Zulässigkeit einer Vorlage an den Großen Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung
Gründe:
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens begehrt von der Beklagten die Gewährung von Altersrente ab dem 1. Juli 1997 unter Zugrundelegung
von Ghetto-Beitragszeiten nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto
(ZRBG) vom 20. Juni 2002 (BGBl I 2074).
Die am 9. Mai 1932 in Schaulen/Litauen (litauisch: Siauliai) geborene Klägerin wanderte 1947 nach Palästina aus. Sie ist israelische
Staatsangehörige und lebt in Israel. Als Verfolgte des Nationalsozialismus (NS-Verfolgte) erhielt sie nach dem Bundesentschädigungsgesetz
(BEG) eine Entschädigung wegen Freiheitsentziehung für 41 Kalendermonate. Im November 2002 beantragte sie bei der Beklagten,
ihr unter Anerkennung von Beschäftigungszeiten, die sie von Juli 1941 bis Juli 1944 im Ghetto Schaulen zurückgelegt habe,
eine Regelaltersrente ab 1. Juli 1997 zu gewähren. Sie gab an, zunächst im Ghetto als Arbeiterin und von Mai 1942 bis Juli
1944 außerhalb des Ghettos in der Lederfabrik Frenkel gearbeitet zu haben. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Beschäftigungszeiten
nicht glaubhaft gemacht seien; die Klägerin habe nämlich im Entschädigungs- und im Rentenverfahren unterschiedliche Angaben
gemacht (Bescheid vom 26. Oktober 2004 und Widerspruchsbescheid vom 26. April 2005).
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Begehren insoweit eingeschränkt,
als sie Rentenleistungen nur noch für Ghetto-Beitragszeiten von Mai 1942 bis Juni 1943 beantragt hat. Das Landessozialgericht
(LSG) hat ihre Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 1. September 2006). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin
erfülle nicht die für den Anspruch auf Altersruhegeld erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten. Die von der Klägerin
im Berufungsverfahren geltend gemachten Beschäftigungszeiten im Ghetto Schaulen von Mai 1942 bis Juni 1943 seien nicht als
Beitragszeiten zu berücksichtigen, weil die Klägerin die insoweit erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nicht erfülle.
Eine rentenrechtliche Berücksichtigung dieser Zeiten ergebe sich auch nicht unmittelbar aus den Bestimmungen des ZRBG.
Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folge, seien die Voraussetzungen des § 1 ZRBG nicht erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis
der Beweisaufnahme sei weder erwiesen noch glaubhaft gemacht, dass die Klägerin von Mai 1942 bis Juni 1943 eine Beschäftigung
in der Lederfabrik Frenkel ausgeübt habe. Der Senat sehe es zwar als glaubhaft an, dass die Klägerin in der Lederfabrik Frenkel
beschäftigt gewesen sei, jedoch sei eine Aufnahme der Tätigkeit vor September 1943 wegen der uneinheitlichen Angaben der Klägerin
im Entschädigungs- und im Rentenverfahren über den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme nicht glaubhaft gemacht. So habe sie etwa
angegeben, sie habe nach der "Kinderaktion" die Arbeit in der Lederfabrik aufgenommen; diese Aktion habe aber erst im September
1943 stattgefunden. Da keine Beitragszeiten glaubhaft gemacht worden seien, könnten auch keine Ersatzzeiten zur Erfüllung
der Wartezeit berücksichtigt werden.
