LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.02.2022 - 11 KR 881/21
1. Die Wahl des Kostenerstattungsverfahrens nach 13 Abs 2 SGB V kann nicht auf eine konkrete Behandlungsmaßnahme beschränkt werden.
2. Legt sich eine Versicherte von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer
fest, besteht kein Anspruch auf eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V. Ein starkes Indiz für eine solche Vorfestlegung ist es, wenn ein Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten für eine konkrete,
von der Versicherten selbst ausgesuchte nicht zugelassene Privatklinik gestellt wird für Krankheiten, deren Behandlung als
Sachleistung in der gesetzlichen Krankenversicherung ein alltäglicher Vorgang ist.
Vorinstanzen: SG Karlsruhe 12.02.2021 S 3 KR 2760/19
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung einer stationären Krankenhausbehandlung in der Privatklinik F.
Die 1969 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.
Am 22.01.2019 verordnete die behandelnde V der Klägerin Krankenhausbehandlung wegen psychovegetativer Erschöpfung und einer
somatischen Funktionsstörung. Auf der Verordnung gab sie einen "Notfall" an. Sie attestierte der Klägerin am gleichen Tag,
dass sie sich wegen dieser Erkrankung dringend in eine Therapie begeben müsse. Da im jetzigen Akutstadium die Distanz zum
häuslichen Umfeld gegeben sein sollte, sei ein Aufenthalt in der Klinik F medizinisch notwendig. Am 24.01.2019 stellte die
Klinik F der Klägerin zur Vorlage bei der Krankenkasse einen Kostenvoranschlag für einen dreiwöchigen Aufenthalt über 6.980,40
€ zuzüglich Wahlleistungen aus.
Am 25.01.2019 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage dieser Unterlagen Erstattung dieser Kosten. Die Klinik
wäre bereit, sie innerhalb von wenigen Tagen für die Dauer von 21 Tagen aufzunehmen. Sie beantrage deshalb kurzfristig die
Kostenübernahme laut Kostenvoranschlag. Hilfsweise beantrage sie die Übernahme der stationären Behandlungskosten. Ein Aufenthalt
in einer anderen Einrichtung, die die Beklagte ihr vorschlagen würde, würde ebenso Kosten verursachen. Die Klinik habe sie
sich ausgesucht, da sie den maximalen Heilungserfolg wünsche und die gewählte Klinik auf ihr Krankheitsbild spezialisiert
sei. Seit 1990 sei sie bei der Beklagten versichert, habe bisher nur wenige Leistungen in Anspruch genommen und viele Behandlungen
selbst finanziert.
Mit Bescheid vom 04.02.2019 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine stationäre Behandlung in der Privatklinik
F ab. Diese Klinik sei kein zugelassenes Krankenhaus. Selbstverständlich lasse die Beklagte die Klägerin nicht allein. Sie
habe sich deshalb Gedanken über mögliche Alternativen gemacht. Die Beklagte benannte als in Wohnortnähe befindliche zugelassene
Krankenhäuser, die eine Behandlung der Erkrankung der Klägerin sicherstellen könnten, folgende Einrichtungen: Umedizin M,
P Krankenhaus, Uklinikum F1. Dabei handele es sich lediglich um eine beispielhafte Auflistung. Die Entscheidung, welches zugelassene
Krankenhaus im Fall der Klägerin geeignet sei, treffe der behandelnde Arzt.
Am 10.02.2019 wurde die Klägerin in die Klinik F stationär aufgenommen. Sie schloss mit dieser Klinik am gleichen Tag als
Selbstzahlerin einen Behandlungsvertrag. Als Vergütung wurde ein stationärer Pflegesatz pro Tag in Höhe von 332,40 € nebst
Zuschlag für ein Ein-Bett-Zimmer in Höhe von 48,00 € je Tag sowie eine weitere psychotherapeutische Einzelbehandlung pro Woche
(105,00 € je Sitzung) vereinbart.
Mit Rechnung vom 26.02.2019 stellte die Klinik F der Klägerin für eine Behandlung vom 10.02.2019 bis zum 06.03.2019 einen
Betrag iHv insgesamt 9.258,60 € in Rechnung (Tagessätze insgesamt 9.153,60 € zuzüglich Einzeltherapiestunde 105,00 €). In
dem Entlassbericht der Klinik F vom 13.03.2019 wurden die Diagnosen rezidivierende depressive Erkrankung, gegenwärtig schwere
Episode, Somatisierungsstörung und Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) genannt. Die Klägerin habe bei der Aufnahme berichtet,
sie könne einfach nicht mehr weiter, sei völlig erschöpft und leide an - unter analgetischer Medikation nicht beherrschbaren
- unerträglichen Ganzkörperschmerzen. Die Klägerin sei notfallmäßig auf Grund einer Dekompensation der psychovegetativen Beschwerdesymptomatik
zur stationären Behandlung aufgenommen worden. Klinisch habe eine stark gedrückte Stimmung, Freudlosigkeit, Verminderung des
Antriebs, Erschöpfung und schnelle Ermüdbarkeit einhergehend mit Aktivitätseinschränkung und Interessenverlust, vermindertem
Selbstwertgefühl, pessimistischer Zukunftssicht, Anhedonie und körperlichen Symptomen imponiert. Vor der Aufnahme sei eine
Zunahme der Antriebslosigkeit mit anhaltendem Zweifel sowie massiven Schlafstörungen und Suizidgedanken zu verzeichnen gewesen,
sodass eine stationäre Aufnahme dringend indiziert gewesen sei, um eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Die Klägerin
habe sich unter intensiver stationärer Behandlung zunehmend psychisch stabilisiert und in deutlich gebessertem Zustand entlassen
werden können. Eine stufenweise Wiedereingliederung sei erarbeitet worden.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 04.03.2019 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 04.02.2019 Widerspruch ein.
