Anspruch auf Arbeitslosengeld bei grenznahem Auslandsaufenthalt
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 06.10.2004.
Der 1966 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.07.1998 bis 30.09.2004 als Rechtsanwalt tätig. Am 06.10.2004 meldete sich
der Kläger persönlich bei der Beklagten (Arbeitsamt A.) arbeitslos und beantragte Alg. Er wohne in B ... Er sei in K. als
Rechtsanwalt zugelassen, ab 01.01.2003 sei er in das B. Büro seiner Sozietät entsandt worden, wobei sein Anstellungsverhältnis
weiterhin deutschem Recht unterliege. Seine Arbeitsplatzsuche sei aufgrund seiner Kenntnisse im internationalem Recht nicht
auf Deutschland beschränkt, gerade in B. bestünden sehr realistische Aussichten, eine neue Position zu finden. Ab Januar 2005
meldete sich der Kläger wegen der Aufnahme einer neuen Beschäftigung aus dem Leistungsbezug ab.
Mit Bescheid vom 15.12.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Alg ab. Der Kläger habe seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt
in Belgien und somit keinen Anspruch auf Alg. Auch unter Berücksichtigung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
vom 12.06.1986 - 1/85 - (Miethe) bestünde keine Möglichkeit, deutsches Alg zu gewähren, da keine beruflichen und persönlichen
Bindungen zum Raum A. vorlägen. Der Kläger habe Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah nicht Folge leisten
können, da er in B. wohne.
Den gegen den ablehnenden Bescheid eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2005 zurück.
Da der Wohnsitz des Klägers nicht grenznah im Nahbereich einer deutschen Agentur für Arbeit läge, sei Verfügbarkeit nicht
gegeben. Der Kläger habe somit den Vermittlungsbemühungen im streitigen Zeitraum wegen fehlender Erreichbarkeit nicht zur
Verfügung gestanden und sei damit nicht arbeitslos iS des §
118 Abs
1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB III) gewesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er unterfalle den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland trotz seines Wohnsitzes
außerhalb der Bundesrepublik, was sich aus der Bescheinigung E 101 der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom
17.11.2003 ergebe. Die Beklagte habe das in §
30 Abs
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I) niedergelegte Territorialitätsprinzip falsch verstanden, im Übrigen werde §
30 SGB I von §
4 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) verdrängt. Die Geltung des Äquivalenzprinzips zwischen Beitrag und Leistung als besonderes Strukturprinzip der Versicherung
werde verkannt. Er habe Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland geleistet, genauso habe er nunmehr auch Sozialversicherungsleistungen
nach deutschem Recht zu beziehen. Art 71 Abs 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung
der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern
(VO 1408/71) räume Arbeitnehmern, die keine Grenzgänger seien, ein Wahlrecht zwischen Leistungen des zuständigen Staates und
Leistungen des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz habe, ein. Er habe sein Wahrecht dahingehend
ausgeübt, Alg nach deutschem Recht zu beziehen. Er sei auch verfügbar, er könne Mitteilungen der Beklagten unverzüglich zur
Kenntnis nehmen und verfüge über eine Postanschrift, E-Mail-Adresse und telefonischen Festnetzanschluss sowie Mobiltelefon.
Er habe die Beklagte auch unverzüglich aufsuchen können, die Entfernung für eine Anreise nach A. betrage von B. aus ca. 1
1/2 Stunden.
