Prozesskostenhilfe
Zusammenrechnung von Beschäftigungszeiten in verschiedenen EU-Staaten
Voraussetzung für Ansprüche nach dem SGB III
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache ein Anspruch auf Arbeitslosengeld streitig. Vorliegend ist über die Frage der
Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor dem Sozialgericht Landshut im Verfahren Az.: S 6 AL 255/12 zu entscheiden.
Der 49-jährige Kläger und Antragsteller beantragte am 04.05.2012 Arbeitslosengeld. Der Kläger war vom 01.07.1990 bis 14.02.2005
sozialversicherungspflichtig als Sachbearbeiter bei der T. K. beschäftigt. In der Arbeitslosmeldung vom 20.08.2012 gab der
Kläger als weitere Beschäftigungen vom 01.02.2005 bis 30.06.2007 eine Tätigkeit im Club G., L., Griechenland als kaufmännischer
Angestellter und vom 01.07.2007 bis 02.05.2012 bei der Firma V., R., Griechenland als Geschäftsführer an. Im Prüfbogen Grenzgänger
gab der Kläger an, dass er seine Beschäftigung von April 2004 bis 02.05.2012 in Griechenland ausgeübt habe. Er habe seinen
Lebensmittelpunkt in Griechenland gehabt und während seiner Auslandsbeschäftigung keinen Wohnsitz in Deutschland aufrechterhalten.
Auch sei er nicht täglich oder wöchentlich einmal nach Deutschland zurückgekehrt. Ergänzend wird auf den bei den Akten befindlichen
Prüfbogen Grenzgänger verwiesen. Mit Bescheid vom 25.10.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Arbeitslosengeld ab, da der
Kläger in den letzten 2 Jahren vor dem 04.05.2012 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei und
die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Beschäftigungszeiten in Griechenland könnten nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit
herangezogen werden, da der Kläger unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht versicherungspflichtig in der Bundesrepublik
und auch nicht als echter oder unechter Grenzgänger beschäftigt gewesen sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos.
Die Beklagte führte insoweit aus, dass nach Art. 61 Abs. 2 der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherung
( VO 883/2004) die Beschäftigungszeiten des Klägers in Griechenland für einen Anspruch auf deutsches Arbeitslosengeld nur
(mit-) berücksichtigt werden können, wenn der Widerspruchsführer unmittelbar vor der Arbeitslosmeldung und Antragstellung
in Deutschland versicherungspflichtig zur deutschen Arbeitslosenversicherung gewesen ist. Dies sei nicht der Fall. Eine Vorversicherungspflicht
in Deutschland sei nur dann nicht erforderlich, wenn es sich bei der Auslandsbeschäftigung um eine Beschäftigung als Grenzgänger
gehandelt habe.
Hiergegen richtet sich die am 23.11.2012 zum Sozialgericht Landshut erhobene Klage. Mit gleichem Schriftsatz wurde Prozesskostenhilfe
unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. beantragt. Mit Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 06.05.2013 wurde der Antrag
auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Hiergegen hat der Klägerbevollmächtigte am 28.05.2013 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte zusammenfassend
ausgeführt, der Kläger habe vom 01.07.1990 bis 14.02.2005 als Sachbearbeiter bei der T. K. in der Bundesrepublik Deutschland
gearbeitet. Im Zeitraum vom 01.02.2005 bis 02.05.2012 sei er in Griechenland beschäftigt gewesen. Der Kläger habe bis zu seinem
Wegzug nach Griechenland unstreitig in Deutschland versicherungspflichtig gearbeitet und unmittelbar daran in Griechenland
eine versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgenommen. Es werde durch die Versagung gegen die Freizügigkeitsregelungen der
EU verstoßen. Insbesondere sei nach Art. 3 Abs. 1 h VO 883/2004 für Leistungen von Arbeitslosengeld diese Verordnung anwendbar.
In Artikel 7 VO 883/2004 sei ausdrücklich die Aufhebung der sogenannten Wohnortklausel geregelt. Geldleistungen dürften nicht
"gekürzt, geändert, zum Ruhen gebracht, entzogen oder beschlagnahmt " werden, weil der Berechtigte in einem anderen als den
Mitgliedstaaten wohne, in dem der zur Zahlung verpflichte Träger seinen Sitz habe. In den Artikeln 63-65 VO 883/2004 finde
sich keine wohnortbezogene Leistungsberechnung.
Der Kläger und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 06.05.2013 aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Rechtsanwalt Dr. B., B-Stadt, zu gewähren.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe. Mit Inkrafttreten der Verordnung Nr. 883/2004
zum 01.10.2010 seien Art. 8 Abs. 1 der Verordnung 1408/71 und alle zwischenstaatlichen Abkommen außer Kraft getreten, soweit
deren Weitergeltung nicht ausdrücklich in Anhang II bestimmt worden sei. Das deutsch-griechische Abkommen zähle nicht dazu.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Landshut den Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH)
und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B., B-Stadt, abgelehnt.