Der stationäre Klinikaufenthalt sei dringend erforderlich gewesen. Bei der Klinik F handele es sich um eine Akutklinik, die
sie sofort aufgenommen habe.
Die Beklagte veranlasste ein sozialmedizinisches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg
(MDK). Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 27.03.2019 zu der Beurteilung, dass die medizinischen Voraussetzungen für die
Leistung nicht erfüllt seien. Die Notwendigkeit einer stationären Behandlung der Klägerin in der Privatklinik könne nicht
nachvollzogen werden. Die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychosomatik sowie
eine ambulante Psychotherapie seien nicht ausgeschöpft worden. Auch unter Berücksichtigung einer Verschlechterung der Symptomatik
im Verlauf sei eine erhöhte Dringlichkeit für eine stationäre Aufnahme nicht nachvollziehbar. Auch für den Fall, dass die
Klägerin eine akutstationäre Behandlungsnotwendigkeit entwickelt gehabt habe, hätten Kliniken, die über die regionale psychiatrische
Versorgungszuordnung eine Aufnahme- und Behandlungspflicht hätten, zur Verfügung gestanden. Die Behandlung der bei der Klägerin
beschriebenen Störungen (rezidivierende depressive Störung, Somatisierungsstörung) lägen innerhalb des Spektrums der üblichen
psychiatrischen und psychosomatischen Krankenbehandlung. Hierzu stehe eine Vielzahl von kassenzugelassenen Kliniken zur Verfügung.
Die Klägerin brachte ergänzend zu ihrem Widerspruch vor, dass sie erstmals im März 2018 am ganzen Körper unter Schmerzen gelitten
habe (Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 02.05.2019). Die V habe sie durch einen Internisten, Kardiologen, Frauenarzt,
Rheumatologen und Radiologen untersuchen lassen. Ihre Schmerzen seien von den beigezogenen Fachärzten nicht eindeutig zuordenbar
gewesen. Der Neurologe habe eine Fibromyalgie diagnostiziert und eine Schmerztherapie vornehmen wollen. Er habe ihr Antidepressiva
verschrieben, die sie nicht vertragen und deswegen abgesetzt habe. Seitens des Neurologen sei keine Überweisung zu einem Psychologen
vorgenommen worden. Ihre V sei von der Diagnose Rheuma ausgegangen. Der Rheumatologe habe sie zum MRT geschickt. Die V habe
die Gesundheitsstörungen in erster Linie auf körperlichem und nicht auf psychischem Fachgebiet gesehen. Erst auf Grund der
akutpsychiatrischen schweren depressiven Episode sei die unverzügliche Einweisung in die Klinik erfolgt. Ihr Gesundheitszustand
im Januar 2019 sei so schlecht gewesen, dass sie nur noch mit Schmerztabletten habe aufstehen können, geweint habe, nicht
mehr aus dem Haus gegangen sei. Das Anziehen sei ihr schwergefallen. Sie sei komplett antriebslos und leistungsunfähig gewesen.
Am Wochenende 19./20.01.2019 habe sie vor Schmerzen nicht aufstehen können. Sie habe sich dann unmittelbar zu ihrer V begeben,
die sie am 25.01.2019 in die Klinik F eingewiesen habe. Auf das Schreiben der Beklagten vom 04.02.2019 habe sie die Uklinik
M und die Uklinik F1 kontaktiert. Die Uklinik M habe sie abgelehnt, da sie nicht aus der Region komme. Die Uklinik F1 habe
Wartezeiten von einem halben Jahr mitgeteilt. Auf eine ambulante Psychotherapie hätte sie mindestens drei Monate warten müssen.
Sie sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen, ihren Tag selbständig zu gestalten, und sei deshalb in einer Akutklinik
aufgenommen worden. Da sie in der Klinik F einen sofortigen Aufnahmetermin erhalten habe, habe sie zugesagt. Im Rahmen des
Kostenerstattungsverfahrens sei eine Kostenübernahme der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 13 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch ( SGB V) möglich. Vorliegend bestimmten medizinische und soziale Indikationen die Aufnahme. Die medizinische Versorgung werde in
gleicher Qualität wie in einem öffentlichen Krankenhaus gewährleistet.
