Herabsetzung einer Verletztenrente
Feststellung der MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung
Ursächlich auf eine BK zurückzuführende Gesundheitsverhältnisse
Wesentlichkeit einer Änderung
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung einer Verletztenrente wegen der Folgen einer anerkannten Berufskrankheit (BK)
4301 und einer anerkannten BK 4302 nach der Anlage 1 der
Berufskrankheitenverordnung streitig.
Der 1948 geborene Kläger war als Buchbinder und Papierrestaurator bei der Stadt K. tätig. Er leidet an einer obstruktiven
Atemwegserkrankung. Bei dem Kläger liegt eine primär anlagebedingte Atopie bzw. eine allergische Disposition vor.
Mit Bescheid vom 26.02.1996 erkannte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: die Beklagte) die Atemwegserkrankung
als BK 4301 (Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur
Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit
ursächlich waren oder sein können) und BK 4302 (Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive
Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung
oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können) an. Als Folgen der BK wurden anerkannt: Obstruktive
Atemwegserkrankung bei ausgeprägt unspezifisch hyperreagiblem Bronchialsystem sowie Allergie gegen Stäube am Arbeitsplatz
und irritative Atemwegsbeschwerden durch Lederfarbdämpfe. Zugleich gewährte die Beklagte eine (vorläufige) Verletztenrente
nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab 06.01.1995 bis auf Weiteres, nachdem der Kläger die gefährdende
Tätigkeit aufgegeben hatte.
Mit Änderungsbescheid vom 07.10.1997 gewährte die Beklagte eine Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. ab 25.08.1996,
nachdem eine am 27.08.1996 von dem Pneumologen Dr. T. durchgeführte gutachterliche Untersuchung lungenfunktionsanalytisch
eine ausgeprägte obstruktive Ventilationsstörung ergab.
Die gegen beide Bescheide eingelegten Widersprüche des Klägers wurden mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.1998 als unbegründet
zurückgewiesen. In dem hiergegen vom Kläger vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG, Az. S 3 U 655/98) angestrengten Klageverfahren erstattete der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. G. am 24.07.1998 nach Untersuchung
des Klägers am 07.07.1998 ein Sachverständigengutachten. In diesem kam er zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger aktuell trotz
systemischer Steroidgabe und umfassender antiasthmatischer Therapie eine schwere obstruktive Ventilationsstörung mit erheblicher
Lungenüberblähung und eine deutliche Einschränkung der Belastbarkeit auf Grund der reduzierten Atemmechanik bestehe. Bei dem
Kläger liege ein gemischtförmiges, primär allergisches Asthma vor. Dieses habe zu einer nicht mehr wesentlich reversiblen
Lungenüberblähung geführt, so dass auch von der Ausbildung eines sekundären Lungenemphysems auszugehen sei. Im EKG würden
sich erste Anzeichen für eine durch die Atemwegserkrankung bedingte Rechtsherzbelastung zeigen, auch sei der pulmonale Gaswechsel
durch die Atemwegserkrankung beeinträchtigt. Es sei nicht sinnvoll, infektbedingte Exacerbationen und die nachgewiesene Allergie
auf Baumpollen als isolierte Krankheitsereignisse zu betrachten und diese von der Asthmaerkrankung als außerberufliche Anteile
abzugrenzen. Dr. G. schätzte die berufskrankheitsbedingte MdE ab dem Tag der aktuellen gutachterlichen Untersuchung mit 80
v.H. ein.
Unter Berücksichtigung einer weiteren Stellungnahme von Dr. T. gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27.10.1998, der nach
§
96 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG wurde, eine Rente nach einer MdE von 60 v.H. ab 01.08.1998.
Unter Einbeziehung weiterer Stellungnahmen von Dr. G. und Dr. T. schlossen die Beteiligten vor dem SG am 15.10.1999 einen Vergleich, wonach die Beklagte unter Abänderung der Bescheide eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit
nach einer MdE von 50 v.H. ab 27.08.1996 und nach einer MdE von 70 v.H. ab dem 01.08.1998 gewährte. Dieser Vergleich wurde
von der Beklagten mit Bescheid vom 24.11.1999 ausgeführt.
In der Folgezeit erstattete Dr. T. im Rahmen von Nachprüfungsverfahren im Auftrag der Beklagten im Dezember 2000, im Dezember
2001, im Dezember 2003, im Januar 2006 und im Dezember 2006 nach Untersuchung des Klägers Gutachten, in denen er die MdE weiterhin
mit 70 v.H. einschätzte, zuletzt bei tendenzieller Verbesserung.
Der Kläger befand sich ab dem Jahr 2000 im Wesentlichen alle zwei Jahre wegen der Atemwegserkrankung in stationären Rehabilitationsmaßnahmen
zuletzt vom 20.08. bis 17.09.2009 in der Hochgebirgsklinik D./S. Eine systemische Steroidtherapie fand laut Entlassungsbericht
vom 22.09.2009 in den letzten Jahren nicht statt, die topischen Steroide würden ohne wesentliche Probleme vertragen. Es zeigte
sich der Verdacht auf leichtgradiges Schlafapnoesyndrom, eine leichte zentrale Obstruktion - voll reversibel, eine leicht
bis mittelgradige periphere Obstruktion - voll reversibel, eine periphere Flusslimitierung - voll reversibel, keine relevante
Überblähung, unter Therapie normale statische und dynamische Flussvolumina und eine respiratorische Partialinsuffizienz in
Adaption an die Hochgebirgsbedingungen. Anhaltspunkte für eine Gasaustauschstörung gab es nicht. Die Ärzte führten in ihrem
Entlassungsbericht aus, dass die systemische Corticosteroidtherapie bis zur Abreise stufenweise vollständig beendet werden
konnte und der Kläger als stabil unter einer rein topischen Medikation entlassen werden konnte.
