 Abs
4 Nr
5 EStG dar. Im Übrigen dürften die Beitragsmittel der Arbeitslosenversicherung nicht zur Finanzierung des Staatshaushalts, auch
nicht des französischen Staatshaushalts, herangezogen werden.
II
Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG Erfolg (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG). Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um zu beurteilen, ob der Klägerin höheres Alg zusteht.
1. Streitgegenstand ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der Bescheid vom 19.4.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 7.5.2018 und des Änderungsbescheids vom 30.11.2018. Die Beklagte hat Alg für den Zeitraum vom 13.4.2018 bis 12.7.2019
bewilligt. Der nach Klageerhebung ergangene Bescheid vom 30.11.2018 hat die Höhe der bewilligten Leistung ab 1.1.2019 an eine
zu diesem Zeitpunkt eingetretene neue Rechtslage angepasst und insoweit geändert und ersetzt. Der Änderungsbescheid war deshalb
nach §
96 Abs
1 SGG Gegenstand schon des Klageverfahrens geworden. Dass dem SG offenbar entgegen §
96 Abs
2 SGG keine Abschrift dieses Bescheids übersandt wurde und das SG diesen Bescheid nicht ausdrücklich zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht hatte, ist ohne Bedeutung, denn die Rechtsfolge
der Einbeziehung tritt automatisch ein (vgl nur BSG vom 17.11.2005 - B 11a/11 AL 57/04 R - SozR 4-1500 § 96 Nr 4 RdNr 21). Jedenfalls das LSG hat auch über den Änderungsbescheid
befunden. Weil die Klägerin höhere, insoweit von der Beklagten abgelehnte, Leistungen begehrt, ist richtige Klageart die hier
auch erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs
1, 4
SGG. Die Klägerin macht höhere Geldleistungen (Alg) zulässigerweise dem Grunde nach (§
130 Abs
1 Satz 1
SGG) geltend.
2. Die Klägerin kann die Beklagte - wie das LSG zu Recht angenommen hat - trotz ihres Wohnsitzes in Frankreich grundsätzlich
auf Zahlung von Alg in Anspruch nehmen, was sich aus der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (im Folgenden: VO [EG] 883/2004) ergibt. Denn sie war
nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG während ihrer letzten Beschäftigung als (echte) Grenzgängerin iS von
Art 1 Buchst f VO (EG) 883/2004 anzusehen. Sie übte diese Beschäftigung im Mitgliedstaat Deutschland aus und kehrte in der
Regel täglich in ihren Wohnsitzstaat Frankreich zurück. Nach Art 11 VO (EG) 883/2004, konkretisiert durch Art 65 Abs 1 VO
(EG) 883/2004, unterfällt sie daher der Zuständigkeit des Beschäftigungsstaats Deutschland. Art 65 Abs 1 VO (EG) 883/2004
bestimmt: "Eine Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als
dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat, muss sich bei Kurzarbeit oder sonstigem vorübergehendem Arbeitsausfall ihrem Arbeitgeber
oder der Arbeitsverwaltung des zuständigen Mitgliedstaats zur Verfügung stellen. Sie erhält Leistungen nach den Rechtsvorschriften
des zuständigen Mitgliedstaats, als ob sie in diesem Mitgliedstaat wohnen würde. Die Leistungen werden von dem Träger des
zuständigen Mitgliedstaats gewährt." Demgegenüber muss sich eine vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung
oder selbstständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat gewohnt hat und weiterhin in diesem
Mitgliedstaat wohnt oder in ihn zurückkehrt, der Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedstaats zur Verfügung stellen und erhält
Leistungen (nur) von dem Wohnmitgliedstaat (Art 65 Abs 2 und 5 Buchst a VO [EG] 883/2004). Von Vollarbeitslosigkeit im Sinne
dieser Vorschrift ist allerdings erst dann auszugehen, wenn keine arbeitsvertragliche Bindung mehr besteht und es damit an
einer Beziehung zu dem Beschäftigungsstaat fehlt (Dern in Schreiber/Wunder/Dern, VO [EG] Nr 883/2004, 2012, Art 65 RdNr 9; Kador in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB I, 3. Aufl 2018, Art 65 VO [EG] 883/2004 RdNr 23 f). Entscheidend ist die Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindungen und nicht die Dauer einer
Aussetzung der Tätigkeit (so - unter Hinweis auf den Beschluss der Verwaltungskommission vom 12.6.2009 [Beschluss Nr U3 -
ABl EU vom 24.4.2010 - C 106/45] - Fuchs in Fuchs/Janda, Europäisches Sozialrecht, 8. Aufl 2022, Art 65 RdNr 6).
