Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsausschluss für Ausländer mit sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche
ergebenden Aufenthaltsrecht; Vereinbarkeit mit EU-Recht
Gründe:
I. Der Antragssteller begehrt mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der 1982 geborene Antragssteller besitzt die italienische Staatsangehörigkeit. Er ist mit seinen Eltern 1997 nach Deutschland
gezogen, wo er die Hauptschule besucht und abgeschlossen hat. In den Jahren 2000 und 2001 hat er in Deutschland gearbeitet,
anschließend war er arbeitslos. Von 2004 bis 2008 lebte er in Italien, war teilweise arbeitslos und hat vom 01.01.2008 bis
zum 20.12.2008 dort gearbeitet. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses ist der Antragssteller Ende 2008 wieder zu seinen
Eltern nach R. gezogen. Dort hat er zunächst einen Antrag auf Arbeitslosengeld I gestellt, welcher aber mit Bescheid vom 18.06.2009
mit der Begründung abgelehnt wurde, dass er in den letzten beiden Jahren nicht wenigstens 12 Monate in einem Versicherungsverhältnis
gestanden habe.
Am 08.06.2009 hat der Antragssteller erstmalig beim Antragsgegner vorgesprochen und Leistungen zur Grundsicherung beantragt.
Dabei wurde ihm jedoch vom Antragsgegner mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Einreise zur Arbeitsuche wohl keinen Anspruch
auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II habe.
Am 23.09.2009 stellte der Antragssteller beim Sozialgericht Stuttgart (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz.
Der Antragsgegner lehnte den Antrag des Antragstellers mit Bescheid vom 12.10.2009 mit der Begründung ab, dass die gesetzlichen
Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) für einen Anspruch nicht vorlägen, weil der Antragssteller lediglich ein alleiniges
Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland habe. Gegen den Bescheid legte der Antragssteller Widerspruch
ein.
Zur Begründung seines Antrags trug der Antragssteller vor, dass er nicht allein zur Arbeitsuche nach Deutschland eingereist
sei, sondern weil er bei seinen Eltern leben wollte und müsste. Zudem habe er einen Anspruch auf Leistungen gemäß § 1 des
Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA).
Mit Beschluss vom 22.10.2009 lehnte das SG den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ab. Nach summarischer Prüfung habe der Antragssteller keinen Anspruch
auf Leistung zur Grundsicherung nach dem SGB II. Die Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1
SGB II lägen in der Person des Antragsstellers zwar grundsätzlich vor. Allerdings seien von der Leistungsberechtigung gemäß
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe.
Dies sei beim Antragssteller vorliegend der Fall. Sein Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem - vom Antragsteller u.a.
eingeräumten - Zweck der Arbeitsuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alternative des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit
von Unionsbürgern (FreizügG/EU), wonach Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt sind, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik
Deutschland aufhalten wollen. Der Antragsteller sei nach eigenem Vortrag im Dezember 2008 nach Deutschland gezogen und suche
hier Arbeit. Sein Einwand, der Aufenthalt diene auch dem Zweck, bei seinen Eltern zu leben, führe zu keiner anderen Beurteilung.
Denn hieraus lasse sich kein Aufenthaltsrecht ableiten. Mit der Ausreise spätestens im Jahr 2004 habe der Antragssteller ein
zuvor begründetes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU verloren. Denn mit der Ausreise nach
Italien sei auch eine bei der zuständigen Agentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit entfallen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU).
Seit der erneuten Einreise ins Bundesgebiet übe der Antragssteller keine Erwerbstätigkeit aus, die den Arbeitnehmerstatus
begründen könnte. Das Aufenthaltsrecht des Antragsstellers bestimme sich nach dem FreizügG/EU, wobei ihm vor allem kein Daueraufenthaltsrecht
nach § 4a FreizügG/EU zukomme. Dieses Daueraufenthaltsrecht entstehe im Grundsatz nach einem fünfjährigen, ununterbrochenen
rechtmäßigen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Der Antragssteller habe sein ursprünglich bestehendes Daueraufenthaltsrecht
nach § 4a Abs. 7 FreizügG/EU jedenfalls wieder verloren. Danach führe eine Abwesenheit aus einem seiner Natur nach nicht nur
vorübergehenden Grund von mehr als zwei aufeinanderfolgenden Jahren zum Verlust des Daueraufenthaltsrechts. Der Antragsteller
sei von 2004 bis Ende 2008 und damit mehr als zwei Jahre zum Zwecke der Arbeitssuche nicht nur vorübergehend in Italien gewesen,
weshalb sein Daueraufenthaltsrecht erloschen sei.
