Anspruch auf Gewährung von Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsrecht
Anerkennung eines Folgeschadens nach einem gesetzeskonformen Deal im Strafverfahren
Tatbestand
Die Klägerin begehrt wegen der Folgen einer Vergewaltigung vom 10. Oktober 2010 die Gewährung von Beschädigtengrundrente nach
dem Opferentschädigungsrecht.
Die 1979 in G./S. ehelich geborene Klägerin, die an einer angeborenen beidseitigen Schwerhörigkeit leidet, flüchtete mit ihrer
Familie 1984 über die ungarische Grenze nach Ö. und von da aus weiter in die Bundesrepublik D., wo sie 1985 die erste Wohnung
in St.-Z. bezog. Die Hauptschule verließ sie 2000 ohne Abschluss. Danach besuchte sie in L. ein berufspraktisches Jahr im
Bereich Bürokommunikation, das sie aber nach drei Monaten abbrach. 2001 begann sie schließlich eine Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte,
die sie erfolgreich abschließen konnte. Nach Ende der Lehrzeit starb der sie beschäftigende Rechtsanwalt 2004 an einem Schlaganfall,
nach ihrer Darstellung in ihren Armen. 2005 ging sie daraufhin als Au Pair in die U., kehrte aber nach drei Monaten wieder
nach D. zurück, um anschließend eine Au Pair-Tätigkeit in I. aufzunehmen, die wiederum nur sechs Wochen andauerte. Auch eine
Au Pair-Tätigkeit in D. wurde rasch beendet, da sie dort eigenen Angaben zufolge nur als Reinemachefrau eingesetzt wurde.
Ab Oktober 2006 übte sie eine Aushilfstätigkeit bei P. aus, die nach einem Jahr gekündigt wurde, woraufhin ein psychischer
Zusammenbruch einsetzte. In dieser Zeit nahm sie wieder mit ihrem leiblichen Vater Kontakt auf, der sich seinerzeit in einer
Suchtklinik aufhielt.
Bereits mit Bescheid vom 5. Dezember 2001 stellte der Beklagte einen Grad der Behinderung (GdB) von 60 fest (Schwerhörigkeit
beidseits - Teil-GdB 50, Bronchialasthma - Teil-GdB 10, Funktionsstörung der Schilddrüse - Teil-GdB 20).
Die Klägerin bezieht seit 2012 eine Erwerbsminderungsrente von zuletzt monatlich 428,32 €, zusätzlich hat sie Einkünfte aus
einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherungsrente i.H.v. 1.086,03 €.
Am Vorabend der Tat war die Klägerin alleine in einer Gaststätte in L., wo sie erhebliche Alkoholmengen zu sich nahm. Gegen
4.10 Uhr des 10. Oktobers 2010 nahm sie den Nachtliner-Bus. Dort wurde der türkischstämmige Täter auf sie aufmerksam, da sie
wegen eines akuten Asthmaanfalles hustete und Atemnot hatte. Sie stieg plangemäß an der Haltestelle aus, musste sich dann
hustend nach vorne beugen, woraufhin der Täter sie zudringlich in der Absicht anfasste, sie in den naheliegenden Park zu bringen,
was ihren Zustand noch verschlimmerte. Sie gab ihm deutlich zu erkennen, dass er sie in Ruhe lassen und weggehen solle, sagte
mehrfach zu ihm: "Lass mich". Der Asthma-Anfall verschlimmerte sich, so dass sie von Hustenkrämpfen geschüttelt auf dem Boden
kniete. Der Täter trat an die nun hilflose Klägerin heran, schob ihr T-Shirt hoch und fasste ihr zwischen den Beinen unter
die Strumpfhose und den Slip hindurch in den Genitalbereich, wobei er mit mindestens einem Finger zweimal hintereinander in
ihre Scheide eindrang. Er versuchte dann erneut, sie am Oberarm in Richtung Park zu führen. Sie drehte sich zu ihm um und
sagte: "Ich kenne dein Gesicht", ging dann fort, wobei ihr der Täter weiter folgte. Sie drehte sich erneut um, hielt den Täter
abwehrend in Schulterhöhe von sich und sagte: "Ich kenne dein Gesicht, lass mich in Ruhe", woraufhin der Täter stehen blieb
und die Klägerin flüchten konnte. Sie begab sich sofort nach Hause, wo sie noch draußen zusammenbrach. Von den Nachbarn wurde
die Polizei gerufen, die sie gegen 6.00 Uhr ins Klinikum L. begleitete, wo keine äußeren oder inneren Verletzungen festgestellt
werden konnten (Bericht vom 19. Oktober 2010).
Der verheiratete Täter, Vater von vier Kindern, der zur Tatzeit teilzeitbeschäftigt in einem Döner-Lokal war, wurde nach seinem
Geständnis aufgrund einer Verständigung mit Urteil vom 12. April 2011 durch das Landgericht Stuttgart (18 KLs 24 Js 100516/10) wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung
verurteilt. Die Aussetzung zur Bewährung wurde damit begründet, dass er wegen seiner mangelnden Deutschkenntnisse, der fehlenden
Kontaktmöglichkeit mit der Familie in der T. und der Sorge um den kranken Sohn besonders haftempfindlich sei und sich zur
Schadenswiedergutmachung bereit erklärt habe. Im Strafverfahren wurde die Klägerin durch den Psychiater und Psychotherapeut
Dr. P. am 8. Februar 2011 auf ihre Aussagetüchtigkeit begutachtet. Dieser hatte indessen, trotz der Diagnose einer emotional-instabilen
Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10 F 60.31), auch im Zusammenhang mit der Alkoholisierung (ca. 2 Promille zum
Tatzeitpunkt), die Klägerin als aussagetüchtig eingestuft.
Am 24. Mai 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem
Opferentschädigungsgesetz (
OEG), wobei sie angab, sie leide seit der Tat an Schlaf- und schweren Kontaktstörungen, Panikattacken, Dissoziationen und Angstzuständen.