Nach diesen Maßstäben liegt hier ein sonstiger vorübergehender Arbeitsausfall iS von Art 65 Abs 1 Satz 1 2. Variante VO (EG)
883/2004 und noch keine "Vollarbeitslosigkeit" nach Art 65 Abs 2 Satz 1 VO (EG) 883/2004 vor. Gestützt ua auf den Inhalt der
Arbeitsbescheinigung des Arbeitgebers hat das LSG festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin weiter fortbestand,
obwohl diese im streitbefangenen Zeitraum gesundheitsbedingt nicht mehr beschäftigt wurde. Rechtsfolge von Art 65 Abs 1 Satz
1 VO (EG) 883/2004 als einer sogenannten Kollisionsnorm ist allein die Festlegung des zuständigen Staats; die Vorschrift bestimmt
mithin nicht - als Sachnorm - den materiell-rechtlichen Inhalt von Ansprüchen, enthält also auch keine Regelung zur Höhe der
Leistung (vgl Bieback, ZESAR 2021, 10, 12; ausführlich zur primär kollisionsrechtlichen Bedeutung von Art 65 Abs 1 VO [EG]
883/2004 Wunder/Schreiber, ZESAR 2022, 251, 253 f).
3. Ob der Klägerin höheres Alg zusteht, als es von der danach zuständigen Beklagten bewilligt worden ist, vermag der Senat
mangels ausreichender Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen der pauschalierten Abzüge vom Bemessungsentgelt (§
153 Abs
1 Satz 1
SGB III) nicht abschließend zu entscheiden.
Die auch in einem Höhenstreit stets zu prüfenden (stRspr; vgl nur BSG vom 21.6.2018 - B 11 AL 8/17 R - SozR 4-4300 § 150 Nr 4 RdNr 12; BSG vom 23.10.2018 - B 11 AL 21/17 R - RdNr 14) Anspruchsvoraussetzungen für Alg liegen dem Grunde nach vor. Der Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit setzt gemäß
§
137 SGB III voraus, dass Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet
und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die Klägerin hat sich zum 13.4.2018 arbeitslos gemeldet (§
141 SGB III) und ist nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG arbeitslos iS von §
138 SGB III gewesen. Sie erfüllt auch die Anwartschaftszeit, weil sie in der - hier noch maßgebenden - zweijährigen Rahmenfrist (vom
13.4.2016 bis 12.4.2018) durchgehend aufgrund ihrer Beschäftigung bzw des Bezugs von Sozialleistungen im unmittelbaren Anschluss
an diese Beschäftigung in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§
142 Abs
1 SGB III; §
143 Abs
1 SGB III in der bis zum 31.12.2019 geltenden aF).
Die Bemessung und damit die Höhe des Alg richtet sich nach §
149 Nr 2
SGB III. Danach beträgt das Alg für Arbeitslose, die - wie die Klägerin - kein Kind iS des §
32 Abs
1,
3 bis
5 EStG haben, 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt
ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Gemäß §
150 Abs
1 Satz 1
SGB III umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume
der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem
letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§
150 Abs
1 Satz 2, §
137 Abs
2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird ua dann auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch
auf Arbeitsentgelt enthält (§
150 Abs
3 Satz 1 Nr
1 SGB III).
Nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern, denn es bestand in dem einjährigen
Bemessungsrahmen vom 13.4.2017 bis 12.4.2018 kein Anspruch auf Arbeitsentgelt für 150 Tage, weil die Klägerin in diesem Zeitraum
überwiegend Lohnersatzleistungen wegen ihrer Erkrankung bezogen hat. Im zweijährigen Bemessungsrahmen vom 13.4.2016 bis 12.4.2018
hat sie dagegen für 250 Tage abgerechnetes Arbeitsentgelt erhalten, aus dessen festgestellter Höhe sich ein tägliches Bemessungsentgelt
iHv 41,69 Euro ergibt.
