Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Verletztengeld ab 6. Dezember 2018 streitig.
Die im Jahr 1989 geborene Klägerin war bis Mai 2017 als Bäckerin/Konditorin versicherungspflichtig beschäftigt.
Bereits im Jahr 2016 wurde die Beklagte durch den M informiert, dass bei der Klägerin eine berufsbedingte Erkrankung vorliegen
könnte. Die Beklagte begann daraufhin im September 2016 eine Prüfung der BK 4301/4302
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV). Mit beratungsärztlicher Stellungnahme vom 18. Mai 2017 teilte T nach Prüfung der beigezogenen Unterlagen und einer nasalen
Testung der Klägerin am 8. Mai 2017 mit, bei der Klägerin sei durch spezifische nasale Provokation eindeutig eine allergische
Rhinitis gegenüber Weizenmehl bewiesen. Vom Vorliegen einer BK 4301
BKV sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszugehen. Eine Berufsaufgabe sei erforderlich. Solange die Klägerin noch beruflich
tätig sei, könne unterstützend zu Lasten der Beklagten ein kortikoidhaltiges Nasenspray verwendet werden.
In der Zeit vom 23. Mai 2017 bis zum 3. Juni 2017 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Grund der Arbeitsunfähigkeit waren
laut der vom K am 23. Mai 2017 erstellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung frustrane Kontraktionen (unnütze Wehen; ICD-10
047.0 G).
In einem mit der Beklagten am 29. Mai 2017 geführten Telefonat teilte die Klägerin mit, dass sie schwanger und ein Jahr Elternzeit
geplant sei.
Mit Schreiben vom 30. Mai 2017 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die medizinischen Voraussetzungen der BK 4301
BKV seien erfüllt. Bei Aufgabe der (bisherigen) Tätigkeit bestehe Bereitschaft, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu gewähren.
Am 31. Mai 2017 stellte der Arbeitgeber der Klägerin diese in Folge eines Beschäftigungsverbotes während der Schwangerschaft
von ihrer Arbeit frei.
Mit Schreiben vom 6. Juni 2017 informierte die Klägerin die Beklagte darüber, dass der voraussichtliche Geburtstermin im November
2017 liege. Seit 6. Juni 2017 bestehe ein "Arbeitsverbot" (gemeint war Beschäftigungsverbot nach dem
MuSchG). Nach einem Jahr Elternzeit sei sie wieder offen für eine Umschulung. Zudem erklärte die Klägerin auf Frage der Beklagten,
sie habe die (bisherige) berufliche Tätigkeit am 6. Juni 2017 endgültig und nicht nur vorübergehend aufgegeben.
Am 25. Oktober 2017 informierte der bisherige Arbeitgeber der Klägerin die Beklagte darüber, dass die Klägerin letztmals am
22. Mai 2017 tatsächlich im dortigen Unternehmen gearbeitet hatte. Arbeitsentgelt sei bis 18. Oktober 2017 gezahlt worden.
Im vom Arbeitgeber ausgestellten Arbeitszeugnis vom 1. Dezember 2017 wurde als Ende des Beschäftigungsverhältnisses der 31.
Mai 2017 genannt ("Danach konnte sie leider aufgrund Schwangerschaft nicht mehr bei uns arbeiten").
Auf Nachfrage der Beklagten erklärte die Klägerin am 20. November 2017, der letzte Arbeitstag sei der 22. Mai 2017 gewesen,
sie sei dann noch 2 Wochen krankgeschrieben gewesen.
Laut Aktenvermerk vom 16. Januar 2018 gab die Klägerin telefonisch gegenüber der Beklagten an, sie habe am 29. November 2017
ihr Kind entbunden und warte nun auf die Zusage hinsichtlich eines Kita-Platzes. Geplant sei die Aufnahme ihres Sohnes in
die Kita im Dezember 2018. Interesse an einer Umschulung bestehe ab Januar 2019 oder August/September 2019.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2018 bewilligte die IKK Classic der Klägerin ab 19. Oktober 2017 bis 25. Januar 2018 Mutterschaftsgeld.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2018 bewilligte die L-Bank der Klägerin ab 29. November 2017 bis 28. November 2018 Elterngeld
nach dem BEEG.