Sie legte dem Beklagten verschiedene Entlassungsberichte vor. Ausweislich des Berichts des Klinikums L. über einen Aufenthalt
vom 12. bis 14. Dezember 2007 litt sie damals u. a. an einer Anpassungsstörung, eine akute Suizidalität konnte ausgeschlossen
werden. Am 11. September 2008 musste sie sich erneut nach einer Alkoholintoxikation mit Tabletteneinnahme in suizidaler Absicht
in stationäre Behandlung in das Klinikum L. begeben, wo die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeit gestellt wurde. Vom 5.
August bis 28. Oktober 2009 war sie in stationärer Behandlung in der psychiatrischen Abteilung des Universitätsklinikums F.,
diagnostiziert wurden eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10 F 60.31), pathologisches
Kaufen (ICD-10 F 63.9), eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (ICD-10 F 33.1), eine prämenstruelle
dysphorische Störung, eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter (ICD-10 F. 90.0), eine posttraumatische
Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) sowie ein Nikotin-Abusus (ICD-10 F 17.1). Die Selbstverletzungen der Klägerin bestünden
vor allem aus Schneiden und Brennen (mit Zigarettenstummeln an den Unterarmen und Unterschenkeln). Ein erstes Auftreten der
Borderlinespezifischen Symptomatik sei im Alter von 14 Jahren belegt, von da an imponiere eine deutliche Verschlechterung
mit fortwährender Progredienz seit 2004. Außerdem bestehe eine umrissene Ess-Problematik mit Fressanfällen und anschließendem
Erbrechen im Sinne einer Bulimie. In der Vorgeschichte fänden sich zwei Suizidversuche vor dem Hintergrund häuslicher Gewalt
des Vaters, die sich primär gegen Bruder und Mutter gerichtet habe, welche die Klägerin zu schützen versucht habe. Das schulische
Umfeld sei gekennzeichnet durch häufige Diskriminierungen aufgrund ihrer Hör- und Sprech- bzw. Sprachstörung.
Vom 30. November 2010 bis 22. Februar 2011 wurde die Klägerin stationär in dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit in
M. behandelt, die im Vordergrund eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F 43.1) sahen. Aufgrund der aktuellen Belastungen
durch die Gerichtsverhandlung sei eine konfrontative Trauma-Behandlung nicht möglich gewesen.
Der Beklagte hat die Klägerin erneut bei Dr. P. begutachten lassen. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass es bei der vorbestehenden
Borderline-Störung durch die Tat zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen sei. Die Klägerin sei in ihren psychischen
Erlebnis- und sozialen Gestaltungsmöglichkeiten zwar schon vor Eintritt des Übergriffs in weitreichendem Ausmaß durch ihre
psychische Störung beeinträchtigt gewesen. Von der psychischen Vorschädigung könne aber die durch die Tat verursachte Verschlimmerung
aufgrund der neu hinzugekommenen Symptome klar abgegrenzt werden. Gegenwärtig zeige sie in Anbetracht der unmöglichen Integration
in den allgemeinen Arbeitsmarkt wie der sehr eingeschränkten Teilhabe schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten, so dass ein
Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 80 medizinisch gut begründbar sei. Der Übergriff begründe jedoch angesichts der vorbestehenden
Erkrankungen einschließlich des schädlichen Alkoholmissbrauchs wie den verstärkten Selbstverletzungen, die ihrerseits nur
einen GdS von 60 begründeten, nur einen schädigungsbedingten Anteil von 20.
Daraufhin erkannte der Beklagte mit Erstanerkennungsbescheid vom 6. März 2013 eine posttraumatische Belastungsstörung im Sinne
der Entstehung als Folge der Gewalttat vom 10. Oktober 2010 an, wobei der dadurch bedingte GdS 20 betrage und daher der Klägerin
eine Beschädigtengrundrente nicht zustehe, wohingegen sie Anspruch auf Heilbehandlung ab dem 10. Oktober 2010 habe. Der nicht
begründete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. August 2013).
Hiergegen hat die Klägerin am 18. September 2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, die sie ebenfalls nicht begründet hat.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat es einen Befundbericht vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit M. angefordert,
wo sie zuletzt vom 22. Oktober 2013 bis 14. Januar 2014 behandelt worden ist. Der Übergriff ist für einen zentralen Auslöser
der posttraumatischen Belastungsstörung erachtet worden, wodurch allein ein GdS von 80 begründet werde. Das SG hat die Klägerin anschließend nervenärztlich begutachten lassen.
Der Sachverständige Dr. St. ist in seinem Gutachten aufgrund der Untersuchungen vom 6. Juni und 4. Juli 2016 zu dem Ergebnis
gelangt, dass im Vordergrund nach wie die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ stehe. Dazu gekommen
sei aufgrund der Tat eine posttraumatische Belastungsstörung. Bereits seit Kindheit und Jugend habe die Klägerin an Störungen
der Affektivität gelitten und sei im Umgang mit anderen Menschen auffällig gewesen, auch seien Selbstbeschädigungshandlungen
seit der Kindheit zu beobachten gewesen. Bereits vor dem schädigenden Ereignis sei eine posttraumatische Belastungsstörung
zu diagnostizieren gewesen, die auf Gewalthandlungen und sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend habe zurückgeführt werden
können. Bei der anerkannten Tat des sexuellen Missbrauchs handele es sich um ein kurzes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung,
wobei danach sämtliche Diagnosekriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung erfüllt seien. Nicht nur das schädigende
Ereignis, sondern das Erleben des Gerichtsverfahrens hätten zu einer weiteren psychischen Beeinträchtigung geführt. Denn die
Klägerin sei im Strafverfahren nicht persönlich angehört, nur auf ihre Aussagetüchtigkeit begutachtet worden. Sie leide darunter,
dass der Täter nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei. Die Verschlechterung im Rahmen des Gerichtsverfahrens
könne aber nicht als Folge des schädigenden Ereignisses eingestuft werden, so dass der durch die Tat begründete GdS bei 20
liege.