Die Beklagte schaltete erneut den MDK ein. Der MDK blieb bei seiner Beurteilung, dass die medizinischen Voraussetzungen für
die Leistung nicht erfüllt seien (Gutachten vom 23.05.2019). Bei einer akuten Behandlungsnotwendigkeit stünden genügend Kliniken
zur Verfügung, die über die regionale Versorgungszuordnung eine Aufnahme- und Behandlungspflicht hätten. Im Falle der Klägerin
wäre hier das Klinikum C zuständig gewesen. Bei einer Vorstellung dort prüfe der aufnehmende Arzt die Aufnahmeindikation.
Bei gegebener Indikation sei dann eine sofortige Krankenhausbehandlung möglich. Die Behandlung der Erkrankungen der Klägerin
liege innerhalb des Spektrums der üblichen psychiatrischen und psychosomatischen Krankenbehandlung.
Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2019 den Widerspruch der Klägerin gegen den
Bescheid vom 04.02.2019 als unbegründet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 19.08.2019 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Die Begutachtung durch den MDK sei allein
nach Aktenlage erfolgt. Um das Vorliegen eines Notfalls zu überprüfen, hätte die Beklagte die Klägerin unverzüglich nach Antragstellung
persönlich untersuchen lassen müssen. Weiterhin habe sie - die Klägerin - sich bei den von der Beklagten im Schreiben vom
04.02.2019 benannten Kliniken gemeldet und in Erfahrung gebracht, dass dort eine Aufnahme in absehbarer Zeit nicht möglich
sei. Im Zeitpunkt der Aufnahme habe ein Notfall vorgelegen. Darüber hinaus wäre ein Aufenthalt in den meisten gesetzlichen
Ukliniken teurer. Die Voraussetzungen des § 13 Abs 2 SGB V seien erfüllt. Die Beklagte habe nicht für eine unverzügliche notfallmäßige Aufnahme gesorgt. Ihr sei es in ihrer Notsituation
nicht zumutbar, tage- bzw wochenlange Recherchen über potentielle Notfallkliniken zu unternehmen. Ihr sei es auch nicht zuzurechnen,
wenn ihre Hausärztin eine Einweisung in ein zugelassenes Krankenhaus nicht vorgenommen habe. Die Klägerin ist der Auffassung,
dass sie vor Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Leistungen das gesonderte Verfahren der Kostenerstattung gewählt habe.
Sie habe ja mit ihrem Antrag vom 25.01.2019 einen Kostenvoranschlag der Klinik F vorgelegt und zwar vor ihrer stationären
Aufnahme dort. Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V seien erfüllt. Es habe sich um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.02.2021 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten,
die ihr anlässlich des stationären Aufenthalts in der Privatklinik F entstanden seien. Grundlage für das Erstattungsbegehren
stelle § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V dar. Dessen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Bei der von der Klinik F vom 10.02.2019 bis 06.03.2019 durchgeführten stationären
Krankenhausbehandlung handele es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung. Ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehe grundsätzlich
nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorlägen. Daran fehle es vorliegend. Die Behandlung
in einer Privatklinik gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenbehandlung umfasse
ua die Krankenhausbehandlung in zugelassenen Krankenhäusern. Die Klinik F sei kein zugelassenes Krankenhaus iSd § 108 SGB V. Leistungen in nicht zugelassenen Krankenhäusern seien nur bei Notfällen von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung
umfasst (Hinweis auf Bundessozialgericht <BSG> 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R). Liege ein Notfall iSd § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V vor, sei ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom
Versicherten, sondern nur von der kassenärztlichen Vereinigung oder allein von der Krankenkasse verlangen könne (Hinweis auf
BSG 01.11.2007, B 1 KR 14/07 R). Es liege auch keinen Fall des sog Systemversagens vor. Es gebe in der näheren Umgebung zum Wohnort der Klägerin mehrere
Vertragskrankenhäuser, die zur Behandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen seien. Dabei sei die Auswahl
nicht auf die von der Beklagten nur beispielhaft aufgezählten Kliniken beschränkt gewesen. Insbesondere sei hier das Klinikum
C zuständig gewesen. Auch habe die Beklagte den Antrag der Klägerin nicht zu Unrecht abgelehnt. Dies scheide aus, weil die
Behandlung in einer privaten Klinik nicht als Sach- oder Dienstleistung durch die Beklagte hätte erbracht werden dürfen.