Hiergegen hat die Klägerin beim Bundessozialgericht (BSG) die vom LSG zugelassene Revision eingelegt, die nach dem Geschäftsverteilungsplan
für 2007 dem 4. Senat zugeteilt worden ist. Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 1 Abs 1 ZRBG. Sie trägt vor, die angefochtene
Entscheidung verletze Bundesrecht, weil das LSG für die Anwendung des ZRBG verlange, dass die Voraussetzungen des FRG erfüllt sein müssten, also die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) anerkannt sei. Dies sei rechtswidrig,
weil eine Beziehung des Verfolgten im Sinne des BEG zur deutschen Rentenversicherung nicht erforderlich sei; vielmehr begründe
das ZRBG eine eigene Anspruchsgrundlage wegen einer Ghetto-Beschäftigung. Diese werde von ihr erfüllt, weil sie von Mai 1942
bis Juni 1943 in der Lederfabrik Frenkel gegen Entgelt tätig gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 1. September 2006 und des SG Düsseldorf vom 10. November 2005 sowie die ablehnende
Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 26. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2005 aufzuheben
und diese zu verpflichten, unter Zugrundelegung der Ghetto-Beitragszeiten vom 1. Mai 1942 bis 30. Juni 1943 ihr Recht auf
eine Altersrente und deren Wert festzustellen, sowie sie zu verurteilen, ab 1. Juli 1997 entsprechende monatliche Geldbeträge
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der 4. Senat hat dem Großen Senat (GrS) des BSG mit Beschluss vom 20. Dezember 2007 gemäß §
41 Abs
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) folgende Fragen vorgelegt:
"1. Ist in den Anwendungsbereich des ZRBG einbezogen und damit Versicherter im Sinne des
SGB VI, wer - ohne dem dSK angehört zu haben - seine behauptete Ghetto-Beschäftigung in einem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet
verrichtete, nicht den Reichsversicherungsgesetzen unterlag und auch sonst nicht in der deutschen Rentenversicherung anrechenbare
Beitragszeiten hat?
2. Erfasst der räumliche Anwendungsbereich des ZRBG auch die Ghetto-Arbeiter, die sich in einem Drittstaat außerhalb des Gebiets
der Bundesrepublik Deutschland oder eines Vertragsstaats (gewöhnlich) aufhalten (oder dort wohnen)?
3. Wie ist das Tatbestandsmerkmal einer "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen entgeltlichen Beschäftigung" von
der vom ZRBG nicht erfassten "Zwangsarbeit" abzugrenzen, und zwar im Hinblick auf
a) die Freiwilligkeit der Beschäftigung; genügt die Möglichkeit der Ablehnung der Arbeit ohne unmittelbare Gefahr für Leib
oder Leben?
b) das Entgelt; wie ist das Entgelt, das ein Ghetto-Arbeiter im Austausch "für" seine Beschäftigung erhielt, von "existenzsichernden
Zuwendungen" bei Zwangsarbeit abzugrenzen?
c) eine rechtliche Relevanz der Höhe des Entgelts; ist sie von Bedeutung für die Abgrenzung zur Zwangsarbeit?
4. Hängt die Entstehung von Beitragszeiten nach dem ZRBG von dem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal ab, dass die Beschäftigung
Versicherungspflicht begründet hat? Ggf nach welchem Recht ist die Rentenversicherungspflicht zu beurteilen, soweit die Reichsversicherungsgesetze
in dem vom Deutschen Reich besetzten Gebiet für Ghetto-Arbeiter nicht gegolten haben:
b) nach dem jeweiligen damaligen örtlichen Sozialversicherungsrecht, wenn es für Ghetto-Arbeiter galt,
c) ggf in dessen analoger Anwendung oder
d) durch fiktive Anwendung der Reichsversicherungsgesetze?
5. Ist § 1 Abs 3 ZRBG eine spezialgesetzliche Regelung in dem Sinn, dass er unmittelbar Rentenansprüche begründet, auch wenn
die nach dem
SGB VI erforderliche Wartezeit nicht erfüllt ist?"
Die Klägerin beantragt im Verfahren vor dem GrS, ein historisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Jochen Tauber einzuholen,
wonach (auch) im Ghetto Schaulen jüdische Arbeiter generell aus eigenem Willensentschluss gearbeitet haben und generell dafür
entlohnt worden sind. Außerdem beantragt sie, ein Sachverständigengutachten von Frau Kristin Platt einzuholen, in dem festzustellen
sei, ob die Formblatterklärungen und Fragebogen zum ZRBG in deutscher Sprache generell (un-)geeignet sind, die Tatsachen zur
Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des ZRBG in dieser Form zu erheben. Schließlich stellt die Klägerin den Antrag, den Termin
am 12. Dezember 2008 aufzuheben und mündlich zu verhandeln.