Auch aus dem Gemeinschaftsrecht folge kein über den Zweck der Arbeitsuche hinausgehendes Aufenthaltsrecht. Artikel 6 der Richtlinie
2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie) sehe ein voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nur für einen Zeitraum
von drei Monaten vor. Dieser Zeitraum sei hier abgelaufen. Artikel 7 der Unionsbürgerrichtlinie gewähre ein Recht auf Aufenthalt
für mehr als drei Monate nur, wenn der Unionsbürger Arbeitnehmer oder Selbständiger sei (Abs. 1a), er für sich und seine Familienangehörigen
über ausreichende Existenzmittel verfüge, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats
in Anspruch nehmen müssten, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat
verfügten (b), oder eine näher bezeichnete Ausbildung absolviere (c). Keine dieser Voraussetzungen liegen hier vor. Auch aus
Artikel 18 Abs. 1 des EG-Vertrages folge kein weitergehendes Aufenthaltsrecht, wonach jeder Unionsbürger grundsätzlich das
Recht habe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift stelle jedoch das
Aufenthaltsrecht ausdrücklich unter den Vorbehalt der im EG-Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen
und Bedingungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil v. 07.09.2004, C-456/02, Tz. 33) habe ausdrücklich festgestellt, dass zu den Beschränkungen und Bedingungen des Rechts des Unionsbürgers aus Artikel
18 EG auch der Artikel 1 der (seinerzeit geltenden) Richtlinie 90/364/EWG gehöre. Danach könnten die Mitgliedstaaten von Angehörigen
eines Mitgliedstaats, die das Recht zum Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet wahrnehmen wollten, verlangen, dass sie für sich
und ihre Familienangehörigen über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmestaat alle Risiken abdecke, sowie über ausreichende
Existenzmittel verfügten, durch die sichergestellt sei, dass sie während ihres Aufenthaltes nicht die Sozialhilfe des Aufnahmemitgliedstaats
in Anspruch nehmen müssten. Mangels ausreichender Existenzmittel bestehe daher ein Recht eines Unionsbürgers, der sich in
einer Situation wie der des Klägers befinde, aus Artikel 18 EG auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, dessen
Staatsangehörigkeit er nicht besitze, nicht (EuGH, aaO., Tz. 36). Nach Auffassung des Gerichts sei der Ausschlusstatbestand
gemeinschaftsrechtskonform, sofern er, wie hier, solche Leistungen nach dem SGB II betreffe, die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt
erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollten. Nach Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie sei der Mitgliedsstaat
nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt,
und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums
nach Art. 14 Abs. 4 b - Aufenthalt aufgrund des Nachweises der Arbeitsuche und der begründeten Aussicht einer Einstellung
- einen Anspruch auf "Sozialhilfe" zu gewähren. Sozialhilfeleistungen im Sinne der Vorschrift seien alle finanziellen Mittel,
die der Existenzsicherung dienten. Nicht dazu zählten finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
sollen (EuGH, Urteil v. 04.06.2009, Rs. C-22/08 und C-23/08, Tz. 45).
Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie sei mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Art. 39 Abs. 2 EG vereinbar
(so im Ergebnis EuGH, Urteil v. 04.06.2009, aaO., Tz. 46). Nach Art. 39 Abs. 2 EG hätten Staatsangehörige eines Mitgliedstaats,
die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung suchten, Anspruch auf die in der Bestimmung vorgesehene Gleichbehandlung.
Hierunter falle auch die Gleichbehandlung in Bezug auf finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
sollen. Solche Leistungen erfasse aber Art. 24 Abs. 2 der Unionsbürgerrichtlinie nicht, weil zur "Sozialhilfe" im Sinne der
Richtlinie gerade nicht finanzielle Mittel zählten, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen. Auch das Europäische
Fürsorgeabkommen (EFA) stehe einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Unionsbürgern aus
Staaten, die dem EFA beigetreten seien, könnten die Leistungen nicht aufgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 SGB II versagt
werden, da Artikel 1 des EFA jedem Bürger eines Mitgliedsstaates mit rechtmäßigem Aufenthalt Leistungen der Sozialhilfe in
gleichem Umfang zugestehe wie eigenen Bürgern. Das EFA finde jedoch gemäß seinem Art. 2 nur auf die im Anhang genannten Rechtsvorschriften
Anwendung. Von der nach wie vor gültigen Fassung aus dem Jahr 2000 sei naturgemäß das SGB II gar nicht erfasst, sondern neben
Vorschriften des SGB VIII und des Gesetzes zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten nur das Bundessozialhilfegesetz (BGBl. 2001, Teil II, S. 1086, 1088). Eine Anpassung an die aktuelle Gesetzeslage sei nicht erfolgt.