Gegen den ihrer Bevollmächtigten am 16.02.2021 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 08.03.2021
beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres
bisherigen Vorbringens ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V seien erfüllt. Zum Zeitpunkt der Durchführung des stationären Aufenthalts sei es so dringend gewesen, dass aus medizinischer
Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestanden habe. Es liege ein Systemversagen vor, da
die Beklagte nicht in der Lage gewesen sei, die Leistung rechtzeitig zu erbringen. Es habe sich um einen Notfall gehandelt,
da eine dringende Behandlungsbedürftigkeit bestanden habe und ein an der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung
teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung gestanden habe. Sie - die Klägerin - sei im Rahmen einer Notfallbehandlung
von der Klinik F aufgenommen worden. Die Beklagte habe die Klinik C ihr überhaupt nicht genannt. Es sei nicht ihre Aufgabe,
sich um eine Klinik zu kümmern, sondern die der Beklagten. Ihre Berufung sei zumindest insofern erfolgreich, als nach § 14 Abs 2 SGB V die Kosten zu erstatten seien, die ein Aufenthalt in einer gesetzlichen Klinik gekostet hätte.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2021 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids
vom 04.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2019 zu verurteilen, die Kosten des stationären Krankenhausaufenthalts
in der Klinik F vom 10.02.2019 bis 06.03.2019 in Höhe von 7.977,60 € zu erstatten, hilfsweise den Anteil einer Vertragsklinik
der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat auf ihre Entscheidung sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 21.09.2021 einen Erörterungstermin durchgeführt; hinsichtlich der Einzelheiten
wird auf die Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des LSG Baden-Württemberg vom 21.09.2021 Bezug genommen.
Auf Aufforderung des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass eine Aussage zu der Frage, inwiefern ein Krankenhaus in Wohnortnähe
im Zeitraum vom 22.01.2019 bis 10.02.2019 die Klägerin tatsächlich aufgenommen hätte, nicht möglich sei. Auf Grund des Leistungsantrags
der Klägerin habe sie im Rahmen einer Kliniksuche eine beispielhafte Aufzählung von Kliniken genannt, die die auf der Krankenhauseinweisung
angegebene Diagnose behandelten. Erfahrungsgemäß stelle sich der Patient im Rahmen einer Notfallversorgung in der Notfallambulanz
des Krankenhauses vor. Der behandelnde Arzt habe die entsprechende Indikation für eine stationäre Krankenhausbehandlung und
deren Dringlichkeit zu prüfen. Über die Aufnahme in das Krankenhaus zur stationären Behandlung und über die Art der Behandlung
entscheide der Krankenhausarzt. Für ärztlich definierte Notfallsituationen bestehe für die Vertragskrankenhäuser eine Aufnahmepflicht.
Eine derartige Notsituation könne nur im Rahmen einer persönlichen Untersuchung durch einen Krankenhausarzt erfolgen. Nach
ihrer Auffassung - der Beklagten - liege es nicht in ihrem Aufgabenbereich und auch nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Termine
für stationäre Krankenhausbehandlungen für Versicherte zu vereinbaren. In Wohnortnähe der Klägerin stünden das Klinikum N
in C, das S-Klinikum in P1 und das Klinikum S1 - Krankenhaus B - zur Verfügung.
Nachdem die Klägerin die Praxisnachfolger der zwischenzeitlich in Ruhestand getretenen V benannt hatte, hat der Senat dort
die Behandlungsunterlagen über die Klägerin für die Zeit von Januar 2018 bis April 2019 beigezogen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten
der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 04.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2019 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung einer Behandlung in der Klinik F (als
Sachleistung) abgelehnt hat. Aufgrund der zwischenzeitlich durchgeführten Behandlung ist das Begehren nunmehr zulässigerweise
auf Kostenerstattung gerichtet. Zulässige Klageart ist die mit der Anfechtungsklage verbundene Leistungsklage (§§ 54 Abs 1 und 4, 56 SGG). Die Klägerin hat die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs vorgenommen. Betrifft ein
Zahlungsanspruch einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit, ist er zur Vermeidung eines ansonsten im Raum stehenden
zusätzlichen Streits über die Höhe des Anspruchs konkret zu beziffern; es muss also grundsätzlich ein bestimmter (bezifferter)
Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt (BSG 10.04.2008, B 3 KR 20/07 R, SozR 4-2500 § 39 Nr 15; BSG 20.11.2008, B 3 KR 25/07 R, SozR 4-2500 § 133 Nr 3). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
31.07.2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend
gemachten Kosten iHv 7.977,60 € oder in Höhe des Anteils einer Vertragsklinik der gesetzlichen Krankenversicherung für die
stationäre Behandlung in der Klinik F vom 10.02.2019 bis 06.03.2019.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung ergibt sich nicht aus § 13 Abs 2 SGB V, da die Klägerin nicht das Kostenerstattungsverfahren gewählt hatte. Gemäß § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V können Versicherte anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse
vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen (§ 13 Abs 2 Satz 2 SGB V). Dabei ist eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären
Bereich oder auf veranlasste Leistungen möglich (§ 13 Abs 2 Satz 4 SGB V). Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden (§ 13 Abs 2 Satz 12 SGB V). Das Wahlrecht, das durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auszuüben ist, muss sich mindestens auf einen
der in § 13 Abs 2 Satz 4 SGB V genannten Versorgungsbereiche beziehen (vgl nur Schiffendecker in Kasseler Kommentar, Stand September 2021, § 13 Rn 23 f).
