Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen
Anforderungen an den Kostenersatz durch einen Erben als Gesamtschuldner mehrerer Miterben
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Kostenersatzforderung des Beklagten.
Der Kläger ist der Bruder der am 25. Mai 2015 verstorbenen M (im Weiteren: die Leistungsberechtigte) und war bis zu deren
Tod ihr Betreuer (Bestallungsurkunde vom 22. März 1993, Bl. 125 Verw.-Akte). Die Leistungsberechtigte erhielt von dem Beklagten
Leistungen der Eingliederungshilfe im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) bis zum 30. April 2007
(Bl. 50 Verw.-Akte). Der Kläger ist, wie drei weitere Geschwister, mit einem Erbanteil von einem Viertel Erbe der Leistungsberechtigten,
welche nach dem gemeinschaftlichen Erbschein vom 25. November 2016 (Bl. 69 ff. Verw.-Akte) neben Geldvermögen (Kontenaufstellung
Rbank G eG vom 18. Juni 2015, Bl. 77 Verw.-Akte) Miteigentum an verschiedenen Grundstücken hinterließ (Grundbuch G Nr.X: Flurstücke
245/, 3224, 3235, 5728, 5792; Grundbuch G Nr. X1: FlSt 3338, Bl. 79 ff. Verw.-Akte). Der Grundbesitz stammte dabei aus der
Beteiligung der Leistungsberechtigten an einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft nach ihren Eltern und mit ihren
Geschwistern.
Nachdem der Beklagte Kenntnis vom Tod der Leistungsberechtigten erlangte, trat er in die Prüfung der Vermögensverhältnisse
der Verstorbenen ein, bat u.a. den Kläger mit Schreiben vom 15. September 2017, 23. Oktober 2017 - dieses unter Beifügung
einer Kostenaufstellung, welche Gesamtkosten von 27.242,20 EUR auswies (Bl. 98 Verw.-Akte) - und 11. Januar 2018 um Vorlage
verschiedener Unterlagen zum Nachlass und machte mit Bescheid vom 14. März 2018 gegenüber dem Kläger einen Kostenersatz in
Höhe von 24.848,20 EUR für in der Zeit vom 25. Mai 2005 bis 30. April 2007 erbrachte Leistungen der Eingliederungshilfe geltend
(Bl. 118 f. Verw.-Akte). Der Gesamtnachlass ohne Gebäude aus Geld- und Grundvermögen betrage 34.787,79 EUR, wovon Nachlassverbindlichkeiten
von 6.675,00 EUR und der Freibetrag in Höhe des dreifachen Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII (2.394,00 EUR) abzusetzen seien. Das einzusetzende Vermögen betrage daher 25.718,79 EUR. Der Kläger sei zu einem Viertel
Erbe der Leistungsberechtigten geworden. Miterben hafteten nach §
2058 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) als Gesamtschuldner. Er werde daher im Rahmen der Haftung als Gesamtschuldner aufgefordert, den geforderten Betrag zu überweisen.
Am 27. März 2018 legte der Kläger gegen diese Entscheidung Widerspruch ein und führte unter Vorlage eines Anlagenkonvoluts
(u.a. Testament der Mutter der Geschwister vom 5. Dezember 1991, Ehe- und Erbvertrag der Eltern vom 22. April 1954, gemeinschaftliches
Testament der Eltern vom 27. November 1961) aus, dass die gemeinsame Mutter die Leistungsberechtigte mit einem Geldvermächtnis
bedacht habe, als Erbin sei sie dagegen nicht aufgeführt. Weiter habe die Leistungsberechtigte ein unentgeltliches Wohnrecht
erhalten. Ihm - als Betreuer, aber auch als Testamentsvollstrecker (der Mutter der Geschwister - Anm. d.G.) - und zwei seiner
Schwestern - die Pflegerin der Leistungsberechtigten und deren Vertreterin - stehe gegenüber der Leistungsberechtigten ein
Ausgleichsanspruch für nicht berechnete Aufwandsentschädigungen zu, desweiteren ihm als zu verrechnende Ausgleichspositionen
anteilige Vergütung für Testamentsvollstreckung und der Verzicht auf Betreuervergütungen von 1995 bis 2015. Es verbleibe ein
Restgeldvermächtnis von 4.076,23 EUR, das den Erben zustehe und im Wesentlichen für die weitere Grabpflege verwendet werde
(Bl. 120 ff. Verw.-Akte).
Nachdem der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2018 zurückwies (Bl. 147 ff. Verw.-Akte), hat
der Kläger am 15. Mai 2018 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben.