Im März 2011 leitete die Beklagte ein erneutes Überprüfungsverfahren ein. In diesem Zusammenhang erstattete Dr. T. nach Untersuchung
des Klägers am 11.05.2011 sein Gutachten vom 14.06.2011 und seine ergänzende Stellungnahme vom September 2011. Dr. T. kam
zu dem Ergebnis, als Folgen der BK bestünden derzeit eine mittelschwergradige und bei durchschnittlicher Belastung progrediente
obstruktive Lungenfunktionsstörung mit Bronchospasmolyseeffekt sowie eine notwendige inhalative und orale bronchospasmolytische
Mehrfachtherapie einschließlich Oralcortison und Cortisoninhalativ. Gegenüber dem Gutachten aus dem Jahr 1998 zeige sich eine
Verbesserung der Einsekundenkapazität von 32% auf 59%, eine Rückbildung der Lungenüberblähung von 220% auf 86%, eine Rückbildung
des Atemwegswiderstandes von 370% auf 173% und eine Normalisierung der Blutgase in Ruhe und nach Belastung mit noch leichtgradiger
Belastungsreaktion. Nach dem Reichenhaller Merkblatt entspreche dies einer MdE von 40 bis 50 v.H. unter Berücksichtigung der
wiederaufgenommenen oralen Cortisontherapie mit 5 mg Prednisolon täglich ab Juni 2011.
Mit Schreiben vom 14.10.2011 hörte die Beklagte den Kläger zu der von ihr beabsichtigten Herabsetzung der Verletztenrente
auf eine MdE von 50 v.H. ab 01.12.2011 an.
Mit Bescheid vom 28.11.2011 gewährte die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit nur noch nach einer MdE von 50 v.H. mit
Wirkung ab 01.12.2011. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die dem Bescheid vom 27.10.1998 zugrundeliegenden Verhältnisse
wesentlich geändert hätten. Es sei zu einer Verbesserung der Folgen der BK gekommen in Form einer Rückbildung des Ausmaßes
der Lungenüberblähung und des Atemwegswiderstandes sowie einer Normalisierung der Blutgase in Ruhe und nach Belastung mit
noch leichtgradiger Belastungsreaktion.
Hiergegen erhob der anwaltlich vertretene Kläger am 02.12.2011 Widerspruch, da es zu keiner anhaltenden Verbesserung gekommen
sei. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. G. am 18.07.2012 ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers am 02.07.2012.
Er führte aus, dass das Asthma als BK anerkannt, eine Abgrenzung zwischen dem schicksalhaften Anteil der Erkrankung (Pollenallergie)
und dem beruflich verursachten Anteil bisher nicht durchgeführt worden und jetzt nicht mehr möglich sei. Damit sei das Asthma
bronchiale insgesamt als BK zu bewerten. Er kam zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zur Begutachtung im Jahr 1998 eine deutliche
Besserung der Atemwegserkrankung eingetreten sei. Eine schwere obstruktive Ventilationsstörung bestehe nicht mehr. Feststellbar
sei eine spontan mittelgradige bronchiale Obstruktion, die sich durch Bronchospasmolyse noch deutlich habe bessern lassen.
Eine signifikante Störung des pulmonalen Gaswechsels liege nicht vor. Eine klinisch manifeste Rechtsherzbelastung könne ebenfalls
nicht festgestellt werden. Diese Befunde entsprächen in etwa den von Dr. T. im Mai 2011 erhobenen. Der aktuelle Schweregrad
der Erkrankung entspreche einer MdE von 50 v.H. gemäß Reichenhaller Merkblatt.
Der Kläger legte ein Gutachten von Dr. W. vom 24.08.2012 vor, wonach pulmonologisch ein Grad der Behinderung (GdB) von 50
vorliege, aufgrund der Einschränkungen des Bewegungsapparates ein GdB von 40 und aufgrund der aus diesen Erkrankungen resultierenden
seelischen Veränderungen ein GdB von 40 und damit ein Gesamt-GdB von 70.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie
im Wesentlichen aus, Dr. G. und Dr. T. seien übereinstimmend zu einer Einschätzung der MdE von 50 v.H. aufgrund der von ihnen
erhobenen Befunde, die im Zusammenhang mit den anerkannten Berufskrankheiten (BK'en) stehen, gelangt. Das zur Begründung des
Widerspruchs vorgelegte Gutachten von Dr. W. sei unter dem Gesichtspunkt der Festsetzung des GdB erstellt worden und könne
somit im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht verwertet werden. Überdies beziehe sich der Gesamt-GdB von 70 v.H.
nicht nur auf die anerkannten Folgen der BK, sondern auf das gesamte Beschwerdebild des Klägers.
Der Kläger hat am 29.04.2013 Klage zum SG erhoben und zu deren Begründung eine ärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 20.05.2013 vorlegt, die inhaltlich im Wesentlichen
mit dessen Gutachten übereinstimmt. Zur weiteren Begründung führt der Kläger aus, dass er schon zu früheren Zeiten wegen der
mit den auftretenden Atembeschwerden verbundenen Lebensangst/Existenzangst in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei.