II. 1. Der GrS entscheidet über die Vorlage in der in §
41 Abs
5 Satz 1
SGG (in der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung) festgelegten Besetzung. Die Sonderregelungen für die Hinzuziehung ehrenamtlicher
Richter in speziellen Sachgebieten (§
41 Abs
5 Satz 2 und
3 SGG) sind nicht einschlägig. Gemäß §
41 Abs
7 Satz 2
SGG kann der GrS ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Er bedarf hierzu nicht der Zustimmung der Beteiligten (BSGE 80, 24, 26 f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 18 f). Für den GrS sind auch im Hinblick auf den Antrag der Klägerin, eine mündliche Verhandlung
durchzuführen, keine Gesichtspunkte ersichtlich, die erwarten ließen, dass die Entscheidung des GrS über die Vorlagefragen
durch eine mündliche Verhandlung gefördert werden könnte.
2. Die allein auf grundsätzliche Bedeutung gestützte Vorlage ist nicht zulässig. Nach §
41 Abs
4 SGG kann der erkennende Senat eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem GrS zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner
Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
a) Der GrS war nicht gehalten, vor seiner Entscheidung eine Stellungnahme des für das Ausgangsverfahren nunmehr zuständigen
5. Senats dazu einzuholen, ob dieser die Klärung der vom vorlegenden 4. Senat als grundsätzlich angesehenen Rechtsfragen seinerseits
für "erforderlich" hält. Selbst wenn eine solche Vorgehensweise grundsätzlich geboten sein sollte (in diesem Sinn: Pietzner
in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand 2007, §
11 RdNr 61), scheidet sie hier schon deshalb aus, weil die Vorlage wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren
unzulässig ist. Aus diesem Grund kann auch offen bleiben, ob hinsichtlich einzelner Fragen die Voraussetzungen einer Divergenzvorlage
gegeben sind. Denn insoweit fehlt es in gleicher Weise an der Entscheidungserheblichkeit der Fragen für das Ausgangsverfahren.
b) Während die Frage, ob die Vorlage zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich
ist, schon nach dem Wortlaut der Regelung ("nach seiner Auffassung") allein vom vorlegenden Senat zu entscheiden ist, ist
die grundsätzliche Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen nicht in die Entscheidungskompetenz des vorlegenden Senats
gestellt, sondern vom GrS zu prüfen (BSGE 62, 255, 258 = SozR 5050 § 15 Nr 35 S 117 unter Hinweis auf die stRspr des BSG). Hiervon geht auch der 4. Senat in seinem Vorlagebeschluss
aus.
Grundsätzliche Bedeutung haben die vorgelegten Fragen indes nur dann, wenn sie für die Entscheidung des vorlegenden Senats
erheblich sind. Auch hierüber hat der GrS zu befinden (vgl BVerwG Buchholz 310 §
11 VwGO Nr 1; Buchholz 310 §
72 VwGO Nr 1; Pietzner, aaO, §
11 RdNr 68). Denn der GrS hat nicht die Aufgabe, Rechtsgutachten zu erstatten (vgl Pietzner, aaO, § 11 RdNr 68 Fn 153). Das
bestreitet im Grundsatz auch der 4. Senat nicht.
c) Nach dem Inhalt des Berufungsurteils kommt es auf die vom 4. Senat gestellten Fragen für die anstehende Revisionsentscheidung
im Ausgangsverfahren nicht an.
aa) Das LSG hat seine Entscheidung auf zwei Begründungsstränge gestützt, die jeweils unabhängig voneinander das Ergebnis tragen.