Gestützt hierauf hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2016 mit der Begründung abgewiesen, die Annahme des GdS mit 20 sei angesichts
der Gewichtung der bestehenden Vorbeeinträchtigungen und der aktuellen Funktionsstörungen, die Dr. St. herausgearbeitet habe,
angemessen. Der aktuell festgestellte Gesundheitszustand sei um die weitergehende Verschlimmerung der Situation durch das
Erleben des Gerichtsverfahrens zu bereinigen.
Gegen den am 6. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2. Januar 2017 Berufung beim Landessozialgericht
Baden-Württemberg eingelegt, zu deren Begründung sie vorgetragen hat, auch das Zentralinstitut für seelische Gesundheit in
M. habe einen GdS von 80 befürwortet. Dr. St. habe sein unfachmännisches Gefälligkeitsgutachten erstellt und nur auf das Studium
der Akten gestützt.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. November 2016 und den Bescheid vom 6. März 2013 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtengrundrente nach
dem
Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 80 ab 10. Oktober 2010 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat Dr. St. erneut mit einer Begutachtung beauftragt. Dieser ist zunächst
in seinem Gutachten vom 19. Mai 2017 zu dem Ergebnis gelangt, dass das von der Klägerin kritisierte Verhalten des Vorsitzenden
der Strafkammer und das Ergebnis des Urteils im Sinne eines Nachschadens nicht zu werten seien, so dass sich an seinem ursprünglichen
Gutachten keine Änderungen ergäben. Auf weitere Nachfrage hat er am 31. Juli 2017 dargelegt, dass unter Berücksichtigung der
zusätzlichen Folgen des Strafprozesses und der damit einhergehenden Verschlechterung bei bekannten weiteren deutlichen psychischen
Funktionseinschränkungen vor der Tat der GdS insgesamt auf 30 geschätzt werden müsse.
Daraufhin hat der Beklagte ein Vergleichsangebot unterbreitet, wonach der GdS 20 ab 1. Oktober 2010 und 30 ab 1. April 2011
betrage. Dieses hat die Klägerin nicht angenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und
zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§
143, §
144 Abs.
1 SGG), aber nur teilweise begründet.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 30. November 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 und 4
SGG; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 72 f.) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März
2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2013 die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtengrundrente
nach dem
OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) verfolgt hat, abgewiesen wurde. In einer dem Opferentschädigungsrecht zuzuordnenden Konstellation wie der vorliegenden,
bei der sich die Klägerin im Strafverfahren entgegen ihres Wunsches nicht äußern konnte, ist die erstinstanzliche Entscheidung
durch Gerichtsbescheid indes der Bedeutung der mündlichen Verhandlung und der Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern im sozialgerichtlichen
Verfahren nicht gerecht geworden. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für Leistungsklagen
grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 <124>; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum
SGG, 12. Aufl. 2017, §
54 Rz. 34), welche am 7. Dezember 2017 stattfand.
Die Berufung ist nur insoweit begründet, als die Klägerin die Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach einem GdS von 30
ab 1. April 2011 erstrebt hat. Der Bescheid vom 6. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2013
ist insoweit rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (§
54 Abs.
2 Satz 1
SGG), da sie eine Leistung nach einem rentenberechtigenden GdS von 30 ab 1. April 2011 beanspruchen kann. Im Übrigen ist sie
aber hinsichtlich eines höheren GdS unbegründet.
Rechtsgrundlage für den von ihr geltend gemachten Anspruch ist §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der
Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des
OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine
oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung
umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS - bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit <MdE> bezeichnet - nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen,
welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind,
in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer
GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25, besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung
(vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, [...], Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Für einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtengrundrente nach dem
OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 <208 ff.>):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, [...], Rz. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des
OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander
verbunden sind. In Altfällen, also bei Schädigungen zwischen dem Inkrafttreten des
Grundgesetzes am 23. Mai 1949 und dem Inkrafttreten des
OEG am 16. Mai 1976 (BGBl I S. 1181), müssen daneben noch die besonderen Voraussetzungen gemäß §
10 Satz 2
OEG in Verbindung mit §
10a Abs.
1 Satz 1
OEG erfüllt sein. Nach dieser Härteregelung erhalten Personen, die in diesem Zeitraum geschädigt worden sind, auf Antrag Versorgung,
solange sie allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt und bedürftig sind sowie im Geltungsbereich des
OEG ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Eine Schwerbeschädigung liegt nach § 31 Abs. 2 BVG vor, wenn ein GdS von mindestens 50 festgestellt ist. Versorgung nach §
10a Absatz
1 Satz 1
OEG erhalten auch Personen, die in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zum Zeitpunkt der Schädigung hatten, wenn die Schädigung
in der Zeit vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in dem vorgenannten Gebiet eingetreten ist (§
10a Abs.
1 Satz 2
OEG).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von
subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst
(vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m. w. N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und
verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des
OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden.
Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger
oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist,
wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das
Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m. w. N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des §
240 Strafgesetzbuch (
StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des §
1 Abs.
1 Satz 1
OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen
ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m. w. N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person
zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung
reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, [...], Rz. 23 ff.).
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das
OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen)
des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß §
6 Abs.
3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere
auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen
des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen.
Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit
ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a. a. O., § 128
Rz. 3b m. w. N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen
Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, [...], Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles
nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die
volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a. a. O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang
spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m. w. N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang
(vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, [...], Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung
des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit
ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt,
wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden
Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a. a. O., Rz. 3d m. w. N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen
hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m. w. N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht,
wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache
sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a. a. O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände
besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer
den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben
reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings
mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§
128 Abs.
1 Satz 1
SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche
Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten
für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2
SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, [...], Rz. 17).
Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtengrundrente wegen der
Folgen der Vergewaltigung vom 10. Oktober 2010 als Gewalttat im Sinne des §
1 OEG, die nach dem Geständnis des damaligen Täters sowie dessen strafrechtlicher Verurteilung zweifelsfrei feststeht und von dem
Beklagten demzufolge mit dem Bescheid vom 6. März 2013 auch zutreffend berücksichtigt wurde. Problematisch ist nur, inwieweit
die psychische Störung allein, wie dies im Zentralinstitut für seelische Gesundheit angenommen worden ist, der Tat angelastet
bzw. ob zu einem Vor- oder Nach- bzw. Folgeschaden abzugrenzen ist.
