Gemeinsame Tragung der Rentenlasten in der gesetzlichen Unfallversicherung; Nichtberücksichtigung der Entgeltsummen gemeinnütziger
Einrichtungen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zur Ausgleichslast gemäß §§
176 ff. Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (
SGB VII) für das Jahr 2007.
Mit einem als "Anhörung" bezeichneten Schreiben vom 18. Februar 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diese von
ihr bisher nicht zur Umlage am Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften herangezogen worden sei. Die
Klägerin gehöre nicht zu den von der Zahlung befreiten Unternehmen, da sie kein gemeinnütziges Unternehmen im Sinne des §
180 Satz 3
SGB VII sei. §
180 Satz 3
SGB VII knüpfe an die Regelungen im Steuerrecht (
Abgabenordnung -
AO -) an. Die dort genannten Voraussetzungen zur Zuerkennung der Gemeinnützigkeit erfülle die Klägerin nicht.
Mit Beitragsbescheid vom 21. April 2008 für das Jahr 2007 erhob die Beklagte nicht nur die Beiträge aufgrund der bei der Klägerin
angefallenen Bruttoarbeitsentgelte, sondern auch einen Anteil am Lastenausgleich der gewerblichen Berufsgenossenschaften in
Höhe von 719 346,24 €. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, nach der der Bescheid bindend werde, wenn
nicht binnen eines Monats nach seiner Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift bei der Beklagten Widerspruch erhoben
worden sei.
Am 29. April 2008 erhob die Klägerin Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2008, abgesandt am
13. Juli 2008, zurückwies. Zur Begründung führte sie aus, der Gesetzgeber bezwecke mit den in den §§
51 ff.
AO enthaltenen Regelungen eine Besserstellung nicht-staatlicher Einrichtungen bzw. Unternehmen u. a. im Bereich der Gesundheits-
und Wohlfahrtspflege, die aus ideellen Erwägungen ihrer Betreiber, d. h. ohne einen sonstigen (wirtschaftlichen) Vorteil daraus
zu ziehen, als Teil des öffentlichen Systems der sozialen Sicherung zum Allgemeinwohl tätig würden. Damit aber unterschieden
sich diese Einrichtungen in ihrer Zielsetzung wesentlich von nicht-gemeinnützigen Unternehmen, deren Betreiber in erster Linie
das Ziel verfolgten, Gewinn zu erzielen. Aus diesem Unterschied ergäben sich zwangsläufig Unterschiede finanzieller und organisatorischer
Art. Die Klägerin sei eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Als Träger der allgemeinen
gesetzlichen Rentenversicherung nehme sie in Ausübung öffentlicher Gewalt ihre Aufgaben nach dem
SGB VII wahr. Sie sei danach keine nicht-staatliche Einrichtung und deshalb auch nicht von den §§
51 ff.
AO tatbestandlich erfasst, so dass die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht gegeben seien.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der Klage vom 15. August 2008 zum Sozialgericht Berlin gewandt und geltend gemacht, die
Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Körperschaftssteuerzahlung lägen zu ihren Gunsten gemäß § 1 i. V. m. § 4 Abs. 5
Satz 1 Körperschaftssteuergesetz nicht vor. Folglich könnten die Finanzämter auch keine Bescheinigung über ihre Gemeinnützigkeit
ausstellen, da sie insoweit schon grundsätzlich nicht dem Regelungsbereich der
AO unterfalle. Der Prüfung einer steuerrechtlichen Privilegierung durch die §§
51 ff.
AO hätte es schon deshalb nicht bedurft, weil die Klägerin schon grundsätzlich nicht steuerpflichtig sei und insoweit nicht
der Privilegierung bedürfe. Die Beklagte habe bei der Auslegung des Begriffes "gemeinnütziges Unternehmen" im Sinne des §
180 Satz 3
SGB VII eine systematisch unzutreffende Schlussfolgerung gezogen, indem sie nämlich über die Auslegungshilfe der §§
51 ff.
