Darlegung der Divergenz zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
Mit Urteil vom 19. Dezember 2005 hat das Thüringer Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Erstattung von
Fahrtkosten zum mehreren stationären Behandlungen im Zeitraum vom 4. April bis 23. Mai 2001 im Rahmen einer Arzneimittelstudie
verneint und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die stationären Behandlungen des Klägers seien im Rahmen einer klinischen
Studie zur Erprobung eines zulassungsbedürftigen, aber im Zeitpunkt der Durchführung der Studie (noch) nicht zugelassenen
Arzneimittels erfolgt. Dabei sei unerheblich, dass auf Grund der Studienergebnisse bereits am 7. November 2001 eine Zulassung
nach dem Arzneimittelgesetz erfolgt sei. Die durchgeführten Studien zur Wirksamkeit und Dosierung des Arzneimittels Glivec(r) zählten nicht zu den klinischen
Studien nach §
137c Abs
1 Satz 2 Halbsatz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) und seien daher nicht von der Krankenversicherung zu finanzieren. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum
so genannten off-label-use sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn den Versuchen mit einem bislang nicht zugelassenen
Arzneimittel komme demgegenüber eine andere rechtliche Qualität zu.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf Divergenz.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der
Zulassungsgrund der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz ist in der Beschwerdebegründung nicht nur die Entscheidung genau
zu bezeichnen, von der die Entscheidung des LSG abgewichen sein soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau der Beschwerdeführer
eine Abweichung sieht. Dazu muss er darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung tragende Abweichung
in deren rechtlichen Ausführungen enthalten ist. Er muss einen abstrakten Rechtssatz der vorinstanzlichen Entscheidung und
einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz erkennbar wird. Nicht dagegen
reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen, das angegriffene Urteil
weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der gerügten Divergenz beruhe
(vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 mwN).
Nach der Darlegung des Klägers in der Beschwerdebegründung beruht die Entscheidung des LSG auf folgendem Rechtssatz: "Die
Kosten im Zusammenhang mit der Einnahme eines Medikamentes, welches noch nicht nach § 21 Abs. 1 AMG ein zugelassenes Arzneimittel ist, werden nicht durch die Krankenkasse übernommen, auch wenn die Einnahme des Medikamentes
beim betroffenen Patienten gute Ergebnisse zeigt und die Einnahme des Medikamentes die einzige noch mögliche Behandlungsform
einer ansonsten - wie im Fall des Klägers - tödlich verlaufenden Erkrankung ist."
Diese Rechtsauffassung sei mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 - nicht vereinbar, in welchem folgender Rechtssatz aufgestellt worden sei: "Es ist mit den Grundrechten
aus Artikel
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Artikel
2 Abs
2 Satz 1
GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine
allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von
ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf
Heilung oder auf eine spürbar positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf besteht."
Mit der bloßen Gegenüberstellung dieser Rechtssätze ist die behauptete Divergenz nicht dargetan. Der vom Kläger formulierte
Rechtssatz des LSG lässt sich mit der übrigen Darstellung des Berufungsurteils in der Beschwerdebegründung nicht in Einklang
bringen und gibt die danach tragenden Gründe unzulässig verkürzt wieder. Nach der vom Kläger wiedergegebenen Rechtsauffassung
des LSG hat dieses seine Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass das nicht zugelassene Arzneimittel dem Kläger im Rahmen
einer klinischen Studie verabreicht worden sei. Dass das LSG den vom Kläger wiedergegebenen Rechtssatz tatsächlich aufgestellt
habe, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen.
Die behauptete Divergenz ist jedoch auch deshalb nicht ausreichend dargetan, weil der Kläger die beiden Rechtssätze lediglich
einander gegenübergestellt hat, ohne darzulegen, ob dem vom BVerfG entschiedenen Fall eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation
zu Grunde gelegen hat wie der Entscheidung des Berufungsgerichts. Insbesondere lässt sich den Ausführungen des Klägers nicht
entnehmen, dass das BVerfG einen Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung auch dann angenommen habe, wenn
das in Rede stehende Medikament (lediglich) im Rahmen einer klinischen, vom Krankenversicherungsträger nicht finanzierten,
Studie zur Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen verabreicht wird. Im Wesentlichen führt der Kläger aus, das LSG habe die
Tragweite der Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit verkannt bzw die Entscheidung des LSG genüge nicht den
entsprechenden Anforderungen aus Art
2 Abs
1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Mit diesen Ausführungen kritisiert der Kläger zwar die seiner Ansicht nach unzutreffende
Rechtsanwendung durch das LSG, was aber zur Darlegung einer Divergenz nicht ausreicht, weil mit diesem Vorbringen nur eine
unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall, nicht aber eine Abweichung im Grundsätzlichen gerügt wird.
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2 iVm §
169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.