Versorgungsleistungen nach dem StrRehaG und dem BVG
In der ehemaligen DDR erlittene rehabilitierte Haftzeit
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In der Hauptsache begehrt der 1947 geborene Kläger höhere Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (StrRehaG) iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) unter Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und die Feststellung eines Grades der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens
50 sowie die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs (BSchA) ab dem 1.4.2003 für eine in den Jahren 1967 bis 1968 in der
ehemaligen DDR erlittene rehabilitierte Haftzeit.
Die vom Kläger insoweit erfolglos geführten Klageverfahren vor dem SG hat das LSG zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung verbunden (Beschluss vom 14.6.2019) und auf die mündliche Verhandlung vom 20.5.2021 die Urteile des SG vom 18.9.2017 und 10.1.2018 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.6.2012
und vom 21.3.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.7.2012 abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Kläger unter
teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 30.5.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2008 eine Grundrente ab dem
1.1.2007 nach einem GdS von 50 und ab 1.9.2010 nach einem GdS von 90 jeweils unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen
Betroffenheit gemäß § 30 Abs 2 BVG zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufungen des Klägers zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt L aus B beantragt. Er
rügt eine Divergenz und Verfahrensmängel.
II
A. Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen.
Gemäß §
73 Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1
ZPO kann einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt
es hier bereits (dazu unter B). Schon aus diesem Grund kommt die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nicht in Betracht (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
B. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig.
Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil der Kläger eine Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG (dazu unter 1) und einen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG (dazu unter 2) nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
1. Divergenz iS des §
160 Abs
2 Nr
2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen.
Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten
Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich
nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat.
Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht.
Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz
in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu
im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung
in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr; zB BSG Beschluss vom 25.10.2018 - B 9 V 27/18 B - juris RdNr 7 bis 8; BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 - juris RdNr 13, jeweils mwN). Diese Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger rügt eine Abweichung von der Entscheidung des BSG vom 17.12.1997 (9 RV 23/96 - SozR 3-3100 § 30 Nr 19). Er bezeichnet jedoch weder einen abstrakten Rechtssatz aus dem zitierten Urteil des BSG, noch benennt er einen hiervon abweichenden Rechtssatz aus der Entscheidung des LSG (vgl hierzu BSG Beschluss vom 21.6.1999 - B 7 AL 228/98 B - juris RdNr 9).
Selbst wenn der Kläger einen konkludenten, dh verdeckt aufgestellten Rechtssatz behaupten wollte, hätte er darlegen müssen,
dass dieser Rechtssatz sich nicht erst nachträglich logisch induktiv aus dem Entscheidungsergebnis herleiten lässt, sondern
dass dieses Ergebnis deduktiv aus dem Rechtssatz folgt, der in der Entscheidung zweifellos enthalten ist (vgl BSG Beschluss vom 14.7.2021 - B 10 EG 13/20 B - juris RdNr 6; BSG Beschluss vom 13.11.2017 - B 10 ÜG 15/17 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 12 KR 42/11 B - juris RdNr 8, jeweils mwN). Hierzu enthält die Beschwerdebegründung aber keine Ausführungen. Es ist nicht Aufgabe des BSG, sich einen abweichenden tragenden Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil des LSG selbst herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 29.11.2021 - B 9 SB 18/21 B - juris RdNr 11).
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich,
dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass
also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels wird die Beschwerdebegründung nicht
gerecht.
a) Der Kläger rügt zunächst einen Verstoß gegen § 112 Abs 1 und 2, §
124 Abs
1, §
128 Abs
1 Satz 1 und Abs
2 SGG. Er habe "in der Berufungsinstanz und von Anfang an" ohne Teilrücknahme der gestellten Anträge beantragt, "den Beklagten
zu verurteilen, dem Kläger einen GdS von 80 und einen weiteren GdS von 10 nach § 30 Abs. 2 BVG sowie Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 3 BVG zu gewähren". Diese Anträge seien schriftsätzlich gestellt und inhaltlich begründet worden. In der mündlichen Verhandlung
vor dem LSG sei es zu einer sehr gedrängten kurzen Sachverhaltsschilderung durch die Vorsitzende zu § 30 Abs 1 und 2 BVG gekommen, ohne allerdings den Sachverhalt zum BSchA nach § 30 Abs 3 BVG darzustellen. Nach Beendigung des Sachvortrags habe die Vorsitzende ihn gefragt, welche Anträge er stellen wolle. Schließlich
habe sie ihm den dann auch protokollierten Antrag empfohlen. Er habe in der mündlichen Verhandlung aufgrund des unzureichenden
Sachvortrags und der sofortigen Empfehlung eines bestimmten Prozessantrags keine Gelegenheit mehr erhalten, sich zu dem schriftsätzlich
gestellten Antrag auf BSchA nach § 30 Abs 3 BVG und den vom LSG für maßgeblich gehaltenen Tatsachen sowie ihrer rechtlichen Würdigung zu äußern.