AO das Tatbestandsmerkmal "nicht-staatliche Einrichtung" zusätzlich in den Gesetzestext hineingelesen habe, obwohl diese Voraussetzung
in dem dort genannten Kontext nur zur Abschichtung gegenüber Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht diene, zu denen sie
offensichtlich nicht gehöre. Von der Systematik her gebe es sowohl staatliche als auch nicht-staatlich gemeinnützige Unternehmen.
Während sich bei den nicht-staatlichen Unternehmen die Frage des Gemeinnutzes über die §§
51 ff.
AO beantworten ließe, gelte dies für die staatlichen Unternehmen auch, ohne jedoch noch zusätzlich das Tatbestandsmerkmal "nicht-staatlich"
prüfen zu müssen. Soweit die Regelungen der
AO zur Gemeinnützigkeit heranzuziehen seien, könne es nicht fraglich sein, dass die Klägerin gemeinnützigen Zwecken diene. Die
Durchführung und Organisation der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland seit 115 Jahren sei ganz unzweifelhaft eine
Aufgabe des Gemeinwohls. Nach §
30 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (
SGB IV) dürfe die Klägerin als Versicherungsträger auch nur Geschäfte zur hoheitlichen Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben führen
und Mittel nur zur Erfüllung dieser Aufgaben und die in diesem Zusammenhang entstehenden Verwaltungskosten verwenden, das
bedeute, dass sie ohne Gewinnerzielungsabsicht handele.
Mit Urteil vom 25. August 2009 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 21. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 11. Juli 2008 aufgehoben, soweit von der Klägerin ein Beitrag zum Lastenausgleich in Höhe von 719 346,24 € erhoben wurde.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin nach §
180 Satz 3
SGB VII vom Lastenausgleich der gewerblichen Berufsgenossenschaften ausgenommen sei. Ein unbestimmter Rechtsbegriff sei jeweils in
seinem systematischen Umfeld zu interpretieren, solange nicht etwa durch eine Verweisung auf andere Vorschriften eine bestimmte
Interpretation (zwingend) vorgegeben sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten verweise §
180 Satz 3
SGB VII nicht umfassend auf §§
51 ff. der
AO. Zwar knüpfe der Begriff der Gemeinnützigkeit in dieser Vorschrift nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.
August 2002, Az.: B 2 U 31/01 R, an Regelungen im Steuerrecht an. Es lasse sich dem Urteil des BSG aber nicht entnehmen, dass ausschließlich nicht-staatliche
Unternehmen gemeinnützig im Sinne von §
180 SGB VII sein könnten. Nach Auffassung der Kammer sei der Begriff "gemeinnützig" in §
180 Satz 3
SGB VII dahingehend zu verstehen, dass diese Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht unmittelbar dem Allgemeinwohl dienende Zwecke
verfolgten, unabhängig davon, in welcher Rechtsform sie organisiert bzw. wer ihr Träger sei. Diese Interpretation werde durch
die Änderungen des Gesetzes zur Modernisierung der Unfallversicherung vom 30. Oktober 2008 (UVMG BGBl. I Seite 2130) gestützt. Zwar sei §
180 SGB VII nicht in seiner neuen Fassung anzuwenden, da die streitgegenständlichen Bescheide einen Zeitraum vor dessen In-Kraft-Treten
beträfen. Durch das Gesetz habe §
180 SGB VII die amtliche Überschrift "Freibeträge, Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht" erhalten. In der Gesetzesbegründung (Bundesratsdrucksache
113/08, Seite 59; Bundestagsdrucksache 1691/54, Seite 35) finde sich hierzu der Hinweis, dass förderungswürdige Unternehmen
ohne Gewinnerzielungsabsicht von der Ausgleichsverpflichtung freigestellt werden sollten. Die Änderungen entsprächen dem geltenden
Recht und seien lediglich redaktioneller Art. Dementsprechend zähle die Klägerin zu den gemeinnützigen Unternehmen, die im
Sinne des §
180 Satz 3
SGB VII von der Beteiligung am Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften befreit seien.
