Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Herabstufung der Bewilligung von Pflegegeld der Pflegestufe II in die Pflegestufe I ab 1.
September 2005.
Der 1952 geborene und bei der Beklagten pflegeversicherte Kläger leidet unter anderem nach einem im Juni 1998 erlittenen Hirninfarkt
an einer armbetonten Hemiparese (Lähmung) links. Der Beklagte gewährte dem Kläger daraufhin ab 1. Oktober 1998 zunächst Leistungen
der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I. Auf Grund einer Nachbegutachtung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
(MDK) vom 2. November 2000 gewährte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 19. Februar 2001 Leistungen der Pflegeversicherung
nach der Pflegestufe II rückwirkend ab 18. Oktober 2000.
Anlässlich einer vom Beklagten am 11. Mai 2005 veranlassten weiteren Begutachtung stellte der MDK in seinem Gutachten vom
17. Mai 2005 lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflegestufe I fest. Nach Anhörung vom 23. Mai 2005 zu einer
beabsichtigten Rückstufung in die Pflegestufe I und weiterer Stellungnahme des MDK, die das Vorliegen der Pflegestufe I bestätigte,
setzte der Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2005 unter insoweitiger Aufhebung des Bescheides vom 19. Februar 2001 die Bewilligung
von Pflegegeld der Stufe II gestützt auf § 48 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) zum 1. September 2005 auf Pflegegeld der Pflegestufe I herab. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 18. August
2005 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2005 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat sein Begehren auf Fortgewährung von Leistungen der Pflegestufe II mit der am 5. Januar 2006 zum Sozialgericht
Berlin erhobenen Klage weiter verfolgt. Er verwies insbesondere auf weiteren Pflegebedarf im Bereich der Mobilität. Ein vom
Beklagten eingeholtes weiteres Gutachten des MDK vom 20. Juni 2006 stellte fest, das die Leistungsvoraussetzungen der Pflegestufe
II deutlich nicht erfüllt sind. Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 30. Oktober 2007 abgewiesen. Zur
Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die Herabstufung der Bewilligung von Pflegegeld der Stufe II in Stufe I sei rechtmäßig,
da nach dem Gutachten des MDK vom 17. Mai 2005 von einer wesentlichen Änderung durch Verringerung des Pflegebedarfs im Bereich
der Mobilität auszugehen sei. Dass der Kläger bei seinen Besuchen der Praxen der Ergotherapeutin und der Krankengymnastin
eine Begleitung benötige, sei nicht nachgewiesen und ginge zu Lasten des Klägers, der dazu selbst widersprüchliche Angaben
mache. Beide Therapeuten hätten letztlich bestätigt, dass der Kläger nur gelegentlich in Begleitung erscheine.
Gegen den am 11. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. Januar 2008 Berufung zum Landessozialgericht
eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger den erstinstanzlich geltend gemachten weiteren Pflegebedarf im
Bereich der Mobilität. Danach benötige er trotz der Nutzung des Elektrorollstuhls allein für die zweimal wöchentlichen Besuche
bei seiner Ergotherapeutin eine Wegstrecke von 45 Minuten einfach und sei dabei schon wegen der erheblichen Entfernung immer
auf eine Begleitperson angewiesen. Eine Hilfestellung sei zudem sowohl beim Verlassen der eigenen Wohnung sowie beim Zutritt
und Verlassen der Praxis erforderlich, zumal er nur mühsam zu Fuß vom Erdgeschoss über die Treppe in die Praxisräume im 1.
Stock gelange. Ferner seien die Besuche bei der ca. 300 Meter von seiner Wohnung entfernten Praxis seiner Krankengymnastin
zu berücksichtigen, welche er dreimal wöchentlich aufsuche. Zwar habe er diese Wegstrecke, wozu er 25 Minuten einfach benötige,
teilweise allein bewältigt, jedoch habe ihm dann eine Mitarbeiterin der im Erdgeschoss befindlichen Praxis beim Betreten und
Verlassen helfen müssen, da auch hier eine Stufe zu überwinden sei. Im Übrigen leide er unter spontanen Vergesslichkeitsstörungen,
so dass er häufig bereits nach 10 Minuten nicht mehr wisse wo er sich befinde und teilweise stundenlang unterwegs gewesen
sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2005 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Einen erneuten Höherstufungsantrag vom 4. Juni 2008 lehnte der Beklagte nach weiteren Begutachtungen des MDK vom 8. September
2008 und 27. Januar 2009 mit Bescheid vom 19. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 ab.
In einem vom Sozialgericht Berlin in dem dagegen gerichteten Klageverfahren (...) eingeholten Gutachten der Pflegesachverständigen
B vom 6. April 2010 wurde das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe II (u. a. unter Berücksichtigung eines höheren
Bedarfs im Bereich der Mobilität) festgestellt.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, dass Protokoll und die Verwaltungsvorgänge
der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die in dem angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 8. August 2005
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2005 erfolgte Herabstufung der Pflegeleistungen von Pflegestufe
II auf Pflegestufe I ist rechtswidrig und verletzt den Klägern in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Herabstufung des Klägers in die Pflegestufe I ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,
die bei Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Hierbei
sind die zum Zeitpunkt der Aufhebung bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung
vorhanden gewesen sind, zu vergleichen.