Nach Beratung durch die Beklagte (u.a. Berufseignungspsychologische Untersuchung) teilte die Klägerin am 15. Mai 2018 mit,
ab April 2019 sei die Kinderbetreuung mit 7 Stunden täglich gesichert und sie wolle dann eine Umschulung in Teilzeit durchführen.
Aktuell seien Bewerbungsverfahren noch nicht sinnvoll.
Mit Bescheid vom 30. August 2018 bewilligte die Beklagte der Klägerin (nach Aufgabe der Tätigkeit) "wegen einer Berufskrankheit"
beginnend ab dem 23. Mai 2017 Übergangsleistungen nach §
3 Abs.
2 BKV.
Am 6. Dezember 2018 rief die die Klägerin bei der Beklagten an und bat um Beratung. Sie teilte mit, sie werde im September
2019 eine Umschulungsmaßnahme beginnen und fragte, ob ihr bis dahin Leistungen zustünden. Ihr wurde durch die Beklagte die
Auskunft erteilt, dass ein Anspruch auf Verletztengeld bestehen könnte. Die Beklagte sicherte eine Prüfung zu, sobald die
Umschulungsmaßnahme bewilligt sei.
Mit Bescheid vom 21. Februar 2019 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer
Umschulung zur Kauffrau im Einzelhandel im Zeitraum vom 1. August 2019 bis zum 31. Juli 2022.
Den Antrag auf Bewilligung von Verletztengeld lehnte die Beklagte hingegen mit Bescheid vom 6. März 2019 ab. Ein entsprechender
Anspruch bestehe nicht, weil die Klägerin ihre Tätigkeit in der Bäckerei wegen von der Berufskrankheit unabhängigen Gründen
aufgegeben habe. Der Bescheid enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 18. März 2019 Widerspruch und machte geltend, sie könne ihre berufliche Tätigkeit
als Bäckerin wegen der Berufskrankheit nicht mehr ausüben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Klägerin seien
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen gewesen. Während der Wartezeit auf den Beginn dieser Leistungen bestehe
ein Anspruch auf Verletztengeld nur dann, wenn der Leistungsbeginn sich nicht wegen Umständen, die der Versicherte zu vertreten
habe, verzögere. Vorliegend habe die Klägerin jedoch den verzögerten Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu
vertreten, da die Verzögerung auf ihrer bewussten Entscheidung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, beruht habe.
Am 7. Oktober 2019 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, der Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erst zum 1. August
2019 könne ihr nicht vorgeworfen werden. Ihr seien keine früheren Angebote unterbreitet worden. Auch wenn die Arbeitsunfähigkeit
ab dem 23. Mai 2017 auf schwangerschaftsbedingten Gründen beruht habe, hätte sie auch wegen der anerkannten Berufskrankheit
ihre berufliche Tätigkeit nicht weiter ausüben können. Die Beklagte habe der Klägerin weder Hinweise über Rechtsfolgen einer
Elternzeit gegeben, noch seien Ausbildungs- oder Umschulungsangebote unterbreitet worden. Die Berufserkrankung habe bereits
vor Beginn der Elternzeit festgestanden und die Elternzeit habe an der Berufserkrankung nichts geändert. Wenn das Verletztengeld
das Elterngeld nicht erhöhe, könne auch im Umkehrschluss das Elterngeld keinen Einfluss auf das Verletztengeld haben. Ab 15.
Oktober 2018 sei die Klägerin als Restauranthilfe geringfügig beschäftigt (Minijob 450 €).
Die Klägerin hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 5. Oktober 2020 angegeben, Verletztengeld ab dem 6. Dezember 2018, d.h. ab dem Tag der Antragstellung, zu beanspruchen.