Der erste Begründungsstrang betrifft die rentenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen des von der Klägerin geltend gemachten
Anspruchs. Das LSG lehnt eine Berücksichtigung der behaupteten Beschäftigungszeiten im Ghetto Schaulen ab, weil die Klägerin
weder nach den Reichsversicherungsgesetzen noch nach dem FRG Versicherungszeiten zurückgelegt haben könne; das FRG sei auch nicht über § 17a FRG oder § 20 WGSVG anwendbar, weil die Klägerin nicht dem dSK angehört habe. Die geltend gemachten Beschäftigungszeiten im Ghetto Schaulen seien
auch nicht nach den Bestimmungen des ZRBG eigenständig als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Denn dieses Gesetz regele weder
die Gleichstellung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto mit nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten noch mit fiktiven
Beitragszeiten; auch weite es den Kreis der anspruchsberechtigten Verfolgten nicht aus, der durch die Bestimmungen des
SGB VI, des WGSVG und des FRG festgelegt werde. Sein Anwendungsbereich beschränke sich auf die Bewertung von Beschäftigungszeiten in einem Ghetto und deren
Zahlbarmachung ins Ausland.
Mit seinem zweiten Begründungsstrang stützt das LSG seine Entscheidung darauf, dass, selbst wenn man der geschilderten Auffassung
zum eingeschränkten Regelungsgehalt des ZRBG nicht folge, die Voraussetzungen des § 1 ZRBG nicht vorlägen; es sei weder erwiesen
noch glaubhaft gemacht, dass die Klägerin in der streitigen Zeit während ihres Aufenthalts in dem Ghetto Schaulen eine Beschäftigung
ausgeübt habe. Da keine Beitragszeiten glaubhaft gemacht worden seien, könnten auch keine Ersatzzeiten zur Erfüllung der Wartezeit
berücksichtigt werden.
bb) Die mit dem Vorlagebeschluss dem GrS unterbreiteten Fragen beziehen sich im Wesentlichen auf den ersten Begründungsstrang.
Für den zweiten Begründungsstrang sind sie ohne Bedeutung. Soweit die Frage 3 des Vorlagebeschlusses, mit der die Abgrenzung
von Beschäftigung in einem Ghetto und Zwangsarbeit geklärt werden soll, den zweiten Begründungsstrang betrifft, ist sie dort
nicht entscheidungserheblich. Denn für das LSG kam es in seinem zweiten Begründungsstrang auf die für die Abgrenzung maßgebenden
rechtlichen Voraussetzungen in § 1 Abs 1 Nr 1 ZRBG - etwa die Notwendigkeit einer aus eigenem Willensentschluss zu Stande
gekommenen entgeltlichen Beschäftigung und die Abgrenzung zur nicht vom ZRBG erfassten Zwangsarbeit - nicht an, weil es schon
die Aufnahme irgendeiner Tätigkeit durch die Klägerin während des hier streitigen Zeitraums als nicht glaubhaft gemacht angesehen
hat. Das LSG hat in diesem Zusammenhang zwar unterschiedliche Begriffe verwendet. So spricht es zum einen davon, im streitbefangenen
Zeitraum habe die Klägerin im Ghetto Schaulen "keine Beschäftigung im Sinne von § 1 ZRBG ausgeübt", und zum anderen, dass
"eine Arbeitsaufnahme" bzw eine "Aufnahme der Tätigkeit" nicht glaubhaft gemacht sei. Jedenfalls ist aber eine Klärung des
in § 1 ZRBG enthaltenen Tatbestandsmerkmals einer "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt"
im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Denn alle denkbaren Auslegungen dieses Begriffs setzen zumindest ein Substrat an
"Tätigkeit" voraus. Ein solches aber ist nach den Feststellungen des LSG nicht gegeben, weil es schon eine Arbeitsaufnahme
bzw die Aufnahme einer Tätigkeit - in welcher Ausprägung auch immer - als nicht glaubhaft gemacht erachtet.
