Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Prüfung der Hilfebedürftigkeit bei Miteigentum an Immobilienvermögen; Notwendigkeit einer
Prognoseentscheidung
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2008;
die Klägerin begehrt die Gewährung der Leistungen als Zuschuss anstatt, wie vom Beklagten gewährt, als Darlehen.
Die 1969 geborene Klägerin bezieht - nach Erschöpfung ihres Anspruchs auf Alg I - seit 21. März 2005 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klägerin bewohnt nach dem vorgelegten Mietvertrag
zwischen ihr und ihrer Mutter vom 20. März 2005 seit diesem Tag als Mieterin eine im Eigentum ihrer Mutter stehende Eigentumswohnung
in G.. Die Wohnung ist nach Angaben der Klägerin im Erstantrag vom 21. März 2005 90 qm groß; vermietet seien allerdings nur
50 qm. Die von der Klägerin zu zahlende Miete betrug nach der Mietbescheinigung ihrer Mutter vom 25. Juli 2006 zuletzt einschließlich
Nebenkosten in Höhe von 270,00 € insgesamt 470,00 €; die Nebenkosten wurden von der Klägerin direkt an die Immobilienverwaltung
überwiesen; nach ihrem Vortrag und der diesbezüglichen Vereinbarung im Mietvertrag wurde die Miete in Höhe von 200,00 € monatlich
in bar an die Mutter gezahlt. Die von der Klägerin nach dem Mietvertrag bzw. der Mietbescheinigung zu tragenden Nebenkosten
beinhalteten allerdings sämtliche sich aus dem jeweiligen Wirtschaftsplan für die Wohnung insgesamt ergebenden Betriebskostenvorauszahlungen
sowie die von den Eigentümern zu tragenden Lasten (anfänglich 212,00 € im Monat; zuletzt 270,00 €).
Die Klägerin und ihre Mutter sind je zur Hälfte Miteigentümerinnen eines nach Angaben der Klägerin 464 qm großen Hausgrundstücks
in der D.-Str. 11 in U., das mit einer von der Mutter bewohnten Doppelhaushälfte mit einer Wohnfläche von ca. 160 qm bebaut
ist. Das (Mit-) Eigentum wurde der Klägerin gemäß notariellem Übertragungsvertrag vom 23. August 2000 von deren Großvater
(unentgeltlich) übertragen. Zu dessen Gunsten war das Eigentum mit einem Nießbrauch belastet. Bis zu seinem Tod am 21. Januar
2007 lebte der Großvater in dem Haus zusammen mit der Mutter der Klägerin; seither bewohnt diese das Haus allein. Weitere
dingliche Belastungen bestehen nicht. Nachdem die Klägerin vom Beklagten aufgefordert worden war, etwaige Möglichkeiten der
Beleihung ihres Miteigentumsanteils mitzuteilen, legte diese das Schreiben der S.-Bank Baden-Württemberg eG vom 26. Januar
2006 vor, in dem deren Mitarbeiter St. eine Kreditvergabe wegen Unterschreitens der Liquiditätsgrenze ablehnte.
Auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 5. Februar 2007 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2007 Leistungen
für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2007 (nur noch) unter Zugrundelegung angemessener Kosten der Unterkunft und Heizung
in Höhe von monatlich 349,05 €. In seinem Schreiben vom selben Tag führte der Beklagte ergänzend aus, die Klägerin könne nach
dem Tod ihres Großvaters ihren Mietvertrag kündigen und in das hälftig in ihrem Miteigentum stehende Haus in U. ziehen. Auf
diese Weise könnten die Kosten der Unterkunft erheblich verringert werden. Zur Begründung ihres gegen den Bescheid vom 15.
