Anspruch auf Krankengeld; Keine Aufrechterhaltung der Beschäftigtenversicherung mit Krankengeldberechtigung durch erneute
ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vor dem Ende der Krankengeldbewilligung
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Krankengeld (Krg) über den 31.1.2009 hinaus.
Die Klägerin war wegen entgeltlicher Beschäftigung Mitglied der Rechtsvorgängerin der beklagten Krankenkasse (KK; im Folgenden
einheitlich: Beklagte). Die Klägerin erkrankte. Sie ließ ihre Arbeitsunfähigkeit (AU) ärztlich feststellen (am 12.12.2008
und in der Folgezeit, ua am 16.1. bis 24.1., am 23.1. bis 31.1., am 3.2. bis 9.2. und am 9.2. bis 15.2.2009). Sie erhielt
vom Arbeitgeber zunächst Entgeltfortzahlung bis 25.1.2009 und beantragte bei der Beklagten Krg (23.1.2009). Ihr Beschäftigungsverhältnis
endete am 31.1.2009. Die Beklagte bewilligte Krg für die Zeit vom 26. bis 31.1.2009, lehnte eine weitere Gewährung aber ab:
Der grundsätzlich ab 13.12.2008 bestehende Krg-Anspruch habe bis 25.1.2009 geruht und anschließend befristet bis 31.1.2009
bestanden. Die Mitgliedschaft der Klägerin sei nicht darüber hinaus mittels Anspruchs auf Krg erhalten geblieben. Bei der
ärztlichen AU-Feststellung am 3.2.2009 sei sie nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen (Bescheid vom 11.2.2009;
Widerspruchsbescheid vom 18.3.2009). Das SG hat ihre Klage auf Zahlung von Krg über den 31.1.2009 hinaus abgewiesen. Ein Beratungsfehler der Beklagten sei nach dem Ergebnis
der Beweisaufnahme nicht feststellbar (Urteil vom 15.3.2013). Das LSG hat dagegen die Beklagte zur Krg-Zahlung bis zur Erschöpfung
des Anspruchs verurteilt: Die ärztliche AU-Feststellung habe nur für die Entstehung des Anspruchs Bedeutung (Urteil vom 17.7.2014).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung des §
46 S 1 Nr 2
SGB V. Die Befristung einer ärztlichen AU-Feststellung begründe die Obliegenheit des Versicherten, zum Erhalt der Mitgliedschaft
grundsätzlich vor Fristablauf weitere AU ärztlich feststellen zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das
Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15. März 2013 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der beklagten KK ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht. Der erkennende Senat ist an einer abschließenden
Entscheidung gehindert. Die unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Krg-Anspruch zu entscheiden. Es steht
nicht fest, dass die Klägerin ab Februar 2009 die Voraussetzungen eines Pflichtversicherungstatbestands erfüllte. Es kommt
insbesondere in Betracht, dass die Beklagte ihr für die Zeit ab 4.2.2009 aufgrund Versicherungspflicht in der Krankenversicherung
der Arbeitslosen (KVdA) oder eines nachwirkenden Leistungsanspruchs Krg zu gewähren hat.
1. Nach §
44 Abs
1 S 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig
macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im
Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krg vorliegt (vgl BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 10; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 12; BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 2/07 R - Juris RdNr 12 = USK 2007-33). An die Stelle des Versicherungsverhältnisses tritt bei einem nachgehenden Anspruch die hieraus
erwachsende Berechtigung.