Der Beklagte hat demzufolge mit dem Erstanerkennungsbescheid zunächst zutreffend festgestellt, dass die Klägerin als Folge
der Gewalttat eine posttraumatische Belastungsstörung ausgebildet hat. Diese Feststellung ist bindend (§
77 SGG) und auch keine rechtlich unzulässige Elementenfeststellung, vielmehr können nach §
55 Abs.
1 Halbsatz 1 Nr.
3 SGG sowohl die Sozialgerichte Feststellungsurteile mit diesem Inhalt erlassen als auch gleichermaßen die Behörden der Versorgungsverwaltung
entsprechende Anerkennungsbescheide erlassen. Mit diesem Bescheid ist auch bindend festgestellt, dass zwischen der gesundheitlichen
Schädigung und den gesundheitlichen Einbußen der Klägerin der von §
1 Abs.
1 OEG geforderte Ursachenzusammenhang besteht.
Der Senat hätte auch inhaltlich keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Klägerin schädigungsbedingt an dieser Erkrankung
leidet. Dass bei ihr eine im Vollbild ausgebildete PTBS vorliegt, haben die beiden Sachverständigen überzeugend dargelegt.
Sie haben dabei im Einklang mit der Rechtsprechung anerkannte Diagnosemethoden, insbesondere die ICD-10 GM, angewandt, und
ihre Einordnungen an Hand der erhobenen Symptomatik nachvollziehbar begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht
in Bezug auf den vorliegend ob der ausreichend vorhandenen medizinischen Dokumente zu fordernden Vollbeweis für eine Schädigungsfolge
fest, dass die Klägerin seit der Tat vom 10. Oktober 2010 als materiell-rechtlicher Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - B 9/9a VG 1/07 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 5, Rz. 17) auf psychiatrischem Fachgebiet schädigungsbedingt
nur an einer im Vordergrund ihrer psychischen Funktionsstörungen stehenden, sich verschlimmerten posttraumatische Belastungsstörung
(ICD-10-GM-2017 F43.1) leidet, deren erste Episode aber bereits 2009 in der F. Klinik, aber auch in der M.-B.-Klinik erhoben
wurde, wie sie dies zuletzt Dr. St. dargelegt hat. Demgegenüber kann die rezidivierende psychische Störung, die zum Zeitpunkt
der gerichtlichen Begutachtung so remittierend war, dass noch nicht einmal das Ausmaß einer leichten depressiven Episode bestand,
ebenso wenig auf die Tat zurückführt werden wie die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ.
Die posttraumatische Belastungsstörung ist nach der von der Weltgesundheitsorganisation herausgegebenen Internationalen statistischen
Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme in ihrer aktuellen und international gültigen Ausgabe ICD-10,
Version 2017 (ICD-10-GM-2017) als "F43.1" kodiert und bezeichnet eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes
Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß,
die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in
sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Albträumen, die vor dem Hintergrund eines
andauernden Gefühls von betäubt sein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die
wenige Wochen bis Monate dauern kann. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht
dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung (ICD-10-GM-2017 F62.0) über. Kriterien für die Diagnosestellung sind (vgl.
Schnyder, MedSach 2003, S. 142 <143 f.>) ein Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß, das nahezu
bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde (A-Kriterium), Wiedererleben: Erinnerungen tagsüber, Träume, Flashbacks,
Bedrängnis bei Konfrontation mit ähnlichen Ereignissen (B-Kriterium), Vermeidung von Umständen, welche der Belastung ähneln
(C-Kriterium), Amnesie oder erhöhte Sensitivität und Erregung: mindestens zwei der folgenden Merkmale: Schlafstörungen, Reizbarkeit
oder Wutausbrüche, Konzentrationsstörungen, Hypervigilanz, erhöhte Schreckhaftigkeit (D-Kriterium) sowie das Auftreten in
der Regel innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis (E-Kriterium). Nach diesem Diagnosesystem orientiert sich die vertragsärztliche
Behandlung (Urteil Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, [...], Rz. 36). Es ist daher in erster Linie auch von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie den Sachverständigen
anzuwenden, da es die nachvollziehbare Feststellung einer konkreten psychischen Gesundheitsstörung unter Verwendung eines
üblichen Diagnosesystems sowie des dortigen Schlüssels und der Bezeichnungen ermöglicht. Zur Feststellung einer posttraumatischen
Belastungsstörung herangezogen wird auch das von der American Psychiatric Association in den Vereinigten Staaten von Amerika
herausgegebene Diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen, seit 1996 auch auf Deutsch; die Textrevision der
vierten Auflage wurde 2000 veröffentlicht (DSM-IV-TR). Nach DSM-IV-TR 309.81 ist das so genannte "Trauma-Kriterium", das A-Kriterium,
eingängiger gefasst. Danach ist Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung die Entwicklung charakteristischer Symptome
nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte
persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen
Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (A1-Kriterium). Es muss ein extremes, lebensbedrohliches Ereignis tatsächlich
stattgefunden haben (Foerster/Leonhardt, MedSach 2003, S. 146 <147>). Bezüglich des Erlebnisses ist eine Reaktion von Angst,
Hilflosigkeit oder Grauen zu verlangen (A2-Kriterium). Weitere Kriterien sind (vgl. Schnyder, a. a. O.) ständiges Wiedererleben
des traumatischen Ereignisses (B-Kriterium), anhaltendes Vermeiden spezifischer Stimuli, welche an das Trauma erinnern (C-Kriterium),
Angst oder erhöhtes Erregungsniveau (D-Kriterium), Dauer mindestens ein Monat (E-Kriterium) sowie erhebliches Leiden oder
Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen (F-Kriterium). Die seit Mai 2013 dem DSM-IV-TR
folgende, nunmehr in deutscher Sprache vorliegende 5. Auflage des Diagnostischen und statistischen Manuals (DSM-5) steht dem
an sich nicht entgegen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, a. a. O., Rz. 40; Widder/Dreßing/Gonschorek/Tegenthoff/Drechsel-Schlund, MedSach 2016, S. 156 ff.). Unter das A-Kriterium
wird nunmehr allerdings auch die Erfahrung wiederholter oder extremer Konfrontation mit aversiven Details von einem oder mehreren
derartigen traumatischen Ereignissen (z. B. Ersthelfer, die menschliche Leichenteile aufsammeln, oder Polizisten, die wiederholt
mit schockierenden Details von Kindesmissbrauch konfrontiert werden) gefasst. Damit löst sich, ohne dies deutlich zu machen,
die DSM-5 deutlich von der historischen Entwicklung der Erfassung seelischer Folgen schwerer Traumatisierung in den psychiatrischen
Klassifikationsschemata, welche nicht zuletzt unter dem Druck der Veteranen des 1955 begonnenen Vietnamkrieges erfolgte, denen
ganz unzweifelhaft permanente lebensbedrohliche Ereignisse widerfuhren und die Gräueltaten mit anblicken mussten (vgl. Hirschmüller,
MedSach 2003, S. 137 <140>). Hiervon unterscheidet sich der Fall der Klägerin. An dem Diagnosesystem DSM-5 wird im fachmedizinischen
Schrifttum zudem die fehlende Validität bemängelt (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, a. a. O., Rz. 41). Da die exakte psychische Diagnose es nachvollziehbar machen muss, warum und in welchem Ausmaß eine
Person psychisch krank ist, ist das DSM-5 besonders bei der posttraumatischen Belastungsstörung nicht geeignet, diese Nachvollziehbarkeit
zu gewährleisten (Urteil des Senats vom 27. August 2015 - L 6 VS 4569/14 -, a. a. O., Rz. 42).
