Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit; Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei rückwirkender
Aufhebung der Arbeitslosenhilfen-Bewilligung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für den Zeitraum
vom 1. Juli 2005 bis 31. Mai 2009 und die damit einhergehende Erstattungsforderung in Höhe von 18.583,69 Euro streitbefangen.
Der in der Sozialversicherung mit dem Geburtsdatum "30.00.1945" erfasste, nach eigenen Angaben 1941 geborene Kläger, bezog
ab 31. Juli 1999 Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis einschließlich 14. Oktober 2004, unterbrochen von Zeiten fehlenden Alhi-Bezugs
vom 26. März 2001 bis einschließlich 21. Mai 2001 sowie 31. Juli 2001 bis einschließlich 28. Juli 2002. Er beantragte am 12.
April 2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bei der Beklagten. Diese wurde ihm mit Bescheid vom 31. Mai 2005 mit Wirkung
ab dem 1. Juli 2005 in monatlicher Höhe von zunächst 394,16 Euro bewilligt. Dabei wurden der Rentenbewilligung unter anderem
Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Alhi zugrundegelegt.
Unter dem 16. April 2007 wurde die Agentur für Arbeit T. von der Polizeidirektion M. über Geldanlagen des Klägers bei der
türkischen Nationalbank in Höhe von 150.000 DM unterrichtet. Mit Bescheid vom 6. August 2007 hob die Agentur für Arbeit die
dem Kläger bewilligte Alhi rückwirkend ab 31. Juli 1999 vollständig auf. Zugleich berichtigte sie entsprechend im maschinellen
Verfahren die Meldungen über die versicherungsrechtlichen Zeiten im Versicherungskonto des Klägers. Eine zusätzliche Unterrichtung
der Beklagten unterblieb. Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 6. August 2007 wies sie mit Widerspruchsbescheid
vom 17. September 2007 als unbegründet zurück. Die hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage (S 7 AL 3392/07) nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 21. Januar 2008 zurück.
Durch Schreiben der Bundesagentur für Arbeit, Außenstelle S. G. - Forderungseinzug - vom 5. März 2009, eingegangen bei der
Beklagten am 6. März 2009, erlangte die Beklagte Kenntnis von der Aufhebung der Alhi-Bewilligung. Nach Anhörung des Klägers
nahm die Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 2009 den Bescheid vom 31. Mai 2005 gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung ab dem 1. Juli 2005 zurück und forderte die Erstattung der im Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Mai 2009 erbrachten
Rentenzahlungen in Höhe von 18.583,69 Euro. Die Rentenzahlungen wurden für die Zukunft mit Ablauf des 31. Mai 2009 eingestellt.
Zur Begründung führte die Beklagte an, die ursprüngliche Bewilligung vom 31. Mai 2005 sei aufgrund der Zugrundelegung der
Zeiten des Bezuges von Alhi erfolgt. Da zwischenzeitlich feststehe, dass der Kläger die Leistungen der Agentur für Arbeit
zu Unrecht bezogen und nun die Beitragszeiten storniert und lediglich als Anrechnungszeiten ohne Leistungsbezug gemeldet worden
seien, seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Arbeitslosigkeit weggefallen. Denn diese erfordere,
dass in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung erfüllt
sein müssten. Dies sei im verlängerten 10-Jahres-Zeitraum vom 1. November 1993 bis 30. Juni 2005 aufgrund der rückwirkenden
Aufhebung der Beitragszeit durch die Aufhebung der Leistungen durch die Agentur für Arbeit nicht mehr der Fall. Damit bestehe
ab 1. Juli 2005 kein Rentenanspruch des Klägers wegen Arbeitslosigkeit. Da es sich damit bei dem Bescheid vom 31. Mai 2005
um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt hatte, auf dessen Bestand der Kläger wegen seiner unrichtigen
Angaben gegenüber der Agentur für Arbeit nicht habe vertrauen dürfen, sei dieser aufzuheben gewesen und die zu Unrecht erlangten
Rentenbezüge zurückzuerstatten.
