Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als IT-Produktentwickler
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens
darüber, ob der Kläger zu 1. in der Zeit vom 1.5.2016 bis zum 31.5.2017 in seiner Tätigkeit als IT-Produktentwickler für die
Klägerin zu 2. der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Klägerin zu 2. ist eine GmbH, die für ihre Kunden Unternehmens- und Digitalstrategien erarbeitet. Sie schloss mit dem
Kläger zu 1. für die Zeit ab 1.5.2016 einen Vertrag, nach welchem dieser als Auftragnehmer gegen ein monatliches Honorar iHv
4500 Euro weisungsfrei Berater-/Entwickler-/Designer-Leistungen an einem Projektstandort oder beim Auftraggeber erbringen
sollte. Er hatte Rücksicht auf die besonderen betrieblichen Belange zu nehmen, Zeitvorgaben sowie fachliche Vorgaben des Auftraggebers
soweit erforderlich einzuhalten und seine Tätigkeit umfassend zu dokumentieren. Auf einen Statusfeststellungsantrag der Kläger
stellte die Beklagte nach Anhörung Versicherungspflicht des Klägers zu 1. ab 1.5.2016 in den Zweigen der Sozialversicherung
aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses fest (Bescheid vom 9.11.2016, Widerspruchsbescheid vom 10.8.2017).
Die dagegen gerichtete Klage sowie die Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des SG Berlin vom 21.9.2018; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.5.2020). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung
sei zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden auszugehen. Danach habe der Kläger zu 1. als
Auftragnehmer selbstständig tätig sein sollen. Allerdings werde dies aufgrund anderer vertraglicher Regelungen relativiert,
da der Kläger auf besondere betriebliche Belange Rücksicht zu nehmen und projektbezogene Zeitvorgaben sowie fachliche Vorgaben
des Auftraggebers einzuhalten gehabt habe, soweit dies zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich gewesen sei.
Er habe einem Wettbewerbsverbot unterlegen und ein monatliches Pauschalhonorar erhalten und keinem nennenswerten unternehmerischen
Risiko unterlegen. Zudem komme der privatautonomen Gestaltung im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche Bedeutung zu wie
im Arbeitsrecht. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG ist weiter ausgeführt, dass sozialversicherungsrechtlich Beschäftigung auch dann vorliegen könne, wenn kein Arbeitsvertrag
geschlossen worden sei (BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 19) und der tatsächlichen Ausgestaltung der Verhältnisse gegebenenfalls stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen
zukomme (BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - juris RdNr 17; Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17). Nach diesen Grundsätzen sei der Kläger zu 1. abhängig beschäftigt gewesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 27.5.2020 ist
gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 Satz 2 und
3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Kläger haben in der Begründung des Rechtsmittels den allein geltend gemachten Zulassungsgrund
einer Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechend (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung
beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen
rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen
Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht
die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern
die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon
dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere
rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).
Diese Voraussetzungen sind nicht hinreichend dargelegt. Die Kläger sind der Auffassung, es liege eine Divergenz bezüglich
der Rechtsfrage vor, "ob es bei der Abgrenzung von freier Mitarbeit zu abhängiger Beschäftigung zunächst auf den Rechtsbindungswillen
der Parteien, der aus dem Vertrag zu ermitteln ist, ankommt und dann erst die Durchführung des Vertragsverhältnisses zu prüfen
ist" (S 4 der Beschwerdebegründung). Sie berufen sich hierzu auf ein Urteil des BSG vom 18.11.2015 (B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 17), in dem ausgeführt sei: "Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den
Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Dazu haben Verwaltung und Gerichte zunächst deren Inhalt konkret festzustellen.
Erst auf Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses
zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere
Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen" (S 5 der Beschwerdebegründung).
Es kann offenbleiben, ob damit bereits eine rechtliche Aussage des BSG zum Bundesrecht hinreichend dargelegt ist. Jedenfalls fehlt aber die Darlegung einer hinreichend bezeichneten rechtlichen
Aussage zum Bundesrecht seitens des LSG, die von der Aussage des BSG im Grundsätzlichen abweichen soll. Hierfür bezieht sich die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde auf die Ausführungen
des LSG, "dass sich das Entstehen von Versicherungspflicht aus dem Gesetz ergebe und deswegen nicht Gegenstand einer einzelvertraglichen
Abrede sein könne. Da die Träger der Sozialversicherung Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind und das Rechtsinstitut
der Pflichtversicherung auch der Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungssysteme diene, komme einer privatautonomen Gestaltung
im Sozialversicherungsrecht nicht die gleiche Bedeutung zu wie im Arbeitsrecht. Insbesondere könne eine sozialversicherungsrechtlich
erhebliche Beschäftigung auch dann vorliegen, wenn kein Arbeitsvertrag im arbeitsrechtlichen Sinne geschlossen worden sei.
Der tatsächlichen Ausgestaltung der Verhältnisse könne danach gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen
Regelungen zukommen" (S 2 der Beschwerdebegründung, vgl auch S 7).
Diesen Ausführungen kann nicht entnommen werden, dass das LSG den vom BSG zur Abgrenzung von selbstständiger und abhängiger Beschäftigung entwickelten abstrakten Kriterien grundsätzlich widersprochen
und andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hätte. Vielmehr hat das LSG diese Aussagen explizit auf
Rechtsprechung des BSG gestützt. Daraus wird deutlich, dass das LSG die rechtlichen Maßstäbe des BSG grundsätzlich akzeptiert und keine abweichenden Grundsätze entwickelt und aufgestellt hat. Insgesamt rügt die Beschwerdebegründung
im Kern lediglich eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung der vom BSG aufgestellten Grundsätze im konkreten Einzelfall. Eine Abweichung im Grundsätzlichen ist nicht dargetan.
Gleiches gilt bezüglich der Ausführungen in der Beschwerdebegründung, das LSG habe bei der Abgrenzung den Inhalt des Vertrags
und den Rechtsbindungswillen der Parteien nicht berücksichtigt. Insoweit bleibt die Beschwerdebegründung zudem unverständlich,
denn der Entscheidung liegen umfangreiche Feststellungen zum Vertragsinhalt zugrunde und es wird ausgeführt, dass für die
Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen
vertraglichen Abreden auszugehen sei (S 11 des Urteils).
Auf eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann die Revision nicht gestützt werden (§
160 Abs
2 Nr
2, §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.