Sie habe keinen Antrag auf Leistungen nach dem
SGB III gestellt, sondern habe sich an das Jobcenter gewandt. Von Seiten des Jobcenters sei aber wegen der Einkommensverhältnisse
ihres Lebensgefährten keine Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden. Das Arbeitsverhältnis bei der Bäckerei sei zum Ende der Elternzeit, damit zum 28. November 2018, aufgelöst
worden.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Oktober 2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
im Hinblick auf eine wegen der anerkannten Berufskrankheit bestehende Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor. Verletztengeld werde
jedoch erst von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt werde. Auch der Anwendungsbereich
des §
45 Abs.
2 Satz 1
SGB VII sei nicht eröffnet. Darüber hinaus erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen des §
45 Abs.
2 Satz 1 Nr.
2 SGB VII. Vor Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sei keine Heilbehandlung erfolgt.
Gegen das am 13. Oktober 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. November 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat
sie dargelegt, die Voraussetzungen eines Verletztengeldanspruchs seien gegeben. Bereits im Mai 2017 sei nach einem Lungentest
festgestellt worden, dass die Klägerin an einer unheilbaren Mehlstauballergie leide. Die Berufsunfähigkeit (Bäckerei) sei
festgestellt worden. In der Folge seien von der Beklagten auch Leistungen (Umschulungsmaßnahme) und eine Reha bewilligt worden.
Erst danach, nämlich am 6. Juni 2017, sei der Klägerin wegen der Schwangerschaft zusätzlich noch ein Berufsverbot erteilt
worden. Die nachträglich hinzugetretenen und die Berufsunfähigkeit wegen Mehlstauballergie überlagernden Schwangerschaftsprobleme
könnten dem Anspruch nicht entgegengehalten werden. Den Anspruch (nur) wegen der (fehlenden) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
zu versagen, sei übertriebener Formalismus, zumal diese Bescheinigung vordergründig der Beweiserleichterung dienen solle.
Es könne nicht sein, dass die Klägerin wegen Schwangerschaft, Schwangerschaftsproblemen und Elternzeit schlechter gestellt
werde, als wenn sie nicht schwanger geworden wäre. Ohne Schwangerschaft hätte die Klägerin nämlich unverzüglich nach Feststellung
der Berufsunfähigkeit den Antrag auf Verletztengeld stellen können und hätte für Umschulungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. Oktober 2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom
6. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2019 zu verurteilen, ihr auf den Antrag vom 6. Dezember
2018 Verletztengeld in gesetzlicher Höhe und Dauer zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erachtet das Urteil des SG für zutreffend und hält im Übrigen an ihrer Entscheidung fest.
Die Klägerin hat sich am 27. Oktober 2021 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Beklagte hat ihr Einverständnis mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2021 erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einvernehmen mit den Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§
153 Abs.
1 i.V.m. §
124 Abs.
2 SGG).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, nachdem Berufungsausschließungsgründe
(vgl. §§
143,
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG) nicht eingreifen.
Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 5. Oktober 2020 im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die auf Gewährung von Verletztengeld ab dem
6. Dezember 2018 gerichtete, als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin
hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld für den streitigen Zeitraum. Die Beklagte hat den entsprechenden Antrag
vom 6. Dezember 2018 mit Bescheid vom 6. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2019 rechtmäßig
abgelehnt.
Verletztengeld wird erbracht, wenn ein Versicherter infolge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist, unmittelbar vor
Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Arbeitseinkommen hatte (§
45 Abs.
1 SGB VII) und kein Beendigungstatbestand iS des §
46 Abs.
3 SGB VII vorliegt. Außerdem besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf sog Übergangs-Verletztengeld, wenn Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind (§
45 Abs.
2 SGB VII).
1.)
Die Klägerin hat - für die Zeit ab dem 6. Dezember 2018 - keinen Anspruch auf Verletztengeld gem. §
45 Abs.
1 SGB VII.
Gemäß §
45 Abs.
1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte (1.) in Folge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer
Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und (2.) unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit
oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld,
Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes
Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Mutterschaftsgeld hatten. Gemäß §
46 Abs.
1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des
Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Maßgebend
ist der Zeitraum, für den ärztlich Arbeitsunfähigkeit festgestellt wurde.