Am 25. Juni 2009 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch und machte geltend, durch die Aufhebung der Leistungen der Agentur
für Arbeit werde lediglich das dortige Schadensereignis zwischen ihm und der Agentur für Arbeit begrenzt. Eine Rückforderung
der Rentenzahlungen führten jedoch zu einer doppelten Bestrafung. Bei der Beantragung der Rente wegen Arbeitslosigkeit seien
die Leistungen der Agentur für Arbeit noch unanfechtbar festgestellt gewesen, weshalb er gegenüber der Beklagten keine falschen
Angaben gemacht habe. Dass die Leistungsbescheide der Agentur für Arbeit aufgehoben werden würden, sei im Zeitpunkt der Beantragung
der Rente nicht absehbar gewesen. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass er die erlangten Rentenzahlungen für seinen Lebensunterhalt
verbraucht habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Aufgrund
der rückwirkenden Aufhebung der Leistungen durch die Agentur für Arbeit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
für den Bezug der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit weggefallen, weshalb die Rentenbewilligung rechtswidrig und daher aufzuheben
gewesen sei. Die Gewährung der Leistungen der Agentur für Arbeit sei aufgrund der Angabe von falschen Tatsachen durch den
Kläger erfolgt, weshalb auch die Gewährung der Rente aufgrund von falschen Tatsachen, die der Kläger angegeben habe, erfolgt
sei. Aus zu Unrecht bezahlten Leistungen der Agentur für Arbeit könnten daher keine Ansprüche entstehen oder erhalten bleiben.
Es erscheine auch nicht unangemessen, die überzahlten Beträge für die Vergangenheit zurückzufordern; dies gebiete bereits
der Gleichbehandlungsgrundsatz.
Dagegen hat der Kläger am 12. März 2010 Klage zum SG erhoben, mit der er sein Begehren zunächst weiterverfolgt hat. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23. September 2010
vor dem SG hat sein Bevollmächtigter dann erklärt, dass mit der Aufhebung des Rentenbescheides für die Zukunft Einverständnis bestünde
und er sich nur mehr gegen die rückwirkende Aufhebung und Erstattung der ab 1. Juli 2005 bis 31. Mai 2009 gewährten Rente
wende und hat den Klageantrag entsprechend begrenzt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Maßgeblicher Zeitpunkt sei
für die Beurteilung der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Zeitpunkt der Überprüfung. Dies bedeute, dass bei der Frage einer
anfänglichen oder aber später eingetretenen Rechtswidrigkeit nicht auf die tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zur
Zeit des Erlasses des ursprünglichen Bescheides abzustellen sei, sondern auf die zur Zeit der Überprüfung des Bescheides gegebenen
Sachverhalte und bestehenden Rechtsauffassungen. Die Rücknahme des Bescheides der Agentur für Arbeit führe somit zwangsläufig
zur Rücknahme des Bescheides der Beklagten gemäß § 45 SGB X. Nach ihrer Ansicht hätte dem Kläger auch die Abhängigkeit der Rente von der Zahlung der Leistungen der Agentur für Arbeit
bekannt sein müssen. Auch hätte den Kläger die Pflicht getroffen, jegliche Veränderungen in seinen Verhältnissen der Beklagten
mitzuteilen, was er trotz Erhalt des Aufhebungsbescheides durch die Agentur für Arbeit nicht getan habe. Es könne nicht gewollt
sein, dass ein gegenüber der Agentur für Arbeit mit Bereicherungsabsicht geführter Betrug zu einer rechtmäßigen Rentenzahlung
zu Lasten der Versichertengemeinschaft führe.
Das SG hat mit Urteil vom 23. September 2010 den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
9. Februar 2010 entsprechend dem zuletzt gestellten klägerischen Antrag aufgehoben, soweit darin der Bescheid vom 31. Mai
2005 für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis 31. Mai 2009 aufgehoben worden ist. Die rückwirkende Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides
vom 31. Mai 2005 sei zu Unrecht erfolgt. Es lägen weder die Voraussetzungen des § 45 SGB X noch des § 48 SGB X vor. Der Anwendungsbereich des § 45 SGB X sei schon nicht eröffnet. Denn im Zeitpunkt der Rentenbewilligung am 31. Mai 2005 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen
für die Bewilligung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erfüllt gewesen. Die Rechtmäßigkeit der den Beitragszeiten zu
Grunde liegenden Leistungsbewilligungsentscheidungen der Agentur für Arbeit sei dagegen nicht Tatbestandsvoraussetzung einer
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß §
237 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Der spätere rückwirkende Wegfall ändere hieran nichts, da zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rentenbewilligung einzig
und allein auf den Zeitpunkt ihres Erlasses abzustellen sei. Auch die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung gem.