4. Das tägliche Bemessungsentgelt ist nach §
153 Abs
1 Satz 1
SGB III um pauschalierte Abzüge zu vermindern. Abzüge sind gemäß §
153 Abs
1 Satz 2
SGB III eine Sozialversicherungspauschale iHv 21 % (ab 1.1.2019: 20 %) des Bemessungsentgelts (Nr 1), die Lohnsteuer, die sich nach
dem vom Bundesministerium der Finanzen aufgrund des §
51 Abs
4 Nr
1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplans bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach §
39b Abs
2 Satz 5 Nr
3 Buchst a bis c
EStG zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt (Nr 2) und der Solidaritätszuschlag (Nr
3). Ergänzend zu §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III bestimmt §
153 Abs
2 Satz 1
SGB III, dass sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse richtet, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch
entstanden ist, als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildet war. Spätere Änderungen der Lohnsteuerklasse sind nach Maßgabe von §
153 Abs
2 Satz 2
SGB III zu berücksichtigen.
Vorliegend lässt sich indessen nicht beurteilen, ob hier überhaupt ein Abzug und ggf welcher nach §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III für Lohnsteuer vorzunehmen ist. Dies gilt auch für den davon unmittelbar abhängigen Abzug nach §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
3 SGB III wegen des Solidaritätszuschlags. Das LSG hat keine Ermittlungen dazu angestellt, ob die Klägerin als echte Grenzgängerin
nach dem DBA Deutschland-Frankreich (in der hier ab 1.1.2016 anwendbaren Fassung des Zusatzabkommens vom 31.3.2015, BGBl II 2015, 1332 und BGBl II 2016, 227; im Folgenden: DBA-Frankreich) von der Besteuerung in Deutschland freigestellt war. Der Senat hält aber daran fest, dass im Falle eines echten
Grenzgängers, der nach einem DBA nicht der Steuerpflicht im Inland unterliegt, bei der Leistungsbemessung mangels als Lohnsteuerabzugsmerkmal heranzuziehender
Lohnsteuerklasse kein pauschalierter Abzug für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag berücksichtigt werden darf (vgl zum Kurzarbeitergeld
[Kug] Urteil des Senats vom 3.11.2021 - B 11 AL 6/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE 133, 91 und SozR 4-4300 § 106 Nr 1 vorgesehen, RdNr 16 ff; zustimmend Bieback, jurisPR-SozR 7/2022 Anm 3; Bienert, NZS 2022, 194; Engelmann, SGb 2022, 282 ff; Wunder/Schreiber, ZESAR 2022, 251 ff; zum Krankengeld für Grenzgänger ebenso SG für das Saarland vom 17.2.2022 - S 20 KR 133/20 - juris; kritisch - allerdings noch vor Veröffentlichung der Entscheidungsgründe des Senatsurteils - Brücher, AuR 2022, 39 f). Ob ein solcher Fall hier vorliegt, bedarf weiterer Aufklärung.
Schon der Wortlaut der für die Ermittlung des Leistungsentgelts heranzuziehenden Regelungen deutet darauf hin, dass sich die
Lohnsteuerklasse als Lohnsteuerabzugsmerkmal auf die Lohnsteuer tatsächlich auswirken können muss, um Abzüge wegen Lohnsteuer
zu rechtfertigen. Nach §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 SGB III wird "die Lohnsteuer" als Abzugsposten genannt. Deren Höhe ist in einem komplexen Verfahren auf Grundlage eines vom Bundesministerium
der Finanzen (BMF) bekanntgegebenen Programmablaufplans zu ermitteln, welcher zudem noch die abstrakten besonderen Berechnungsmaßgaben
nach §
153 Abs
1 Satz 3 und 4
SGB III zu berücksichtigen hat (vgl zu den bestehenden Schwierigkeiten, diese Berechnungen im Einzelnen nachzuvollziehen, und der
Notwendigkeit, sie ggf durch Sachverständigengutachten überprüfen zu müssen, BSG vom 21.7.2009 - B 7 AL 23/08 R - SozR 4-4300 § 132 Nr 3 RdNr 16; BSG vom 26.11.2015 - B 11 AL 2/15 R - RdNr 19). Eine Vorgabe unter Berücksichtigung konkreter Umstände des jeweiligen Einzelfalls enthält §
153 Abs
2 SGB III, der auf die wegen der Lohnsteuerklasse gebildeten Lohnsteuerabzugsmerkmale abstellt. Der Wortlaut nimmt dort Bezug auf die
"Feststellung der Lohnsteuer" und setzt damit voraus, dass sich eine Lohnsteuerklasse als Lohnsteuerabzugsmerkmal überhaupt
auf die Lohnsteuer auswirken kann. Bei Arbeitslohn, der nach einem DBA von der Lohnsteuer schon grundsätzlich freigestellt ist, scheidet dies aus. Auf andere Einkünfte kommt es bereits aus systematischen
Gründen nicht an, denn diese sind für die Leistungsbemessung des Alg von vornherein ohne Bedeutung.
Dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck der beitragsfinanzierten Sozialleistung Alg. Durch das Alg soll ebenso wie beim
Kug ein Verdienstausfall zwar pauschaliert, aber dennoch individuell, also in Anlehnung an den tatsächlichen Nettoverdienstausfall,
ausgeglichen werden (ausführlich zu diesem "Entgeltersatzprinzip" Behrend in Eicher/Schlegel,
SGB III nF, §
149 RdNr 26 ff, Stand Januar 2014). Dem wird dadurch unmittelbar Rechnung getragen, dass bei schon grundsätzlich nicht bestehender
Steuerpflicht auch keine Lohnsteuerklasse berücksichtigt wird. Der weitere Zweck des Bemessungsrechts, den Anforderungen der
Massenverwaltung entsprechend durch Pauschalierungen eine möglichst schnelle Leistungsfeststellung zu gewährleisten (vgl BT-Drucks
15/1515, S 85), steht dem nicht entgegen. Der sich ergebende Abzugsbetrag beträgt 0 Euro, wenn wegen grundsätzlicher Freistellung
von der Lohnsteuer keine Steuerklasse mit Auswirkungen auf die zu entrichtende Steuer zuzuordnen ist. Die Berechnung der Leistung
mit einem Abzug von 0 Euro für zu berücksichtigende Lohnsteuer erleichtert im Ergebnis die Rechtsanwendung. Eine Freistellung
von der Lohnsteuer steht fest, wenn in der umgrenzten Fallgruppe der nur im Wohnsitzstaat steuerpflichtigen Grenzgänger das
vorgesehene Verfahren durchlaufen und die Freistellung als Steuerabzugsmerkmal (vgl §
39 Abs
4 Nr
5 EStG, näher dazu unten) gebildet wurde. Es bedarf in der Folge auch keines Rückgriffs mehr auf Tabellen oder Programmablaufpläne,
weil allein der prozentual feststehende Abzug der Sozialversicherungspauschale vorzunehmen ist (vgl Senatsurteil vom 3.11.2021
- B 11 AL 6/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE 133, 91 und SozR 4-4300 § 106 Nr 1 vorgesehen, RdNr 20).
Abweichendes wäre vom Gesetzgeber - im Rahmen des europa- und verfassungsrechtlich Zulässigen - ausdrücklich zu regeln, wie
dies etwa durch §
167 Abs
2 Nr
2 SGB III zum Insolvenzgeld erfolgt ist. Die Vorschrift greift explizit Fälle einer nicht bestehenden Steuerpflicht im Inland auf.
Zur Bemessung des Alg besteht eine solche Sonderregelung nicht.
Der Senat hält auch daran fest, dass dieses Ergebnis - auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung - mit §
153 Abs
1 Satz 3 Nr
1 SGB III in Einklang steht (Urteil vom 3.11.2021 - B 11 AL 6/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE 133, 91 und SozR 4-4300 § 106 Nr 1 vorgesehen, RdNr 19). Danach sind individuelle Steuervorteile in Gestalt von Freibeträgen und
Pauschalen nicht leistungserhöhend zu berücksichtigen. Um solche Steuervorteile handelt es sich bei einer grundsätzlichen
Freistellung von der Steuer im Inland durch ein DBA nicht.