cc) Der vorlegende Senat hat nicht dargetan, dass das Berufungsurteil nicht allein auf den zweiten Begründungsstrang des LSG
gestützt bestätigt werden kann. Sollte er mit der Formulierung im Vorlagebeschluss (S 6 unten), das LSG habe die fehlende
Glaubhaftmachung "im Rahmen seiner Hilfserwägungen zur behaupteten Beschäftigung" erwähnt, zum Ausdruck bringen wollen, die
zuvor beschriebene Begründung (also der zweite Begründungsstrang) sei für das LSG nicht tragend gewesen, kann ihm nicht gefolgt
werden. Im angefochtenen Urteil wird unter IV. vielmehr ausdrücklich klargestellt, dass der fehlende Nachweis einer Beschäftigung
in der Zeit vor September 1943 unabhängig von der umstrittenen rentenrechtlichen Einordnung von Beschäftigungszeiten in einem
Ghetto die Entscheidung trägt.
dd) Zu einer Überprüfung der Tatsachenfeststellungen des LSG ist das BSG nicht befugt. Gemäß §
163 SGG ist das BSG an die im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in Bezug auf diese
Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Die Bindung
des BSG an die Tatsachenfeststellungen des LSG steht auch der von der Klägerin im Verfahren vor dem GrS beantragten weiteren
Beweisaufnahme entgegen. Zwar ist im Revisionsverfahren in Bezug auf generelle Tatsachen eine Beweiserhebung nicht grundsätzlich
ausgeschlossen. Sie kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die als aufklärungsbedürftig angesehenen Tatsachen, wie hier, Gegenstand
der Beweiswürdigung des LSG waren.
Die sich aus §
163 SGG ergebende Einschränkung der Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts kann auch nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden,
das LSG sei von einem unzutreffenden Begriff der Glaubhaftmachung ausgegangen. Zwar handelt es sich bei der Frage, ob das
Tatsachengericht von zutreffenden rechtlichen Merkmalen eines Beweismaßstabes ausgegangen ist, um Rechtsanwendung. Der vorlegende
Senat hat es jedoch ausdrücklich offen gelassen, ob das LSG insoweit einen fehlerhaften rechtlichen Obersatz aufgestellt hat.
Im übrigen ist das LSG von der auch vom vorlegenden Senat als maßgebend angesehenen Definition der Glaubhaftmachung in § 3 WGSVG ausgegangen. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache danach, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich
auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Ausgehend von dieser Rechtsgrundlage
hat das LSG die für die Anwendung des ZRBG entscheidende Voraussetzung, dass eine Beschäftigung ausgeübt wurde, vor allem
deshalb als nicht glaubhaft gemacht angesehen, weil die Klägerin über den Beginn ihrer Arbeit während des Aufenthalts im Ghetto
Schaulen im Entschädigungs- und im Rentenverfahren uneinheitliche Angaben gemacht habe. Sollte der vorlegende Senat bezweifeln,
dass das LSG damit im Rahmen der Beweiswürdigung die Merkmale des Begriffs der Glaubhaftmachung richtig angewendet hat, handelte
es sich um einen Fehler im Rahmen der Tatsachenfeststellung, den die Revision mit einer Verfahrensrüge hätte angreifen müssen.
d) Die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfragen kann - entgegen der Ansicht des 4. Senats - auch nicht mit
der Regelung in §
170 Abs
1 Satz 2
SGG begründet werden. Hiernach ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung
ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Soweit der 4. Senat annimmt, der GrS
müsse die aufgeworfenen Fragen auch dann beantworten, wenn die Revision der Klägerin schon aus anderen Gründen wegen bindender
Feststellungen des LSG in der Sache keinen Erfolg habe, ist ihm nicht zu folgen.