Nach vorübergehender Besserung hätten sich diese Ängste derart vermehrt, dass er beispielsweise tagsüber Todesangst erlebe
und nachts nicht schlafen könne, aus Angst, nicht mehr aufzuwachen. Er werde deswegen nunmehr auch psychotherapeutisch behandelt.
Das SG hat die Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 13.11.2013 abgewiesen. Durch die aktuellen
Gutachten sei eine wesentliche Besserung der berufskrankheitsbedingten Gesundheitsstörungen nachgewiesen worden, weshalb die
Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung über die Rentengewährung mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben. Die Sachverständigen Dr. T. und Dr. G. seien in ihren aktuellen Gutachten übereinstimmend und überzeugend zu einer
deutlichen Verbesserung der Lungenfunktion des Klägers gekommen. Inzwischen liege nur noch eine mittelgradige bronchiale Obstruktion
vor, welche nur noch eine MdE von 50 v.H. begründe. Das Gutachten von Dr. W. betreffe den GdB und sei daher für die Funktionsbeurteilung
nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (
SGB VII) nicht einschlägig, da sie einen anderen Bewertungsmaßstab zugrunde legen. Soweit der Kläger auch psychische und soziale
Folgen in die MdE-Berechnung einzubeziehen verlangt, sei dem entgegenzuhalten, dass entsprechende Feststellungen von beiden
Gutachtern Dr. T. und Dr. G. nicht getroffen worden seien. Die insoweit von Dr. W. gemachten Aussagen würden zudem keine belastbaren
Aussagen zur Kausalität für diese Einschränkungen beinhalten. Da es sich bei der Bewertung der MdE nach dem
SGB VII auch im Wesentlichen um die Bewertung von Funktionseinschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt handeln müsse, könnten
soziale Folgen - von hier nicht einschlägigen Extremfällen abgesehen - bereits dem Grunde nach nicht berücksichtigt werden.
Sofern in diesem Zusammenhang auf eine reaktive Depression hingewiesen und eine Verbindung zur BK angedeutet werde, sei darauf
hinzuweisen, dass der Kläger mit seiner Klageschrift zwar zahlreiche behandelnde Ärzte, jedoch keinerlei insoweit einschlägige
Behandlungen durch einen Psychiater, Psychologen oder Neurologen angegeben habe, weswegen insoweit der Anfangsverdacht für
weitere Ermittlungen nicht gegeben sei. Die diesbezüglichen Beschwerden würden überdies von Dr. W. eher im Sinne einer allgemeinen
Rückzugstendenz beschrieben.
Der Kläger hat am 17.12.2013 gegen den ihm am 18.11.2013 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung eingelegt und zur Begründung
einen Befundbericht der Ärzte L./P./Z./S. vom 06.04.2016 über eine Lungenfunktionsuntersuchung vom selben Tag vorgelegt, wonach
sich eine leichte Restriktion und eine mittelschwere Obstruktion zeige. Zudem hat er einen Befundbericht des Facharztes für
Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. P. vom 05.10.2016 über eine Lungenfunktionsprüfung vorgelegt, wonach eine schwere restriktive
Ventilationsstörung bei Adeps und ein Emphysem bei mittelschwerer Obstruktion bestünden. Der Kläger trägt vor, dass sich aus
diesen Berichten eine anspruchsrelevante Verschlechterung ergebe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger bei der Beklagten
ebenfalls einen Verschlimmerungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2011
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid und Gerichtsbescheid.
Der Senat hat auf Antrag und Kosten des Klägers Dr. P. mit der Erstattung eines Gutachtens nach §
109 SGG beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 29.10.2017 nach persönlicher Untersuchung des Klägers am 06.10.2017 durch
die Lungenfachärztin Dr. B. ausgeführt, bei dem Kläger bestehe eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung mit Lungenemphysem.
Die Verengung und Überblähung der Bronchien nehme unter Belastung zu und bessere sich nach Inhalation eines bronchienerweiternden
Medikaments erheblich. Zudem liege eine Überempfindlichkeit der Bronchien auf z.B. früh- und mittelblühende Bäume vor. Die
Belastbarkeit sei durch die chronische Verengung der Bronchien als Folge eines "airway remodeling" limitiert; ein Gasaustausch
als limitierender Faktor liege nicht vor. Im Vergleich zum Jahr 1998 sei es zu einer wesentlichen Verbesserung gekommen. Dies
werde durch die Gutachten Dr. T. und Dr. G. in den Jahren 2011 und 2012 und auch durch weitere aktenkundige Lungenfunktionsprüfungen
in den Jahren 2016 und 2017 bestätigt. Auch bei der aktuellen gutachterlichen Leistungserfassung der Lunge habe sich eine
weitere Verbesserung der obstruktiven Ventilationsstörung gegenüber der von ihm im Mai 2017 befundeten feststellen lassen.
Durch die Vermeidung der früheren berufsspezifischen Allergene, die wiederkehrende intensive Betreuung im Rahmen von Rehabilitationsaufenthalten
und die permanente antientzündliche Wirkung von jetzt hoch dosierten inhalativen und niedrig dosierten oralen Steroiden sei
die Verbesserung der Lungenfunktion plausibel und verlässlich. Die Einschätzung sei mit einer MdE von höchstens 50 v.H. real.
Die Belastungsuntersuchung habe gezeigt, dass dank der jahrelang engagierten physiotherapeutischen und medikamentösen Unterstützung
durch Hemmung der asthmatischen Entzündung und gezielten Nutzung der respiratorischen Reserven eine ausreichende pulmonale
Leistungsfähigkeit unter Alltagsbelastungen vorliege.