Nach §
19 Abs
2 S 1
SGB V besteht, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem
Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzt
ein solcher nachgehender Anspruch voraus, dass kein anderweitiger aktueller Krankenversicherungsschutz besteht (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 25). Denn der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz ist gegenüber Ansprüchen aus einem
aktuellen Versicherungsverhältnis grundsätzlich nachrangig, auch wenn das im Wortlaut des §
19 Abs
2 SGB V unmittelbar nicht zum Ausdruck kommt (stRspr, vgl BSGE 89, 254, 255 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 mwN; BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 2/07 R - Juris RdNr 20 = USK 2007-33; aA Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand November 2014, K §
19 RdNr 61, wonach der Vorrang des aktuellen Versicherungsverhältnisses nur bei gleichen oder gleichwertigen Leistungsansprüchen
besteht). Gleiches gilt im Prinzip auch gegenüber der speziell geregelten Konkurrenz mit der Auffangversicherung (vgl §
5 Abs
1 Nr
13 und Abs
8a SGB V sowie hierzu BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 30 ff; s auch zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 22 RdNr 11).
Es steht nicht fest, dass die Klägerin in der Zeit ab 4.2.2009 in keinem aktuellen Versicherungsverhältnis stand. Zwar bestand
weder eine den Krg-Anspruch vermittelnde Mitgliedschaft der Klägerin aus einer Beschäftigtenversicherung noch blieb ihre Mitgliedschaft
wegen eines Anspruchs auf Krg nach §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V erhalten (dazu a). Der hiervon abweichenden Auffassung des LSG ist nicht zu folgen (dazu b). Es fehlt aber an Feststellungen
dazu, dass die Klägerin weder die Voraussetzungen der - ggf Krg-Ansprüche begründenden - Versicherungspflicht der KVdA noch
der Arbeitslosengeld (Alg) II-Bezieher ohne Krg-Berechtigung (dazu c) noch der keine Krg-Ansprüche auslösenden Auffangversicherung
erfüllte (dazu d).
a) Die Klägerin war ab Februar 2009 nicht wegen entgeltlicher Beschäftigung nach §
5 Abs
1 Nr
1 SGB V versichert. Nach den unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) endete ihr Beschäftigungsverhältnis mit Ablauf des 31.1.2009 und damit grundsätzlich auch ihre Mitgliedschaft als Versicherungspflichtige
aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses (§
190 Abs
2 SGB V).
Die Mitgliedschaft aus der Beschäftigtenversicherung bestand auch nicht wegen eines Anspruchs auf Krg nach §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V fort. Die Mitgliedschaft bleibt danach ua erhalten, solange Anspruch auf Krg besteht (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 15; Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr
454). §
192 Abs
1 Nr
2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krg-Anspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis
mit Anspruch auf Krg vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, ist aber zugleich auch erforderlich, dass
Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krg - hier also am letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses
- alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Ablauf dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages
- einen Krg-Anspruch entstehen zu lassen. Das folgt aus Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck, ohne dass der
Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegensteht (stRspr, vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 §
192 Nr 5, RdNr 12; zustimmend zB Felix in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl, Stand Onlinekommentierung 10.11.2014, §
192 RdNr 15.1). Die ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung für einen Krg-Anspruch erfolgte aber erst nach dem 31.1.2009,
am 3.2.2009.
b) Soweit das LSG hiervon abweichend der Auffassung ist, die ärztliche AU-Feststellung habe nur für die Entstehung des Krg-Anspruchs
Bedeutung, vermag ihm der erkennende Senat nicht zu folgen. Der Gesetzeswortlaut des §
46 SGB V trägt diese Auffassung nicht. Auch im Übrigen führt das LSG keine tragfähigen Gründe an. Zwar regelt das
SGB V die Tatbestände der Beendigung eines Krg-Anspruchs nicht ausdrücklich in allen denkmöglichen Verästelungen vollständig. Die
geringere Normdichte hat ihren sachlichen Grund in der Vielgestaltigkeit der Möglichkeiten der Beendigung. Ein Rechtssatz
des Inhalts, dass der Inhalt ärztlicher AU-Feststellung nur für die Anspruchsentstehung, nicht aber für Fortbestehen oder
Beendigung eines Krg-Anspruchs bedeutsam sei, lässt sich dem
SGB V aber nicht entnehmen, sondern ist ihm fremd. Er widerspricht der Gesetzeskonzeption, den im Gesetz verankerten, den Versicherten
zumutbaren Informationsverteilungslasten und dem Regelungszweck.
