Ausbildungsförderungsrecht - Wohnung/Wohnraum/bewohnter Raum im Eigentum der Eltern des Geförderten
Gründe:
I.
Die Klägerin studierte im Wintersemester 1992/1993 und im Sommersemester 1993 an der Universität Würzburg Betriebswirtschaftslehre.
Sie beantragte am 7. August 1992 beim Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsförderung für dieses Studium. Dabei gab sie
an, daß sie in einer Einliegerwohnung eines Reihenhauses in Erlabrunn wohne. Eigentümer dieses Reihenhauses waren die in Margetshöchheim
wohnhaften Eltern der Klägerin zu je einem Viertel und ein Onkel der Klägerin zur Hälfte. Diese Eigentümer hatten die Wohnung
an die Klägerin zu einem Mietzins von 342 DM vermietet, den die Klägerin auf ein gemeinsames Konto der Hauseigentümer zahlte.
Ab Juni 1993 wohnte die Klägerin in Würzburg bei anderen Personen zur Miete.
Mit Bescheid vom 19. November 1992 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Ausbildungsförderung ab, weil das angerechnete
elterliche Einkommen den Bedarf der Klägerin übersteige. Bei der Ermittlung des Bedarfs ging der Beklagte unter anderem davon
aus, daß die Klägerin im Sinne von §
13 Abs.
2 Nr.
1, Abs.
3 a BAföG bei ihren Eltern wohne.
Den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 1993 zurück.
Er vertrat die Auffassung, vom Eigentumsbegriff des §
13 Abs.
3 a BAföG seien alle Formen des Eigentums, also auch das Miteigentum, erfaßt.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage erhoben und, nachdem ihr unter Berücksichtigung höherer Sozialabzüge vom Einkommen
ihres Vaters mit Bescheid vom 3. März 1993 für die Monate Oktober 1992 bis September 1993 Ausbildungsförderung in Höhe von
monatlich 197 DM bewilligt worden war, beantragt, den Beklagten zu verpflichten, ihr für die Monate Oktober 1992 bis Mai 1993
eine weitere Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 1240 DM (225 DM nach §
13 Abs.
2 Nr.
2 Buchst. b
BAföG abzüglich gewährter 70 DM nach §
13 Abs.
2 Nr.
1 Buchst. b
BAföG für acht Monate) zu gewähren.
Mit Urteil vom 23. Juni 1993 hat das Verwaltungsgericht nach dem Klageantrag entschieden. Das Berufungsgericht hat die Berufung
des Beklagten zurückgewiesen und sein Urteil vom 2. März 1995 im wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin habe Anspruch
auf die erhöhte Unterkunftspauschale, denn sie wohne nicht bei ihren Eltern. Allerdings wohne ein Auszubildender gemäß §
13 Abs.
3 a BAföG auch dann bei den Eltern, wenn der von ihm bewohnte Raum im Eigentum der Eltern stehe. Doch stehe Wohnraum nicht "im Eigentum"
der Eltern, wenn diese nur zur Hälfte Miteigentümer des Wohnraums seien. Durch die in §
13 Abs.
3 a BAföG getroffene Regelung solle mittelbar auf die Festlegung des Mietzinses durch die Eltern Einfluß genommen werden. Sie sollten
diese Entscheidung in Kenntnis des Umstandes treffen, daß ihrem Kind nur der geringere Bedarf nach §
13 Abs.
2 Nr.
1 BAföG zugestanden werde. Eine solche typisierende Erwartung sei aber nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn man davon ausgehen
könne, daß die Eltern auf die Festlegung der Miethöhe auf der Vermieterseite einen entscheidenden Einfluß ausüben könnten.
Das könnten sie regelmäßig nur dann, wenn der Wohnraum zu mehr als 50 v.H. in ihrem Eigentum stehe und sie damit über eine
Stimmenmehrheit in der Bruchteilsgemeinschaft verfügten. Könnten sie auf die Festlegung der Miethöhe dagegen nur mit dem Gewicht
eines hälftigen oder eines noch geringeren Bruchteils Einfluß nehmen, so sei die typisierende Erwartung des Gesetzes nicht
mehr gerechtfertigt, daß dem Auszubildenden nur die geringeren Aufwendungen nach §
13 Abs.
2 Nr.
1 BAföG entstünden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von §
13 Abs.
3 a BAföG, denn diese Bestimmung umfasse alle Formen des Eigentums.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt tritt der Rechtsauffassung des Beklagten bei.
II.
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Annahme der Vorinstanzen, daß die Klägerin einen Anspruch auf die Bewilligung
weiterer Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 1240 DM habe, verstößt gegen Bundesrecht (§
137 Abs.
1 Nr.
1 VwGO).
Nach §
13 Abs.
2 Nr.
2 Buchstabe b
BAföG in der Fassung des Art. 1 Nr. 5 des Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 19. Juni 1992 (BGBl I S. 1062) ist ein - erhöhter - Bedarf des Auszubildenden für die Unterkunft in Höhe von 225 DM anzuerkennen, wenn der Auszubildende
nicht bei seinen Eltern wohnt. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Sie wohnte im hier maß geblichen Zeitraum im
Sinne von §
13 Abs.
3 a BAföG bei ihren Eltern.