§ 48 SGB X lägen nicht vor. Den Kläger habe keine Pflicht getroffen, die Beklagte von der Aufhebungsentscheidung der Agentur für Arbeit
vom 6. August 2007 zu unterrichten. Auch fehle es an der Kausalität der unterbliebenen Unterrichtung, da die Beklagte durch
die Meldung der Agentur für Arbeit unmittelbar selbst von der Veränderung der rechtlichen Verhältnisse erfahren habe. Auch
treffe den Kläger keine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X im Hinblick auf das Nichtwissen des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen.
Gegen das ihr am 6. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Der Bescheid
vom 31. Mai 2005 sei zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits rechtswidrig gewesen da die rechtserheblichen Verhältnisse, nämlich
das zum Ausschluss von Alhi führende Vermögen in der Türkei schon bei Erlass des Rentenbescheides vorgelegen hätten. Somit
hätten sich die rechtserheblichen Verhältnisse nach Erlass des Bescheides nicht geändert; sie seien erst nachträglich bekannt
geworden. Es komme deshalb nur eine Bescheidrücknahme nach § 45 SGB X in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 23. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung hat das SG zutreffend die Anwendung von § 45 SGB X verneint. Im übrigen müsse, komme man zur Anwendung von § 45 SGB X, dann § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beachtet werden; die dort normierte Jahresfrist sei hier nicht eingehalten worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten,
die Klageakte des SG (S 11 R 993/10), die Berufungsakte des Senats (L 13 R 4844/10) sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Agentur für Arbeit (3 Bd.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht und aus zutreffenden Gründen die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit darin die Rentenbewilligung vom
31. Mai 2005 für die Vergangenheit aufgehoben und die Erstattung der für diesen Zeitraum gezahlten Rente geltend gemacht wurde.
Der Senat teilt nach eigenständiger Überprüfung im Berufungsverfahren vollinhaltlich die hierzu vom SG gegebene Begründung und weist die Berufung in Anwendung von §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
Der Aufhebung der Rentenbewilligung vom 31. Mai 2005 steht nicht von vornherein der in Rechtsprechung und Literatur vertretene
sozialrechtliche Grundsatz entgegen, wonach die Beurteilung der Beitragspflicht und der Beitragszeit vom Zeitpunkt der Beitragszahlung
erfolgen müsse und in der Vergangenheit liegende sozialversicherungsrechtliche Verhältnisse grundsätzlich nicht nachträglich
mit Rückwirkung geändert werden könnten (so aber in einem vergleichbaren Fall LSG Berlin-Brandenburg vom 9. September 2010
- L 22 R 540/09 - Juris Rn. 26 ff.). Allerdings ist in der Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob von einem "beziehen" von Lohnersatzleistungen
als Voraussetzung für die Versicherungspflicht nach §
3 Nr. 3
SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2004 anzuwendenden Fassung nur bei einem rechtmäßigen Bezug, also bei endgültigem Anspruch (so
BSGE 47, 109 = SozR 2200 § 1227 Nr. 20 - Juris Rn. 19; BSG SozR 3-2200 § 381 Nr. 1; BSG SozR 3-2400 § 26 Nr. 4; Hauck/Haines,
SGB VI §
3 Rn. 104) oder schon beim tatsächlichen Bezug ungeachtet seiner Rechtmäßigkeit und damit Änderbarkeit zu sprechen ist (BSGE
20, 145 - Juris Rn. 26 ff.; BSGE 51, 100 = SozR 2200 § 381 Nr. 43 - Juris Rn. 20; BSGE 75, 298 = SozR 3-2400 § 26 Nr. 6 - Juris Leitsatz und Rn. 19; KassKomm,
SGB VI §
3 Rn. 18; GK-
SGB VI, §
3 Rn. 49). Nach letzterer Auffassung dürfe die Rechtmäßigkeit des Bezuges vor allem aus Gründen des Vertrauens des Leistungsempfängers
in den mit der Beitragszahlung verbundenen Versicherungsschutz keine Auswirkungen auf die Versicherungspflicht haben; dies
gebiete den grundsätzlichen Ausschluss einer rückwirkenden Änderung des Versicherungsstatus (BSGE 75, 298 - Juris Rn. 23). Der Versicherte solle möglichst jederzeit wissen, ob er versichert ist, um gegebenenfalls durch anderweitige
Versicherung Vorsorge treffen zu können.