Bereits zur Zeit der Geltung der
RVO ging die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass bei einer Krg-Gewährung wegen AU in der Bewilligung auch die Entscheidung gesehen werden kann, dass dem Versicherten
ein Krg-Anspruch für die laufende Zeit der vom - damals - "Kassenarzt" bestätigten AU zusteht. Der Arzt schreibt danach den
Versicherten regelmäßig nur für eine bestimmte Zeit arbeitsunfähig. Gewährt die KK aufgrund einer solchen AU-Bescheinigung
Krg, so kann der Versicherte davon ausgehen, dass er für diese Zeit einen Anspruch auf Krg hat. Soweit die KK die AU-Bescheinigung
nicht anerkennen will, muss sie das dem Versicherten gegenüber zum Ausdruck bringen. Mit der Krg-Bewilligung entscheidet die
KK auch über das - vorläufige - Ende der Krg-Bezugszeit. Wenn der Versicherte keine weiteren AU-Bescheinigungen beibringt,
endet der Anspruch auf Krg mit Ablauf der zuletzt bescheinigten AU-Zeit; eines Entziehungsbescheides nach § 48 SGB X bedarf es dann nicht (vgl zum Ganzen zB BSG SozR 2200 § 182 Nr 103 S 219 f; BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15; zustimmend zB Grötschel in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 2. Aufl
2014, §
44 SGB V RdNr 15 bei Fn 31). Über eine Weitergewährung von Krg ist ggf im einstweiligen Rechtsschutz nach §
86b Abs
2 SGG zu entscheiden.
Sachgrund für die schon unter Geltung der
RVO erforderliche ergänzende Auslegung des Gesetzes in diesem Sinne ist die Funktion des Krg als regelhaft kürzere Zeiten überbrückender,
schnell und unkompliziert in einer Vielzahl von Verfahren zu leistender, ärztliche AU-Feststellung voraussetzender Ersatz
für krankheitsbedingt entfallenden Lohn oder sonstiges Erwerbseinkommen. Der Versicherte muss gerade bei Beurteilung seines
zukünftigen Versicherungsstatus möglichst schnell Klarheit haben (vgl zB Meyerhoff in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl 2012, §
46 SGB V RdNr 45). Die ärztliche Feststellung verschafft dies im Regelfall, obwohl sie die KK nicht bindet.
Die KK ist auch unter Geltung des
SGB V zur Beendigung von Krg-Zahlungen vor Ablauf ärztlich bescheinigter AU befugt. Denn der erkennende Senat misst unverändert
dem Attest mit der ärztlichen Feststellung der AU lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme bei. Sie bildet
eine Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der KK, ohne dass KK und Gerichte an den Inhalt der
ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 7 RdNr 28; BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 14 mwN).
Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender AU sollen beim Krg Missbrauch und praktische Schwierigkeiten
vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten (vgl
bereits BSGE 24, 278, 279 = SozR Nr 16 zu § 182
RVO S Aa 13 RS mwN zur Entstehungsgeschichte der im
SGB V insoweit unveränderten Regelung; BSGE 26, 111, 112 = SozR Nr 19 zu § 182
RVO S Aa 17 f; BSGE 90, 72, 81 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 39). Dementsprechend ist grundsätzlich für die Beurteilung der AU der versicherungsrechtliche
Status des Betroffenen im Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung maßgebend (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 §
44 Nr 14 RdNr 21; Brandts in Kasseler Komm, Stand 1.6.2014, §
44 SGB V RdNr 3, 6). Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst
die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche AU feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Deshalb kann
zB grundsätzlich ein Versicherter, der das Ende der bescheinigten AU akzeptiert und über Monate hinweg Leistungen wegen Arbeitslosigkeit
bezieht, die er bei AU nicht hätte erhalten dürfen, nicht mehr mit der nachträglichen Behauptung gehört werden, er sei in
der gesamten Zeit zu Unrecht als arbeitslos statt - richtigerweise - als arbeitsunfähig behandelt worden (vgl BSGE 90, 72, 83 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10 S 41; zum Ganzen BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 16 mwN; BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 15 mwN).