Mit Schriftsatz vom 28.11.2017 hat der Kläger der Verwertung des Gutachtens von Dr. P. widersprochen, da es nicht von Dr.
P. selbst gefertigt worden sein und die Erstellung des Gutachtens durch Dritte seiner Zustimmung bedurft hätte. Dr. P. sei
gar nicht anwesend, sondern im Urlaub gewesen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 04.12.2017 ihr Einverständnis zur Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die von der Beklagten beigezogenen
Verwaltungsakten (sieben Bände) sowie auf die vom SG beigezogene Akte S 4 U 1557/13 und auf die LSG-Akte Bezug genommen. Die Akte des SG mit dem Aktenzeichen S 3 U 655/98 konnte nicht beigezogen werden, da sie bereits ausgesondert wurde.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§
124 Abs.
2 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach §
144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 SGG) als unbegründet abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 28.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013, mit dem
die Beklagte ab 01.12.2011 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nur noch nach einer MdE von 50 v.H. wegen einer Verbesserung
der Folgen der anerkannten BK'en 4301 und 4302 gewährt. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten, da eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Verbesserung sowohl im Hinblick auf die Folgen der anerkannten
BK'en als auch die Höhe der MdE zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides eingetreten war.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei der Feststellung der MdE in
der gesetzlichen Unfallversicherung liegt eine solche wesentliche Änderung nur vor, wenn die Änderung mehr als 5 v.H. beträgt
und bei Renten auf unbestimmte Zeit - wie hier - länger als drei Monate andauert (§
73 Abs.
3 des
SGB VII). Bei der Prüfung einer wesentlichen Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X kommt es auf die tatsächlich bestehenden und ursächlich auf die BK zurückzuführenden gesundheitlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt
der letzten bindend gewordenen Feststellung an. Diese sind mit den bestehenden und ursächlich auf die BK zurückzuführenden
Gesundheitsverhältnissen zu vergleichen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungs-/Änderungsbescheides bzw. des Widerspruchsbescheides
vorgelegen haben (BSG, Urteil vom 13.02.2013, B 2 U 25/11 R, in juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Auflage 2017, §
54 RdNr. 33). Die jeweils bestehenden gesundheitlichen Verhältnisse kommen insbesondere in den medizinischen Gutachten zum Ausdruck,
die über die Folgen der BK zum Zeitpunkt der maßgeblichen Bewilligung und vor der Entscheidung über eine Aufhebung/Änderung
eingeholt worden sind (BSG, Urteile vom 13.02.2013, a. a. O., juris und vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Dagegen ist für die Beurteilung der (rechtlichen) Wesentlichkeit der Änderung von dem Tenor des
bindend gewordenen Verwaltungsakts auszugehen.
Von diesen Maßstäben ausgehend, ist zur Überzeugung des Senats eine wesentliche Änderung in den berufskrankheitenbedingten
gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers, die dem maßgeblichen gerichtlichen Vergleich vom 15.10.1999 und dem entsprechenden
bestandskräftigen Ausführungsbescheid vom 24.11.1999 zu Grunde lagen, verglichen mit jenen, die zum Zeitpunkt des Herabsetzungsbescheides
vom 28.11.2011 und des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 vorgelegen haben, nachweislich eingetreten.
Seine Überzeugung stützt der Senat auf einen Vergleich der im Juli 1998 von Dr. G. erhobenen Befunde und seine entsprechende
medizinische Auswertung im Gutachten vom 24.07.1998 einerseits mit den von Dr. T. im Mai 2011 und von Dr. G. im Juli 2012
erhobenen Befunden und deren entsprechenden medizinischen Auswertungen in ihren Gutachten vom 14.06.2011 und 18.07.2012 andererseits.
Diese Gutachten verwertet der Senat im Rahmen des Urkundsbeweises. Beide Ärzte führen übereinstimmend und schlüssig aus, dass
bei dem Kläger nur noch eine mittelgradige - und gerade keine wie im Jahr 1998 hochgradige - obstruktive Funktionsstörung
der Lunge vorliegt. Diese medizinischen Einschätzungen sind für den Senat auf Grund der von beiden Sachverständigen umfangreich
durchgeführten Funktionsuntersuchungen der Atemwege mittels Spirometrie, Bodyplethysmographie, Fluss-Volumenmessung, Bronchospasmolysetest
nach Belastung, Blutgasanalyse, Messung der Diffusionskapazität und der Funktionswerte des Herzens mittels EKG in Ruhe und
unter Belastung nachvollziehbar und plausibel. Sie decken sich überdies mit den vom Kläger im Rahmen der gutachterlichen Untersuchungen
angegebenen Beschwerden.