Gegen das ihr am 07. September 2009 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung vom 17. September 2009, zu
deren Begründung sie auf ihr bisheriges Vorbringen und die angefochtenen Bescheide verweist. Ergänzend trägt sie Vor, die
unterbliebene Heranzierung der Klägerin beruhe lediglich auf einem Computerfehler. Auch sämtliche gesetzlichen Krankenkassen
würden zum Lastenausgleich herangezogen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht weiter geltend, dass es für den Begriff der Gemeinnützigkeit in
§
180 Satz 3
SGB VII nicht auf die steuerrechtlichen Privilegierungen der §§
51 ff.
AO ankommen könne, da sie bereits grundsätzlich steuerlich privilegiert sei. Aus den beigefügten Bescheinigungen des Finanzamtes
für Körperschaften III Berlin gehe hervor, dass die Klägerin eine Körperschaft im Sinne des §
44 a Abs.
4 Einkommensteuergesetz sei. Nach dieser Bestimmung sei ein Steuerabzug bei Kapitalerträgen dann nicht vorzunehmen, wenn der Gläubiger alternativ
eine von der Körperschaftssteuer befreite inländische Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder eine inländische
juristische Person des öffentlichen Rechts sei. Letzteres träfe auf sie zu, so dass auch insoweit eine steuerrechtliche Privilegierung
dem Grundsatz nach vorliege. Ohne Zweifel sei, dass die
AO auf die Klägerin unmittelbar nicht anzuwenden sei, da sie Teil der mittelbaren Staatsverwaltung sei und daher von vornherein
nicht der Steuerpflicht unterliege. Übertrage man die Grundsätze der
AO allerdings auf öffentlich-rechtliche Körperschaften, so könne kein Zweifel daran bestehen, dass sie gemeinnützig tätig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Klägerin und der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben bei der Entscheidung des Gerichts vorgelegen
und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat den Bescheid der Beklagten vom 21. April
2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2008 zu Recht insoweit aufgehoben, als von der Klägerin darin
ein Beitrag zum Lastenausgleich zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften in Höhe von 719 346,24 € erhoben wurde. Da
die Klägerin als gemeinnütziges Unternehmen bei der Umlegung des Ausgleichsanteils außer Betracht zu bleiben hat, war der
Bescheid insoweit rechtswidrig.
Die Klage ist als Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig. Über die Forderung hatte die Beklagte durch Bescheid nach §
168 Abs.
1 SGB VII zu entscheiden. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin als Adressatin des Bescheides ebenfalls um einen
Sozialversicherungsträger handelt und im Gleichordnungsverhältnis grundsätzlich keine Verwaltungsakte ergehen können, denn
die Beklagte hat die Klägerin nicht in ihrer Eigenschaft als Sozialversicherungsträger, sondern als Unternehmen der gesetzlichen
Unfallversicherung (§§
121,
136 SGB VII) in Anspruch genommen.
Ob deshalb das Vorverfahren statthaft oder nach §
78 Abs.
1 Nr.
3 SGG entbehrlich war, kann offen bleiben. Denn der Beitragsbescheid vom 21. April 2008 ist auch dann nicht bestandskräftig geworden,
wenn der Widerspruch unstatthaft war. Denn für den Fall, dass der Widerspruch unstatthaft war, stellt sich die von der Beklagten
erteilte Rechtsmittelbelehrung, mit der über das Recht zur Einlegung des Widerspruchs belehrt wurde, als unrichtig dar, was
die Jahresfrist nach §
66 Abs.
2 Satz 1
SGG eröffnet. Die Klage gegen den Bescheid vom 21. April 2008 wurde am 15. August 2008 erhoben, die Jahresfrist ist demgemäß
eingehalten. (vgl. zum Ganzen: Urteil des BSG vom 23. Juni 1994, Az.: 4 RK 3/93 = SozR 3-1500 § 87 Nr. 1). Da der Widerspruchsbescheid erst mit dem 3. Tage nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt (§
4 As. 2 Verwaltungszustellungsgesetz), wäre die Klage auch bei erforderlichem Vorverfahren fristgemäß erhoben.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Beitragsbescheides im Hinblick auf den hier allein streitigen Anteil am Lastenausgleich
der gewerblichen Berufsgenossenschaften für das Jahr 2007 in Höhe von 719 346,24 € sind §§