Der erkennende Senat hat bei diesen Überlegungen stets auch das gesamte Regelungssystem im Blick. So soll die Meldeobliegenheit
des §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V die KK ebenso wie die Ausschlussregelung des §
46 S 1 Nr 2
SGB V davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet geltend gemachten Krg-Anspruchs im Nachhinein aufklären zu müssen.
Die Norm soll der KK die Möglichkeit erhalten, die AU zeitnah durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung überprüfen
zu lassen, um Leistungsmissbräuchen entgegenzutreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu
können (vgl BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 17 mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Gewährung von Krg dementsprechend bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen
im Übrigen zweifelsfrei gegeben sind und den Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen
Zugang der Meldung trifft (vgl zB BSGE 29, 271, 272 = SozR Nr 8 zu § 216
RVO S Aa 6 RS; BSG SozR Nr 11 zu § 216
RVO; BSGE 38, 133, 135 = SozR 2200 § 182 Nr 7 S 8; BSGE 56, 13, 14 f = SozR 2200 § 216 Nr 7 S 19; BSG SozR 2200 § 216 Nr 11; BSGE 85, 271, 276 = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15 f). Mit Blick darauf muss die AU der KK vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krg auch
dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Dies hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug
zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Attestierung der AU über die Weitergewährung des Krg neu zu befinden ist
(stRspr, vgl nur BSGE 85, 271, 275 f = SozR 3-2500 § 49 Nr 4 S 15). Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Fristablauf
ärztlich feststellen lassen und seiner KK melden, will er das Erlöschen (vgl dazu Beschluss des erkennenden Senats vom 16.12.2003
- B 1 KR 24/02 B - Juris, mwN) oder das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden (vgl zum Ganzen BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 18 mwN). Das LSG vernachlässigt mit seiner abweichenden Auffassung neben den aufgezeigten Systemgesichtspunkten
die in der Notwendigkeit ärztlicher AU-Feststellung liegende Schutzfunktion, die regelmäßig auch den Versicherten eine solide,
wenn auch nicht zwingende Einschätzungsgrundlage ihrer AU liefert.
Wie bei der ärztlichen Feststellung handelt es sich auch bei der Meldung der AU um eine Obliegenheit des Versicherten; die
Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen ärztlichen Feststellung oder Meldung sind grundsätzlich von ihm zu tragen.
Regelmäßig ist in diesem Sinne sowohl die Ausschlussregelung des §
46 S 1 Nr
2 SGB V als auch die Melderegelung des §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V strikt zu handhaben (vgl zum Ganzen, auch zu den Einschränkungen bei Umständen im Verantwortungsbereich der KKn, BSGE 95,
219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 mwN; Brandts in Kasseler Komm, Stand 1.6.2014, §
49 SGB V RdNr
33; ablehnend zu §
49 Abs
1 Nr
5 SGB V bei Weitergewährung von Krg Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2014, Bd 2, §
49 SGB V RdNr 110a). Liegt der KK dagegen eine ärztliche AU-Mitteilung zwecks Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen für Krg vor, die
die Rechtsposition des Versicherten erkennbar stützt, bedarf es keiner weiteren AU-Meldung.
Die gleichen Grundsätze gelten auch für Zeiträume, in denen Versicherter und KK über das Bestehen von AU als Voraussetzung
eines Krg-Anspruchs streiten. Der Versicherte muss auch in einer solchen Situation - ausgehend von seiner Rechtsauffassung
- alle Obliegenheiten beachten, um seinen Krg-Anspruch zu erhalten. Er muss sich deshalb bei befristeten AU-Feststellungen
vor Fristablauf erneut seine AU ärztlich bescheinigen lassen und dafür Sorge tragen, dass die KK hiervon Kenntnis erlangt.