Gemäß §
13 Abs.
3 a BAföG wohnt ein Auszubildender auch dann bei seinen Eltern, wenn er nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihnen, aber doch in einem
im Eigentum der Eltern stehenden Raum wohnt. Zutreffend hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt erkannt, daß dieser Eigentumsbegriff
nicht auf das Alleineigentum beschränkt ist. Der Wortlaut des Gesetzes ist dahin offen, den Begriff "Eigentum" auch als Oberbegriff
für die Unterarten Alleineigentum, Miteigentum und Gesamthandseigentum zu verstehen. Sinn und Zweck der geringeren Unterkunftspauschale
sowohl bei einem Wohnen in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern als auch bei einem Wohnen in einer im Eigentum der Eltern
stehenden Wohnung ist, daß nach der Auffassung des Gesetzgebers in beiden Fällen ein Vermietergewinn nicht zu berücksichtigen
ist (vgl. BTDrucks 6/1975 S. 27; BVerwGE 61, 235 [239]). Dies gilt im Hinblick auf den generalisierenden, typisierenden Charakter der gesetzlichen Regelung unabhängig davon,
ob die Wohnung von den Eltern unentgeltlich, zu besonders günstigen Bedingungen oder nur zu den marktüblichen Konditionen
überlassen wird. Durch §
13 Abs.
3 a BAföG sollen mögliche Vorteile beim Bewohnen von im Eigentum der Eltern stehenden Wohnraum ausgeschlossen werden, die sich ergäben,
wenn Auszubildende dort kostengünstig oder ganz mietfrei wohnen und dennoch die erhöhte Unterkunftspauschale verlangen könnten.
Der Gesetzgeber konnte bei generalisierender und typisierender Sicht davon ausgehen, daß eine solche Zuwendungsmöglichkeit
der Eltern auch bei Eigentumsanteilen von weniger als 100 v.H. an einem Haus oder einer Wohnung besteht. Das zeigt beispielhaft
der vorliegende Fall. Den Eltern der Klägerin wäre es auch mit ihrem Miteigentumsanteil von zusammen 1/2 möglich gewesen,
die Klägerin in der von ihr bewohnten Einliegerwohnung ohne Vermietergewinn wohnen zu lassen. Denn zum Ausgleich der dem Onkel
für seinen Miteigentumsanteil zu 1/2 zustehenden Früchte des Grundstücks reichten die Nutzungen der von der Klägerin nicht
bewohnten Hauptwohnung. Abhängig von der Größe des Objekts mag selbst ein geringerer Miteigentumsanteil den Eltern die Möglichkeit
eröffnen und damit heim Auszubildenden die Zuwendungserwartung rechtfertigen können, in einer Wohnung auf diesem Grundstück
gegen einen nur geringen Kostenbeitrag oder vielleicht ganz kostenfrei wohnen zu können.
Es bedarf keiner näheren Erörterung, ob und bis zu welcher Grenze auch Miteigentumsanteile der Eltern unter 50 v. H. den Eigentumsbegriff
des §
13 Abs.
3 a BAföG erfüllen. Nach Tz. 13.3 a.1 in Verbindung mit Tz. 12.3 a. 1 BAföGVwV 1991 (GMBl S. 770 [789/790]) ist §
13 Abs.
3 a BAföG bei Miteigentum der Eltern an der vom Auszubildenden genutzten Wohnung nämlich nur dann anzuwenden, wenn sie zu 50 v.H. oder
mehr im Eigentum der Eltern steht. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, daß diese Verwaltungsvorschrift von den Behörden
nicht praktiziert wird, und daher keinen Anlaß, in eine Prüfung einzutreten, inwieweit unterhalb der bezeichneten Anteilsgröße
Eigentum im Sinne von §
13 Abs.
3 a BAföG vorliegen mag. Der Gesetzgeber durfte jedenfalls darüber liegende Anteile der Eltern pauschalierend als genügend groß ansehen,
um dem Kind während der Ausbildung durch Verzicht auf ihren Vermietergewinn ein preisgünstiges Wohnen zu ermöglichen. Bei
Miteigentumsanteilen der Eltern von 50 v. H. oder mehr ist es deshalb von Gesetzes wegen gerechtfertigt, den Bedarf des Auszubildenden
mit der geringeren Unterkunftspauschale abzugelten.
Demgegenüber kann für die Auslegung des §
13 Abs.
3 a BAföG seinem generalisierenden, typisierenden Charakter entsprechend nicht maßgeblich sein, ob Eltern mit Miteigentumsanteilen
von 50 v.H. oder mehr in jedem Fall zu einer die geringere Unterkunftspauschale berücksichtigenden preiswerteren Überlassung
von Wohnraum in der Lage sind. Auch wenn ihnen das im Einzelfall nicht möglich sein sollte, bedeutet das für den Auszubildenden
keine Härte. Denn es steht ihm frei, eine im (Mit-)Eigentum seiner Eltern stehende Wohnung mit der Folge der geringeren Unterkunftspauschale
nach §
13 Abs.
2 Nr.
1 BAföG oder eine nicht im (Mit-)Eigentum seiner Eltern stehende Wohnung mit der Folge der höheren Unterkunftspauschale nach §
13 Abs.
2 Nr.
2 BAföG zu bewohnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
154 Abs.
1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf §
188 Satz 2
VwGO.