Als Versicherungsfall kommt hier ausschließlich eine BK 4301
BKV in Betracht. Mit dem als Verwaltungsakt zu wertenden Schreiben vom 30. Mai 2017 hat die Beklagte gemäß §
9 Abs.
4 SGB VII schon vor der Unterlassung der noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit verbindlich festgestellt, dass alle anderen Voraussetzungen
des Versicherungsfalls (mit Ausnahme der Unterlassung) erfüllt sind, so dass rechtlich verbindlich geklärt ist, dass mit der
zwischenzeitlich erfolgte Tätigkeitsaufgabe der Versicherungsfall vorliegt (BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 4/10 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr 5, Rn. 47).
a.)
Eine Arbeitsunfähigkeit infolge der BK 4301
BKV ist ab dem 6. Dezember 2018 nicht festzustellen.
Die erste entscheidende Voraussetzung zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist die Feststellung der zur Zeit des Versicherungsfalls
ausgeübten versicherten Tätigkeit. Der Versicherungsfall der BK 4301
BKV lag wie oben ausgeführt mit der erfolgten Tätigkeitsaufgabe gegen Ende Mai 2017 vor, so dass grundsätzlich das Berufsbild
der Konditorin maßgeblich ist. Im Dezember 2018 hatte die Klägerin ihre Tätigkeit als Konditorin indes bereits dauerhaft aufgegeben,
wobei dahingestellt bleiben kann, ob das Arbeitsverhältnis im Mai 2017 endete (so das Zeugnis des Arbeitgebers vom 1. Dezember
2017) oder zum Ende der Elternzeit, damit zum 28. November 2018, aufgelöst wurde (so die Angaben der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung vor dem SG). Wie die Klägerin der Beklagten bereits mit Schreiben vom 6. Juni 2017 mitgeteilt hatte, beabsichtigte sie, nach dem Ende
ihrer Elternzeit eine Umschulung durchzuführen.
Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles liegt anknüpfend an die Rechtsprechung zum Begriff der Arbeitsunfähigkeit
in der gesetzlichen Krankenversicherung vor, wenn ein Versicherter aufgrund der Folgen eines Versicherungsfalles nicht in
der Lage ist, seiner zuletzt ausgeübten oder einer gleich oder ähnlich gearteten Tätigkeit nachzugehen. Arbeitsunfähigkeit
ist danach gegeben, wenn eine Versicherte ihre zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübte Tätigkeit wegen
Krankheit nicht (weiter) verrichten kann (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 31/06 R , SozR 4-2700 § 46 Nr. 3, Rn. 12, mwN), wobei Krankheit jeder regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der ärztliche Behandlung
und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Köllner in Becker/Franke/Molkentin,
SGB VII, 5.§ 45, Rn. 3). Beschäftigungsverbote nach dem
Mutterschutzgesetz lösen keine Arbeitsunfähigkeit aus (Krasney in Krasney,
SGB VII, §
45, Rn. 30). Gibt die Versicherte - wie vorliegend - die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich der rechtliche Maßstab
insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend
sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Eine Versicherte darf dann
auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeit entsprechend
der Funktion des Kranken- bzw. Verletztengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um
einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufes liegende Beschäftigung aus.
Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muss, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen
Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten
Arbeit im Wesentlichen übereinstimmen, sodass der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann
(BSG - B 2 U 31/06 R -, a.a.O.). Nach §
46 Abs.
1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, oder mit dem Tag des
Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Mithin
ist die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Voraussetzung für die Zahlung von Verletztengeld (Köllner, a.a.O., Rn.
4).