Die KK kann ihm nicht entgegenhalten, dass er sich - der Unsicherheit Rechnung tragend - mit seinem Restleistungsvermögen
der Arbeitsverwaltung zur Verfügung stellt und Alg erhält (vgl zum Ganzen BSGE 111, 18 = SozR 4-2500 § 46 Nr 4, RdNr 19 f mwN).
Es ist dem Versicherten auch zumutbar, seine AU jeweils vor Fristablauf ärztlich feststellen zu lassen (aA, aber das Regelungssystem
und die Informationsverteilungslasten vernachlässigend Knispel, NZS 2014, 561 ff). Er muss regelhaft ohnehin den Arzt aufsuchen, um Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Anspruch zu
nehmen (vgl §
15 Abs
1 SGB V). Grundsätzlich erbringt die KK den Versicherten nämlich zB vertragsärztliche Leistungen, indem sie - in der Regel vermittelt
durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (§
73 Abs
2, §
75 Abs
1 S 1 und 2
SGB V) - ihnen eine Vielzahl von zugelassenen Leistungserbringern verfügbar hält, unter denen sich die Versicherten den gewünschten
Therapeuten frei auswählen und sich dann von ihm behandeln lassen (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 29). Der Versicherte erhält die von ihm zu beanspruchenden Leistungen in der Regel dementsprechend
nicht unmittelbar von der KK in Natur, sondern von Leistungserbringern. Die KKn bedienen sich regelmäßig der zugelassenen
Leistungserbringer, um die Naturalleistungsansprüche der Versicherten zu erfüllen. Deshalb schließen sie über die Erbringung
der Sach- und Dienstleistungen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des
SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (vgl §
2 Abs
2 S 3
SGB V idF durch Art 4 Nr
1 Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003, BGBl I 3022; zuvor §
2 Abs
2 S 2
SGB V). Die Versicherten können unter den zur vertragsärztlichen Versorgung Zugelassenen (Ärzte etc) frei wählen. Andere Ärzte
dürfen nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§
76 Abs
1 S 1 und 2
SGB V, hier anzuwenden idF durch Art 6 Nr 17 Gesetz vom 28.5.2008, BGBl I 874 mWv 1.7.2008). Dem Wahlrecht der Versicherten entsprechen die ihnen erwachsenden Obliegenheiten,
um Naturalleistungen zu erhalten. Sie haben regelmäßig einen der zugelassenen Ärzte etc auszuwählen und zur Behandlung unter
Vorlage der Krankenversicherungskarte aufzusuchen. Dabei ist den Versicherten geläufig, dass sie die Leistungen abgesehen
von gesetzlichen Zuzahlungen kostenfrei erhalten. Wenn sie dagegen eine Leistung außerhalb des Naturalleistungssystems in
Anspruch nehmen wollen, etwa weil die Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern vermeintlich nicht sichergestellt ist,
müssen sie vorher die KK aufsuchen, um ihr zu ermöglichen, die angebliche Versorgungslücke zu überprüfen (vgl zum Ganzen BSGE
99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 32 ff mwN; BSG Urteil vom 2.9.2014 - B 1 KR 11/13 R - RdNr 17 f, Juris, für BSGE und SozR vorgesehen mwN). Gerade bei kurzfristiger Erkrankung lässt sich AU zudem ohne ärztliche
Untersuchung und dementsprechende Dokumentation regelmäßig nicht zuverlässig feststellen. Es entspricht einem Grundgedanken
des Sozialversicherungsrechts, Berechtigte auf einfache, praktikable und regelmäßig zuverlässige Ermittlungsmöglichkeiten
für ihre Anspruchsvoraussetzungen zu verweisen, um die regelmäßig knappen Mittel der Beitragszahler nicht für vermeidbaren
Verwaltungsaufwand, sondern für Leistungen an die Berechtigten einzusetzen (vgl hierzu zB Hauck in Weiss/Gagel, Stand 2003,
Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts, § 22 A RdNr 8). Der Gesetzgeber hat denn auch in Kenntnis der jahrzehntelang bestehenden,
wertungskonsistenten, in sich stimmigen höchstrichterlichen Rechtsprechung aus gutem Grund davon abgesehen, die hier betroffenen
gesetzlichen Grundlagen zu ändern. Entgegen der Ansicht des LSG begründet es schließlich keine rechtsbedeutsame Unklarheit
für die Versicherten, dass das Gesetz unterschiedliche Gegenstände - zB Krg bei vertragsärztlicher oder vollstationärer Behandlung
oder bei Alg-Bezug (vgl näher §
46 S 1 Nr 1 und 2; §
47b SGB V) - aus Sachgründen unterschiedlich regelt (zur Notwendigkeit lückenloser ärztlicher AU-Feststellung zum Erhalt der Mitgliedschaft
und des Krg-Anspruchs auch in der KVdA vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 14 mwN; zur Willkürfreiheit vgl zB BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 16; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 19). Nur ergänzend weist der erkennende Senat darauf hin, dass sich die aufgezeigten allgemeinen
Grundsätze auch nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eines GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (vgl Art 1 Nr 15 GKV-VSG,
BRats-Drucks 641/14, S 6, 94) nicht ändern. Nach der Fassung des Entwurfs entsteht der Anspruch auf Krg künftig bereits von
dem Tag der ärztlichen AU-Feststellung an. Versicherte sollen den Anspruch auf Krg künftig behalten, soweit die AU-Folgebescheinigung
am nächsten Arbeitstag, der ein Werktag ist, ausgestellt wird. Für die abweichende Rechtsauffassung des LSG verbleibt kein
Raum.
Die aufgezeigten Grundsätze gelten nicht nur, wenn die KK im Anschluss an eine befristete Krg-Gewährung erneut über die Bewilligung
von Krg zu entscheiden hat. Sie greifen aus den gleichen Gründen auch dann, wenn die KK über einen Gesamtzeitraum der Krg-Gewährung
zu entscheiden hat. Denn die Obliegenheiten der Versicherten und die Folgen der Obliegenheitsverletzungen ändern sich durch
den Entscheidungszeitpunkt der KK nicht. Entscheidet die KK - wie hier - förmlich über eine Krg-Gewährung, ohne ausdrücklich
einen Anspruch auf unbestimmte Dauer zuzuerkennen, kommt es grundsätzlich für die Auslegung des Inhalts der Entscheidung hinsichtlich
der Befristung nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die KK die Überweisung des Zahlbetrags veranlasst.
c) Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Klägerin die Voraussetzungen der Pflichtversicherungstatbestände
der KVdA oder des Alg-II-Bezugs nicht erfüllte. Dies wird es nachzuholen haben. Nach §
5 Abs
1 Nr
2 SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 5 Nr
1 Buchst a Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954 mWv 1.1.2005) sind versicherungspflichtig
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem
SGB III beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch ab Beginn des zweiten Monats bis zur zwölften Woche einer Sperrzeit
(§
144 SGB III, seit 1.4.2012 §
159 SGB III) oder ab Beginn des zweiten Monats wegen einer Urlaubsabgeltung (§
143 Abs
2 SGB III; seit 1.4.2012 §
157 Abs
2 SGB III) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung
zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Ein Pflichtversicherungsverhältnis in der KVdA kann Krg-Ansprüche begründen
(vgl §
47b SGB V), schließt aber nachgehenden Leistungsschutz aus. Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen.