Dr. G. hat ausweislich seines Gutachtens im Juli 1998 eine schwere obstruktive Ventilationsstörung (Atemwegswiderstand = Rtot
370 %, nach Inhalation von bronchienerweiterndem Medikament Verringerung des Atemwegswiderstands um 53% - und damit nur im
zentralen Anteil signifikant reversibel), eine eingeschränkte Einsekundenkapazität (FEV 1) mit 32% (nach Inhalation von bronchienerweiterndem
Medikament Anstieg des Einsekundenvolumens um 18%), eine massive Lungenüberblähung (Erhöhung des intrathorakalen Gasvolumens
= ITGV 220 %, nach Inhalation von bronchienerweiterndem Medikament Abnahme der Lungenüberblähung um 23 % - nur gering reversibel),
deutlich verminderte Flussgeschwindigkeiten mit massiver Flussreduktion in der Exspiration bei kleinen und mittleren Lungenvolumina,
im Rahmen der Blutgasanalyse eine leicht hohe Hypoxämie, eine kompensatorische Hyperventilation und einen geringen, nicht
signifikanten Anstieg des Sauerstoffpartialdrucks unter Belastung in den niedrig normalen Bereich, bei der EKG-Messung unter
Belastung diskrete Hinweise für eine vermehrte Rechtsherzbelastung und im Rahmen der Spiroergometrie eine deutlich eingeschränkte
Belastbarkeit infolge eingeschränkter Atemmechanik bei obstruktiver Ventilationsstörung festgestellt. Hinsichtlich seiner
Beschwerden hatte der Kläger damals angegeben, er habe sehr häufig spontane Atembeschwerden, manchmal sei plötzlich alles
zu, bei geringsten Belastungen käme er außer Atem, er könne kaum etwas tragen. Er sei sehr empfindlich gegenüber Staub, starken
Gerüchen sowie Kälte. In der Nähe von Bäckereien habe er regelmäßig stärkere Atembeschwerden. Nachts müsse er zwei- bis dreimal
täglich aufstehen wegen Atembeschwerden, er gehe dann an sein Inhaliergerät. Husten habe er häufig vor allem auch nachts,
phasenweise habe er auch dabei weißen Auswurf. Sport könne er nicht mehr treiben, beim Radfahren sei bereits nach ein bis
zwei Kilometern Schluss, manchmal könne er nicht mal seine Schuhe binden. Den letzten schweren Asthmaanfall habe er vor 14
Tagen gehabt, den Notarzt habe er im August letzten Jahres gebraucht.
Demgegenüber hat Dr. T. im Mai/Juni 2011 eine mittelgradige Erhöhung des Atemwegswiderstands (Rtot 173,3%, nach Inhalation
eines bronchienerweiternden Medikaments Verringerung des Atemwegswiderstands um 43,7% - Normalisierung des Atemwegswiderstands),
eine mittelgradige Einschränkung der Einsekundenkapazität (FEV 1) mit 58,6% (nach Inhalation eines bronchienerweiternden Medikaments
nur noch leichtgradige Einschränkung FEV 1 73,4%) bei fehlendem Emphysem, ein intrathorakales Gasvolumen (ITGV) von 86% (nach
Bronchospasmolyse normalisiert), eine mittelgradige Verminderung der peripheren Flusswerte, normale Blutgase in Ruhe und nach
Belastung und keine Störung des pulmonalen Gasaustauschs festgestellt. Bei der EKG-Messung in Ruhe konnte er keinen pathologischen
Befund erheben. Nach Belastung ist es zu einer obstruktiven Ventilationsstörung gekommen. Bei der Untersuchung hatte der Kläger
angegeben, dass er schon bei leichter körperlicher Anstrengung unter Atemnot leide. Er habe ausgeprägte Allergiebeschwerden
der Atemwege, ein Kratzen und einen Juckreiz im Hals. Bezüglich der Atemwegsbeschwerden hätten die Rehamaßnahmen 2006 in Bad
Reichenhall und 2009 in Davos ziemlich lange eine Verbesserung ergeben.
Diese Verbesserung ist bereits aus dem Befundbericht der Rehaklinik D. aus dem Jahr 2009 erkennbar, wurde dort bei der Messung
des Atemwegswiderstand nur eine leichte zentrale Obstruktion (voll reversibel), bei der Messung der Einsekundenkapazität eine
leicht bis mittelgradige periphere Obstruktion (voll reversibel), bei der Messung des intrathorakalen Gasvolumens keine relevante
Überblähung, eine periphere Flusslimitierung (voll reversibel) und im Rahmen der Blutgasanalyse eine respiratorische Partialinsuffizienz
festgestellt. Diese Messungen fanden natürlich unter Hochgebirgsbedingungen statt. Unter Berücksichtigung der von T. im Jahr
2011 wie auch der von Dr. G. dann im Jahr 2012 erhobenen Befunde zeigen sie jedoch, dass es jedenfalls seitdem zu einer nachhaltigen
Besserung gekommen war.
So hat Dr. G. im Juli 2012 einen erhöhten Atemwegswiderstand (Rtot 228,6 %) festgestellt. Dieser ist war zwar wieder höher
als jener von Dr. T. im Jahr 2011 gemessene, er war dennoch deutlich geringer als jener im Juli 1998. Überdies hatte sich
der Atemwegswiderstand nach Inhalation eines bronchienerweiternden Medikaments laut Ausführungen von Dr. G. im Gutachten aus
dem Jahr 2012 fast vollständig normalisiert. Dr. G. hat außerdem eine mittelgradig eingeschränkte Einsekundenkapazität (FEV
1) mit 57,7% (nach Inhalation eines bronchienerweiternden Medikaments Anstieg des Einsekundenvolumens um 16%), eine mäßige
Erhöhung des intrathorakalen Gasvolumens (ITGV) 114,3 % mit gutem Bronchospasmolyseeffekt (nach Inhalation eines bronchienerweiternden
Medikaments signifikante Abnahme der Lungenüberblähung), eine deutlich obstruktionstypische Deformierung der Flussvolumenkurve
mit Reduktion der Flussgeschwindigkeiten vor allem bei kleinen Lungenvolumina, keine klinisch relevante Störung des pulmonalen
Gaswechsels, ein in Ruhe und unter Belastung altersentsprechend unauffälliges EKG und keine klinisch manifeste Rechtsherzbelastung
festgestellt. Bei der Untersuchung hatte der Kläger über häufige spontane Atembeschwerden sowie Atemnot bei geringer Belastung
und ein ganzjähriges Erkältungsgefühl mit Zunahme im Frühjahr geklagt.