Mit Urteil vom 14.09.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach §
30 SGB I könne Leistungen nur erhalten, wer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland habe. Eine
Ausnahme gelte nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch für unechte Grenzgänger nach Art 71 Abs 1 b VO 1408/71. Beim Kläger
habe es sich jedoch nicht um einen Grenzgänger gehandelt, vielmehr sei er von seinem in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen
Arbeitgeber zur Arbeitsleistung ins Ausland entsandt worden. Ein Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus Art 71 Abs
1 b Nr. ii VO 1408/71. Der Kläger sei kein unechter Grenzgänger, denn er habe nicht geltend gemacht, in der Bundesrepublik
Deutschland noch einen Wohnsitz zu haben, sondern sei sogar nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in B. wohnhaft geblieben,
weil er angenommen habe, dort die besseren Aussichten auf berufliche Wiedereingliederung zu haben. Der Anspruch des Klägers
ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Zwar gebiete danach
eine an Art
3 Abs
1 Grundgesetz (
GG) orientierte verfassungskonforme Auslegung des §
30 SGB I die Erstreckung des Begriffs des Wohnsitzes auf den grenznahen Bereich des Auslands. Aber daraus ergebe sich kein Anspruch
für den Kläger, da dieser nicht Grenzgänger sei. Es werde auch nicht gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen, denn der Kläger
hätte selbstverständlich einen Anspruch auf Alg, wenn er nach Beendigung der Tätigkeit in B. seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt in A. genommen hätte.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und ergänzend vorgetragen, die BfA habe ihm mit
dem Formblatt E 101 für die Dauer der Entsendung die fortdauernde Geltung des deutschen Rechts bescheinigt. Auch habe er vor
seiner Entsendung nach B. im K. Büro der Sozietät gearbeitet. Aus Kostengründen habe er seinen Wohnsitz in K. dann aufgrund
der Entsendung nach B. aufgegeben, sei polizeilich aber in W./B-Stadt gemeldet gewesen, wo seine Eltern gelebt hätten, die
er regelmäßig besucht habe. Er habe somit durchgehend einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte und Berufungsbeklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.09.2005 (S 13 AL 278/05) verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld gemäß Antrag vom 06.10.2004 unter Aufhebung des Bescheides der Agentur für Arbeit
A. vom 15.12.2004 - 321.CKd Nr. 311D031915 - in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2005 - 89 - KD Nr. 311D031915
W 424/04 - zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger habe seinen Wohnort und seinen gewöhnlichen Aufenthalt durchgehend in B. gehabt. Die Gehaltzahlungen vom K. Büro
aus seien das einzige Indiz, das für eine Entsendung des Klägers spräche. Es handle sich bei der Kanzlei in B. um eine eigenständig
organisierte Kanzlei. Ob möglicherweise eine Rückkehr in das K. Büro geplant gewesen sei, sei rechtlich unerheblich. Die Zulassung
als Rechtsanwalt in K. ermögliche es dem Kläger aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der gesamten EU tätig zu werden
und stelle isoliert betrachtet keinen besonderen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt her. Ein fehlender Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt
habe sich aber insbesondere aus dem Handeln des Klägers ergeben, der nicht aus der Wohnung in B. ausgezogen sei, sondern bewusst
weiterhin B. als Wohnort gewählt habe, um dort bzw. von dort aus seine Bemühungen zu fokussieren.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Beklagtenakten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz ergänzend
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung, §§
143,
144,
151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Das Urteil des SG ist zutreffend. Der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2005 ist rechtmäßig
und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alg für die Zeit vom 01.10.2004 bis 31.12.2004
und darüber hinaus.
1. Für die Zeit vom 01.10.2004 bis 31.12.2004 scheitert der Anspruch des Klägers auf Alg an seiner fehlenden Verfügbarkeit.
Nach §
3 Abs
2 Nr.
4, §
19 Abs
1 Nr.
6 SGB I, §
118 Abs
1 SGB III i.V.m. §
30 Abs
1 SGB I haben Anspruch auf Alg lediglich Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches,
d.h. in Deutschland haben.
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er seine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung
beibehalten und benutzen wird. Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen
lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, §
30 Abs
2 SGB I. Vom Wohnsitz unterscheidet sich der gewöhnliche Aufenthalt dadurch, dass jener auf Dauer angelegt ist und den Mittelpunkt
der Lebensverhältnisse bildet, während der gewöhnliche Aufenthalt mehr zukunftsoffen ist und den örtlichen Schwerpunkt der
Lebensverhältnisse angibt (vgl. Hauck in Hauck/Noftz,
SGB I, §
30 Rdnr. 14).
Der Kläger erfüllte im streitigen Zeitraum diese Voraussetzungen nicht. Nach seiner eigenen Einlassung war er in dieser Zeit
polizeilich bei seinen Eltern in B-Stadt gemeldet, die er - lediglich - regelmäßig besuchte. Damit war die Wohnung in B-Stadt
offensichtlich nicht der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen, sondern es handelte sich um kurze, vorübergehende Aufenthalte
im Rahmen familiärer Bindungen. Allein die polizeiliche Meldung in B-Stadt ohne objektive, tatsächliche Anhaltspunkte eines
dortigen andauernden Verweilens ist ohne Belang (vgl. BSGE 53, 49, 52).