Gemäß §
5 Abs
1 Nr
2a SGB V (hier anzuwenden idF durch Art 5 Nr
1 Buchst b Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954 mWv 1.1.2005) sind versicherungspflichtig
Personen in der Zeit, für die sie Alg II nach dem SGB II beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder
nur Leistungen nach § 23 Abs 3 S 1 SGB II (seit 1.4.2012 § 24 Abs 3 S 1 SGB II) bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder
die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist. Diese Versicherung verdrängt nachgehende Leistungsansprüche (vgl
BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 22). Das LSG hat auch hierzu keine Feststellungen getroffen.
d) Das LSG hat auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Klägerin die Voraussetzungen der Auffangpflichtversicherung
nicht erfüllte. Es wird auch dies nachzuholen haben. Nach §
5 Abs
1 Nr
13 Buchst a
SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr 2 Buchst a DBuchst cc GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 mWv 1.4.2007) sind versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung
im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. §
5 Abs
8a S 4
SGB V regelt das Konkurrenzverhältnis zwischen der Auffangversicherung und dem nachwirkenden Anspruch (§
19 Abs
2 S 1
SGB V). Danach gilt der Anspruch auf Leistungen nach §
19 Abs
2 SGB V nicht als Absicherung im Krankheitsfall iS des §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht. Damit wird grundsätzlich
der Vorrang der Auffangversicherung gegenüber einem nachwirkenden Leistungsanspruch festgelegt (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 33). Der nachwirkende Anspruch kommt gegenüber der Auffangversicherung allerdings dann zum
Zug, wenn bei prognostischer Betrachtung davon auszugehen ist, dass der betroffene Versicherte spätestens nach Ablauf eines
Monats nach dem Ende seiner bisherigen Mitgliedschaft eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erlangen wird (vgl BSGE
111, 9 = SozR 4-2500 §
192 Nr 5, RdNr 30 ff; zustimmend Brandts in Kasseler Komm,
SGB V, §
19 RdNr 34a, Stand 1.6.2014; Mack in jurisPK-
SGB V, 2. Aufl, §
19 RdNr 85.1, Stand Onlinekommentierung 22.10.2013, sowie Meyerhoff, SGb 2013, 413, 416 und jurisPR-SozR 16/2013 Anm 2; aA Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, Stand November 2014, K §
19 RdNr 22a). Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen bei der Feststellung der Versicherungspflicht (stRspr, vgl zB BSGE
111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 33; BSGE 108, 222 = SozR 4-2500 § 5 Nr 14, RdNr 30; BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16 f; BSG SozR 3-2500 § 6 Nr 15 S 47; vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 22 RdNr 24).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die anzustellende Prognose ist zunächst der letzte Tag der Mitgliedschaft aus der Beschäftigtenversicherung.
Allerdings ist an einer Prognose, die nach der oben aufgezeigten Konkurrenzregelung zur Anwendung des §
19 Abs
2 SGB V führt, nicht starr festzuhalten, wenn sich im Laufe des Monats nach Beendigung der Mitgliedschaft die tatsächlichen Verhältnisse
ändern und nunmehr - im Gegensatz zur bisherigen Prognose - vorausschauend davon auszugehen ist, dass sich an den nachgehenden
Leistungsanspruch kein Versicherungspflichtverhältnis nahtlos anschließen wird und deshalb das von §
19 Abs
2 SGB V verfolgte Ziel, kurzfristige Lücken im Versicherungsschutz zu schließen (so bereits BSGE 89, 254, 255 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 S 23 f mwN), nicht (mehr) erreicht werden kann. Die Voraussetzungen für den nachgehenden Leistungsanspruch
entfallen ab diesem Zeitpunkt. Der Anspruch auf Leistungen nach §
19 Abs
2 SGB V gilt nach der Konkurrenzregelung des §
5 Abs
8a S 4
SGB V nicht (mehr) als Absicherung im Krankheitsfall iS von §
5 Abs
1 Nr
13 SGB V, weil (vorausschauend) im Anschluss hieran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht (BSG SozR 4-2500 § 5 Nr 22 RdNr 24).
e) Sind nach den zu treffenden Feststellungen des LSG für einen Zeitraum ab Februar 2009 die Voraussetzungen des Anspruchs
auf Krg grundsätzlich erfüllt, wird das LSG zu prüfen haben, dass die Höchstdauer des Krg-Anspruchs gemäß §
48 Abs
1 S 1
SGB V nicht überschritten wird.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.