Februar 2007 erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, das Haus in U. weise keine getrennten Wohnungen auf. Ein Auszug
aus ihrer Wohnung in G. sei deshalb nicht möglich. Im Übrigen sei sie nicht Erbin ihres Großvaters. Mit (bestandskräftig gewordenem)
Widerspruchsbescheid vom 2. April 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Den folgenden Fortzahlungsantrag vom 2. August 2007 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2007 ganz ab; die Klägerin
habe ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen. Zur Begründung ihres am 31. August 2007 erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin
vor, ihre Mutter bewohne das Haus in U. allein und kümmere sich auch allein um die Instandhaltung des Grundstücks. Ein Umzug
in das nicht teilbare Einfamilienhaus zu ihrer Mutter sei ihr nicht zuzumuten. Die Mutter sei im Gegenzug auch nicht bereit,
einen Mietanteil für die Nutzung des Hauses zu zahlen. Ein Verwertung des Miteigentumsanteils sei deshalb nur im Rahmen einer
Teilungsversteigerung möglich, eine solche gegenüber ihrer Mutter zu betreiben, sei ihr nicht zuzumuten. Die Beklagte gewährte
der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 27. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für
die Zeit vom 1. September 2007 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 696,05 € monatlich als Darlehen. Mit Bescheid vom selben Tag
hob sie den Bescheid vom 9. August 2007 auf. Auch gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Widerspruch; eine Verwertung
der geerbten Immobilie sei ihr nicht möglich. Eine Entscheidung über diesen Widerspruch bzw. denjenigen gegen den Bescheid
vom 9. August 2007 erfolgte - über die Bescheide vom 27. September 2007 hinaus - nicht.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 30. Januar 2008 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2008 Leistungen in unveränderter
Höhe für die Zeit vom 1. März bis 30. August 2008. Die Leistungen wurden weiterhin (nur) darlehensweise gewährt. Die Klägerin
wurde (erneut) aufgefordert, einen Nachweis über den Verkehrswert des geerbten Miteigentums vorzulegen. Gegen diesen Bescheid
erhob die Klägerin am 22. Februar 2008 Widerspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei nur solches
Grundvermögen berücksichtigungsfähig, das in absehbarer Zeit verwertet werden könne und dessen Verwertbarkeit allein vom Willen
des Vermögensinhabers abhänge. Dies sei hier nicht der Fall. Die Verwertbarkeit sei vielmehr vom Willen ihrer Mutter abhängig;
eine Verwertung sei deshalb auf absehbare Zeit unmöglich. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2008 wies der Beklagte den
Widerspruch zurück. Nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften könne über eine gemeinschaftliche Sache auch zugunsten eines
Miteigentümers verfügt werden. Im Zweifel müsse der zur Auseinandersetzung nicht bereite Miteigentümer auf die erforderliche
Zustimmung verklagt werden. Der hierfür notwendige wichtige Grund sei anzunehmen, wenn die Auseinandersetzung zur Sicherung
des Lebensunterhalts erfolge. Ein solches Vorgehen sei nicht allein deshalb unzumutbar, weil es ich bei der Miteigentümerin
um die Mutter der Klägerin handele.
Mit ihrer am 22. April 2008 beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Sie sei nach wie vor der Auffassung, der Miteigentumsanteil
an dem von ihrer Mutter bewohnten Haus könne nach Maßgabe der Rechtsprechung des BSG nicht verwertet werden und stehe deshalb
der Bejahung von Hilfebedürftigkeit nicht entgegen. Die Mutter habe ihre Zustimmung zur Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft
nicht erteilt und werde eine solche auch nicht erteilen. Eine Teilungsversteigerung anzustreben, sei ihr im Hinblick auf Art.
6 Grundgesetz nicht zuzumuten. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten; er hält den Miteigentumsanteil der Klägerin weiterhin für verwertbares
Vermögen. Das SG hat die Mutter der Klägerin I. P. und den Mitarbeiter der Hausbank der Klägerin S. St. in der mündlichen Verhandlung am 27.