Mit Urteil vom 20. November 2018 änderte das SG die Entscheidung des Beklagten dahingehend ab, dass der Kläger nur einen Kostenersatz von 12.424,10 EUR zu erstatten habe
und wies die Klage im Übrigen ab. Der Beklagte habe den Wert des Nachlasses der Leistungsberechtigten unter Rückgriff auf
die Angaben im Erbscheinantrag, den hierzu eingeholten Auskünften zu den Bodenrichtwerten und der Bankauskunft zutreffend
berechnet. Der Kläger, der in der Vergangenheit alle finanziellen Angelegenheiten geregelt habe, sei zu einem Viertel Erbe
der Leistungsberechtigten und aus der Miterbengemeinschaft als Gesamtschuldner für den vollen Ersatz in Anspruch genommen
geworden. Die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass der Beklagte für die Leistungsberechtigte in den letzten zehn Jahren
vor deren Tod Leistungen in Höhe von 27.242,20 EUR erbracht habe. Soweit der Beklagte davon den Freibetrag von 2.394,00 EUR
abgezogen und die zu erstattenden Leistungen auf 24.848,20 EUR berechnet habe, werde der Kläger nicht beschwert. Der Ersatzanspruch
sei rechtzeitig innerhalb von drei Jahren geltend gemacht worden. Ein Vorempfängnis sei nicht in Abzug zu bringen und die
Geltendmachung weiteren Aufwendungsersatzes für die Pflege und Betreuung im Nachhinein nicht zulässig. Der Beklagte habe die
im Zusammenhang mit dem Tod der Leistungsberechtigten entstandenen Bestattungs- und sonstigen Kosten in Abzug gebracht, von
vorneherein den Wert des in der Erbmasse auch enthaltenen Gebäudeanteils unberücksichtigt gelassen und den Freibetrag nach
§ 102 Abs. 3 Nr. 1 Zwölftes Buch (SGB XII) zutreffend berücksichtigt. Von einem höheren Freibetrag aufgrund einer nicht nur vorübergehenden häuslichen Gemeinschaft
der Leistungsberechtigten und der pflegenden Schwester, die bis zuletzt Fahrtkosten im Zusammenhang mit der Pflege abgerechnet
habe, habe sich die Kammer nicht zu überzeugen vermocht. Es liege aber eine besondere Härte im Sinne des § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII vor. Eine solche Härte sei bei einer auffallenden Atypik des zu beurteilenden Einzelfalls anzunehmen, die es unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls als unbillig erscheinen lasse, den Erben für den Ersatz der Kosten der Sozialhilfe in Anspruch
zu nehmen. Der Kläger und die weiteren Geschwister hätten die Leistungsberechtigte bis zu ihrem Tod betreut, gepflegt und
sich aufopferungsvoll um sie gekümmert. Sie hätten der Leistungsberechtigten trotz deren Behinderung ein gutes Leben im Familienverbund
ermöglicht. Dies sei im Rahmen des Ersatzanspruches zu berücksichtigen, so dass nicht die gesamten Aufwendungen, sondern nur
die Hälfte davon gefordert werden könne.
Gegen diese ihm am 4. Dezember 2018 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 3. Januar 2019 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die Leistungsberechtigte ihren Erbanteil
von den Eltern bereits durch Vorempfänge erhalten habe und der Erbschein vom 24. November 2016 insofern nicht zutreffend sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. November 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 14. März 2018 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2018 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die Entscheidung des SG für zutreffend. Es sei in keiner Weise nachgewiesen, dass die Leistungsberechtigte Vorempfänge erhalten habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten
beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
143 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte und gemäß §
151 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, da zwischen den Beteiligten eine Ersatzforderung
für Sozialleistungen im Streit steht, die 750,00 EUR überschreitet (vgl. §
144 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 14. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April
2018, mit welchem der Beklagte eine Kostenersatzforderung gegenüber dem Kläger geltend gemacht hat. Der ursprüngliche Forderungsbetrag
von 24.848,20 EUR ist durch das SG mit Urteil vom 20. November 2018 auf den hälftigen Betrag herabgesetzt worden, wogegen der Beklagte keine (Anschluss-)Berufung
eingelegt hat, so dass im vorliegenden Berufungsverfahren nur noch die verbleibende Kostenersatzforderung von 12.424,10 EUR
Streitgegenstand ist.