Auch die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung E 101, wonach auf den Kläger in der Zeit vom 10.10.2003 bis 31.12.2005 weiterhin
deutsche Rechtsvorschriften Anwendung fänden, begründet für diesen keinen Anspruch auf deutsches Alg.
Nach dem Urteil des EuGH 10.02.2000 (SozR 3-6055 Art 11 Nr. 1) erklärt der zuständige Träger des Mitgliedsstaats, in dem der
Arbeitgeber seine Betriebsstätte hat, in dieser Bescheinigung, dass sein eigenes System der sozialen Sicherung auf entsandte
Arbeitnehmer während der Entsendung anwendbar bleibt. Wegen des Grundsatzes, dass die Arbeitnehmer einem einzigen System der
sozialen Sicherung angeschlossen sein sollen, hat die Bescheinigung damit notwendig zur Folge, dass das System der sozialen
Sicherung des anderen Mitgliedsstaats nicht angewendet werden kann. Nach der oben genannten Rspr. beschränkt sich die Beweiskraft
und damit auch die Bindungswirkung der Bescheinigung nach E 101 jedoch auf die Feststellung des anwendbaren Rechts durch den
zuständigen Träger, kann aber weder die Freiheit der Mitgliedsstaaten bei der Organisation ihres eigenen Systems des sozialen
Schutzes noch deren Regelung der Voraussetzungen für den Anschluss an die verschiedenen Systeme der sozialen Sicherung berühren,
für die weiterhin der betreffende Mitgliedsstaat zuständig ist. Die Beklagte hat jedoch auf den erhobenen Anspruch des Klägers
deutsches Recht angewandt und diesen Anspruch unter Berücksichtigung des §
30 Abs
1 SGB I zutreffend abgelehnt.
Ein Anspruch des Klägers auf Alg lässt sich auch nicht aus §
30 Abs
2 SGB I i.V.m. den Vorschriften überstaatlichen Rechts ableiten. Der Kläger kann gegen die Beklagte keine Rechte aus Art 71 Abs 1
Buchst. b Ziff. i oder ii VO 1408/71 herleiten.
Art 71 Abs 1 VO 1408/71 betrifft die Gewährung von Leistungen an einen arbeitslosen Arbeitnehmer, der während seiner letzten
Beschäftigung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates als des zuständigen Staates wohnte.
Der Kläger war Arbeitnehmer i.S.d. Art 1 Buchst. a Ziff. i VO 1408/71 und während seiner letzten Beschäftigung im Gebiet eines
anderen Mitgliedstaates als des zuständigen Staates wohnhaft, namentlich in Belgien.
Als "zuständiger Staat" i.S.d. Regelung ist der Mitgliedsstaat anzusehen, in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz
hat, Art 1 Buchst. q VO 1408/71. Dies ist vorliegend die Bundesrepublik Deutschland, denn die Beklagte ist der zuständige
Träger, gegen den der Kläger einen Anspruch auf Leistungen hätte, wenn er selbst im Gebiet des Mitgliedstaates wohnen würde,
in dem dieser Träger seinen Sitz hat.