Mai 2009 als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung
(Bl. 28 bis 33 der Klageakte des SG) Bezug genommen. Mit Urteil vom 27. Mai 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück in U. stehe als verwertbares Vermögen der Annahme von
Hilfebedürftigkeit entgegen. Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss komme deshalb nicht
in Betracht. Der Umstand, dass es sich nicht um Allein-, sondern nur um Miteigentum handele, könne zu keinem anderen Ergebnis
führen. Ansonsten würden Eigentümer von Miteigentumsanteilen unverhältnismäßig privilegiert. Letztlich liege auch keine besondere
Härte vor. Der Wunsch, der Mutter das von dieser bewohnte Haus zu erhalten, sei zwar nachvollziehbar, aber nicht in besonderem
Maße schützenswert.
Gegen das ihr gemäß Empfangsbekenntnis ihrer Bevollmächtigten am 24. Juni 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. Juli
2009 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Durch die Urteile des BSG vom 27. Januar 2009 (B 14 AS 42/07 und B 14 AS 52/07) sehe sie sich in ihrer Rechtsansicht bestätigt. Wegen der fehlenden Zustimmung der Mutter sei die erforderliche Prognose,
das Verwertungshindernis werde innerhalb eines Zeitraums wegfallen, für den Leistungen regelmäßig bewilligt werden, nicht
möglich. Außerdem sei nicht geklärt, welcher Zeitaufwand für die vom SG für zumutbar erachtete Klage gegen die Mutter auf Zustimmung zur Aufhebung der Eigentümergemeinschaft zu veranschlagen sei.
Letztlich sei auch nicht geklärt, welchen Marktwert das Hausgrundstück habe. Für einen Miteigentumsanteil allein gebe es keinen
Markt und deshalb auch keine Verwertungsmöglichkeit. Sie habe sich darüber hinaus auch bemüht, eine Verwertung ihres Vermögens
zu ermöglichen und ihre Mutter um Zustimmung gebeten. Angesichts der Bankenkrise und ersten kursierenden Meldungen über Bankinsolvenzen
sei dann aber klar gewesen, dass entsprechende Pläne nicht durchführbar seien. Ein Zusammenleben mit der Mutter unter einem
Dach sei angesichts der vielfältigen Konflikte im Übrigen nicht möglich.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 13. Februar
2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2008 zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2008 als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend.
Der Senat hat vom Gutachterausschuss für die Ermittlung von Grundstückswerten bei der Stadt U. ein Gutachten zum Verkehrswert
des Hausgrundstücks in der D.-Str. 11 in U. eingeholt. In ihrem Schreiben vom 4. April 2011 hat Frau H. für die Stadt U. ausgeführt,
der Verkehrswert der Immobilie sei ohne Besichtigung auf 209.000,00 € veranschlagt worden. Auf die Klägerin entfalle damit
ein Anteil von 104.500,00 €.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des
SG (S 6 AS 1427/08) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AS 3113/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß §
124 Abs.
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 € übersteigt (vgl. §§
143,
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG in der hier anzuwendenden ab 1.April 2008 geltenden Fassung) und auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen
Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 und
2 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das erstinstanzliche Urteil ist nicht zu beanstanden. Gegenstand
der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R -SozR 4-4200 § 12 Nr. 12) ist, wie das SG im mit der Berufung angegriffenen Urteil vom 27. Mai 2009 zu Recht ausgeführt hat, nur der Bescheid vom 13. Februar 2008
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 2008, mit der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2008 bewilligt hat. Dieser Bescheid enthält nämlich den Verfügungssatz,
dass die Leistungen lediglich als Darlehen bewilligt werden. Die Klage ist deshalb auf die Verpflichtung des Beklagten, die
Leistungen als Zuschuss und nicht als Darlehen zu gewähren, gerichtet. Der Zulässigkeit einer Leistungsklage steht entgegen,
dass die Geldleistungen bereits erbracht sind; bei einer reinen Anfechtungsklage würde der Verfügungssatz insgesamt entfallen
(BSG, Urteil vom 13. November 2008 - B 14 AS 36/07 R - BSGE 102, 68). Zutreffend hat das SG nur über den Bescheid vom 13. Februar 2008 und nicht (auch) über denjenigen vom 27. September 2007 entschieden; denn letzterer
war nicht Gegenstand der vom Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2008 getroffenen Entscheidung und ausweislich
des von der Klägerin gestellten Antrags auch nicht mit der Klage angefochten. Demgemäß beschränkt sich auch die Überprüfung
durch den Senat auf die Frage, ob der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2008 Leistungen zu Recht
nur als Darlehen gewährt hat oder die Klägerin diese Leistungen als Zuschuss beanspruchen kann.