aa) Zwar lässt der Wortlaut des §
170 Abs
1 Satz 2
SGG isoliert betrachtet den Schluss zu, das Revisionsgericht müsse auch dann, wenn eine Revision im Ergebnis keinen Erfolg habe,
darlegen, ob die angefochtene Entscheidung Bundesrecht verletze, und könne erst nach Feststellung einer Gesetzesverletzung
zu einer Bestätigung der angefochtenen Entscheidung aus anderen Gründen kommen. Die in allen Verfahrensordnungen nahezu wortgleich
enthaltene Regelung (§
144 Abs
4 VwGO, § 126 Abs 4 FGO und §
561 ZPO; das ArbGG verweist in §
72 Abs
5 insoweit auf die
ZPO) wird jedoch durchgängig als Ausdruck von Prozessökonomie angesehen und nach ihrem Sinn und Zweck dahin ausgelegt, dass eine
mögliche Gesetzesverletzung in den Entscheidungsgründen dahingestellt bleiben kann, wenn sich die Entscheidung im Ergebnis
aus anderen Gründen als richtig erweist. Der prozessökonomische Aspekt wird damit begründet, dass sowohl den Parteien als
auch dem Staat letztlich nur an der richtigen Entscheidung des Rechtsstreits gelegen sei (vgl etwa Hahn, Die gesamten Materialien
zur CPO I, S 365; ferner: Eichberger in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand September 2007, §
144 RdNr 2; Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand August 2005, § 126 RdNr 32).
bb) Sinn und Zweck der Regelungen in §
170 Abs
1 Satz 2
SGG, §
144 Abs
4 VwGO, § 126 Abs 4 FGO und §
561 ZPO fordern den Vorrang prozessökonomischer Erwägungen. Ein Verfahren soll nicht wegen eines Fehlers fortgeführt werden, der
für das endgültige Ergebnis bedeutungslos bleiben wird (so BVerwG Buchholz 310 §
144 VwGO Nr 34; ferner: Zeihe,
SGG, 8. Aufl, Stand November 2007, §
170 RdNr 6b; Eichberger in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO; Hübschmann/Hepp/Spitaler, aaO). Auch der Rechtsschutzgedanke,
wonach es dem Revisionskläger letztlich nur um die Beseitigung der geltend gemachten Rechtsverletzung gehen kann, verlangt
die vorherige Feststellung der Rechtsverletzung nicht; dem Rechtsuchenden geht es um das richtige Ergebnis. Ausgenommen hiervon
ist nur der Fall des Vorliegens absoluter Revisionsgründe, bei dem die Verfahrenskontrolle einen besonderen Stellenwert einnimmt
(vgl BSGE 63, 43, 45 = SozR 2200 § 368a Nr 21 S 75).
cc). Über eine Befugnis des Revisionsgerichts, Gesetzesverletzungen auch dann festzustellen, wenn diese für dessen Ergebnis
unerheblich sind, muss der GrS nicht entscheiden. Denn §
170 Abs
1 Satz 2
SGG kann vorliegend schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil es an der Kausalität der vermeintlichen Gesetzesverletzung,
auf die sich die Fragen des Vorlagebeschlusses beziehen, für das Ergebnis der Berufungsentscheidung fehlt. §
170 Abs
1 Satz 2
SGG setzt voraus, dass die Entscheidungsgründe des LSG eine Gesetzesverletzung ergeben. Ausgehend von §
162 SGG "ergeben" die Entscheidungsgründe nur dann eine Gesetzesverletzung, wenn sie für die Entscheidung des LSG ursächlich sind.
Diese Kausalitätsvoraussetzung darf nicht mit der davon verschiedenen Frage vermengt werden, ob das angefochtene Urteil trotz
einer ursächlichen Gesetzesverletzung aus anderen Gründen richtig ist (May, aaO, Kap VI, RdNr
309 f). "Andere Gründe" iS des §
170 Abs
1 Satz 2
SGG sind nur solche, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt hat.
Die vom 4. Senat angenommene Gesetzesverletzung ist für den Ausspruch des Berufungsurteils nicht kausal. Hat das Berufungsgericht
seine Entscheidung, wie hier, auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich die Entscheidung trägt, kommt es
auf eine Gesetzesverletzung in nur einem Begründungsstrang nicht an. Es kann dann nämlich die vermeintliche Gesetzesverletzung
hinweg gedacht werden, ohne dass sich das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung ändert.