Auf Grund dieser vergleichenden Befunderhebungen ist für den Senat zweifelsfrei nachgewiesen, dass es im Zeitpunkt des angefochtenen
Herabsetzungsbescheides bzw. Widerspruchsbescheides zu einer nachhaltigen Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse vor
allem einer Rückbildung des Atemwegswiderstands, einer Verbesserung der Einsekundenkapazität, einer Rückbildung der Lungenüberblähung
und einer Normalisierung der Blutgase sowie einer Besserung der Herzfunktion gekommen ist. Durch diese zeitlich unterschiedlichen
Befunderhebungen ist auch nachgewiesen, dass die Verbesserung mehr als drei Monate angehalten hat.
Auch wenn es in zeitlicher Hinsicht im Rahmen der Anfechtungsklage nicht entscheidungserheblich auf die Befundung durch Dr.
P. im Rahmen der Begutachtung im Oktober 2017 ankommt, bestätigt letzten Endes auch dieser durch die von ihm erhobenen Befunde
die Verbesserung der gesundheitlichen Folgen der anerkannten BK, wie sie von Dr. T. und Dr. G. gesehen wurde. Daran ändert
auch der einmalige, im Oktober 2016 von Dr. P. erhobene schlechtere Befund nichts.
Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist auch im Hinblick auf die MdE eingetreten.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden
verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§
56 Abs.
2 Satz 1
SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang
der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände
des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die
Unfall- bzw. BK-Folgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteile vom 26.06.1985, 2 RU 60/84 = SozR 2200 § 581
RVO Nr. 23 m.w.N. und vom 19.12.2000, B 2 U 49/99 R = HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die
körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls oder der BK beeinträchtigt sind. Schlüssige
ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind
bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage
für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Urteil vom 05.09.2006, B 2 U 25/05 R = SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; Beschluss vom 22.08.1989, 2 BU 101/89 = HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung
und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um
eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Die im Zeitpunkt des angefochtenen Herabsetzungsbescheides bzw. Widerspruchsbescheides festgestellten gesundheitlichen Folgen
der Atemwegserkrankung bedingen zur Überzeugung des Senats nur noch eine MdE von 50 v.H., so dass es auch insoweit zu einer
wesentlichen Änderung von mehr als 5 v.H. gekommen ist. Hierbei berücksichtigt der Senat die Beeinträchtigungen der gesamten
Atemwegserkrankung, einschließlich der nicht berufsbedingten (Pollenallergie), da eine Trennung zwischen berufsbedingten und
nicht berufsbedingten nicht mehr möglich erscheint. Abgrenzbare Ausprägungen der Allergien bestehen nicht. Insofern schließt
sich der Senat den nachvollziehbaren Ausführungen aller Gutachter an.
Grundlage für die Einschätzung der MdE sind im vorliegenden Fall das im Jahr 2006 veröffentlichte Reichenhaller Merkblatt
(herausgegeben vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften) und dessen im November 2012 als Reichenhaller Empfehlung
veröffentlichte und überarbeitete Neuauflage (herausgegeben von der DGUV). Diese Begutachtungsempfehlungen bilden die allgemeinen
Erfahrungssätze zur Bewertung der MdE der Folgen der BK 4301 und 4302 ab (vgl. Reichenhaller Merkblatt, S. 44 und Reichenhaller
Empfehlung, S. 74, 75). Die MdE ergibt sich danach aus dem Gesamtbild von Anamnese und klinischem Befund, Lungenfunktion (Spirometrie,
Bodyplethysmographie), Belastungstests (mit Blutgasbestimmung, Spiroergometrie) und ggf. notwendiger Therapie. Die Tabelle
enthält in den einzelnen Teilbereichen jeweils eine Abstufung der MdE-Prozentsätze, wobei durch Stufengrößen von 10 bis 30%
ein gutachterlicher Entscheidungsspielraum belassen wurde. Die vergleichende Betrachtung der Spalten/Bereiche ermöglicht zudem
Plausibilitätsprüfungen der Angaben bzw. Messergebnisse. Als MdE ist der Wert zu wählen, für den in der Gesamtschau - also
nicht rein mathematisch - die Mehrheit der Einzelangaben/-messwerte spricht (vgl. Reichenhaller Empfehlung, S. 73).
