Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; hinreichende Erfolgsaussicht bei der Aufhebung bewilligter
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes
Gründe:
I. Streitig ist die Aufhebung bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II -)
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger, der von einem Betreuer u.a. in Behördenangelegenheiten vertreten wird, befand sich nach Kenntnis der Beklagten
vom 01.10.2007 bis 31.12.2007 im Eingangsverfahren einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfBM) und seit 01.01.2008 in deren
Bildungsbereich. Die Beklagte bewilligte zuletzt mit Bescheid vom 08.10.2008 Alg II für die Zeit vom 01.11.2008 bis 30.04.2009.
Ohne Anhörung hob sie aufgrund einer wohl geänderten Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) zur Frage der Erwerbsfähigkeit
mit an den Kläger persönlich adressierten Bescheid vom 26.01.2009 - die Aufgabe zur Post ist nicht vermerkt - die bewilligten
Leistungen für die Zukunft ab 01.02.2009 auf. Tatsächlich aber zahlte sie Alg II für Februar 2009 noch aus. Den Widerspruch
gegen die Aufhebung wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2009 zurück. Erwerbsfähigkeit sei beim Kläger nicht
anzunehmen.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das
SG hat mit Beschluss vom 23.10.2009 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht
unter Hinweis auf Ausführungen im Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. Im Übrigen erhalte der Kläger Grundsicherungsleistungen.
Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und auf die zwischenzeitlich abgegebene Klagebegründung,
die im Wesentlichen der Widerspruchsbegründung entspricht, hingewiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz
Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Das Rechtsmittel erweist sich auch als begründet.
Der gerade noch mit einer hinreichenden Begründung versehene Beschluss des SG ist aufzuheben. Dem Kläger ist bereits aufgrund einer summarischen Prüfung allein der vorliegenden Akten für das erstinstanzliche
Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Die Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheides
genügt nicht, denn darin sind (verfahrens-) rechtliche Fragen nicht angesprochen.
Nach §
73a Abs
1 SGG iVm §
114 Abs
1 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlich und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Es genügt für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9.Aufl, §
73a Rdnr 7), der Erfolg braucht nicht mit Sicherheit feststehen. Das Wort "hinreichend" kennzeichnet dabei, dass das Gericht
sich mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht begnügen darf und muss. Der Erfolg braucht nicht gewiss zu sein, er
muss aber immerhin nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit
ist nicht notwendig. Der Standpunkt des Antragstellers muss zumindest objektiv vertretbar sein (Leitherer aaO. Rdnr 7a).
Dies zugrunde gelegt, ist vorliegend eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen. Zwar scheint es naheliegend, dass
beim Kläger eine Erwerbsfähigkeit nicht gegeben ist, nachdem sein Betreuer in seinem Erstantrag auf Alg II vom 17.09.2007
von einer vollen Erwerbsminderung gesprochen hat. Jedoch ist eine gewisse Erfolgsaussicht aus verfahrensrechtlichen Gründen
nicht zu verneinen. So stellt sich zunächst die Frage, ob der Bescheid vom 26.01.2009 an den zutreffenden Adressaten gerichtet
ist (§ 37 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Insbesondere ist jedoch fraglich, ob hier eine wesentliche Änderung eingetreten ist, die eine Aufhebung gemäß § 48 SGB X rechtfertigt. Die Tätigkeit im Eingangsverfahren bzw. im Berufsbildungsbereich der WfBM war der Beklagten von Anfang an bekannt.
Ob eine geänderte Weisungslage eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage darstellt ist zumindest fraglich. Es ist
daher zu prüfen, ob nicht ggf. eine Rücknahme gemäß § 45 SGB X hätte erfolgen müssen. Zudem ist zu prüfen, ob es sich um eine Aufhebung bzw Rücknahme für die Zukunft handelt, nachdem nicht
bekannt ist, wann der Bescheid vom 26.01.2009 zur Post gegeben worden ist. Sollte dieser erst nach dem 01.02.2009 bekannt
gegeben worden sein, so würde es sich um eine Aufhebung für die Vergangenheit handeln. Dazu aber müssten die Voraussetzungen
des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X vorliegen (§
330 Drittes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB III - iVm §
40 SGB II), es sei denn die Beklagte hätte bei der Aufhebungs- bzw. Rücknahmeentscheidung ihr Ermessen ausgeübt.
Nach alledem war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen. Die persönlichen und wirtschaftlichen
Voraussetzungen zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor. Der Kläger bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).