Hieran fehlt es vorliegend für die streitige Zeit ab 6. Dezember 2018. Weder liegt in diesem Zeitraum eine BK bedingte ärztlich
festgestellte Arbeitsunfähigkeit für den Ausbildungsberuf der Bäckerin/Konditorin vor, noch vermag der Senat festzustellen,
dass die Klägerin infolge BK bedingter Heilbehandlungsmaßnahmen an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit gehindert
war. Eine konkrete Erkrankung - insbesondere auch eine Atemwegserkrankung -, die ab Dezember 2018 zu einer Arbeitsunfähigkeit
für den Bezugsberuf geführt haben könnte, wurde von der Klägerin für die streitige Zeit nicht einmal behauptet. Bei der Meldung
der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich aber um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht
rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen (für den Bereich des
SGB V: BSG, Urteil vom 8. Februar 2000 - B 1 KR 11/99 R -, BSGE 85, 271-278, SozR 3-2500, § 49 Nr. 4, SozR 3-2500, § 44 Nr. 7, SozR 3-2500 § 44 Nr. 7, Rn. 18).
Eine ärztlich bescheinigte (dauerhafte) Arbeitsunfähigkeit kann hier insbesondere nicht in der Stellungnahme der T vom Mai
2017 gesehen werden. Dies hat zwar eine Rhinopathie, im Sinne einer allergischen Rhinitis auf Weizenmehl (mit einer aktuellen
MdE von 10 v.H.) bestätigt und eine Berufsaufgabe für erforderlich gesehen. Sie hat jedoch weder Heilmaßnahmen wegen einer
beruflichen Erkrankung als angezeigt erachtet und insbesondere ausgeführt, so lange die Klägerin noch (als Bäckerin/Konditorin)
beruflich tätig sei, könne unterstützend eine kortikoidhaltiges Nasenspray verwendet werden. Eine damals bestehende, zur Arbeitsunfähigkeit
führende Erkrankung wurde also gerade nicht bescheinigt, so dass sich aus dieser Stellungnahme erst recht keine noch im Dezember
2018 bestehende Arbeitsunfähigkeit belegen lässt.
Entgegen der sinngemäßen Argumentation der Klägerin ergibt sich eine (dauerhafte) Arbeitsunfähigkeit für das Berufsbild der
Bäckerin/Konditorin auch nicht aus der verbindlichen Anerkennung einer BK 4301
BKV. Das Vorliegen einer BK bedingt grundsätzlich noch keine Arbeitsunfähigkeit. Dies gilt auch für BKen mit Unterlassungszwang
nach Aufgabe der Tätigkeit. Für die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit ist vielmehr der Nachweis einer gegenwärtigen Erkrankung
erforderlich, die hier im Dezember 2018 weder belegt ist, noch auch nur behauptet wird. Zwar hat T im Mai 2017 in ihrer Stellungnahme
eine Berufsaufgabe im Bezugsberuf als Bäckerin/Konditorin als erforderlich erachtet, die von der Klägerin dann auch umgesetzt
wurde. Diese Empfehlung erfolgte jedoch unter präventiven Gesichtspunkten, da eine akute Erkrankung von T gerade nicht festgestellt,
sondern vielmehr eine freie Nasenatmung beschrieben wurde. Die Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit kann zwar in einem Zeitraum
erfolgen, während dessen der Erkrankte bereits arbeitsunfähig ist, in diesem Fall tritt die Tätigkeitsaufgabe am ersten Tag
der Arbeitsunfähigkeit ein (BSG, Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 34/99 R -, SozR 3-5670, Anl. 1, Nr. 2108 Nr. 2, Rn. 24). Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch nicht, dass allein durch die Aufgabe
der Tätigkeit eine permanente Arbeitsunfähigkeit für die aufgegebene Tätigkeit belegt ist.