Der Antragsteller habe auch nicht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Die prozessuale Funktion des einstweiligen
Rechtsschutzes bestehe vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz
zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil
ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Dem Antragsteller drohten aber keine schweren und unwiederbringlichen Nachteile,
die er aus eigener Kraft nicht imstande wäre, von sich abzuwenden. Insbesondere habe er nicht glaubhaft gemacht, dass sein
Existenzminimum ohne die begehrte Regelleistung nicht gesichert sei. Dafür, dass er seinen Lebensunterhalt anderweitig sicherstellen
könne, spreche zum einen der Umstand, dass er bei seinen Eltern wohne, welche ihn unterhielten. Hiermit in Einklang stehe
die Tatsache, dass er sich seit nunmehr zehn Monaten in der Bundesrepublik Deutschland ohne Leistungsbezug aufhalte.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen,
bei den Leistungen nach dem SGB II handle es sich nicht um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 der Unionsbürgerichtlinie,
sondern um Leistungen, welche den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zutreffend ausgeführt
und die beantragte einstweiligen Anordnung zu Recht nicht erlassen. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der sozialgerichtlichen
Entscheidung zurück (§
153 Abs.
2 SGG).
Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Antragsteller nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach § 7 SGB II gehört. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift erhalten Leistungen nach dem SGB II zwischen 15 und 65 Jahre alte erwerbsfähige
hilfebedürftige Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 7 Abs. 1 Satz
2 Nr. 2 SGB II sind davon ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Der Antragsteller unterliegt dem genannten Ausschlusstatbestand. Sein Aufenthaltsrecht ergibt sich allein aus § 2 Abs. 2 Nr.
1 2. Alternative Freizügigkeitsgesetz/EU, wonach Unionsbürger gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind, die sich
zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Der Antragsteller hält sich zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik
auf. Die übrigen in § 2 Abs. 2 Ziffer 1 (1. und 3. Alt.), 2 - 7 Freizügigkeitsgesetz/EU genannten Aufenthaltsgründe kommen
für ihn nicht in Betracht. Insbesondere zählt der Antragsteller nicht zum Personenkreis der Arbeitnehmer, da er nach den vorliegenden
Unterlagen seine Rechte aus der früheren Erwerbstätigkeit, wie das SG zu Recht ausgeführt hat, erloschen sind.
Den bislang in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Bedenken gegen die Vereinbarkeit des Ausschlusstatbestands nach § 7
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit europäischem Gemeinschaftsrecht (vgl. etwa: Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl.
2008, § 7 Rn. 17ff m. w. N) vermag der Senat angesichts des Urteils des EuGH vom 04.06.2009 (Az. C-22/08, C-23/08) nicht zu folgen. Geltend gemacht werden insoweit Verstöße gegen das in Art. 12 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft (EG) enthaltene Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das aus Art. 39 EG entwickelte
Gebot der sozialrechtlichen Gleichbehandlung. In der genannten Entscheidung hat der EuGH allerdings die Gültigkeit des Artikel
24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger
und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (ABl. L 158/77; sog. Unionsbürgerrichtlinie - UBRL), nicht in Zweifel gezogen. Diese Bestimmung erlaubt es einem Mitgliedsstaat in Abgrenzung
zu der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 23.03.2004, Az. C-138-02 - Collins -) ausdrücklich, andere Unionsbürger als Arbeitnehmer,
Selbstständige oder Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, sowie deren Familienangehörige vom Anspruch auf "Sozialhilfe"
auszunehmen. Von dieser Öffnungsklausel hat der deutsche Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 S.
2 Nr. 2 SGB II für arbeitsuchende Ausländer Gebrauch gemacht (so auch ausdrücklich die Begründung zum Gesetzentwurf in der
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 15. Februar 2006, BT-Drucksache 16/688, S. 13). Sozialhilfeleistungen
im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL sind, wie sich auch aus dem Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie ergibt, alle
finanziellen Mittel, die der Existenzsicherung dienen. Nicht dazu zählen finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt
erleichtern sollen (EuGH, aaO., Rn. 45).