Die Berufung ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 14. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April
2018 ist in Gänze aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Anspruchsgrundlage des seitens des Beklagten geltend gemachten Kostenersatzes ist § 102 SGB XII in der seit dem 7. Dezember 2006 gültigen Fassung (BGBl. I S. 3022). Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist u.a. der Erbe einer leistungsberechtigten Person zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe - von hier nicht streitigen, in
§ 102 Abs. 5 SGB XII aufgeführten Leistungen abgesehen - verpflichtet. Die Ersatzpflicht besteht nur für die Kosten der Sozialhilfe, die innerhalb
eines Zeitraumes von zehn Jahren vor dem Erbfall aufgewendet worden sind und die das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII übersteigen (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Die Ersatzpflicht gehört nach § 102 Abs. 2 SGB XII zu den Nachlassverbindlichkeiten, wobei die Haftung des Erben auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles beschränkt
ist. Der Anspruch auf Kostenersatz ist nicht geltend zu machen, (1.) soweit der Wert des Nachlasses unter dem Dreifachen des
Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII liegt, (2.) soweit der Wert des Nachlasses unter dem Betrag von 15.340 EUR liegt, wenn der Erbe der Ehegatte oder Lebenspartner
der leistungsberechtigten Person oder mit dieser verwandt ist und nicht nur vorübergehend bis zum Tod der leistungsberechtigten
Person mit dieser in häuslicher Gemeinschaft gelebt und sie gepflegt hat, (3.) soweit die Inanspruchnahme des Erben nach der
Besonderheit des Einzelfalles eine besondere Härte bedeuten würde.
Der Beklagte, der für die Erbringung der Eingliederungshilfeleistungen im hier maßgeblichen Zeitraum gemäß §§ 3, 97 Abs. 1,
98 Abs. 1 SGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 und 3, 2 SGB XII-Ausführungsgesetz Baden-Württemberg zuständig gewesen war, ist auch für die Geltendmachung des streitgegenständlichen Kostenersatzanspruchs
zuständig. Dies ergibt sich - ohne besonders geregelt sein zu müssen und mangels anderweitiger Regelungen - aus dem allgemeinen
Rechtsgrundsatz, dass der Erstattungsanspruch als actus contrarius die Kehrseite des Leistungsanspruchs darstellt (BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 7/12 R -, SozR 4-5910 § 92c Nr. 2, juris Rdnr. 14). Weiter ist der Bescheid des Beklagten
vom 14. März 2018 formell rechtmäßig und genügt den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts (vgl.
§ 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]). Das Bestimmtheitserfordernis verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts
nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten
eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten (BSG, Urteil vom 29. November 2012 - B 14 AS 196/11 R -, SozR 4-1300 § 33 Nr. 2, juris Rdnr. 16 m.w.N.) Ein Bescheid über den Kostenersatz durch Erben nach § 102 SGB XII genügt dabei den Bestimmtheitsanforderungen, wenn der Adressat des Verwaltungsakts die Höhe der Haftungsschuld erkennen kann
(vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 8 SO 2/09 R -, SozR 4-5910 § 92c Nr. 1 juris Rdnr. 11). Dies ist vorliegend ohne Weiteres der
Fall. Inwieweit wegen der engen Verzahnung von § 33 SGB X und § 35 SGB X aus dem Bescheid aber zumindest im Ansatz erkennbar sein muss, dass ein Ersatzanspruch gegen den Erben geltend gemacht wird,
kann dahingestellt bleiben, weil der Beklagte den Kläger ausdrücklich als Erben in Anspruch genommen hat.
Der Bescheid des Beklagten vom 14. März 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2018 ist jedoch ermessensfehlerhaft
ergangen.
Wie bereits dargestellt, ist gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII u.a. der Erbe der leistungsberechtigten Person - von hier nicht greifenden Ausnahmen abgesehen - zum Ersatz der Kosten der
Sozialhilfe verpflichtet. Der Kläger ist neben drei weiteren Geschwistern Erbe (vgl. §§
1922 ff.
BGB) der Leistungsberechtigten zu jeweils einem Viertel, wie es der gemeinschaftliche Erbschein vom 25. November 2016 ausweist
(vgl. §
2365 BGB). Die Erben haften für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten gemäß §
2058 BGB als Gesamtschuldner, mit der Folge, dass die ganze Leistung - hier der Kostenersatz - und nicht nur der dem Erbteil entsprechende
Anteil von jedem der Gesamtschuldner in Teilen oder in voller Höhe verlangt werden kann (vgl. §
421 BGB). Die Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Gesamtschuldners steht dabei zivilrechtlich im Belieben des Gläubigers (vgl. §
421 Satz 1
BGB), welches seine Grenzen erst in denen des Rechtsmissbrauchs findet (vgl. Heinemeyer in Münchener Kommentar zum