179,
178 Abs.
3 und
4,
180 Abs.
1 Satz 3
SGB VII (zuletzt in der Fassung des Gesetzes vom 24. Juli 2003, BGBl. I Seite 1526, gültig bis 04. November 2008, dem Tag der Verkündung des Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes - UVMG - vom 30. Oktober
2008, BGBl. I Seite 2130, welches die Lastenverteilung zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften grundlegend neu geregelt hat). Nach §
179 SGB VII werden die Beiträge der Unternehmen einer Berufsgenossenschaft für deren Ausgleichsanteil (§
178 Abs.
3 und
4 SGB VII) ausschließlich nach dem Arbeitsentgelt der Versicherten umgelegt. Die Berechnung dieser Umlage im Bescheid vom 21. April
2008 ist nach dem übereinstimmenden Vortrag von Klägerin und Beklagter zutreffend. Der Senat sieht keinen Anlass, die Richtigkeit
der Berechnung in Zweifel zu ziehen.
Nach §
180 Abs.
1 Satz 3
SGB VII haben bei der Anwendung von §§
178 Abs.
3 und
4,
179 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (
SGB VI), soweit hier von Interesse, gemeinnützige Unternehmen außer Betracht zu bleiben, d. h., von ihnen kann kein Anteil an der
Ausgleichsumlage nach §
178 Abs.
3 und
4 SGB VII verlangt werden. Die Voraussetzungen dieser Befreiungsnorm liegen zugunsten der Klägerin vor, so dass die Erhebung des Lastenausgleichs
rechtswidrig war.
Die Frage, ob die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Durchführung der gesetzlichen Rentenversicherung
obliegt, ein gemeinnütziges Unternehmen im Sinne des §
180 Satz 3
SGB VII sein kann, ist im Ergebnis zu bejahen, wie schon das Sozialgericht zutreffend erkannt hat. Der Terminus ist nach den spezifischen
Vorgaben der gesetzlichen Unfallversicherung, so wie sie im
SGB VII kodifiziert ist, auszulegen.
Die Vorschrift enthält entgegen der Auffassung der Beklagten keinen rechtlich verbindlichen Verweis auf die
AO, insbesondere nicht auf die §§
51 ff.
AO, und die dort geregelte Gemeinnützigkeit.
Soweit die Beklagte in der Bezugnahme auf die Gemeinnützigkeit in §
180 Satz 3
SGB VII einen Verweis auf die Voraussetzungen des Begriffs der Gemeinnützigkeit im Sinne der
AO sehen möchte, vermag der Senat dem im Ergebnis nicht zu folgen. Zu Recht erkennt die Beklagte allerdings, dass im Falle einer
Verweisung in die
AO die Voraussetzzungen einer Privilegierung nicht vorlägen. Stünde in §
180 Satz 3
SGB VII - wie die Beklagte meint -, dass allein gemeinnützige Unternehmen im Sinne der
AO privilegiert seien, so könnte sich die Klägerin auf diesen Befreiungstatbestand mit Erfolg nicht berufen. Denn in den §§
51 ff.
AO sind die Voraussetzungen einer Steuervergünstigung für Körperschaften im Sinne des Körperschaftsgesetzes geregelt (vgl. BSG,
Urteil vom 13. August 2002, Az.: B 2 U 31/01 R, Rdnr. 21).
Die Klägerin selbst weist zu Recht darauf hin, dass schon die Verpflichtung zur Körperschaftssteuerzahlung gemäß § 1 i. V.
m. § 4 Abs. 5 Körperschaftssteuergesetz nicht vorliegt, weil sie eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Entsprechend
hat sie Bescheinigungen des Finanzamtes für Körperschaften III Berlin betreffend den Zeitraum vom 01. Oktober 2005 bis 31.