Art 71 Abs 1 Buchst. b Ziff. i VO 1408/71 begründet Leistungsansprüche gegen die Beklagte als zuständigen Leistungsträger
nach den Vorschriften des
SGB III bei Arbeitslosigkeit u.a. für Arbeitnehmer, die nicht Grenzgänger sind und weiterhin der Arbeitsverwaltung des zuständigen
Staates zur Verfügung stehen. Dadurch soll die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der Europäischen Union gewährleistet werden
(vgl. BSG, SozR 3-6050 Art 71 Nr. 5 S. 36) und für den Arbeitslosen kein Druck dahingehend aufgebaut werden, nach Deutschland
zu ziehen um Alg beziehen zu können. Als Grenzgänger bezeichnet Art 1 Buchst. b VO 1408/71 jeden Arbeitnehmer oder Selbständigen,
der seine Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaates ausübt und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt, in das
er in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich zurückkehrt. Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum
unstreitig kein Grenzgänger i.S.d. Vorschrift.
Der Kläger hat sich aber der deutschen Arbeitsverwaltung nicht zur Verfügung gestellt.
"Zur Verfügung stellen" bei der Arbeitsverwaltung des zuständigen Staates i.S.d. Vorschrift setzt nach dem Urteil des EuGH
vom 01.02.1996 (SozR 3-6050 Art 13 Nr. 10) voraus, dass der Arbeitslose sich bei der Beklagten als Arbeitssuchender meldet
und sich der Kontrolle der Beklagten unterwirft.
Im Rahmen dieser, der deutschen Arbeitsverwaltung zustehenden Kontrollmöglichkeiten, ist auch die Verfügbarkeit des Arbeitslosen
nach §
119 SGB III notwendig (vgl. BayLSG, Urteil vom 28.08.2009 L 10 AL 201/08; BSG, Urteil vom 25.03.2003 B 7 AL 204/02 B - veröffentlicht in juris, BSG, Urteil vom 09.02.1994 SozR 3-6050 Art 71 Nr. 5).
Diese setzt voraus, dass der Arbeitslose den Vorschlägen der Agentur für Arbeit zeit- und ortsnah Folge leisten kann. Es kommt
darauf an, dass der Arbeitslose sowohl in zeitlicher Hinsicht, als auch in Bezug auf seinen Aufenthalt jederzeit in der Lage
ist, einen potentiellen neuen Arbeitgeber aufzusuchen, einen Vorstellungs- oder Beratungstermin wahrzunehmen, an einer Maßnahme
zur Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen oder einem sonstigen Vorschlag der Agentur für Arbeit Folge zu leisten
(vgl. BT-Drucks. 13/4941 S. 176).
Nähere Bestimmungen zu diesen Erfordernissen hat die Beklagte aufgrund der Ermächtigung in §
152 Nr. 2
SGB III in der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes
zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeits - Anordnung - EAO -) getroffen. Nach § 1 Abs 1 S. 2 EAO hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen
Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Nach der Einlassung des Klägers
waren diese Voraussetzungen bei ihm erfüllt, Anhaltspunkte dies anzuzweifeln hat der Senat nicht.
Für die Verfügbarkeit ist es aber auch notwendig, dass sich der Kläger im Nahbereich einer deutschen Agentur für Arbeit aufhält
(vgl. BayLSG, Urteil vom 28.08.2009 L 10 AL 201/08; BSG, Urteil vom 25.03.2003 B 7 AL 204/02 B - veröffentlicht in juris ; BSG, Urteil vom 09.02.1994, SozR 3-6050 Art 71 Nr. 5). Zum Nahbereich gehören alle Orte in der
Umgebung des Arbeitsamts, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne
unzumutbaren Aufwand zu erreichen, § 2 Nr. 3 EAO.
Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der Arbeitslose von seiner Wohnung aus die zuständige Agentur für Arbeit in der Regel
in längstens 75 Minuten erreichen kann. Hierbei ist der Grenzwert des §
121 Abs
4 SGB III heranzuziehen (vgl. Steinmeyer in Gagel
SGB III §
119 Rdnr. 266 Stand Januar 2005, Brand in Niesel
SGB III 4. Aufl. 2007, §
119 Rdnr. 84). Dieser ist überschritten. Unter Berücksichtigung der eigenen Ausführungen des Klägers beträgt die zeitliche Entfernung
zwischen seinem Wohnort und der Agentur für Arbeit A. 1 1/2 Stunden. Dies wird auch durch eine Recherche des Senats anhand
der einschlägigen Routenplaner bestätigt. Der Anreiseweg mit der Bahn ist noch länger. Damit liegt der Wohnsitz des Klägers
in B. nicht mehr im Nahbereich der Agentur für Arbeit A ... Ein Anspruch der Klägers auf Alg ergibt sich somit aus Art 71
Abs 1 Buchst. b Ziff. i VO 1408/71 nicht.
Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus Art 71 Abs 1 Buchst. b Ziff. ii VO 1408/71, denn ein solcher Anspruch
hängt entscheidend davon ab, ob bei Ausübung der Beschäftigung in einem Mitgliedstaat noch ein Wohnort in einem weiteren Mitgliedstaat
besteht (Eichenhofer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl. 2005, Art 71 Rdnr. 7). Der Kläger war aber in Belgien beschäftigt
und hat auch dort gewohnt. Wohnen setzt voraus, dass sich an diesem Ort der gewöhnliche Mittelpunkt seiner Interessen befinden
(vgl. Fuchs aaO.). Der Kläger hat unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen in Deutschland keine Wohnung gehabt. Der
Anspruch ist somit ausgeschlossen.
Der Kläger wird durch das Nichtbestehen eines Anspruchs auch nicht in seinem Grundrecht aus Art
3 Grundgesetz (
GG) verletzt, ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom
30.12.1999, SozR 3-1200 §
30 Nr.
20) nicht. Danach kann eine durch §
30 Abs
1 SGB I bewirkte Ungleichbehandlung der Personen mit Auslandswohnsitz im Vergleich zu den Personen mit Inlandswohnsitz für die Gewährung
von Alg sachlich gerechtfertigt sein. Es ist ein verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstandendes Ziel nationaler
Sozialpolitik, sozial relevante Tatbestände im eigenen Staatsgebiet zu formen und zu regeln. Der Gesetzgeber kann den Wohn-
und Aufenthaltsort als Kriterium wählen, nach dem sich neben anderen Voraussetzungen die Gewährung von Leistungen bestimmt.
Eine Ausnahme hat das BVerfG für Personen mit grenznahem Auslandswohnsitz, die im Inland beschäftigt und versichert sind (Grenzgänger)
vorgenommen. Bei einem Grenzgänger ist von Verfassungswegen eine Auslegung geboten, die den aus Art
3 Abs
1 GG abgeleiteten Anspruch auf eine seiner Beitragszahlung entsprechende Sozialleistung zur Geltung zu bringen. Nach dem BVerfG
sind sachliche Gründe der Ungleichbehandlung zwischen einem in Deutschland befindlichen Arbeitslosen und einem Grenzgänger
nicht zu sehen. Vielmehr ergibt sich bei beiden die Möglichkeit der Gewährung unter den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen
des
SGB III.
Der Kläger war aber unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen nicht Grenzgänger i.S.d. Rechtsprechung des BVerfG, eine
Leistungsgewährung nach dem
SGB III scheitert auch nicht an seinem Wohnsitz im Ausland, sondern an der fehlenden Verfügbarkeit des Klägers. Damit liegen die
allgemeinen Leistungsvoraussetzungen der §§
117 ff
SGB III nicht vor.
Es ist dem Kläger somit zuzustimmen, dass nach dem BVerfG der Auslandswohnsitz allein einer Gewährung von Alg nicht entgegensteht.
Der Anspruch des Klägers scheitert aber vorliegend auch nicht an dem Auslandswohnsitz, sondern an der Entfernung von seinem
ausländischen Wohnort zur nächsten deutschen Agentur für Arbeit. Diese Entfernung ist auch für das BVerfG ein taugliches Unterscheidungskriterium.
Ein Anspruch des Klägers ist nicht gegeben.
2. Ein Anspruch des Klägers auf Alg ab 01.01.2005 scheitert an seiner fehlenden Beschäftigungslosigkeit, §
119 Abs.
1 Nr.
1 SGB III.
Nach alldem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision nach §
160 Abs
2 Nr.
1 oder 2
SGG zuzulassen, liegen nicht vor.