5. Vor diesem Hintergrund bedarf es weiterer Aufklärung, ob die Klägerin unter den Voraussetzungen des DBA-Frankreich als Grenzgängerin nur im Wohnsitzstaat steuerpflichtig gewesen ist. Nach Art 13 Abs 5 des DBA-Frankreich werden Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Wohnsitzstaat, im Fall der Klägerin also in Frankreich, besteuert.
Dies gilt seit dem 1.1.2016 auch für Sozialleistungen (vgl zum Kug klarstellend die Konsultationsvereinbarung Deutschland
- Frankreich vom 13.5.2020 unter Ziff 4, Schreiben des BMF vom 25.5.2020, BStBl I 2020, 535; dazu Bruns, ISR 2020, 228, 233 f; Bieback, ZESAR 2021, 10, 11). Ob sich dieses Besteuerungsrecht für Sozialleistungen aus
Art 13 Abs 8 oder - wie die Beklagte meint - aus Art 18 des DBA-Frankreich ableitet, ist ebenso ohne Belang, wie die von der Beklagten genannten Regelungen in Art 25b DBA zum Ausgleich von sogenannten Quellensteuern, die etwa bei Kapitaleinkünften in Betracht kommen. Denn das Besteuerungsrecht
bezogen auf Sozialleistungen liegt auf jeden Fall bei Frankreich - worauf es allein ankommt -, und eine Quellensteuer steht
nicht im Raum. Einzuhalten ist indessen das im Schreiben des BMF vom 30.3.2017 vorgesehene Verfahren (vgl Urteil des Senats
vom 3.11.2021 - B 11 AL 6/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE 133, 91 und SozR 4-4300 § 106 Nr 1 vorgesehen, RdNr 16).
Soweit die Beklagte gegenüber der genannten Senatsentscheidung einwendet, §
2 Abs
1 Abgabenordnung (
AO) (Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen) bewirke keinen allgemeinen Vorrang von DBA, trifft dies weder im Grundsätzlichen noch bezogen auf die hier anwendbaren Regelungen des DBA-Frankreich zu. Nach §
2 Abs
1 AO gehen Verträge mit anderen Staaten iS des Art
59 Abs
2 Satz 1
GG über die Besteuerung, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind (wie das DBA-Frankreich; vgl zuletzt BGBl II 2015, 1332 und BGBl II 2016, 227), den Steuergesetzen vor. Es ist zwar richtig, dass es sich sowohl bei DBA als auch bei der
AO um einfaches Gesetzesrecht mit gleichem Rang in der Normenhierarchie handelt. §
2 Abs
1 AO löst aber einen (möglichen) Konflikt auf dieser Normebene für den Regelfall zugunsten der Verträge mit anderen Staaten auf
(vgl etwa Drüen in Tipke/Kruse,
AO, §
2 RdNr 1, 6a f, Stand April 2017; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
AO, §
2 RdNr 191,
205, Stand November 2017). Etwas anderes kann zwar dann gelten, wenn - im Sinne eines sogenannten "treaty override" - bewusst
durch Steuergesetze von Verträgen abgewichen wird (vgl hierzu und zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines treaty override
BVerfG vom 15.12.2015 - 2 BvL 1/12 - BVerfGE 141, 1; vgl auch Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
AO, §
2 RdNr 206 ff, Stand November 2017). Es erschließt sich indessen nicht, worin vorliegend eine solche Fallgestaltung zu sehen
sein sollte. Dementsprechend ist der Vorrang des DBA-Frankreich gegenüber den Steuergesetzen trotz gleicher Normebene nicht zweifelhaft.