Nach beiden Diagnosesystemen, also nach ICD-10-GM-2017 und DSM-IV-TR liegen vorliegend die Voraussetzungen für eine Diagnosestellung
(vgl. hierzu auch Urteile des Senats vom 26. Juni 2014 - L 6 VU 2236/13 ZVW -, vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 -, und vom 28. Juli 2016 - L 6 U 1013/15 -, jeweils [...]) vor.
Teile der Auswirkungen der posttraumatischen Belastungsstörung sind zwar vorbestehend auf Gewalterfahrungen in der Kindheit
bzw. eine mögliche Vergewaltigung von ihrem Ex-Freund 1999 zurückzuführen, was im Verwaltungsverfahren Dr. P., dessen Gutachten
der Senat nach §
118 Abs.
1 SGG i.V.m. §
415 Zivilprozessordnung -
ZPO - verwertet hat, ausgeführt hat und für dessen Richtigkeit spricht, dass die Klägerin deswegen bereits zahlreiche Behandlungen
auch stationärer Art durchführen musste,. Das deckt sich mit der Einschätzung des Universitätsklinikums F., wonach die damals
diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung ebenfalls auf Gewalthandlungen und sexuelle Übergriffe in der Kindheit
und Jugend zurückgeführt wurden. Darüber hinaus haben sich die Angaben der Klägerin insoweit verifizieren lassen, als ihr
Vater ein Alkoholproblem hatte, was Dr. St. nach Auswertung der Akte bestätigen hat. Denn nach den Angaben des ambulant behandelnden
Arztes für psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. L. war ihre Mutter dort einmal mit dem alkoholisierten Vater vorstellig,
also in einer sozial völlig unangemessen Situation.
Dass die Tat des sexuellen Missbrauchs im Oktober 2010 als kurzes Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung dennoch zu einer
erheblichen Verschlimmerung im Gesundheitszustand der Klägerin geführt hat, ergibt sich daraus, dass bereits kurz nach der
hier angeschuldigten Tat eine tiefgreifende Verzweiflung deutlich wurde. Dies wird zur Überzeugung des Senats durch die Auffälligkeiten
in der Frauenklinik in L. direkt nach der Tat und den späteren Vernehmungsprotokollen belegt, in der Folge von Dr. L. bestätigt,
der auf einen stockenden und unzusammenhängenden Bericht hinwies, so dass Dr. St. ebenso wie Dr. P. zutreffend davon ausgegangen
sind, dass das A-Kriterium erfüllt ist. Die Klägerin hat weiter über anhaltende Flashbacks, beispielsweise den Geruch von
Döner, der vom Täter ausging, und das Brummen eines Busses berichtet. was sie an die Tat erinnere. Diese sensorischen Reize
lösen entsprechende Erinnerungen mit emotionaler Belastung aus und haben sich nach der Tat erheblich verstärkt. Das schädigende
Ereignis vom 10. Oktober 2016 steht nach der Exploration von Dr. St. jetzt im Mittelpunkt, so dass das B-Kriterium ebenfalls
als erfüllt anzusehen ist. Die Klägerin vermeidet alle Situationen, die zu einer Änderung führen könnten, wie beispielsweise
das Essen oder das Vorbeigehen an Döner-Ständen. Sie hat ihren Wohnort gewechselt, um dem Täter nicht mehr zu begegnen. Sie
lehnt körperliche Kontakte generell ab, kann sich selbst von ihren Freundinnen nicht mehr in der Arm nehmen lassen, so dass
das C-Kriterium ebenfalls erfüllt ist. Weiter lässt sich bei ihr eine erhöhte Schreckhaftigkeit feststellen, Konzentrationsstörungen
und eine Reizbarkeit mit Wutausfällen imponieren, die allerdings persönlichkeitsbedingt schon zuvor vorlagen, jetzt aber in
verstärkter Form. Sie berichtete über entsprechende Ein- und Durchschlafstörungen, die bereits nach kurzer Zeit nach dem schädigenden
Ereignis auffällig wurden, so dass weiter die D- und E-Kriterium erfüllt sind. Insgesamt gesehen liegt daher eine posttraumatische
Belastungsstörung im Vollbeweis vor, die in Anteilen rechtlich wesentlich auf das schädigende Ereignis zurückgeführt werden
kann, was die Gutachter ebenso überzeugend dargelegt haben.