Der Klägerin steht der mit Klage und Berufung geltend gemachte Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
für die Zeit vom 1. März bis 31. August 2008 als Zuschuss nicht zu, denn sie war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht
hilfebedürftig im Sinne der §§ 9 und 12 SGB II. Der Beklagte hat die Leistungen deshalb zu Recht (nur) als Darlehen bewilligt.
Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die (1.) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze
nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, (2.) erwerbsfähig sind, (3.) hilfebedürftig sind und (4.) ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Nach den §§ 19 ff. SGB erhalten erwerbsfähige
Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten
für Unterkunft und Heizung. Diese Leistungen sind in § 20 (Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts), § 21 (Leistungen
für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt) und § 22 SGB II (Leistungen für Unterkunft und Heizung) näher ausgestaltet. Gemäß §
37 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Leistungen nach diesem Buch (nur) auf Antrag erbracht. Dies gilt nicht für Zeiten vor der
Antragstellung; bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wirkt der Antrag allerdings auf den Ersten des Monats zurück
(§ 37 Abs. 2 SGB II).
Nach der Legaldefinition des § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend
aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere
von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Nach Abs. 4 der Vorschrift gilt dies auch für solche Hilfebedürftigen,
denen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für
die dies eine besondere Härte bedeuten würde.
Zur Abgrenzung der hier streitigen Bewilligung von Leistungen als Zuschuss gegenüber der nur darlehensweisen Gewährung nach
§ 9 Abs. 4 SGB II hat das BSG im Anschluss an die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu §§ 88, 89 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entschieden, dass für eine lediglich darlehensweise Gewährung von Leistungen nicht ausreicht, dass dem Hilfesuchenden Vermögen
zusteht, wenn in dem Zeitpunkt, in dem die Darlehensgewährung erfolgen soll, bis auf weiteres nicht absehbar ist, ob er einen
wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögen wird ziehen können. Vielmehr liegt eine generelle Unverwertbarkeit i.S. des § 12
Abs. 1 SGB II vor, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt (BSG, Urteil vom
6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 46/06 R - BSGE 99, 248).
Maßgebend für die Prognose, ob ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist im Regelfall der Zeitraum,
für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB
II. Für diesen Bewilligungszeitraum muss im Vorhinein eine Prognose getroffen werden, ob und welche Verwertungsmöglichkeiten
bestehen, die geeignet sind, Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Eine Festlegung für darüber hinaus gehende Zeiträume ist demgegenüber
nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten.
Nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungszeitraumes ist bei fortlaufendem Leistungsbezug erneut und ohne Bindung an die vorangegangene
Einschätzung zu überprüfen, wie für einen weiteren Bewilligungszeitraum die Verwertungsmöglichkeiten zu beurteilen sind (BSG,
Urteil vom 27. Januar 2009 - B 14 AS 42/07 R -SozR 4-4200 § 12 Nr. 12).