Ein solches schutzwürdiges Vertrauen ist jedenfalls im Hinblick auf die Versicherung für den Krankheitsfall evident. Für die
Rentenversicherung erscheint dieses Bedürfnis dagegen deutlich weniger dringend; der Ausschluss einer rückwirkenden Veränderung
des Rentenversicherungsverhältnisses mutet vor diesem Hintergrund nur schwer nachvollziehbar und im Ergebnis in Hinblick auf
die sich daraus ergebenden ungerechtfertigten Privilegierungen unbefriedigend an (Hauck/Haines aaO.). Letztendlich kann die
Klärung dieser Frage aber dahinstehen. Denn in vorliegendem Fall kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in den mit
der Alhi-Bewilligung verbundenen Versicherungsschutz nicht angenommen werden. Denn der Kläger hat sowohl im erstmaligen Antrag
auf Gewährung von Alhi vom 21. September 1999 wie auch in sämtlichen Fortzahlungsanträgen den Besitz von Vermögen jeweils
verneint. Unbestritten war auf den Namen des Klägers aber bei der türkischen Nationalbank ein Geldvermögen in Höhe von 150.000
DM angelegt. Der Kläger hat zwar vorgetragen, bei dem angelegten Geld habe es sich um Ersparnisse seiner Kinder für Heirat,
Gründung eines Hausstandes usw. gehandelt. Lediglich in Höhe von 20.000 € hat indes ein Sohn des Klägers bestätigt, dieses
Geld habe sein Vater für ihn angelegt. Der Kläger hat sich im Übrigen im Verfahren vor dem SG bezüglich der Aufhebung und Erstattung überzahlter Alhi (S 7 AL 3392/07) dahingehend eingelassen, er sehe sich außer Stande, die auf das streitgegenständliche Konto geflossenen Beträge einzelnen
Personen zuzuordnen und hat die Klage zurückgenommen. Ernsthafte Zweifel, dass dem Kläger der weitaus größte Teil des angelegten
Vermögens zustand, können nach alledem nicht aufkommen. Der Kläger hat aber demnach durch wenigstens grob fahrlässige unrichtige
bzw. unvollständige Angaben die Gewährung von Alhi und den damit verbundenen Versicherungsschutz herbeigeführt und kann sich
insoweit folglich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen.
Zutreffend ist das SG deshalb davon ausgegangen, dass nach Aufhebung der Alhi-Bewilligungen durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Agentur
für Arbeit vom 6. August 2007 eine der Voraussetzungen für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit
gemäß §
237 Abs.
1 Nr.
4 SGB VI (so genannte 8/10 Belegung) auch unter Berücksichtigung der Verlängerungstatbestände nicht mehr vorliegt. Die Beklagte ist
rechtsfehlerfrei von einem um 26 Monate verlängerten Zeitraum ausgegangen, so dass der nach §
237 Abs.
1 Nr.
4 SGB VI maßgebliche Zeitraum vorliegend die Zeitspanne vom 1. Mai 1993 bis 30. Juni 2005 umfasst. Es kann dabei dahingestellt bleiben,
ob, wie die Beklagte meint, auch die Pflichtbeiträge für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 30. Juli 2005 wirksam "storniert"
worden sind; dagegen spricht allerdings, dass es sich hierbei nicht um Alhi-Leistungen handeln dürfte, die ja zum 31. Dezember
2004 ausgelaufen sind, sondern um Leistungen nach dem SGB II, deren nachträgliche Aufhebung sehr fraglich ist. Denn auch unter Berücksichtigung dieser weiteren sechs Monate als Pflichtbeitragszeiten
weist das Rentenkonto des Klägers im maßgeblichen Zeitraum nur 78 Monate und damit nicht die geforderten 96 Monate mit Pflichtbeiträgen
für eine versicherte Beschäftigung auf.