Es hat für die Bemessung von Alg auch keine Bedeutung, dass - wie die Beklagte weiter geltend macht - natürliche Personen,
die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, also in Deutschland, haben, nach §
1 Abs
4 EStG unter der Voraussetzung beschränkt steuerpflichtig sein können, dass sie inländische Einkünfte iS von §
49 EStG haben und in diesem Fall nach §
38b Abs
1 Nr
1 Buchst b
EStG für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs der Steuerklasse I zugeordnet werden. Die Anknüpfung an Normen zur begrenzten Steuerpflicht
im Regelungsgefüge des Arbeitsförderungsrechts erscheint schon grundsätzlich zweifelhaft. Denn der sogenannte "objektsteuerähnliche
Charakter" der beschränkten Steuerpflicht, wonach bei der Besteuerung persönliche Verhältnisse weitgehend ausgeklammert werden
und stattdessen allein der Charakter der Einkünfte in den Blick genommen wird (vgl Haase, Internationales und Europäisches
Steuerrecht, 6. Aufl 2020, RdNr 413; Zimmermann in Mauer, Personaleinsatz im Ausland, 3. Aufl 2019, RdNr 1367 f), entspricht
nicht den Grundgedanken, auf denen die Leistungsbemessung nach dem
SGB III basiert. Diese knüpft - auch durch die Berücksichtigung verschiedener Steuerklassen - trotz Pauschalierung an individuelle
Umstände (Familienstand; Kinder) an. Das Abstellen auf Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht dürfte zudem in Konflikt
geraten mit der (steuerbezogenen) Bemessungsregelung in §
153 Abs
1 Satz 4
SGB III, weil die dort genannte Vorsorgepauschale bei beschränkt Steuerpflichtigen gerade nicht zu berücksichtigen ist (zu den zahlreichen
Unterschieden im Einzelnen zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht vgl Lehner/Waldhoff in Kirchhof/Mellinghoff/Kube,
EStG, §
1 RdNr E 35, Stand September 2000) und würde es auch nicht erlauben - weil es nicht vorgesehen ist - eine andere Steuerklasse
als I zu berücksichtigen, selbst wenn dies etwa wegen des Familienstands oder der Berücksichtigung von Kindern naheliegt.
Einer Vertiefung dieser originär steuerrechtssystematischen Zusammenhänge bedarf es allerdings nicht. Denn die Mitteilung,
dass der von einem Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn wegen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Lohnsteuer
freizustellen ist (nach Antrag des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers), bildet - was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt
- nach der ausdrücklichen Regelung in §
39 Abs
4 Nr
5 EStG ein eigenständiges Lohnsteuerabzugsmerkmal. Hieraus folgt schon denklogisch, dass jedenfalls bezogen auf solchen Arbeitslohn
der Lohnsteuerklasse als (ein anderes) Lohnsteuerabzugsmerkmal (§
39 Abs
4 Nr
1 EStG) keine Bedeutung mehr zukommen kann. Bei dem von der Lohnsteuer freigestellten Arbeitslohn ist es also ausgeschlossen, dass
sich die Lohnsteuerklasse auf den Lohnsteuerabzug vom Arbeitslohn in irgendeiner Weise auswirkt. Die Lohnsteuerklasse stellt
dann, auch wenn sie wegen der beschränkten Steuerpflicht gebildet worden sein sollte, nur noch ein formales Lohnsteuerabzugsmerkmal
ohne materielle Relevanz dar.
6. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch nichts anderes aus der Entscheidung des BSG zur Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch Beitragsmittel (BSG vom 18.5.2021 - B 1 A 2/20 R - BSGE 132, 114 = SozR 4-2500 § 20a Nr 1). Abweichend vom Sachverhalt in jenem Fall liegt hier weder mittelbar noch unmittelbar ein Beitragstransfer
von der Bundesagentur als Sozialversicherungsträger zur unmittelbaren Staatsverwaltung vor, selbst wenn man zu der Letzteren
- wie offenbar die Beklagte - auch die Republik Frankreich zählen würde. Das Binnensystem der Arbeitslosenversicherung wird
gerade nicht verlassen, wenn arbeitslosen Personen, die zuvor Beiträge gezahlt haben und die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen
erfüllen, als Lohnersatzleistung Alg gewährt wird (aA Brücher, AuR 2022, 39 f, auch zum Folgenden). Wegen der ersichtlich fehlenden Vergleichbarkeit der Regelungszusammenhänge ergibt sich auch nichts
anderes aus den Entscheidungen des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit der Künstlersozialversicherung (BVerfG vom 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 ua - BVerfGE 75, 108), zur Verfassungsmäßigkeit des Risikostrukturausgleichs (BVerfG vom 18.7.2005 - 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167) und zu den Transferzahlungen der BA an den Bundeshaushalt (BVerfG vom 22.5.2018 - 1 BvR 1728/12 - BVerfGE 149, 50). Gegenstand dieser Entscheidungen waren jeweils systemische Mittelverwendungen und nicht mögliche mittelbare Auswirkungen
der Auslegung bzw Anwendung leistungsrechtlicher Bestimmungen innerhalb eines Leistungssystems. Entsprechendes gilt für die
Behauptung fehlender Äquivalenz von Beitragsleistung und Lohnersatzleistung. Zudem folgt die Bemessung des Alg - wie bereits
dargelegt - einem Entgeltersatz- bzw Entgeltausfallprinzip, knüpft also an das Entgelt in der letzten Phase der beendeten
Beschäftigung an und führt schon im Grundsatz nur zu einer eingeschränkten Äquivalenz zwischen Beiträgen und Leistungen (grundlegend
zu den bei der Bemessung wirkenden Grundprinzipien Pawlak in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts,
2003, § 11 RdNr 19 ff).