Zutreffend sind beide Sachverständigen zu der Einschätzung gelangt, dass in der sozialen Interaktion und den zwischenmenschlichen
Kontakten seit dem schädigenden Ereignis eine deutliche Störung aufgetreten ist, da die Klägerin, die früher Beziehungen unterhalten
konnte, inzwischen nur für sich lebt und Beziehungen sowie jeden Körperkontakt ablehnt, mittlerweile sogar in einer betreuten
Wohngruppe leben muss. Die Sachverständigen Dr. P., dessen Gutachten der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat,
ebenso der Gerichtssachverständige Dr. St. haben deswegen zutreffend aufgrund der Krankheitsbiographie der Klägerin herausgearbeitet,
dass die Tat zu einer erheblichen Verschlimmerung des Gesundheitszustandes geführt hat.
Demgegenüber kann, worauf Dr. St. zutreffend hingewiesen hat, nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass es durch die Tat
zu einer Intensivierung der Selbstbeschädigungstendenzen gekommen ist, wie dies typisch für die Vorerkrankung einer Borderline-Störung
ist. Die Klägerin hat bereits vor dem schädigenden Ereignis an erheblichen psychischen Problemen gelitten, die zu mehreren
stationären Aufenthalten geführt haben, zuletzt in der Psychiatrischen Universitätsklinik F. 2009. Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen
stand damals die Borderline-Persönlichkeitsstörung, was auch Anlass für die Begutachtung durch Dr. P. vom März 2011 für das
Landgericht Stuttgart zur Klärung der Aussagetüchtigkeit der Klägerin war. Zwar geht das Bestehen von Zweifeln, ob schon vor
der Gewalttat Krankheitssymptome vorhanden waren oder ob andere Ursachen die Krankheit herbeigeführt haben, grundsätzlich
nicht zulasten des Opfers (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 9/9a RVg 4/92 -, SozR 3-3800 § 1 Nr. 4). Das gilt aber nur, wenn das Vorhandensein von Krankheitssymptomen zweifelhaft ist, also nicht
(wie hier) feststeht (so zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14. Oktober 2015 - L 4 VG 20/14 -, [...], Rz. 29). Bei der Klägerin geht aus sämtlichen Entlassungsberichten hervor und steht deswegen im Vollbeweis fest,
dass sie an einer Borderline-Störung leidet, die zum Tatzeitpunkt nicht ausgeheilt war. Sie musste auch vor dem Ereignis immer
wieder gegen Alkohol und den Drang, sich selbst zu verletzen und zu ritzen, ankämpfen.
Zu Recht hat Versorgungsarzt Dr. G. weiter darauf hingewiesen, dass die Beschwerden der Klägerin sich mit den Symptomen der
Borderline-Persönlichkeitsstörung überschneiden oder typischerweise durch diese verursacht sind, wie der soziale Rückzug,
die dissoziativen Symptome, die Identitätsstörung und die Selbstverletzungstendenzen. Auch die emotional instabile Persönlichkeitsstörung
vom Borderline-Typ (ICD-10 F 60.31) ist ebenso wie die rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode
(ICD-10 F 33.1), mit immerhin zwei Selbstmordversuchen, vorbestehend, was der Senat nicht nur den beiden Gutachten, sondern
auch den vorgelegten Entlassungsberichten entnimmt. Die Klägerin hat zwar behauptet, dass sie nach der letzten Behandlung
2009 geheilt worden sei. Dafür fehlen aber jegliche belastungsfähigen Nachweise. Zwar hat die behandelnde Oberärztin PD Dr.
Ph. anlässlich der Entlassung der Klägerin vom 28. Oktober 2009 ausgeführt, dass sich unter der spezifischen Therapie der
Selbstverletzungsdrang sowie die Suizidalität gut reduzieren ließ, nach wie vor bestanden aber ausgeprägte Albträume und Flashbacks,
die Klägerin sollte eine intensive Therapie angehen und es wurden Maßnahmen zur Stabilisierung im häuslichen Umfeld angeraten.
Auch die Medikation bei Entlassung belegt, dass keinesfalls eine Heilung eingetreten ist, sondern dass die mehrmonatige Behandlung
nur einen teilweisen Erfolg gebracht hat. Dies ist vor dem Hintergrund der langjährigen Chronifizierung der psychischen Störungen
für den Senat nachvollziehbar. Denn bereits ihre Mutter berichtete im Schwerbehindertenverfahren, dass bei der Klägerin seit
der Kindheit und Jugend Störungen der Affektivität vorliegen, was sie ihr Leben lang begleitet hat. Es werden immer wieder
Zustände von starker Wut und auch Aggressivität mit autoaggressiven Handlungen berichtet. Dies hat ihr Partnerschaftsverhalten
beeinflusst, so dass sie nur zu einer einzigen längeren Partnerschaftsbeziehung in der Lage war, sich auch in Schul- und Ausbildungszeit
auffällig zeigte und letztlich beruflich keinen Fuß gefasst hat. Deswegen ist insbesondere Dr. St. zutreffend unter Zugrundelegung
der Krankheitsgeschichte davon ausgegangen, dass bei der Klägerin eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ
vorbestehend war.
Aus diesem Grund konnte sich der Senat von der Richtigkeit der abweichenden Einschätzung des Prof. Dr. B. vom Zentralinstitut
für seelische Gesundheit nicht überzeugen, der die posttraumatische Belastungsstörung der Klägerin allein auf das schädigende
Ereignis zurückgeführt hat und einen GdS von 80 für angemessen beurteilte, worauf sie sich mit ihrem Berufungsbegehren stützt.
Dies mag dem therapeutischen Ansatz des Behandlers im Gegensatz zu der forensischen Betrachtung des Sachverständigen, dem
nicht nur die Schilderungen des Patienten, sondern auch die Akten zur Beurteilung zur Verfügung stehen, geschuldet sein und
war deswegen für den Senat angesichts der massiven Vorschädigungen nicht überzeugend. Deswegen ist es insgesamt nur gerechtfertigt,
für die Tat selbst einen schädigungsbedingten GdS von 20 anzunehmen und diesen mit 30 ab 1. April 2011 als Leistungsbeginn
festzusetzen.