Ebenso rechtsfehlerfrei hat das SG die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 45 SGB X im vorliegenden Fall verneint. Ein Fall anfänglicher Rechtswidrigkeit als Voraussetzung für eine Aufhebung nach § 45 SGB X lag zur Überzeugung auch des Senats nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen
in der Entscheidung des SG, die er sich vollinhaltlich zu eigen macht. Ungeachtet des oben skizzierten Streites, inwieweit der Versichertenstatus einer
nachträglichen Änderung zugänglich ist, ist zu beachten, dass im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Rentenbescheides
vom 31. Mai 2005 die Beklagte bei Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente aufgrund der bestandskräftigen
Entscheidungen der Agentur für Arbeit über die Bewilligung von Alhi zwingend die Pflichtversicherungszeiten aufgrund dieser
Alhi-Bewilligungen (§
3 Satz 1 Nr. 3
SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2004 anzuwendenden Fassung) zugrundezulegen hatte. Die in den Bescheiden der Agentur für Arbeit
erfolgte bestandskräftige Bewilligung von Alhi entfaltete ihre Bindungswirkung nicht nur im Verhältnis zwischen den Beteiligten
im konkreten Verwaltungsverfahren; vielmehr kam den Bewilligungsentscheidungen mangels eines eigenen Prüfungsrecht der Beklagten
Tatbestandswirkung zu, weshalb die darin ausgesprochenen Verfügungen auch von der Beklagten zu beachten waren. Damit lagen
aber zu diesem Zeitpunkt sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß §
237 SGB VI vor; die Rentengewährung war zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig. Spätere, wenn auch rückwirkende Änderungen der Sach- oder Rechtslage
berühren die im Rahmen der §§ 44, 45 SGB X erhebliche ursprüngliche Rechtswidrigkeit nicht; vielmehr liegt dann ein Fall der nachträglichen Rechtswidrigkeit nach §
48 SGB X vor (BSG SozR 3-2600 § 93 Nr. 3 - Juris Rn. 50; a.A. Bayerisches LSG, vom 16. Februar 2011 - L 13 R 52/09 - sozialgerichtsbarkeit.de).
Mit dem SG geht der erkennende Senat weiterhin davon aus, dass auch auf Grundlage von § 48 SGB X eine rückwirkende Aufhebung des Rentenbescheids vom 31. Mai 2005 nicht in Betracht kommt. Zutreffend hat das SG im Erlass des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids der Agentur für Arbeit vom 6. August 2007 eine wesentliche Änderung i.S.d.
§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gesehen, da dadurch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente gem. §
237 SGB VI nachträglich entfallen sind. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigt dies die Behörde grundsätzlich nur zur Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft, d.h. ab Bekanntgabe des Bescheides
nach § 48 SGB X. Nur unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kommt eine Aufhebung auch mit Wirkung für die Vergangenheit in Betracht.
Aber auch in diesem Fall kann die Abänderung der Entscheidung nach dem eindeutigen Wortlaut von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht über den Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse hinausgehen, so dass das Datum der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides
der Agentur für Arbeit vom 6. August 2007, mangels anderweitiger Anhaltspunkte der 9. August 2007 (vgl. § 37 Abs. 2 SGB X), die äußerste zeitliche Grenze markiert. Da die Änderung der Verhältnisse hier nicht zugunsten des Klägers eingetreten ist
und es sich auch nicht um die Konstellation des Wegfalls oder der Minderung eines einkommensabhängigen Anspruchs handelt,
kommen allenfalls die Regelungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 4 SGB X in Betracht. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X soll die Anpassung zuungunsten des Betroffenen mit Rückwirkung vorgenommen werden, wenn dieser einer gesetzlichen Mitteilungspflicht
vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Das so umschriebene Verschulden muss sich demnach sowohl auf das
Bestehen der Mitteilungspflicht beziehen, als auch auf das sie auslösende Ereignis (KassKomm, SGB X § 48 Rn. 43). Der Kläger hat sich dahingehend eingelassen, von einer Mitteilungspflicht bezüglich des Wegfalls der Alhi keine
Kenntnis gehabt zu haben. Eine wenigstens grobfahrlässige Unkenntnis von einer Mitteilungspflicht wird man indes nur dann
annehmen können, wenn sich in Merkblättern, im Antragsvordruck oder im Bescheid selbst deutliche Hinweise auf die Mitteilungspflicht
finden. Wie das SG in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt hat, wurde der Kläger aber nicht dementsprechend unterrichtet, dass er bei einem
etwaigen rückwirkenden Wegfall der bezogenen Alhi der Beklagten Mitteilung zu machen habe. Angesichts dessen, dass sich weder
im Antragsvordruck für den Rentenantrag noch im Bescheid selbst Hinweise finden, aus denen der Kläger auf die Relevanz der
Alhi-Bewilligung für den Rentenanspruch hätte schließen können - vielmehr wird an prominenter Stelle im Rentenbescheid (Seite
2 oben) der Eindruck erweckt, es genüge der Umstand, nach Vollendung des Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten für 52 Monate
arbeitslos gewesen zu sein und das 60. Lebensjahr vollendet zu haben - war die Erheblichkeit der Änderung für den Kläger auch
nicht erkennbar; insbesondere die Arbeitslosigkeit blieb ja vom nachträglichen Entzug der Alhi unberührt. Ein grobfahrlässiger
Verstoß gegen die Mitteilungspflicht aus §
60 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) scheidet demnach aus. Das SG hat im übrigen ausführlich und überzeugend dargelegt, weshalb auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X vorliegend nicht gegeben sind. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und verzichtet
an dieser Stelle auf eine neuerliche Wiedergabe.