Dezember 2010 vorgelegt, nach der sie eine Körperschaft im Sinne des § 44 a Abs. 4 Einkommenssteuergesetz ist, deren Kapitalerträge
von der Steuer befreit sind. Die Befreiung betrifft u. a. inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts. Ist die
Klägerin aber keine Körperschaft im Sinne der
AO, kann sie sich auch auf die dort geregelte Gemeinnützigkeit nicht berufen. Darauf kommt es aber nicht an.
Allerdings ist der Wortlaut des §
180 Satz 3
SGB VII im Hinblick auf die von der Beklagten vertretene Auffassung der Verweisung in die
AO -bestenfalls- offen. Der Wortlaut (grammatikalische Auslegung) lässt die von der Beklagten vertretene Auffassung lediglich
als möglich erscheinen, gebietet sie aber keineswegs zwingend. Zwingend wäre die Auffassung der Beklagten mit dem Wortlaut-Argument
nur dann, wenn allein "gemeinnützige Unternehmen im Sinne der
AO" in §
180 Satz 3
SGB VII befreit wären. Ein solcher Wortlaut wäre eindeutig und zwingend, liegt aber genauso eindeutig nicht vor. Der vom Gesetzgeber
gewählte Wortlaut eröffnet genauso die Auslegung des Terminus allein nach unfallversicherungsrechtlichen Vorgaben bzw. eine
solche in Anlehnung an die
AO. Zur Begründung ihrer Rechtsauffassung von der Verweisung in die
AO kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des BSG vom 13. August 2002 beziehen. Dort hat das BSG (zitiert nach
juris.de Rdnr. 21) zwar ausgeführt, dass §
180 Satz 3
SGB VII mit der beitragsrechtlichen Privilegierung an die Regelungen im Steuerrecht, namentlich an die Vorschriften der
AO, anknüpfe. Dies ist auch ohne Zweifel richtig, besagt aber nichts für die hier zu beurteilende Fallgestaltung, ob auch Körperschaften
des öffentlichen Rechts gemeinnützige Unternehmen sein können. Denn das BSG hatte im entschiedenen Fall die Rechtslage im
Hinblick auf ein privates Altenpflegeheim zu beurteilen. Die Bewertung eines privatrechtlichen Unternehmens als gemeinnützig
nach den Regeln des Steuerrechts, insbesondere der
AO, drängt sich geradezu auf. Der Entscheidung ist aber an keiner Stelle zu entnehmen, das BSG sei der Auffassung gewesen, nur
gemeinnützige Unternehmen, die in den Anwendungsbereich der
AO fielen, könnten sich auf den Befreiungstatbestand berufen. Der zu entscheidende Fall gab dem BSG keine Veranlassung, zu der
hier zu entscheidenden Frage Stellung zu nehmen.
Auch die Entwicklungsgeschichte der Norm (historische Auslegung) gibt keinen eindeutigen Aufschluss über die hier zu beantwortende
Frage. Rein rechtstatsächlich ist dem Verwaltungsvorgang zu entnehmen, dass die Beklagte trotz Geltung der einschlägigen Vorschriften
seit 01. Januar 1997 erst im Jahre 2007 gegen die Klägerin Ansprüche geltend gemacht hat, aber auch, dass die Beklagte bei
der Erhebung des Anteils am Lastenausgleich zwischen den verschiedenen Rentenversicherungsträgern Unterschiede gemacht habe,
was versehentlich geschehen sei (vgl. Seite 8 der Verwaltungsakte, Auskunft an die DGUV vom 23. März 2008). In der mündlichen
Verhandlung hat die Vertreterin der Beklagten weiter ausgeführt, dass die Heranziehung von Sozialversicherungsträgern zum
Lastenausgleich immer unstreitig gewesen sei, auch die gesetzlichen Krankenkassen Ihren Beitrag leisten würden, ohne die Rechtslage
in der Vergangenheit in Frage gestellt zu haben, und die unterbliebene Heranziehung der Klägerin in der jüngeren Vergangenheit
nur auf einem Computerfehler beruht habe. Ob dies so zutrifft hatte der Senat nicht weiter aufzuklären, da die rechtstatsächliche
Anwendung einer Norm in einer bestimmten Weise keinen Aufschluss darüber gibt, ob die Auslegung der Norm so rechtmäßig war.