Ausgeschlossen ist die Beschränkung des Kostenerstattungsverfahrens auf eine konkrete Behandlungsmaßnahme. Die Klägerin hat
eine Wahlerklärung iSd § 13 Abs 2 SGB V nicht abgegeben, was sie im Erörterungstermin nun auch eingeräumt hat. Ihr Antragsschreiben vom 25.01.2019 bezog sich ausschließlich
auf die durch V am 22.01.2019 verordnete stationäre Krankenhausbehandlung in der Klinik F und nicht den gesamten stationären
Versorgungsbereich.
Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V sind ebenfalls nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige,
selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Fall 1)
oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Fall 2) und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten
entstanden sind. Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch
des Versicherten gegen seine Krankenkasse, und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus,
dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder
Dienstleistung zu erbringen haben (vgl BSG 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26).
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das Neunte Buch Sozialgesetzbuch ( SGB IX) - im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil keine Leistungen zur Teilhabe streitig sind - vorsieht. Die Krankenbehandlung
umfasst ua die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) durch zugelassene Krankenhäuser (§§ 39 Abs 1 Satz 2, 108 SGB V). Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine Kostenerstattung wegen der Inanspruchnahme einer Leistung eines krankenversicherungsrechtlich nicht zugelassenen
Leistungserbringers grundsätzlich ausgeschlossen (BSG 15.04.1997, 1 RK 4/96, BSGE 80, 181; BSG 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180). Die Klinik F ist unstreitig kein zugelassenes Krankenhaus iSv § 108 SGB V.
Die Regelung des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung
nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch
absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht
nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will (zum
Ganzen BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137). Nur wenn die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstbeschaffung durch den Versicherten
erzwingt, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen
für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (vgl BSG 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23); der Leistungserbringer muss jedoch die entsprechende Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzen (BSG 20.02.2004, B 1 KR 10/03 B, juris). Gleiches gilt für die Fälle einer unaufschiebbaren Leistung.
Eine unaufschiebbare Leistung lag hier nicht vor. Dabei ist zunächst eine unaufschiebbare Leistung iSd § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V von einem Notfall abzugrenzen. Ein Notfall iSv § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V begründet grundsätzlich keinen Kostenerstattungsanspruch, sondern führt dazu, dass die Leistung als Naturalleistung erbracht
wird und der Leistungserbringer die Vergütung nicht vom Versicherten verlangen kann. Bei einer stationären Notfallbehandlung
in einem nicht zugelassenen Krankenhaus richtet sich der Vergütungsanspruch allein gegen die Krankenkasse (BSG 09.10.2001, B 1 KR 6/01 R, BSGE 89, 39). Ein Notfall liegt dann vor, wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit
für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten und dessen Behandlung fehlt, also ein unmittelbar aufgetretener Behandlungsbedarf
sofort befriedigt werden muss (BSG 18.07.2006, B 1 KR 24/05 R, BSGE 97, 6). Ein solcher Notfall war hier nicht gegeben. Zwar verordnete V am 22.01.2019 eine stationäre Krankenhausbehandlung als "Notfall".
Jedoch veranlasste sie keine unverzügliche stationäre Aufnahme der Klägerin. Vielmehr ließ sich die Klägerin zunächst durch
die Klinik F am 24.01.2019 einen Kostenvoranschlag ausstellen. Erst am 10.02.2019, mithin ca drei Wochen nach der Verordnung,
wurde die Klägerin in die Klinik F aufgenommen. Die Klinik ging selbst nicht von einer Aufnahme als Notfallpatientin aus,
weil sie mit der Klägerin am 10.02.2019 einen Behandlungsvertrag als Selbstzahlerin schloss und ihre Leistungen nicht als
Notfallbehandlung gegenüber der Beklagten abrechnete, sondern der Klägerin am 21.02.2019 einen "Befundbericht zur Vorlage
bei der Krankenkasse" ausstellte, um diese bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche zu unterstützen, sowie mit Rechnungen vom
11.02.2019 und 26.02.2019 direkt mit der Klägerin abrechnete.