BGB, 8. Auflage 2019,
BGB §
421 Rdnr. 74).
Dieses Wahlrecht ist im öffentlichen Recht insoweit allgemein eingeschränkt, als an die Stelle des "freien Beliebens" ein
pflichtgemäßes Ermessen bei der Auswahl des Gesamtschuldners tritt (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 22. Januar
1993 - 8 C 57/91 - juris Rdnr. 20; zur Erforderlichkeit der Ermessensausübung allgemein auch BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - B 6 KA 3/01 R -, BSGE 89, 90-104, SozR 3-2500 § 82 Nr. 3 S. 5, juris Rdnr. 23). In der Regel hat der Sozialleistungsträger dabei jedoch nur das Willkürverbot
zu beachten oder eine offenbare Unbilligkeit zu berücksichtigen, sodass nur eine Verletzung der dem Leistungsträger obliegenden
Fürsorgepflicht, wie sie in den §§
13 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) zum Ausdruck kommt, das "Wahlrecht" einschränken würde. Dies gilt aber nicht für die gesamtschuldnerische Erbenhaftung nach
§ 102 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Sie dient der möglichst umfassenden "Refinanzierung" aufgewendeter Sozialhilfekosten, mithin der Herstellung des Nachrangs
durch Zugriff auf den durch das Erbe Begünstigten; mit der nachträglichen Deckung der angefallenen Sozialhilfeaufwendungen
verfolgt die Norm anders als sonstige Regelungen - selbst des Sozialhilferechts (§§ 93, 103, 104 SGB XII) - damit auch bereicherungsrechtliche Ziele. Dies darf nicht ohne die Bewertung der Umstände geschehen, die die tatsächliche
finanzielle Belastung des Miterben im Rahmen der Erbengemeinschaft betreffen. Deshalb muss die Auswahl eines Gesamtschuldners
für den Kostenersatz insgesamt im Rahmen einer Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung solcher Umstände erfolgen. Eine
Rolle spielen insbesondere eine bereits erfolgte Verteilung des Erbes, ein eventueller Verbrauch des ererbten Vermögens, die
Anzahl der Erben, der Wert des Nachlasses und die Höhe des Kostenersatzanspruchs sowie die Relation der beiden Werte zueinander
und auch die Erbquote. Nur eine Gesamtschau der Situation aller Erben wird deren individuellen Zahlungspflicht gerecht (vgl.
zum Ganzen: BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 7/12 R -, SozR 4-5910 § 92c Nr. 2, juris Rn. 22 ff. m.w.N.).
Eine derartige Auswahlentscheidung hat der Beklagte jedoch in der vorliegenden Sache weder in dem Bescheid vom 14. März 2018
noch dem Widerspruchsbescheid vom 16. April 2018 getroffen, sondern den Kläger - ohne Anstellung irgendwelcher Ermessenserwägungen
- einzig aufgrund dessen Erbenstellung alleine in Anspruch genommen. Ob in den Fällen, in denen alle Erben entsprechend ihrem
Erbteil in Anspruch genommen werden, ausnahmsweise aufgrund einer sog. Ermessensreduzierung auf Null kein Ermessen auszuüben
ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. März 2015 - L 5 SO 185/14 - juris), kann vorliegend dahinstehen, da die Beklagte
diesen Weg nicht gewählt, sondern einen Miterben als Gesamtschuldner in voller Höhe in Anspruch genommen hat. Auch im Übrigen
ist eine sog. Ermessensreduzierung auf Null in der hier zu entscheidenden Sache nicht gegeben. Eine dafür erforderliche Einschränkung
des Auswahlermessens des Beklagten dahingehend, dass ausnahmsweise nur die Inanspruchnahme des Klägers aus gesamtschuldnerischer
Haftung rechtmäßig und jeder Verwaltungsakt mit einem anderen Regelungsinhalt rechtsfehlerhaft wäre (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2016 - B 5 R 26/15 R -, SozR 4-2600 § 89 Nr. 3, juris Rdnr. 37 m.w.N.), kann vorliegend insbesondere nicht bereits deswegen angenommen werden,
weil der Kläger sich als Betreuer der Leistungsberechtigten um deren Angelegenheit gekümmert hat bzw. zu kümmern hatte oder
gar, weil er der Testamentsvollstrecker der Eltern gewesen ist (vgl. auch BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 7/12 R -, SozR 4-5910 § 92c Nr. 2, juris Rn. 22).
Da der Beklagte die erforderliche Ermessensausübung unterlassen hat, liegt ein Ermessensausfall vor. Die Ermessensausübung
kann im Berufungsverfahren auch nicht mehr gemäß § 41 Abs. 2 SGB X wirksam nachgeholt werden (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2011 - L 11 KR 965/09 - juris Rdnr. 41 m.w.N.).
Die ermessensfehlerhafte Entscheidung des Beklagten ist daher aufzuheben.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nrn. 1, 2
SGG) liegen nicht vor.