Nach alledem kommt eine rückwirkende Aufhebung des Rentenbescheids vom 31. Mai 2005 nicht in Betracht. Vielmehr war eine Aufhebung
nur mit Wirkung für die Zukunft möglich, d.h. mit Einsetzen der Wirkung des Aufhebungsbescheids vom 25. Mai 2009, frühestens
also mit dem Tag seiner Bekanntgabe (§ 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Im Hinblick auf §
100 SGB VI ist dabei nur die Rücknahme mit Wirkung ab dem nächstfolgenden Zahlungszeitraum eine solche mit Wirkung für die Zukunft,
weshalb eine Aufhebung bei unterstellter Bekanntgabe am 28. Mai 2009 (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X) frühestens zum 1. Juni 2009 zulässig war. Mangels wirksamer Aufhebung des Rentenbescheids konnte auch die in den streitgegenständlichen
Bescheiden verfügte Erstattung keinen Bestand haben (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X).
Auch bei Anwendung von § 45 SGB X wäre im Übrigen eine Rücknahme des Rentenbescheids über den 1. Juni 2009 hinaus zur Überzeugung des Senats nicht in Betracht
gekommen, worauf der Vollständigkeit halber hingewiesen werden soll. Denn einer Rücknahme für die Vergangenheit stünde in
diesem Fall § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X im Wege wonach eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen von § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 SGB X in Betracht kommt. Deren Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Insbesondere beruht der Rentenbescheid nicht auf Angaben,
die der Kläger vorsätzlich oder wenigstens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht
hat (vergleiche § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Eine solche grobfahrlässige Verursachung liegt nur bezüglich der Alhi-Gewährung vor. Zwar hat das BSG wiederholt entschieden, dass es nicht dem Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X entspreche, dem Begünstigten Vertrauensschutz nur in Bezug auf die Leistungen abzusprechen, die er durch falsche Angaben
unmittelbar erwirkt hat (BSG vom 26. August 1992 - 9b RAr 2/92 U - Juris Rn. 21; BSG SozR 4-1300 § 45 Nr. 7 - Juris Rn. 21). Demnach genügt also grundsätzlich die mittelbare Verursachung durch falsche Angaben. Dabei ist aber
zu berücksichtigen, dass die vom BSG entschiedenen Sachverhalte jeweils dadurch gekennzeichnet waren, dass der durch falsche Angaben erwirkte Bescheid wie auch
der darauf aufbauende Bescheid von ein und derselben Behörde erlassen worden sind. In einem solchen Fall ist ein Ausschluss
von Vertrauensschutz auch für den mittelbar erwirkten Bescheid gerechtfertigt. Zur Überzeugung des Senats lässt sich diese
Rechtsprechung aber nicht auf den vorliegenden Fall übertragen, in welchem ein anderer Versicherungsträger über eine Versicherungsleistung
eines anderen Sozialversicherungszweigs entschieden hat und dabei den durch fehlerhafte Angaben erwirkten Bescheid zu berücksichtigen
hatte. Eine solch extensive Auslegung des Begriffs "beruht" in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X würde sich zu sehr vom Erfordernis eines wenigstens grob fahrlässigen Verschuldens als Anknüpfungspunkt für den Ausschluss
des Vertrauensschutzes entfernen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Für den Senat war im Rahmen des hierbei eingeräumten Ermessens ausschlaggebend, dass die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren
weitgehend und im Berufungsverfahren vollständig unterlegen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.