Nach Auffassung des Senats sind die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II grundsätzlich als Sozialhilfeleistungen
im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL anzusehen. Das zum 01.01.2005 eingeführte Arbeitslosengeld II ist in Anlehnung an die Sozialhilfe
nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ausgestaltet. Es umfasst eine pauschalierte, dem Regelsatz
der Sozialhilfe vergleichbare Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Übernahme der angemessenen Kosten
für Unterkunft und Heizung. Ähnlich wie in der Sozialhilfe sind für verschiedene Bedarfslagen Leistungen für Mehrbedarfe vorgesehen,
vgl. § 21 SGB II. Das Arbeitslosengeld II weist daher eine sozialhilferechtliche Konzeption auf (vgl. Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen
- 8. Senat - vom 14.01.2008, Az. L 8 SO 88/07 ER; vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 31.10.2007, Az. B
14/11b AS 5/07 R, Rn. 35: "steuerfinanzierte Fürsorgeleistung"). Gegen diese Auslegung kann nicht mit Erfolg eingewendet werden (vgl. Bayrisches
LSG, Beschluss vom 04.05.2009, Az. L 16 AS 130/09 B ER), dass es sich bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende europarechtlich nicht um "Sozialhilfe" handele, sondern um
eine "besondere beitragsunabhängige Leistung der sozialen Sicherheit" i. S. d. Art. 4 Abs. 2a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71
des Rates vom 14.06.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren
Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149 vom 05.07.1971).
Unabhängig von der Frage, ob die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II insgesamt als Sozialhilfeleistungen
i. S. des Art. 24 Abs. 2 UBRL anzusehen sind, wird in der Rechtsprechung mit überzeugenden Argumenten die Auffassung vertreten,
dass jedenfalls die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II keine Leistungen sind,
die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009, Az.: L 34 AS 790/09 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007, Az.: S 2 B 426/07). Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass das SGB II zwischen Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit
insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) und solchen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 1 Abs.
2 Nr. 2 SGB II) unterscheidet. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst nach § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere
Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang die
Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben, enthält mithin keine Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt.
Es handelt sich damit wie die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII um existenzsichernde Leistungen, die nicht den Zweck
haben, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die diesbezüglichen Ansprüche der Hilfebedürftigen sind vielmehr im Wesentlichen
im ersten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB II geregelt.
Artikel 24 Abs. 2 UBRL ist - wie sich aus dem oben genannten Urteil des EuGH vom 04.06.2009 ergibt - mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht
vereinbar. Nach Art. 39 Abs. 2 EG haben Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Beschäftigung
suchen, einen Anspruch auf die in der Bestimmung vorgesehene Gleichbehandlung. Zwar können sich nach der Entscheidung des
EuGH die Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten, die auf Arbeitssuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche
Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Artikel 39 Abs. 2 EG berufen, um eine finanzielle
Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll. Bei den vorliegend vom Antragsteller begehrten
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich nicht - wie bereits dargelegt - um Leistungen,
die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um Sozialhilfeleistungen im Sinne des Artikel des 24 Abs. 2 UBRL.
Soweit diese Bestimmung den Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungssystemen einschränkt, hat der EuGH keine Bedenken
gegen die Gültigkeit dieser Richtlinie geäußert (aaO. Rn. 46). Im Übrigen hat der EuGH auch festgestellt, dass Artikel 12
EG einer nationalen Regelung nicht entgegen steht, die Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten von Sozialhilfeleistungen ausschließt,
die Drittstaatenangehörigen gewährt werden. Ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auch die Leistungen
zur Eingliederung in Arbeit erfasst, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Denn der Antragsteller begehrt ausschließlich
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Selbst wenn aber entgegen den vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Fall eine finanzielle Leistung im Streit stünde, die
den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll, müsste der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben. Denn nach der Rechtsprechung
des EuGH (aaO., Rn. 38ff) können sich Unionsbürger, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und eine solche
finanzielle Leistung beanspruchen, auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 39 Abs. 2 EG nur dann berufen, wenn sie eine
"tatsächliche Verbindung mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates" hergestellt haben, d. h. "während eines angemessenen Zeitraums
tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedsstaat gesucht" haben. Eine solche tatsächliche Beschäftigungssuche
hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch ist somit nicht gegeben. Der Anordnungsgrund ist vom
Antragsteller, der bei seinen Eltern lebt, ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).