Die Regelungen über die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des GdS sind in der nach § 30 Abs. 16 BVG vom BMAS erlassenen Rechtsverordnung, der Versorgungsmedizinverordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), enthalten. Die Anlage zu § 2 VersMedV, die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG), sind seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008
im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für
die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht" (AHP) getreten (Urteil des Senats vom 27. August 2015 -
L 6 VG 2141/13 -, [...], Rz. 48). Die Bewertung der aus einer psychischen Erkrankung folgenden Einbußen sind dabei in Teil B Nr. 3.7 VG
geregelt.
Diese Vorschriften stellen - in diesem Krankheitsbereich - allein auf die funktionellen Einbußen ab, die aus der Erkrankung
folgen. Zumindest im Rahmen einer Leistungsklage wie hier ist es für die Bewertung der Beeinträchtigungen mit einem GdS nicht
zwingend notwendig, die Erkrankung oder Behinderung auf Grund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der
dortigen Schlüssel zu bezeichnen. Dies ist nur im Rahmen einer Feststellungsklage nach §
55 Halbsatz 1 Nr. 3
SGG bzw. einer entsprechenden Klage auf behördliche Feststellung notwendig (Urteil des Senats vom 12. Januar 2017 - L 6 VH 2746/15 -, [...], Rz. 55). Gleichwohl kann die Diagnose im Rahmen der Bewertung mit einem GdS Bedeutung haben, wenn auch sie - also
bereits auf medizinischem Gebiet - an das Ausmaß der Symptome, soweit es sich um Funktionsbeeinträchtigungen handelt, anknüpft.
Dies gilt z.B. für die verschiedenen Grade depressiver Episoden (F32. und F33. ICD-10 GM). Dagegen hat die Diagnose einer
PTBS (F43.1 ICD-10 GM) keine Bedeutung für die Bewertung der funktionellen Einbußen. Insbesondere folgt aus dem Beschluss
des Sachverständigenbeirats "Versorgungsmedizin" beim BMAS vom 6./7. November 2008 nicht, dass der GdS "mindestens 30" beträgt,
soweit eine PTBS im Vollbild vorliegt (Urteile des Senats vom 23. Juni 2016 - L 6 VH 4633/14 -, [...], Rz. 96, und vom 12. Januar 2017 - L 6 VH 2746/15 -, [...], Rz. 56).
Die Bemessung des GdS, welche nach den gleichen Grundsätzen wie diejenige des GdB erfolgt (Teil A, Nr. 2 a der Anlage zu §
2 VersMedV), ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe, wobei lediglich die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen
unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - B 9 SB 3/09 R -, [...], Rz. 16 m. w. N.). In Anlehnung an die VG, Teil B, Nr. 3.7, wonach Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und Folgen
psychischer Traumen bei mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem GdS von 50 bis 70 und mit schweren sozialen
Anpassungsschwierigkeiten mit einen GdS von 80 bis 100 zu bewerten sind, rechtfertigen die auf die Tat zurückführenden psychischen
Störungen seit 10. Oktober 2010 und die dadurch begründeten Funktionsstörungen nur einen GdS von 20 bis und seit Beendigung
der Strafgerichtverhandlung von 30, auch wenn die Klägerin ganz unzweifelhaft an schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten
leidet, die einen GdS von 80 rechtfertigen.
Derartige soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen vom Wortlaut des Begriffs her nur dann vor, wenn der behinderte Mensch
im üblichen Umgang mit anderen Personen Auffälligkeiten hat, die zu einer Zurückweisung durch andere und damit besonderen
Schwierigkeiten beim Leben in der Gemeinschaft führen kann. Eine solche Funktionseinbuße, zumindest wenn sie schwergradig
im Sinne eines GdS von 80 oder mehr sein soll, ist in der Regel mit einer erheblichen Störung der Alltagsgestaltung und ggfs.
einem Bedarf an Hilfestellungen bei sozialen Aktivitäten verbunden (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 6. März 2013 - L 4 VG 11/11 -, [...], Rz. 45). Davon ist bei der stark sozial desintegrierten Klägerin auszugehen, die seit der Tat erwerbsgemindert
ist, ihren Lebensschwerpunkt umgehend verlagern musste und direkt nach dem schädigenden Ereignis auf die intensive Betreuung
ihrer Mutter angewiesen war, nicht mehr alleine leben konnte, sodass sie mittlerweile sogar in einer betreuten Wohngruppe
in K. lebt.
Schädigungsbedingt ist der Anteil hieran aber nach der Tat nur mit einem GdS von 20 anzunehmen, wie oben dargelegt. Dass die
psychischen Schäden in vollem Umfang ausschließlich der Tat angelastet werden können, wie dies Prof. Dr. B. angenommen hat,
ist für den Senat in Übereinstimmung mit den Sachverständigen angesichts der Vorerkrankungen nicht überzeugend dargelegt.
Bei der Klägerin ist nun ab 1. April 2011 der Folgeschaden in Form der traumatisierenden Strafverhandlung hinzugekommen, dessen
Folgen einen weiteren GdS von 10 begründen, wie dies Dr. St. und ihm folgend der Versorgungsarzt Dr. G. gesehen haben und
damit rentenberechtigend ist, was das SG verkannte. Insoweit liegt kein entschädigungsunfähiger Nachschaden vor, der sich unabhängig von der Schädigung oder den Schädigungsfolgen
entwickelt hat (vgl. dazu Knickrehm, a. a. O., § 1 Rz. 24; BSG, Urteil vom 8. Oktober 1987 - 4b RV 49/86, SozR 3100 § 30 Nr. 71). Denn ein Nachschaden kann immer nur ein Schaden sein, der nach Abschluss der versorgungsrechtlich erheblichen Ursachenkette
aufgetreten und den Schädigungsfolgen deshalb nicht mehr zuzurechnen ist. Zu diesen sogenannten Nachschäden gehören, worauf
das LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23. Januar 2015 - L 11 VU 24/10 -, [...], Rz. 92) zutreffend hingewiesen hat, Gesundheitsstörungen nicht schon dann, wenn sie zeitlich nach der Schädigung
eingetreten sind. Es kommt also nicht auf das zeitliche Moment an, sondern maßgebend ist, dass die Gesundheitsstörungen unabhängig
von der Schädigung oder den Schädigungsfolgen entstanden sind und sich entwickeln. Nur bei derartigen nebeneinanderstehenden
Gesundheitsstörungen wird der GdS im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG durch Auswirkungen der schädigungsunabhängigen Krankheit selbst dann nicht erhöht, wenn erst durch ihr Zusammenwirken ungünstigere
Auswirkungen der Schädigungsfolgen auftreten. Den sogenannten Nachschadens-Fällen ist gemeinsam, dass Schädigungsfolgen und
schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen sich in ihrem gesundheitlichen Erscheinungsbild gegenseitig nicht beeinträchtigen,
vielmehr eine gemeinsame Verbindung nur über ihre Beeinflussung des für das Schwerbehindertenrecht bedeutsamen GdB haben.