Dass bei der Klägerin kein Notfall gegeben war, schließt jedoch das Vorliegen einer unaufschiebbaren Leistung nicht aus. Soll
der 1. Variante des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V überhaupt ein Anwendungsbereich zukommen (zu diesem Gesichtspunkt auch BSG 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, juris), muss es Fälle geben, in denen die Behandlung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines
nennenswerten Aufschubs mehr besteht, um die Entscheidung der Krankenkasse abzuwarten (so die Definition des BSG zur Unaufschiebbarkeit, vgl BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, Rn 22, juris; BSG 08.09.2015, B 1 KR 14/14 R, KrV 2015, 254; BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, BSGE 96, 170), ein Notfall im oben dargelegten Sinne jedoch (noch) nicht vorliegt (siehe hierzu ausführlich LSG Baden-Württemberg 19.04.2016,
L 11 KR 3930/15, Rn 25 - 26, juris). Mithin darf dem Versicherten ein Zuwarten aus medizinischen Gründen nicht mehr zumutbar sein, weil der
angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder zB wegen der Intensität der Schmerzen
ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zuzumuten ist. Unaufschiebbar kann danach auch eine zunächst nicht
eilbedürftige Behandlung werden, wenn der Versicherte mit der Ausführung so lange wartet, bis die Leistung zwingend erbracht
werden muss, um den mit ihr angestrebten Erfolg noch zu erreichen oder um sicherzustellen, dass er noch innerhalb eines therapeutischen
Zeitfensters die benötigte Behandlung erhalten wird (BSG 24.04.2018, B 1 KR 29/17 R, SozR 4-2500 § 2 Nr 11, Rn 22 mwN). Von einer derartigen Dringlichkeit konnte sich der Senat indes nicht überzeugen. V sah nach der krisenhaften
Zuspitzung am Wochenende 19./20.01.2019 sowie der in der Vergangenheit erfolglos durchgeführten fachärztlichen Diagnostik
auf somatischem Gebiet (Befundbericht des S2 vom 10.09.2018: Diagnose Fibromyalgie, Empfehlung schmerztherapeutische/psychosomatische
Behandlung; Befundbericht des R vom 04.10.2018: keine relevante Herzerkrankung; Befundbericht des G vom 26.11.2018: Ausschluss
einer entzündlich rheumatischen Systemerkrankung; Befundbericht des S3 vom 22.11.2018: Supraspinatusendopathie bei chronischem
Impingement, kein pathologischer Befund einer rheumatoiden Arthritis) anlässlich der ambulanten Vorstellung der Klägerin am
22.01.2019 eine stationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik als indiziert an. Dies ist jedoch nicht gleichzusetzen
mit einer Unaufschiebbarkeit der begehrten Maßnahme. In einem solchen Fall hätte V die Klägerin in ein psychiatrisches oder
psychosomatisches Vertragskrankenhaus einweisen können. Dass sie stattdessen die Aufnahme in die Privatklinik F empfahl, ist
nach Auffassung des Senats lediglich damit zu erklären, dass die Klägerin seinerzeit nur eine Behandlung in der Klinik F gewünscht
hat. Nach ihren Angaben im Erörterungstermin am 21.09.2021 hat sie, nachdem sie mit der V zu der Einschätzung gelangt war,
dass eine maßgebliche körperliche Erkrankung nicht vorliegt, selbst nach passenden Kliniken gesucht ("Schmerzkliniken") und
ist dabei auf die Klinik F gestoßen. Die Klägerin hat dort telefonisch nach einer Aufnahme angefragt, einen Kostenvoranschlag
angefordert und am 25.01.2019 die Übernahme der entsprechenden Behandlungskosten bei der Beklagten beantragt. Auch nachdem
die Beklagte die Übernahme der Kosten für eine Behandlung in der Privatklinik F mit Bescheid vom 04.02.2019 unter beispielhafter
Benennung von Vertragskrankenhäusern abgelehnt hatte, hat V die Klägerin nicht in eine Vertragsklinik eingewiesen. Vielmehr
haben sich die Klägerin und V auf die Behandlung in der Privatklinik F beschränkt, nachdem die von der Beklagten beispielhaft
benannten Behandlungsalternativen sich als schwer realisierbar erwiesen haben. Eine Kontaktaufnahme zu einem regionalen psychiatrischen
Vollversorger - wie dem ZfP C Klinik N, das auch depressive Erkrankungen oder Schmerzerkrankungen behandelt - wäre jederzeit
möglich gewesen, ist aber tatsächlich nicht erfolgt. Die Klägerin bzw ihre Behandlerin hätten vor der stationären Aufnahme
am 10.02.2018 auch unschwer nochmals an die Beklagte herantreten können und um die Benennung von Vertragskrankenhäusern bitten
können. Schließlich ergeben sich aus den im Entlassbericht der Klinik F vom 13.03.2019 dokumentierten Befunden keine Gründe
dafür, dass die dortige stationäre Aufnahme am 10.02.2019 so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit
eines nennenswerten Aufschubs mehr bestand. Insbesondere lag bei der Klägerin weder eine Eigen- noch eine Fremdgefährdung
vor, akute Suizidalität wurde ausdrücklich verneint. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Klägerin trotz
der Dekompensation am Wochenende 19./20.01.2019 sich für die Zeit ab 21.01.2019 bis zu ihrer stationären Aufnahme am 10.02.2019
keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigen ließ, sondern nach ihren Angaben im Erörterungstermin - wenn auch in zeitlich reduziertem
Umfang - in ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit Personalverantwortung für 60 Mitarbeiter weiterarbeitete.