Aus dem Erfordernis einer Prognoseentscheidung (lediglich) für den Bewilligungszeitraum von einem halben Jahr folgt allerdings
kein über § 12 Abs. 2 und 3 SGB II hinaus gehender Verwertungsschutz von solchen Vermögensgegenständen, deren Verwertung sich
regelmäßig als schwierig und zeitaufwändig darstellt (BSG aaO.). Darüber hinaus hat das BSG (aaO.) für den insoweit vergleichbaren
Fall eines Anspruchs auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft entscheiden, dass ein tatsächliches Verwertungshindernis
im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II nur dann angenommen werden kann, wenn der Hilfebedürftige die einvernehmliche Auflösung der
(Erben-) Gemeinschaft ernsthaft verlangt hat, was vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage zur Abwendung von Hilfebedürftigkeit
auch zu fordern sei. Nach dieser Rechtsprechung, der der erkennende Senat sich anschließt, kann vom Bestehen eines tatsächlichen
Verwertungshindernisses nicht ausgegangen werden, wenn der Hilfebedürftige seinerseits an einer Auflösung der Erben- oder
- wie hier - Miteigentümergemeinschaft nicht interessiert ist und einen entsprechenden Anspruch deshalb nicht ernstlich geltend
macht. Eine solche Interessenlage, die etwa in einer erhofften Wertsteigerung des Grundstücks oder auch in familienhafter
Rücksichtnahme begründet sein könnte, führt nicht zur Unverwertbarkeit des Anspruchs. Sie könnte allenfalls im Rahmen der
Prüfung der Unwirtschaftlichkeit bzw. der besonderen Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II eine Rolle spielen. Wenn
nach Ausschöpfung aller Beweismittel und Erkenntnisquellen nicht mehr feststellbar ist, dass der Anspruch überhaupt geltend
gemacht worden ist, trägt der Anspruchsteller für die Nichtaufklärbarkeit insoweit die materielle Beweislast, weil er sich
hierauf beruft (BSG aaO.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt im Fall des Miteigentums der Klägerin an dem von ihrer Mutter zu Wohnzwecken genutzten
Hausgrundstück in der D.-Str. 11 in U. ein tatsächliches Verwertungshindernis nicht vor. Die Klägerin hat sich zur vollen
Überzeugung des Senats nicht im Sinne der obigen Rechtsprechung ernsthaft bemüht, die Zustimmung ihrer Mutter zur Auflösung
der Miteigentümergemeinschaft zu erhalten. Bereits der eigene Vortrag der Klägerin belegt, dass sie ernsthafte und konkrete
Bemühungen in diese Richtung nicht unternommen hat. Die Klägerin hat lediglich vortragen, sie habe sich an ihre Mutter gewandt
und um eine Verwertung gebeten, um dadurch entweder ihren Lebensunterhalt oder einen angemessene Unterkunft durch den Erwerb
einer Eigentumswohnung finanzieren zu können. Ihr weiterer Vortrag, nachdem die Bankenkrise bedrohlich geworden sei und erste
Meldungen über Bankinsolvenzen in der Presse kursiert wären, sei klar gewesen, "dass die Pläne nicht mehr durchführbar waren",
zeigt dann aber, dass eine Auflösung der Miteigentümergemeinschaft nicht an der verweigerten Zustimmung der Mutter gescheitert
ist, sondern letztlich die Klägerin selbst ihr Vorhaben aus autonomen Motiven wieder aufgegeben hat. Dass Bankenkrisen den
Immobilienmarkt typischerweise eher beleben und den Verkauf von Eigentumswohnungen oder Häusern eher erleichtern, denn erschweren,
bedarf an dieser Stelle keiner weiteren Vertiefung. Jedenfalls hat die Klägerin ihre angeblichen Bemühungen - aus welchen
Gründen auch immer - selbst wieder eingestellt.