Davon ist bei dem hier zu beurteilenden, der Vergewaltigung folgenden Strafprozess nicht auszugehen, vielmehr besteht ein
kausaler Zusammenhang im Sinne eines Folgeschadens zwischen dem schädigenden Ereignis (Vergewaltigung) und der sich nach dem
Strafprozess verschlimmernden gesundheitlichen Störung. Die Klägerin hat insoweit auch für den Senat nachvollziehbar geltend
gemacht, dass der Strafprozess für sie nicht den therapeutisch gewünschten Aufarbeitungseffekt mit der ihm zukommenden Genugtuungsfunktion
hatte, da der Staat den Täter aus ihrer Sicht nicht hinreichend zur Rechenschaft zog. Sie ist, wie dies durch das Urteil bestätigt
wird, von dem Strafgericht überhaupt nicht zu der Tat vernommen worden und konnte daher dem Täter nicht, wie sie dies vorhatte,
ins Gesicht sagen, was er ihr angetan hat, obwohl vorher ihre Aussagetüchtigkeit durch das Gutachten von Dr. P. bestätigt
worden ist. Zusätzlich hat sich der Umstand ausgewirkt, dass der Täter nicht die von ihr erwartete Haftstrafe erhielt, sondern
nach dem Prozess aus der Untersuchungshaft auf Bewährung freigelassen worden ist, welches die Ängste der Klägerin, die in
unmittelbarer Nähe des Täters wohnhaft war, nachvollziehbar verstärkt hat. Der Sachverständige Dr. St. hat hierzu dargelegt,
dass erst durch den Strafprozess ihr Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein nochmals deutlich beeinträchtigt wurden, so dass
es als Folge des Strafverfahrens zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der affektiven Komponenten, einer verstärkten denkinhaltlichen
Beeinflussung, im Erleben auch des subjektiven Gerechtigkeitsgefühls gekommen ist. Insoweit liegt daher ganz unzweifelhaft
ein Kausalzusammenhang mit dem schädigenden Ereignis vor, denn ohne die Vergewaltigung hätte sich die Klägerin nicht dem für
sie traumatisierenden Strafprozess ausgesetzt, wobei insoweit auch die Dauer des Verfahrens wie der Umstand, dass aus ihrer
Sicht nur ihre Glaubwürdigkeit von Gerichts wegen angezweifelt wurde, eine weitere Rolle spielen. Dies gilt umso mehr, als
sie die zeitnah nach der Tat angestrebte und dringend erforderliche medizinische Behandlung in dem Zentralinstitut für seelische
Gesundheit in M. ab 30. November 2010 nicht erfolgreich beenden konnte, da aufgrund der aktuellen Belastungen durch die Gerichtsverhandlung
eine konfrontative Trauma-Behandlung nicht möglich war, was der Senat dem Entlassungsbericht entnimmt, und sich deswegen die
nicht behandelten Symptome sogar noch irreversibel verstärkt haben.
Durch das Gerichtsverfahren selbst ist es somit zu einer nachweisbaren weiteren Schädigung gekommen. Die Klägerin hat nach
eigener Schilderung das Verfahren so erlebt, dass ihr die Würde weggenommen wurde, allein dadurch, dass sie keine Aussage
machen konnte. Die Schadenswiedergutmachung, die dazu geführt hat, dass der Täter 100,00 € im Monat an sie zahlen muss, wurde
von ihr so aufgefasst, dass der Täter frei gekommen ist, während sie bezahlt werde wie eine "Hure". Auch Prof. Dr. B. hat
einen massiven Vertrauensverlust der Klägerin festgestellt. Das unzureichend empfundene Strafmaß hat seiner Einschätzung nach
zur Prolongierung und Verstärkung der Symptomatik der posttraumatischen Belastungsstörung erheblich beigetragen. Dr. St. hat
deswegen zu Recht auf die dezidierte Nachfrage des Senats das Erleben des Gerichtsverfahrens als weitere psychische Beeinträchtigung
eingestuft, die zu einer messbaren Verschlechterung, d. h. insgesamt einem GdS von 30 geführt hat.
Diese stattgehabte Verschlimmerung ist erst mit Abschluss des Strafverfahrens eingetreten, denn erst ab diesem Zeitpunkt war
auch für die Klägerin klar, dass sie keine Chance auf Konfrontation mit dem Täter hat und das Strafverfahren mit einem für
sie unbefriedigenden Ende beendet worden ist, nämlich dem Ausspruch einer Bewährungsstrafe. Der Senat hat deswegen einen rentenberechtigenden
GdS von 30 erst ab 1. April 2011 gesehen, wie dies bereits der Beklagte in seinem Vergleich vom 21. September 2017 angeboten
hat.
Daher ist auch aus Sicht des Senats allein aufgrund der Folgen des Erlebens des Strafprozesses ein schädigungsbedingter GdS
von 30 ab April 2011, dem Ende des Strafprozesses, gerechtfertigt.
Nach alledem war der Berufung nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, wobei die Kostenentscheidung auf
§
193 SGG beruht.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.