Die Kriterien für eine MdE von 50 v.H. verlangen nach dem Reichenhaller Merkblatt hinsichtlich der Anamnese eine "mittelgradige
Belastungsdyspnoe (z.B. Pause nach 2 bis 3 Stockwerken), tägliche Atembeschwerden, geringe nächtliche Beschwerden", hinsichtlich
des klinischen Befundes ein "cor pulmonale ohne Insuffizienzzeichen", hinsichtlich der Lungenfunktion "überwiegend mittelgradige
Veränderungen", hinsichtlich der Belastungsuntersuchung eine "Hypoxämie oder andere Insuffizienzkriterien bei mittlerer Belastung"
und hinsichtlich der Therapie "zusätzliche orale Kortikoide/sonstige notwendige Medikation". Die Kriterien für eine MdE von
50 v.H. verlangen nach den Reichenhaller Empfehlungen hinsichtlich der Anamnese eine "Dyspnoe bei mittlerer Belastung, täglich
Atembeschwerden", hinsichtlich des klinischen Befundes eine "pulmonale Hypertonie ohne klinisch feststellbare Rechtsherzinsuffizienzzeichen",
hinsichtlich der Lungenfunktion "überwiegend mittelgradige Veränderungen", hinsichtlich der Belastungsuntersuchung einen "verminderten
Sauerstoffpartialdruck bei hoher oder mittlerer Belastung, bei durchgeführter Spiroergometrie: Insuffizienzkriterien bei mittlerer
Belastung (bei einer VO2 von (65-50 % des VO2-Solls)" und hinsichtlich der Therapie bei Asthma "inhalative Kortikoide in hoher
Dosis und langwirksame Bronchodilatatoren, gelegentlich systemische Kortikosteroide" und bei COPD eine "Kombination von langwirksamen
Beta2-Agonisten (LABA) und Tiotropium (LAMA) mit inhalativen Kortikosteroiden/Roflumilast".
Die Kriterien für eine MdE von 70 v.H. erfordern nach dem Reichenhaller Merkblatt demgegenüber hinsichtlich der Anamnese eine
"hochgradige Belastungsdyspnoe (z.B. Pause nach 1 Stockwerk), tägliche Asthmaanfälle, regelmäßige nächtliche Atemnotzustände",
hinsichtlich des klinischen Befundes ein "cor pulmonale mit reserviblen Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz", hinsichtlich
der Lungenfunktion "überwiegend hochgradige Veränderungen", hinsichtlich der Belastungsuntersuchung eine "Hypoxämie oder andere
Insuffizienzkriterien bei leichter Belastung" und hinsichtlich der Therapie "zusätzliche orale Kortikoide/sonstige notwendige
Medikation". Die Kriterien für eine MdE von 70 v.H. erfordern nach den Reichenhaller Empfehlungen hinsichtlich der Anamnese
eine "Dyspnoe bei geringer Belastung, tägliche Asthmaanfälle, regelmäßige nächtliche Atemnotzustände, häufige Exazerbationen
()/= 2x/J)", hinsichtlich des klinischen Befundes eine "pulmonale Hypertonie mit klinisch feststellbaren, reversiblen Rechtsherzinsuffizienzzeichen",
hinsichtlich der Lungenfunktion "überwiegend hochgradige Veränderungen", hinsichtlich der Belastungsuntersuchung einen "verminderten
Sauerstoffpartialdruck bei leichter Belastung, bei durchgeführter Spiroergometrie: Insuffizienzkriterien bei leichter Belastung
(bei einer VO2 von (50 % des VO2-Solls)" und hinsichtlich der Therapie bei Asthma und COPD "zusätzlich regelmäßig systemische
Kortikosteroide/ weitere zusätzliche notwendige Medikation".
Dass bei dem Kläger nur noch die Voraussetzungen für eine MdE von 50 v.H., nicht mehr jedoch von 70 v.H. im Zeitpunkt der
angefochtenen Bescheide vorgelegen haben, ergibt sich aus den übereinstimmenden Einschätzungen der Gutachter Dr. T. und Dr.
G. Diese Einschätzungen sind für den Senat auf Grund der - bereits zuvor dargestellten - jeweiligen Befund- und Anamneseerhebung
schlüssig und überzeugend. Aus der Befunderhebung ergibt sich, dass nur noch mittelgradige Veränderungen der Lungenfunktion
und eine pulmonale Hypertonie - anders als im Jahr 1998 - gerade ohne klinisch feststellbare Rechtsherzinsuffizienzzeichen
vorgelegen hat. Überdies hat sich gerade im Rahmen der Blutgasanalyse/Messung des pulmonalen Gasaustauschs in Ruhe und nach
Belastung kein klinisch relevanter, verminderter Sauerstoffpartialdruck (Hypoxämie) mehr gezeigt. Auch die Anamneseerhebung
führt zu keinem anderen Ergebnis. In den jeweiligen Untersuchungen 2011 und 2012 hatte der Kläger zwar angegeben, an häufig
spontanen Atembeschwerden und schon bei leichter körperlicher Anstrengung an Atemnot zu leiden. Er hatte aber weder über tägliche
Asthmaanfälle noch über regelmäßig nächtliche Atemnotzustände geklagt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine MdE von
50 v.H. als ausreichend erscheint. Dies wird im Ergebnis auch untermauert durch die vom Kläger gegenüber Dr. P. in den Jahren
2016 und 2017 geäußerten Beschwerden. Dort hatte er nämlich angegeben, unter Alltagsbedingungen von respiratorischer Seite
her beschwerdefrei zu sein, auf der Treppe vom Keller bis in das zweite Obergeschoss - und damit nach drei Stockwerken - eine
Pause wegen Luftnot einlegen zu müssen und seit Beginn der kalten Jahreszeit etwas Luftnot beim Fahrradfahren zu haben. Die
MdE von 50 v.H. wird sodann auch von den im Jahr 2011 erhobenen Spiroergometriebefunden untermauert, bei der sich eine Rampenbelastung
im Sitzen bis 119 Watt entsprechend 82% der Sollwattzahl gezeigt hatte. Die MdE von 50 v.H. bildet zuletzt auch die bei Kläger
durchgeführte Therapie mit inhalativem (Sultanol 2x tgl.) wie auch oralem (Prednisolon 1x tgl. 2,5 bis 5 mg, Viani forte Diskus
500 1 bis 2x tgl.) Cortison sowie zusätzlich bronchienerweiternden Medikamenten (Theophylin 250 mg 2x tgl., Berodual und Salbutamol
Dosieraerosol bei Bedarf) hinreichend ab. Selbst wenn hinsichtlich der Therapie mit Prednisolon und Viani forte Diskus von
einer regelmäßigen systemischen Corticosteroidtherapie auszugehen wäre, vermag diese allein eine MdE von 70 v.H. nicht zu
rechtfertigen, da die hierfür weiteren dargestellten erforderlichen Kriterien nicht erfüllt sind.