aa) Zwar können Verstöße gegen den Inhalt der Niederschrift und deren Genehmigung nach §
122 SGG iVm §§
160 und
162 ZPO Verfahrensmängel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG darstellen. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um absolute Revisionsgründe, sodass gesondert festzustellen ist, inwiefern
das angegriffene Urteil auf ihnen beruhen kann (BSG Beschluss vom 30.10.2013 - B 9 V 6/13 B - juris RdNr 5). Die bloße Behauptung einer fehlerhaften Protokollierung von Anträgen genügt den Darlegungserfordernissen insoweit jedoch
noch nicht. Denn dabei ist zu berücksichtigen, dass nach §
123 SGG das Gericht ohnehin über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
Der Kläger macht auch nicht geltend, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG Anträge gestellt zu haben, die nicht bereits
in seinen Schriftsätzen enthalten gewesen seien. Nur dann läge es nahe, dass Mängel einer Protokollierung dieser Anträge sich
auf das Urteil des Berufungsgerichts ausgewirkt haben könnten (vgl BSG Beschluss vom 30.10.2013 - B 9 V 6/13 B - juris RdNr 5).
Ähnlich verhält es sich, soweit der Kläger den Inhalt des Tatbestands des Berufungsurteils hinsichtlich der Darstellung seiner
Anträge rügt. Soweit er hier eine hinreichende Klarheit und Vollständigkeit vermisst, fehlt es an Ausführungen dazu, inwiefern
das Urteil des LSG darauf beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 30.10.2013 - B 9 V 6/13 B - juris RdNr 6). Der Kläger zeigt nicht auf, dass das LSG in seinen Entscheidungsgründen den schriftsätzlich gestellten Antrag auf Gewährung
von BSchA falsch verstanden oder nicht behandelt habe. Er behauptet insbesondere nicht, dass es über diesen Antrag im Urteil
überhaupt nicht entschieden habe.
Schließlich legt der Kläger nicht dar, warum er die von ihm angesprochenen vermeintlichen Mängel nicht durch eine Berichtigung
der Sitzungsniederschrift (vgl §
122 SGG iVm §
164 ZPO) und des Tatbestands (§
139 SGG) hätte beheben lassen können. Der Kläger hat weder vorgetragen, dass er beim LSG die Berichtigung des Sitzungsprotokolls beantragt
habe (vgl BSG Beschluss vom 3.11.2014 - B 12 KR 48/14 B - juris RdNr 9), noch hat er dargelegt, einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt zu haben (vgl BSG Beschluss vom 2.9.2014 - B 9 V 17/14 B - juris RdNr 7; BSG Beschluss vom 6.1.2016 - B 13 R 411/15 B - juris RdNr 7).
bb) Soweit der Kläger als Verfahrensmangel weiter rügt, die Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung die sich aus §
112 Abs
2 SGG ergebenden Pflichten zur vollständigen Erörterung des Sach- und Streitverhältnisses und zur Hinwirkung auf sachdienliche
Anträge missachtet und damit auch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1
SGG, §
62 SGG) verletzt, hat er die gerügten Verfahrensmängel ebenfalls nicht in der gebotenen Weise bezeichnet. Der Kläger hat bereits
nicht hinreichend dargetan, welches konkrete Vorbringen von ihm, das nicht bereits Gegenstand des Verfahrens geworden ist,
dadurch verhindert worden sein sollte (vgl BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 323/16 B - juris RdNr 15). Zudem ist das Prozessgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise
leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.12.2020 - B 12 KR 58/20 B - juris RdNr 7 mwN). Schließlich kann ein Beteiligter mit der Rüge einer Gehörsverletzung nur durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen
Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.10.2013 - B 9 V 6/13 B - juris RdNr 8 mwN). Weshalb es dem anwaltlich vertretenen Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht möglich gewesen sein sollte, auch zu dem
von ihm beanspruchten BSchA vorzutragen, legt er nicht substantiiert dar. Er behauptet insbesondere nicht, dass ihn die Vorsitzende
trotz Empfehlung eines bestimmten Sachantrags daran gehindert habe, weitere Anträge zu Protokoll zu stellen und diese entsprechend
zu begründen.