Dass die Klägerin einen Verkauf ihres Miteigentumsanteils zu keinem Zeitpunkt wirklich ernsthaft in Erwägung gezogen hat,
wird auch durch den Umstand belegt, dass die am nächsten liegende Möglichkeit, nämlich ein Tausch des Miteigentumsanteils
der Klägerin und der von dieser bewohnten, im Alleineigentum der Mutter stehenden Eigentumswohnung bzw. ein Verkauf der Eigentumswohnung,
um auf diese Weise die Tochter ausbezahlen zu können, offenbar niemals ernstlich erwogen wurde. Der sich in Widerspruchs-,
Klage- und Berufungsverfahren wiederholende Vortrag, eine Auflösung der Miteigentümergemeinschaft würde für die heimatvertriebene
kranke Mutter der Klägerin letztlich den Verlust ihres Hauses und damit die Obdachlosigkeit bedeuten, erweist sich vor diesem
Hintergrund als vorgeschoben. Soweit die Mutter der Klägerin ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung
des SG vom 27. Mai 2009, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten kann, auf die Frage, ob über die Möglichkeit, die
Eigentumsverhältnisse anders zu regeln, gesprochen worden sei, ausgesagt hat, "Das wollten wir eigentlich so lassen", belegt
auch dies, dass sich Mutter und Tochter über den Fortbestand der bestehenden Verhältnisse letztlich einig waren.
Auch die sich nach Aktenlage darstellenden Gesamtumstände sprechen gegen die Annahme, dass die Klägerin ernsthaft bemüht war,
ihre Hilfebedürftigkeit durch eine Verwertung ihres Vermögens abzuwenden oder zu verringern. Zahlreiche Umstände deuten ganz
im Gegenteil darauf hin, dass die gegebene Gestaltung bewusst gewählt worden ist, um der Klägerin einen größtmöglichen Anspruch
auf steuerfinanzierte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu verschaffen. Anders ist es nicht zu
erklären, dass die Klägerin für die Nutzung der im Alleineigentum ihrer Mutter stehenden Wohnung eine Miete in Höhe von monatlich
200,00 € entrichten soll, während die Mutter im Gegenzug das im hälftigen Miteigentum der Klägerin stehende Haus unentgeltlich
nutzt. Der Vortrag der Klägerin, die Mutter trage ja auch allein sämtliche Instandhaltungskosten, erweist sich angesichts
des Umstands, dass die Klägerin auf der anderen Seite sämtliche mit der Eigentümerstellung und Nutzung der Eigentumswohnung
verbundenen laufenden Kosten einschließlich der Instandhaltungsrücklage trägt, als reine Schutzbehauptung. Dass die Miete
von der Klägerin seit Beginn des Mietverhältnisses im März 2005 monatlich in bar entrichtet worden sein soll, erscheint dem
Senat ebenso lebensfremd, wie der Umstand, dass von der 90 qm großen Wohnung (nach dem vorgelegten Mietvertrag vom 20. März
2005 und den Angeben der Klägerin gegenüber der Beklagten) angeblich nur 50 qm vermietet worden sein sollen. Jedenfalls ist
aus den aktenkundigen Wirtschaftsplänen der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht ersichtlich, dass die Klägerin Kosten nur
anteilig trägt. Gänzlich unglaubwürdig werden die Angaben der Klägerin, wenn ein (angeblich) am 20. März 2005, also einen
Tag vor der Antragstellung beim Beklagten abgeschlossener Mietvertrag vorgelegt wird, ausweislich dessen das Mietverhältnis
am 20. März 2005 begonnen haben soll, gleichzeitig aber ein Wirtschaftsplan für das Jahr 2004 beigefügt wird, der bereits
am 26. April 2004, also fast ein Jahr zuvor an die Klägerin unter derselben Adresse versandt worden ist. Die aufgezeigten
Gesamtumstände legen vielmehr den dringenden Verdacht nahe, dass die Klägerin - im Zusammenwirken mit ihrer Mutter - der Beklagten
einen tatsächlich nicht zutreffenden Sachverhalt vorgetäuscht hat, um auf diesem Weg in den Genuss höherer Sozialleistungen
zu kommen, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestanden hat. Jedenfalls erweist sich vor diesem Hintergrund auch der Vortrag
der Klägerin, sie sei an einer Beseitigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit (auf Kosten der Verwertung vorhandenen
Vermögens) ernsthaft interessiert, als nicht glaubhaft.