Die Einschätzung einer MdE von 50 v.H. wird überdies von dem auf Antrag des Klägers gehörten Dr. P. bestätigt. Dieses Gutachten
ist auch verwertbar. In welchem Umfang ein vom Gericht bestellter Sachverständiger bei der Erstellung des Gutachtens auf die
Mitarbeit anderer sachkundiger Personen zurückgreifen darf, regeln §
118 Abs.
1 SGG in Verbindung mit §
407a Abs.
3 Zivilprozessordnung (
ZPO). Danach ist der Sachverständige nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen (Satz 1). Soweit er sich der Mitarbeit
einer anderen Person bedient, hat er diese namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht
um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt (Satz 2). Nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit - mit der Folge der Unverwertbarkeit des Gutachtens - überschritten,
wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit eines weiteren Arztes gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine
das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht
selbst wahrgenommen, sondern delegiert (BSG, Beschluss vom 30.01.2006, B 2 U 358/05 B, in juris; Beschluss vom 19.09.2003, B 9 VU 2/03 B, SozR 4-1750 § 407a Nr. 1 SozR). Eine fehlende Information über den Umfang der Mitarbeit des anderen Arztes (Verstoß gegen
§
407a Abs.
2 Satz 2
ZPO) führt dann zur Unverwertbarkeit, wenn dadurch dem Beteiligten die Möglichkeit genommen wurde, die Grenzen der erlaubten
Mitarbeit zu überprüfen; Voraussetzung ist, dass (1) der Beteiligte objektiv ein berechtigtes Interesse an den Angaben nach
§
407a Abs.
2 Satz 2
ZPO hat und (2) das Gericht seinen Antrag, vom Sachverständigen die Informationen nach dieser Vorschrift anzufordern, übergangen
hat (BSG, Beschluss vom 15.07.2004, B 9 V 24/03 B, SozR 4-1750 § 407a Nr. 2). Vorliegend ist weder die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten noch fehlen Informationen
über den Umfang der Mitarbeit von Dr. B., die dem Kläger die Möglichkeit nehmen, die Grenzen der erlaubten Mitarbeit zu überprüfen.
Dr. P. hat am Ende seines Gutachtens erklärt, dass Teile dieses Gutachtens von der Lungenfachärztin Dr. B. unter seiner Aufsicht
erstellt wurden und er sich von der korrekten Erhebung der Resultate und deren Qualität überzeugt hat. Das Gutachten wurde
sodann von Dr. P. unterzeichnet. Dr. P. hat damit den Gutachtensauftrag nicht auf Dr. B. übertragen. Allein die Befunderhebung
- genau dies ergibt sich aus den Angaben von Dr. P. - und damit die Herz- und Lungenfunktionsuntersuchung des Klägers wurde
von Dr. B. durchgeführt. Die Durchführung der Untersuchung in Form der Erhebung objektivierbarer und dokumentierbarer organmedizinischer
Befunde gehört gerade nicht zu der unverzichtbaren Kernaufgabe, die der Sachverständige zwingend selbst erledigen muss (vgl.
BSG, Beschluss vom 17.04.2013, B 9 V 36/12 B, SozR 4-1500 §
118 Nr. 3, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
118 RdNr 11g m.w.N). Soweit sich - wie hier - nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen
die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird, reicht es aus, wenn dieser die von Hilfskräften
erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht (BSG, Beschluss vom 30.01.2006, a.a.O.). Seine Anwesenheit bei der Untersuchung ist insofern nicht zwingend. Entscheidend ist,
dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung
für das Gutachten übernimmt (zu alledem Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl. 2005, III.
Kapitel RdNr 65/66; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl. 2017, §
118 RdNr 11g m.w.N). Dies ist, wie sich der Erklärung von Dr. P. entnehmen lässt, der Fall. Die Auffassung des Klägers, dass
das Gutachten nicht von Dr. P. gefertigt worden sei, teilt der Senat nach alledem nicht. Fehlende Angaben zum Umfang der Tätigkeit
von Dr. B. hat der Kläger nicht gerügt und insoweit - konsequenterweise - auch nicht beantragt, diese Informationen von Dr.
P. anzufordern.
Eine andere Bewertung der MdE ergibt sich zuletzt auch nicht aus dem Gutachten von Dr. W., da dieser unabhängig davon, dass
er die Bewertung der Beschwerden nach dem GdB im Sinne des
SGB IX und damit an einem anderen Maßstab misst, als er im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gilt, für die Atemwegsbeschwerden
ohnehin nur einen GdB von 50 ansetzt.
Ärztlicherseits fundierte Anhaltspunkte dafür, dass etwaige psychische Erkrankungen auf die Atemwegserkrankung ursächlich
zurückzuführen und ggf. im Rahmen der Bewertung der MdE zu berücksichtigten wären, gibt es nicht. Insoweit wird auf die zutreffenden
Ausführungen des SG verwiesen.
Die Berufung war zurückzuweisen. Die Kostenfolge beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG) liegen nicht vor.