Nach §
73a Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf
ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint
oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
21 Abs.
2 Satz 1
ZPO). Zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an (vgl. in Meyer-Ladewig,
Keller, Leitherer,
SGG, 2012, 12. Auflage, §
73 a). Hinreichende Erfolgsaussichten lagen bei der gebotenen summarischen Prüfung, die sich hier vorwiegend auf Rechtsfragen
erstreckt, nicht vor.
Nach § 136 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III setzt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld voraus, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos
ist (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos meldet (Nr.
2) und die Anwartschaftszeit erfüllt. Nach §
142 Abs.
1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden
hat. Nach §
143 Abs.
1 SGB III beträgt die Rahmenfrist grundsätzlich 2 Jahre. Gemäß Art. 61 Abs. 1 VO 883/2004 muss die Beklagte grundsätzlich Versicherungszeiten berücksichtigen, die nach den Rechtsvorschriften eines
anderen Mitgliedstaates begründet wurden. Das Gebot der Zusammenrechnung relevanter Zeiten gehört zu den elementaren Prinzipien
des Koordinierungsrechts und ist deshalb primärrechtlich in Art. 48 lit. a Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt. Nach Art. 61 Abs. 2 VO 883/2004 gilt das Gebot der Zusammenrechnung bei denjenigen, die nicht Grenzgänger im Sinne von Art. 65 Abs. 5 Buchstabe
a VO 883/2004 sind, nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor nach den Rechtsvorschriften,
nach denen die Leistungen beantragt werden, Versicherungszeiten zurückgelegt haben. Art. 61 Abs. 2 VO 883/2004 beinhaltet
eine Einschränkung des Prinzips der Zusammenrechnung relevanter Zeiten (vgl. Fuchs in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 6.
Auflage, Teil 2, Art. 61, Rz.: 3). Durch diese Vorschrift soll primär die Arbeitssuche im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung
gefördert werden. Nichtgrenzgänger, also Personen, die ihren Lebensmittelpunkt an den Arbeitsort beziehungsweise in den Beschäftigungsstaat
verlagert hatten, müssen bei Rückumzug in den früheren Staat vor Anerkennung der im Beschäftigungsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten
zunächst eine Versicherungszeit erfüllen (vergleiche Geiger, info also, 2013, S. 147). Insoweit wäre eine Versicherungszeit in Deutschland von einem Tag ausreichend gewesen. Fehlen dagegen inländische Vorbeschäftigungszeiten,
können früher erworbene und noch nicht ausgeschöpfte oder erloschene Ansprüche auf Arbeitslosengeld nur mit der verbliebenen
Restanspruchsdauer in Anspruch genommen werden (vergleiche Geiger, a.a.O.). Hat jemand im früheren Beschäftigungsstaat die
besten Aussichten auf eine berufliche Wiedereingliederung, bietet Art. 65 VO 883/2004 nur die Möglichkeit, sich zusätzlich
der Arbeitsverwaltung dieses Staates zur Verfügung zu stellen, um dort Wiedereingliederungsleistungen in Anspruch zu nehmen
(vgl. auch EuGH, Urteil vom 11. April 2013 - C-443/11 -, [...]). Inhaltlich war dies ähnlich bereits in Art. 67 Abs. 3 VO 1408/71 geregelt. Insoweit sah der EuGH in seiner Entscheidung
vom 08.04.1992 (Az.: C-62/91) auch keinen Verstoß im Hinblick auf die primärrechtlich gewährleistete Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Im Übrigen ist der
Kläger unstreitig kein Grenzgänger im Sinne von Artikel 1 f VO 883/2004.
Soweit sich der Klägerbevollmächtigte auf Art. 7 VO 883/2004 beruft, vermag dieser Einwand den Senat nicht zu überzeugen.
In Art. 7 VO 883/2004 ist die Frage der Zahlung von Leistungen, die aufgrund eines Systems der sozialen Sicherheit eines oder
mehrerer Mitgliedstaaten erworben wurden, geregelt. Im vorliegenden Verfahren geht es jedoch nicht um den Vollzug der Leistungen,
sondern um die Anspruchsvoraussetzungen eines Arbeitslosengeldanspruchs.
Aufgrund dieser klaren Rechtslage besteht derzeit kein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld. Eine hinreichende Erfolgsaussicht
im Sinne von §
73 a Abs.
1 SGG i.V.m. §
114 ZPO ist nicht geben. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§
73 a Abs.
1 SGG i.V.m. §
121 Abs.
1 ZPO).