Der Leistungen der Pflegestufe II gewährenden Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2001 ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung
zu qualifizieren. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Sozialgerichts ist im Vergleich zu den im Zeitpunkt bei Erlass
des Bewilligungsbescheides vom 19. Februar 2001 bestehenden Verhältnissen keine wesentliche Änderung nachgewiesen. Die Zuordnung
zur Pflegestufe II setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2, Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (
SGB XI) voraus, dass der Betroffene bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität (so genannte Grundpflege) mindestens
dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen
Versorgung benötigt. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson
für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss hierbei wöchentlich
im Tagesdurchschnitt mindestens drei Stunden betragen, wobei mindestens zwei Stunden auf die Grundpflege entfallen müssen.
Die streitgegenständliche Herabstufung zum 1. September 2005 resultiert maßgeblich auf einer vom Beklagten angenommenen Verringerung
des Pflegebedarfs im Bereich der Mobilität von 68 Minuten täglich entsprechend dem Gutachten des MDK vom 2. November 2000
auf 11 Minuten täglich, so dass sich im Bereich der Grundpflege mit den insgesamt angesetzten 100 Minuten täglich nicht mehr
die für die Pflegestufe II erforderlichen 120 Minuten täglich ergaben. Es hat sich indessen nicht nachweisen lassen, dass
insoweit eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eingetreten ist.
Bereits bei Anerkennung der Pflegestufe II zum 18. Oktober 2000 verfügte der Kläger über einen Elektrorollstuhl und einen
Gehstock. Ferner war eine Ergotherapie und Krankengymnastik von jeweils zweimal wöchentlich aktenkundig. Der Beklagte ging
damals von einer erforderlichen Begleitung des Klägers zu den Therapien aus und hielt zudem auch eine Begleitung innerhalb
der Wohnung (zur Toilette wegen Schwindel, Unsicherheit, Sturzgefahr) für erforderlich. Woraus sich zum September 2005 nachweisbar
eine Besserung der Mobilität des Klägers durch die Benutzung von Elektrorollstuhl und Gehstock ergeben soll, ist nicht ersichtlich,
zumal der Beklagte seine diesbezüglichen Feststellungen maßgeblich auf die eigenen Angaben des Klägers anlässlich der häuslichen
Begutachtung am 11. Mai 2005 stützt. Unabhängig davon, dass der Kläger nach Aktenlage nur über eingeschränkte Deutschkenntnisse
verfügt (vgl. Feststellungen der Pflegesachverständigen B im Gutachten vom 6. April 2010 zur verbalen Kommunikation mit dem
Kläger) und er bei der Begutachtung allein in der Wohnung war, hat der Kläger seine Angaben zur Mobilität in der Folgezeit
korrigiert und im hiesigen Klageverfahren die Erforderlichkeit einer Begleitung geltend gemacht. Entsprechende medizinische
Feststellungen, die eine wesentliche Besserung im Bereich der Mobilität des Klägers belegen, hat der Beklagte nicht erhoben.
Die im Widerspruchsverfahren eingeholte weitere schriftliche Stellungnahme des MDK vom Juli 2005 ist nach Aktenlage erfolgt
und verweist der Sache nach lediglich auf die Feststellungen des Gutachtens vom 17. Mai 2005. Auch das nach Klageerhebung
ebenfalls nach Aktenlage erstellte MDK-Gutachten vom 20. Juni 2006 belegt für den Bereich der Mobilität keine nachvollziehbare
wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Vielmehr wurde insoweit eine nochmalige leistungsrechtliche Klärung angeregt. Gegen eine Besserung des Gesundheitszustandes
des Klägers spricht überdies der Umstand, dass der Beklagte im Bereich der Körperpflege im Vergleich zu den Feststellungen
Ende 2000 einen erhöhten Pflegebedarf von 64 Minuten täglich statt damals 48 Minuten anerkannt hat.
Auch wenn in der hiesigen Anfechtungsklage entscheidungserheblich auf die Verhältnisse zum 1. September 2005 abzustellen ist,
sei noch angemerkt, dass die Pflegesachverständige B in ihrem Gutachten vom 6. April 2010 ausgehend von einer Begleitung des
Klägers sowohl im Straßenverkehr als auch in der Wohnung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Pflegestufe II festgestellt
hat. Dass der gesundheitliche Zustand des Klägers gerade zum Herbst 2005 eine wesentliche Änderung im Sinne eines deutlich
verringerten Pflegebedarfs im Bereich der Mobilität erfahren haben soll, ist auch vor diesem Hintergrund nicht nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war mangels Vorliegen der Voraussetzungen von §
160 Abs.
2 SGG nicht zuzulassen.