Versicherte, die - wie die Klägerin - eine gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil ihnen mit den herkömmlichen Präventionsmaßnahmen
nicht geholfen werden kann (§
3 Abs.
2 Satz 1
BKV), haben bei fehlender Arbeitsunfähigkeit zwar keinen Anspruch auf Verletztengeld gem. §
45 Abs.
1 SGB VII, aber unter den Voraussetzungen des §
3 Abs.
2 BKV Anspruch auf Übergangsleistungen. Letzteres hat die Beklagte mit Bescheid vom 30. August 2018, mit welchem sie Übergangsleistungen
beginnend ab dem 23. Mai 2017 bewilligt hat, grundsätzlich auch entsprechend umgesetzt. Soweit die dortige Bewilligung ausschließlich
das "1. Laufjahr" bis einschließlich Mai 2018 umfasst, hat die Beklagte allerdings bezüglich der Folgezeiten eine weitere
Prüfung zugesichert ("Im. 2 bis 5. Jahr kann je nach Sachverhalt eine Staffelung der Übergangsleistung in Frage kommen ...
Im Rahmen der Ermessenausübung wird darüber aber erst bei der Abrechnung des jeweiligen Laufjahres entschieden"). Inwieweit
sich hieraus ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Übergangsleistungen ergeben kann, war vom Senat nicht zur prüfen,
da zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Ablehnung von Verletztengeld
mit Bescheid vom 6. März 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2019 ist.
2.)
Ein Anspruch auf Verletztengeld ergibt sich auch nicht aus §
45 Abs.
2 SGB VII (sog. Anschlussverletztengeld). Ein Anspruch auf Verletztengeld nach §
45 Abs.
2 SGB VII setzt voraus, dass 1. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich sind, 2. diese Maßnahmen sich aus Gründen, die
die Versicherten nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar an die Heilbehandlung anschließen, 3. die Versicherten ihre bisherige
berufliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können oder ihnen eine andere zumutbare Tätigkeit nicht vermittelt werden kann
oder sie diese aus wichtigem Grund nicht ausüben können und 4. die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 2 erfüllt sind. Die
Regelung dient der Überbrückung einer nicht vom Versicherten zu vertretenden Wartezeit zwischen der Heilbehandlung und Leistungen
zur Teilhabe am Arbeitsleben (Fischer/Westermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl., §
45 SGB VII, Stand: 9. April 2021, Rn. 27; Schur in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, §
45 SGB VII, Rn. 16).
Zwar war hier bereits seit Mai/Juni 2017 die Erforderlichkeit von Teilhabeleistungen gegeben. Allerdings ist eine Heilbehandlung
der Klägerin, nach der eine Wartezeit zu überbrücken gewesen wäre, weder ersichtlich noch vorgetragen. Darüber hinaus lag
die Ursache, dass die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erst im August 2019 begonnen werden konnten, in von der Klägerin
zu vertretenden Gründen. Die Verzögerung nach Aufgabe der Beschäftigung als Konditorin bis zum Beginn der Umschulungsmaßnahme
hatte ihren Grund darin, dass die Klägerin vor Beginn der Leistungen zur Teilhabe ihr Recht auf Elternzeit in Anspruch nahm.
Zu vertretende Gründe sind solche im freien Entscheidungsbereich der Versicherten. Dies auch dann, wenn die Versicherte eigene
berechtigte und nachvollziehbare Belange verfolgt (z.B. die hier gegebene Verzögerung durch Elternzeit), sie also nicht missbräuchlich
oder vorwerfbar handelt; denn auch eine berechtigte Vorziehung privater Belange kann auf Grund einer in jedem Fall geltenden
Schadensminderungspflicht nicht zu Lasten des Unfallversicherungsträgers gehen (wie hier: Feddern in Kasseler Kommentar /,
115. EL Juli 2021,
SGB VII §
45 Rn. 17; Bereiter-Hahn/Mehrtens,
SGB VII, §
45, Rn. 23.2; Schmitt,
SGB VII, 3. Auflage, §
45, Rn. 15). Nicht zu vertreten sind hingegen hier nicht gegebene Gründe außerhalb des Einflusses der Versicherten, z.B. Krankheit,
fehlende Reha-Plätze, plötzlicher Tod naher Angehöriger.
3.)