Auch der Umstand, dass der Beklagten in dem Bescheid vom 04.02.2019 ihre bespielhafte Benennung von Vertragskrankenhäusern
reichlich misslungen ist, begründet keine Unaufschiebbarkeit der stationären Aufnahme am 10.02.2018. Zwar ist der Klägerin
zuzugestehen, dass die von der Beklagten gemachten Angaben völlig unbrauchbar sind, weil aus diesen schon nicht ansatzweise
zu entnehmen ist, zu welchen konkreten Kliniken (das Uklinikum F1 und die Umedizin M verfügen jeweils über eine Vielzahl von
Kliniken, P Krankenhäuser existieren zB in B1 und R1) die Klägerin Kontakt aufnehmen sollte. Auch verkennt die Beklagte, dass
sie die behandelnde Vertragsärztin sowie die Klägerin bei der Auswahl des "passenden" Vertragskrankenhauses durchaus zu unterstützen
hatte (vgl nur §§ 39 Abs 3, 73 Abs 4 SGB V). Wie dargelegt, lag aber in der Zeit nach der ungenügenden Information durch die Beklagte keine besondere Dringlichkeit
vor. Der Klägerin bzw ihrer behandelnden Ärztin war es unschwer möglich und zumutbar, vor der Inanspruchnahme der Privatklinik
F an die Beklagte heranzutreten und diese um die Benennung von Behandlungsalternativen zu bitten. Stattdessen hat sich die
Klägerin direkt in die Privatklinik aufnehmen lassen, ohne der Beklagten die Möglichkeit zu geben, geeignete Alternativen
anzubieten.
Abgesehen davon, dass bereits keine unaufschiebbare Leistung vorliegt, fehlt es auch an der Kausalität zwischen einer unaufschiebbaren
Leistung sowie dem Vergütungsanspruch gegen den Versicherten. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl BSG 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125-128, Helbig in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB V, 4. Auflage, § 13 SGB V <Stand 12.12.2021> Rn 74) ist eine solche Kausalität nicht nur für § 13 Abs 3 Satz 1 2. Alternative notwendig, sondern auch
für den Fall einer unaufschiebbaren Leistung. Die Kosten für nicht zugelassene Leistungserbringer sind nur zu erstatten, wenn
deren Inanspruchnahme durch das Unvermögen der Krankenkasse wesentlich mitverursacht wird. Der Versicherte darf sich insbesondere
nicht von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt
haben (BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, juris). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- oder Operationstermins
oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (zB LSG Baden-Württemberg 02.11.2021, L 11 KR 1839/20, juris mwN).
Aus den vorliegenden Unterlagen entnimmt der Senat, dass die Klägerin von vornherein auf eine Behandlung in der Privatklinik
F festgelegt war. Allein hierauf hat sie ihren Antrag vom 25.01.2019 gerichtet. Zuvor hatte sie sich diese Klinik nach eigener
Recherche herausgesucht, zu dieser Kontakt aufgenommen und einen Kostenvoranschlag eingeholt. In ihrem Antrag gab sie an,
dass sie sich diese Klinik ausgesucht habe, weil sie den maximalen Heilungserfolg wünsche und die Klinik F auf ihr Krankheitsbild
spezialisiert sei. Ihre V hat auf der Verordnung vom 22.01.2019 die Klinik F nicht als das "nächstgelegene, geeignete Krankenhaus"
angegeben, sondern in einem gesonderten Attest vom 22.01.2019 einen Aufenthalt in dieser lediglich als "medizinisch notwendig"
bezeichnet. Sie hat hingegen nicht angegeben, dass die Klinik F allein zur Behandlung der von ihr genannten Einweisungsdiagnosen
in Betracht kommt. Vielmehr ist die Klägerin an ihre Hausärztin bereits mit dem Wunsch herangetreten, sich in der Klinik F
behandeln zu lassen. Hinzu kommt, dass es für die Behandlung der bei der Klägerin festgestellten Krankheiten (rezidivierende
depressive Erkrankung, Somatisierungsstörung) keiner Vorab-Prüfung durch die Krankenkasse bedarf. Es ist offenkundig, dass
die Behandlung solcher Krankheiten in der gesetzlichen Krankenversicherung ein alltäglicher Vorgang ist. Eine vorherige Befassung
der Krankenkasse mit der Therapie dieser Diagnosen ist aber notwendig, wenn die Behandlung nicht in Vertragskrankenhäusern,
sondern in nicht zugelassenen Privatkliniken erfolgen soll. Genau darum ging es der Klägerin. In der Gesamtschau ist der Senat
daher davon überzeugt, dass die Klägerin eine Behandlung in anderen Kliniken für sich ausgeschlossen hatte. Der erforderliche
Ursachenzusammenhang besteht daher nicht.