Auch soweit der Kläger im Rahmen der Geltendmachung einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf ein faires
Verfahren (Art
2 Abs
1 iVm Art
20 Abs
3 GG) rügt, dass die Vorsitzende des Berufungsgerichts im Rahmen der Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung
den BSchA nicht behandelt habe, genügt dieses Vorbringen nicht den Anforderungen an die Bezeichnung des vorgebrachten Verfahrensmangels.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des vom Recht auf ein faires Verfahren ua umfassten Gebots der Rücksichtnahme auf
die Beteiligten in der konkreten Prozesssituation (vgl BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 10 ÜG 4/20 B - SozR 4-1500 § 62 Nr 23 RdNr 15 mwN) käme nur dann in Betracht, wenn dem anwaltlich vertretenen Kläger vom LSG keine Möglichkeit gegeben worden wäre, seinen Anspruch
auf BSchA (auch) in der mündlichen Verhandlung geltend zu machen. Dies hat er jedoch nicht schlüssig dargetan. Ohnehin gibt
es keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf
eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder - wie oben bereits ausgeführt - die für die richterliche Überzeugungsbildung
möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (BSG Urteil vom 25.10.2012 - B 9 SB 2/12 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 16 RdNr 42; BSG Beschluss vom 11.7.2017 - B 9 SB 15/17 B - juris RdNr 12; BSG Beschluss vom 13.8.2021 - B 5 R 156/21 B - juris RdNr 9, jeweils mwN). Denn das Gericht kann und darf das Ergebnis der Entscheidung, die in seiner nachfolgenden Beratung erst gefunden werden
soll, nicht vorwegnehmen (BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - BSGE 122, 218 = SozR 4-3800 § 1 Nr 23, RdNr 50-51; BSG Beschluss vom 4.10.1989 - 1 BA 15/89 - juris RdNr 4, jeweils mwN).
Auch begründet es noch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn das Gericht bei der Darstellung des Sachverhalts
sowie der Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht auf jeglichen entscheidungserheblichen Umstand hinweist, der sich aus
den vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt, insbesondere wenn der Beteiligte Kenntnis von dem maßgeblichen Akteninhalt
hatte und nach dem Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass dieser Inhalt für die Entscheidung erheblich sein könnte
(vgl BSG Beschluss vom 4.10.1989 - 1 BA 15/89 - juris RdNr 4). Dass dem rechtskundig vertretenen Kläger der Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten gerade auch im Hinblick auf den von
ihm begehrten BSchA nicht bekannt gewesen sei, behauptet er nicht.
Soweit der Kläger insgesamt rügt, dass die Darstellung des Sachverhalts und die Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den
Beteiligten in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des BSchA unzureichend gewesen sei (§
112 Abs
1 Satz 2 und Abs
2 Satz 2
SGG) oder dass er über rechtserhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse nicht hinreichend unterrichtet worden sei (§
128 Abs
2, §
107 SGG), ist der Bezeichnungspflicht des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG für einen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ebenfalls nicht genügt. Es hätte insofern aufgezeigt werden müssen, dass derartige Fehler nicht gemäß §
202 Satz 1
SGG iVm §
295 Abs
1 ZPO geheilt worden sind. Eine Verletzung der vorgenannten Verfahrensvorschriften kann jedenfalls insoweit, als ihre Nichtbefolgung
nicht zugleich eine Verletzung des §
62 SGG bedeutet, nicht mehr gerügt werden, wenn der Beteiligte in der mündlichen Verhandlung auf ihre Einhaltung verzichtet oder
ihre Verletzung nicht gerügt hat, obwohl er erschienen war und ihm die mangelhafte Anwendung bekannt war oder bekannt sein
musste (vgl BSG Beschluss vom 25.1.2011 - B 5 R 261/10 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 4.10.1989 - 1 BA 15/89 - juris RdNr 4). Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Zu entsprechenden Darlegungen hätte aber schon deshalb Anlass bestanden,
weil der Kläger im Klage- und Berufungsverfahren rechtskundig durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten war
und diesem aufgrund der vorinstanzlichen Entscheidung bekannt gewesen sein musste, dass es für die Frage des Anspruchs auf
BSchA wegen des bereits vom SG verneinten schädigungsbedingten Einkommensverlustes auf die gesamten Umstände des Falles und damit auch auf den Inhalt des
bisherigen gesamten Verfahrens ankommen werde. Deshalb hätte der in der mündlichen Verhandlung anwesende Prozessbevollmächtigte
des Klägers die (angeblich) fehlende oder unzureichende Erörterung des Akteninhalts im Hinblick auf den geltend gemachten
BSchA rügen oder von sich aus darlegen können, welche der in den Akten enthaltenen Angaben und Anträge seiner Ansicht nach
für eine Entscheidungsfindung noch nicht berücksichtigt worden sind. Dass er dies gegenüber dem LSG getan hat, trägt der Kläger
nicht vor.