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es jedenfalls im Dezember 2018 für einen Anspruch auf Verletztengeld sowohl
nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 als auch nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 im Übrigen auch an dem in §
45 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII geforderten, unmittelbaren zeitlichen Anschluss an einen Anspruch auf Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen mangelt. Für den
unmittelbaren zeitlichen Anschluss an einen Anspruch auf Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen reicht es aus, wenn eine der
in Abs. 1 Nr. 2 genannten Einkommensarten zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit die wirtschaftliche Lebensgrundlage des
Versicherten gebildet hat (BSG Urteil vom 26. Juni 2007 - B 2 U 23/06 R -, Juris, Rn. 11 ff). Maßgeblich ist, dass die Versicherten bei Beginn von einer der genannten Einkunftsarten, nicht etwa
von anderen Quellen (zB Vermögen, Renten, Sozialhilfe) gelebt haben (Feddern, a.a.O., Rn. 13), d.h. eine der genannten Einkommensarten
muss zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Versicherten gebildet haben (Krasney
in Krasney,
SGB VII, §
45, Rn. 44). Hierdurch wird die Einkommensersatzfunktion des Verletztengeldes hervorgehoben (Schmitt, a.a.O., Rn. 9). Selbst
wenn man hier zu Gunsten der Klägerin eine Arbeitsunfähigkeit ab Dezember 2018 entgegen den obigen Ausführungen und trotz
fehlendem Nachweis als gegeben unterstellt, fehlt es an den in §
45 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII genannten Vorbezugszeiten. §
45 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII regelt, dass ein Anspruch auf Verletztengeld nur dann besteht, wenn Versicherte unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit
oder der Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld,
Krankengeld der Sozialen Entschädigung, Krankengeld der Soldatenentschädigung, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld,
Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für
Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch oder Mutterschaftsgeld hatten. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage
bildete bis zum Bezug des begehrten Verletztengeldes jedoch keine der genannten Einkommensarten. Die wirtschaftliche Lebensgrundlage
der Klägerin lag vielmehr unmittelbar vor dem Zeitraum für den nunmehr Verletztengeld begehrt wird, neben dem Einkommen des
Ehemannes (welches nach eigenen Angaben der Klägerin dem Bezug von SGB II Leistungen entgegenstand), im bis einschließlich 28. November 2018 bezogenen Elterngeld in Höhe von 886,61 € monatlich. Beim
Elterngeld handelt es sich um keine der §
45 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII genannten Einkommensarten. Der dortige Katalog bildet eine abschließende Aufzählung und ist nicht im Wege der Analogie erweiterbar
(Sächsisches LSG, Urteil vom 18. März 2004 - L 2 U 62/02 -, juris, Rn. 49; Fischer in: jurisPK-
SGB VII, §
45, Rn 25; Schmitt, §
45 Rn. 11; Schur in: Hauck/Noftz, SGB, 01/17, §
45 SGB VII, Rn. 14).
Ein unmittelbarer zeitlicher Anschluss an einen Anspruch auf Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen ergibt sich ferner nicht
daraus, dass ein Anspruch auf Arbeitsentgelt im Sinne des §
45 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII auch bei einer zuvor - im Falle der Klägerin ab Oktober 2018 - ausgeübten geringfügigen Beschäftigung bestehen kann. Zum
einen bestand nämlich eine Arbeitsunfähigkeit für diese Tätigkeit nach eigenen Angaben der Klägerin nicht. Zum anderen fällt
das Entgelt aus einer geringfügige Beschäftigung nur dann unter §
45 Abs.
1 Nr.
2 SGB VII, soweit der Lebensunterhalt wesentlich auch aus dieser Beschäftigung bestritten wurde, sodass die lebensunterhaltssichernde
Funktion des Verletztengeldes zum Tragen kam (BSG, Urteil vom 20. August 2019 - B 2 U 7/18 R - SozR 4-2700 §
72 Nr. 2; Fischer/Westermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB VII, 2. Aufl., §
45 SGB VII, Stand: 9. April 2021, Rn. 23.1). Letzteres war hier wie bereits dargelegt nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.