Auch ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V scheidet aus. Ein solcher Anspruch ist nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig
abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung
und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame
Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN). Wie bereits dargelegt, war die Klägerin nach Überzeugung des Senats zu diesem Zeitpunkt bereits
fest entschlossen, sich ausschließlich in der Klinik F behandeln zu lassen, sodass es jedenfalls an der Kausalität zwischen
Leistungsablehnung und Entstehung der Kosten fehlt.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens zu
(vgl hierzu die Übersicht bei LSG Berlin-Brandenburg 29.08.2012, L 9 KR 244/11, Rn 19, juris; LSG Hamburg 23.08.2018, L 1 KR 95/17, Rn 26, juris). In der Rechtsprechung des BSG wurde ein Systemversagen angenommen bei Unvermögen des Leistungssystems (Urteil BSG 16.12.1993, 4 RK 5/92, juris), zögerlicher oder willkürlicher Bearbeitung eines Antrags durch die Krankenkasse (BSG 08.11.2011, B 1 KR 19/10 R, juris), wenn eine ausreichend erprobte bzw bewährte Untersuchungs- oder Behandlungsmethode trotz Erfüllung der formalen
und inhaltlichen Voraussetzungen aus Gründen, die in den Verantwortungsbereich der Ärzte und Krankenkassen fallen, noch nicht
in die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) aufgenommen wurde (BSG 28.03.2000, B 1 KR 11/98 R; BSG 04.04.2006, B 1 KR 12/05 R, juris), wenn die Auslegung des SGB V, die mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot unvereinbar war, bei der Versorgung der Leistungsberechtigten zu einer
Bevorzugung der im Inland zugelassenen Leistungserbringer führte (BSG 13.07.2004, B 1 KR 11/04 R, juris), wenn Ärzte oder Zahnärzte in einer Region in der von § 95b Abs 1 SGB V bezeichneten Form aus der Versorgung ausscheiden und die Krankenkassen in den vom Kollektivverzicht betroffenen Leistungsbereichen
ihrer Sicherstellungsverpflichtung nicht umgehend nachkommen können (BSG 27.06.2007, B 6 KA 37/06 R, juris) oder wenn mangels einer hinreichenden Zahl von Therapeuten eine Versorgungslücke besteht (BSG 18.07.2006, B 1 KR 24/05 R, juris; vgl auch BSG 17.12.2020, B 1 KR 4/20 R, Rn 29, juris). Diese Übersicht verdeutlicht, dass ein anspruchsbegründendes Systemversagen zumindest voraussetzt, dass der
"Fehler" im Verantwortungsbereich einer der Institutionen des GKV-Systems, also einer Krankenkasse, des GBA oder der Zulassungsgremien
liegt (LSG Berlin-Brandenburg aaO; LSG Hamburg aaO). Ein Systemversagen würde hier daher voraussetzen, dass die Klägerin eine
Behandlung ihrer akuten depressiven Störung bzw Somatisierungsstörung aus von der Beklagten oder dem System der gesetzlichen
Krankenversicherung zu verantwortenden Gründen nicht zeitnah in Anspruch nehmen konnte. Hiervon konnte sich der Senat nicht
überzeugen. Soweit die Klägerin geltend macht, dass die Klinik F besonders für die Behandlung ihrer Erkrankungen geeignet
gewesen sei, ist dies nicht nachvollziehbar. Die Erkrankungen der Klägerin (depressive Symptomatik und Somatisierungsstörung)
gehören zu den typischen Erkrankungen, die in psychiatrischen Vertragskliniken behandelt werden. Die ausweislich des Entlassberichts
vom 13.03.2019 während des stationären Aufenthalts in der Klinik F durchgeführte Diagnostik, medikamentöse Therapie sowie
Einzel- und Gruppentherapie gehören zum Standardrepertoire der zugelassenen psychiatrischen Krankenhäuser. Daher ist nicht
ersichtlich, dass die Klinik F über besondere Behandlungskonzepte verfügt, die so nicht in zugelassenen Krankenhäusern angeboten
würden. Dies behaupten auch weder die Ärzte der Klinik F noch die die Krankenhausbehandlung verordnende Hausärztin. Zum anderen
konnte sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass in sämtlichen Vertragskliniken im Umkreis unzumutbare Wartezeiten
bestanden. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie die von der Beklagten benannten Kliniken erfolglos kontaktiert habe,
jedoch hatte die Beklagte im angefochtenen Bescheid auf die lediglich beispielhafte Aufzählung hingewiesen und ihre weitere
Hilfe angeboten. Dass von den zugelassenen Krankenhäusern, die - wie das ZfP C Klinikum N - insbesondere für die regionale
Versorgung der Versicherten zuständig sind, angesichts der dringenden Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin keines zur zeitnahen
Aufnahme in der Lage gewesen wäre, ist nicht nachgewiesen und auch nicht wahrscheinlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass
diese Kliniken im Hinblick auf ihren Versorgungsauftrag bei Vorliegen einer Aufnahmeindikation und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit
die Klägerin auch zeitnah stationär aufgenommen hätten.
Ein Anspruch auf Kostenerstattung in voller Höhe (Hauptantrag) besteht somit nicht.
Aber auch der Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg. Dieser ließe sich allenfalls auf § 28c der Satzung der Beklagten stützen. Hiernach
haben Versicherte auf der Grundlage von § 11 Abs 6 SGB V und nach Maßgabe der folgenden Absätze Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung in einem nicht nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus. Voraussetzung für den Anspruch ist, dass die Beklagte mit dem Krankenhaus eine Vereinbarung nach
§ 28c Abs 3 der Satzung getroffen hat, die die geltend gemachte Leistung beinhaltet. An einer solchen Vereinbarung fehlt es
aber gerade. Schließlich sind die Voraussetzungen des von der Klägerin genannten § 14 Abs 2 SGB V nicht gegeben, weil die Klägerin offensichtlich nicht zu dem Kreis der Anspruchsberechtigten dieser Norm gehört.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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