Das damit verwertbare Vermögen der Klägerin übersteigt den Freibetrag der Klägerin in Höhe von 6.450,00 € erheblich. Der Miteigentumsanteil
der Klägerin an der Immobilie D.-Str. 11 in U. hat ausweislich der Mitteilung des Stadtbauamts U. vom 4. April 2011 einen
Verkehrswert in Höhe von 104.500,00 €. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Bewertung begründen könnten, sind
nicht ersichtlich. Auch die Beteiligten haben gegen das Ergebnis der vom Senat diesbezüglich durchgeführten Beweiserhebung
keine Einwendungen erhoben.
Das SG hat zudem frei von Rechtsfehlern festgestellt, dass weitere rechtliche oder tatsächliche Verwertungshindernisse nicht bestehen
und die Verwertung des Miteigentumanteils an dem Hausgrundstück für die Klägerin auch keine besondere Härte im Sinne des §
12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II bedeuten würde. Der Senat schließt sich diesbezüglich zunächst den Entscheidungsgründen des
mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 27. Mai 2009 an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich
zu eigen und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§
153 Abs.
2 SGG). Lediglich ergänzend weist der Senat auch hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten besonderen Härte darauf hin,
dass durch eine Auflösung der Miteigentümergemeinschaft keineswegs - wie vorgetragen - die Obdachlosigkeit der Mutter der
Klägerin herbeigeführt würde. Diese ist, wie oben bereits ausgeführt, nicht nur Miteigentümerin der von ihr bewohnten (schuldenfreien)
Doppelhaushälfte; sie ist darüber hinaus Alleineigentümerin einer immerhin ca. 90 qm großen Eigentumswohnung in G., die ebenfalls
vollständig bezahlt ist. Damit bestünde die naheliegende Möglichkeit, durch eine Veräußerung bzw. Übertragung dieser Wohnung
die Miteigentümergemeinschaft zwischen Mutter und Tochter aufzulösen, ohne dass eine von beiden ihren tatsächlich genutzten
Wohnraum aufgeben müsste. Eine solche Regelung würde indes zu einem zumindest teilweisen Wegfall des Leistungsanspruchs der
Klägerin führen, was aber offensichtlich nicht gewollt ist. Deshalb vermag der Umstand, dass die fragliche, im Miteigentum
der Klägerin stehende Immobilie von deren Mutter bewohnt wird, die vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehene Berücksichtigung
nicht selbst genutzten Immobilienvermögens hier auch nicht ausnahmsweise auszuschließen.
Nachdem die Klägerin bereits wegen ihres verwertbaren Vermögens nicht hilfebedürftig gewesen ist, brauchte der Senat nicht
zu entscheiden, ob und ggf. in welchem Umfang als Einkommen zu berücksichtigende (durchsetzbare) Ansprüche der Klägerin gegen
ihre Mutter wegen der Gebrauchsüberlassung des im hälftigen Eigentum der Klägerin stehenden Hausgrundstücks bestanden haben
(zur Berücksichtigung sofort realisierbarer mietvertraglicher Ansprüche als fiktives Einkommen vgl. Senatsbeschluss vom 7.
November 2011 - L 13 AS 4219/11 ER-B - nicht veröffentlicht; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 11 Rdnr. 14 m.w.N.). Angesichts der oben dargelegten Gesamtumstände
hält es der Senat im Übrigen aber ohnehin für wahrscheinlicher, dass sich Mutter und Tochter dahingehend geeinigt haben, dass
jeder die mit dem Eigentum und der Nutzung der jeweils bewohnten Immobilie verbundenen Kosten alleine trägt und gegenseitige
Zahlungen nicht stattfinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Hierbei war für den Senat im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Rechtsverfolgung insgesamt
ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.