Dass - mittelbar - Frankreich von der Regelung des DBA-Frankreich "profitiert", weil es Steuern auf ohne Steuerabzug geminderte Sozialleistungen aus Deutschland erheben kann, ist
damit letztlich eine Folge der steuerrechtlichen Handhabung von Grenzgängerfällen und als solche auch steuerrechtlich zu lösen.
7. Schließlich hält der Senat auch daran fest, dass wegen der ersichtlich ungleichen Sachverhalte EU-Recht - anders als die
Beklagte meint - selbst bei Berücksichtigung der Besonderheiten der Massenverwaltung und des (nur beschränkt bedeutsamen)
Äquivalenzprinzips keine Gleichbehandlung von Grenzgängern mit in Deutschland wohnenden und arbeitenden Arbeitnehmern erfordert,
sondern einer solchen sogar entgegenstehen dürfte (Senatsurteil vom 3.11.2021 - B 11 AL 6/21 R - zur Veröffentlichung in BSGE 133, 91 und SozR 4-4300 § 106 Nr 1 vorgesehen, RdNr 21 ff; so auch Bieback, jurisPR-SozR 7/2022 Anm 3; Engelmann, SGb 2022, 282, 284; Wunder/Schreiber, ZESAR 2022, 251, 252 f).
8. Soweit das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren feststellen sollte, dass zu Beginn des Jahres 2018 - dem nach §
153 Abs
2 Satz 1
SGB III maßgebenden Zeitpunkt - eine Freistellung der Klägerin von der Steuerpflicht in Deutschland als Grenzgängerin nach dem DBA-Frankreich als Lohnsteuerabzugsmerkmal zu beachten war, wäre keine Lohnsteuerklasse bei der Leistungsbemessung zu berücksichtigen.
Der pauschalierte Abzug für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag nach §
153 Abs
1 Satz 2 Nr
2 und
3 SGB III betrüge in diesem Fall 0 Euro.
Sollte sich dies nicht feststellen lassen, wären weitere Ermittlungen zur dann maßgeblichen Lohnsteuerklasse erforderlich.
Die Beklagte ist bei der Berechnung des Leistungsentgelts von der Steuerklasse V ausgegangen, was das LSG unter Hinweis auf
die Begründung der angefochtenen Bescheide offenbar für zutreffend gehalten hat. Es ist allerdings zweifelhaft, dass die Steuerklasse
V zu Beginn des Jahres 2018 als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildet war, denn, wie die Beklagte in der Revisionserwiderung zutreffend
ausführt, ist die Aktenlage hierzu widersprüchlich. Die Klägerin selbst hat in ihrem Antrag auf Alg zwar Steuerklasse V angegeben.
Demgegenüber nennt der Arbeitgeber in seiner Arbeitsbescheinigung Steuerklasse I. Weder SG noch LSG sind diesem Widerspruch nachgegangen, was ggf nachzuholen wäre.
Die Kostenentscheidung bleibt - auch wegen der Kosten des Revisionsverfahrens - dem LSG vorbehalten.