Im Übrigen stellt der Kläger nicht in Abrede, dass sich die mündliche Verhandlung nicht auf den Inhalt der gesamten Verfahrensakten
bezogen hat. Ob er dies überhaupt mit Erfolg bestreiten könnte, bedarf keiner vertiefenden Erörterung mehr. Jedenfalls sind
im Tatbestand des angefochtenen Urteils vom LSG ua die Gerichtsakten mit dem ausdrücklichen Bemerken aufgeführt worden, dass
(auch) diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien (vgl BSG Beschluss vom 4.10.1989 - 1 BA 15/89 - juris RdNr 3).
cc) Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Denkgesetze durch das LSG rügt, hat er ebenfalls keinen Verfahrensmangel bezeichnet.
Die Verletzung von Erfahrungssätzen oder von Denkgesetzen bei der Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts bedeutet ein Überschreiten
der Grenzen, die der freien richterlichen Beweiswürdigung gezogen sind (BSG Beschluss vom 9.2.2011 - B 11 AL 71/10 B - juris RdNr 7). Hierin liegt jedoch kein Zulassungsgrund iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 9.2.2011, aaO; BSG Beschluss vom 20.8.1990 - 5 BJ 150/90 - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 4.10.1989 - 1 BA 15/89 - juris RdNr 5). Denn nach Halbsatz 2 dieser Vorschrift kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) gestützt werden. Ungeachtet dessen liegt ein Verstoß gegen Denkgesetze nur dann vor,
wenn aus dem festgestellten Sachverhalt nur eine Schlussfolgerung gezogen werden kann, somit jede andere - also auch die,
welche das Gericht tatsächlich gezogen hat - nicht denkbar ist (BSG Urteil vom 13.8.2002 - B 2 U 33/01 R - juris RdNr 27; BSG Beschluss vom 4.10.1989, aaO). Dass das LSG schlechthin unmögliche Schlussfolgerungen bei seiner Entscheidung zum BSchA gezogen hat, wird jedoch von der
Beschwerdebegründung weder behauptet noch dargelegt. Der Kläger trägt vielmehr selbst vor, dass bereits das SG den Anspruch auf BSchA mit der Begründung eines fehlenden schädigungsbedingten Einkommensverlustes verneint habe. Im Übrigen
sei darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nicht schon dann nicht mit Gründen iS des §
128 Abs
1 Satz 2 iVm §
136 Abs
1 Nr
6 SGG versehen ist, wenn sich das Gericht bezogen auf den geltend gemachten Anspruch kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt,
der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat (vgl BSG Beschluss vom 7.2.2013 - B 1 KR 68/12 B - juris RdNr 5 mwN). Die Begründungspflicht wäre selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen
und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 26.5.2021 - B 13 R 219/20 B - juris RdNr 14; BSG Beschluss vom 8.4.2020 - B 12 R 24/19 B - juris RdNr 17, jeweils mwN).
Tatsächlich wendet sich der Kläger mit seinem Vortrag insbesondere zur Verneinung eines Anspruchs auf BSchA im Kern gegen
die Beweiswürdigung des LSG, die - wie ausgeführt - §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG der Beurteilung durch das BSG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung
kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen
werden (stRspr; zB BSG Beschluss vom 1.7.2020 - B 9 SB 5/20 B - juris RdNr 10 mwN). Dass der Kläger die Entscheidung des LSG zum BSchA für verfehlt und inhaltlich unrichtig hält, eröffnet die Revisionsinstanz
ebenfalls nicht (vgl stRspr; zB BSG Beschluss vom 29.10.2019 - B 13 R 129/19 B - juris RdNr 5 mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2, §
169 Satz 2 und
3 SGG).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.