Allerdings belegen diese Unsicherheiten bei der Anwendung des §
180 Satz 3
SGB VII, dass der Wille des Gesetzgebers aus der Gesetzbegründung des UVMG nicht sicher ableitbar ist, weil unklar bleiben muss,
welcher Rechtszustand nicht geändert bzw. beibehalten werden sollte. Immerhin hat das Sozialgericht aus der Begründung des
UVMG und der amtlichen Überschrift der ab 05. November 2008 geltenden Norm (Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht) gefolgert,
dass Sozialversicherungsträger wie die Klägerin schon immer befreit waren, da der Gesetzesbegründung zu entnehmen gewesen
sei, dass Änderungen redaktioneller Art gewesen seien und der Rechtslage entsprächen. Allerdings spricht die Neufassung nur
von gemeinnützigen Einrichtungen, nicht von Körperschaften öffentlichen Rechts. Daraus lässt sich nichts Zwingendes ableiten,
zumal die redaktionelle Änderung sich darauf bezogen haben dürfte, dass nicht nur gemeinnützige, sondern auch mildtätige und
kirchliche Einrichtungen im Sinne der
AO zu befreien waren, was wohl auch vor der Änderung allgemeine Meinung gewesen sein dürfte (vgl. Höller in Hauck,
SGB VII, §
180 Rdnr. 2).
Eine systematische Auslegung der Vorschrift ergibt aber, dass die Klägerin als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch gemeinnütziges
Unternehmen im Sinne des §
180 Satz 3
SGB VII ist. Zunächst ist zwischen den Beteiligten zu recht unstreitig, dass die Klägerin ein bei der Beklagten beitragspflichtiges
Unternehmen im Sinne der §§
121,
136,
150 SGB VII ist. Dies ergibt sich aus dem weiten Unternehmensbegriff des §
121 Abs.
1 SGB VII, der Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen und Tätigkeiten umfasst, ohne dass diese gegeneinander abgegrenzt werden müssten
(vgl. Schmitt,
SGB VII, Kommentar, 4. Auflage, §
121 Rdnr. 3). Dieser weite die gesetzliche Unfallversicherung prägende Unternehmensbegriff schließt es zwar nicht aus, dass in
einzelnen Vorschriften des
SGB VII ein anderer Unternehmensbegriff zugrunde gelegt wird. Es spricht aber nichts dafür, dass dies in §
180 Satz 3
SGB VII geschehen ist. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine Begrenzung der gemeinnützigen Unternehmen im Sinne des §
180 SGB VII auf gemeinnützige Unternehmen im Sinne der
AO nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erfolgt. Der Wortlaut allein schließt eine diesbezügliche Annahme der Beklagten lediglich
nicht vollkommen aus. Die Beitragspflicht der Klägerin ist im Sechsten Kapitel, Erster Abschnitt, Erster Unterabschnitt des
SGB VII, dort in §
150 SGB VII, geregelt. Wer beitragspflichtiger Unternehmer ist, bestimmt sich nach dem weiten Unternehmensbegriff der §§
121 Abs.
1,
136 Abs.
3 SGB VII (vgl. dazu Schmitt, aaO., §
150 Rdnr. 5), wobei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen wird, dass es im vorliegenden Fall nicht
auf die in der gesetzlichen Unfallversicherung angelegte Unterscheidung zwischen Unternehmer und Unternehmen ankommt. Die
folgenden Vorschriften zur Beitragshöhe, insbesondere zum Gefahrtarif, legen an keiner Stelle nahe, dass von dem allen diesen
Vorschriften zugrunde liegenden weiten Unternehmensbegriff im Sinne einer Beschränkung auf nicht-staatliche private Unternehmen
abgewichen werden sollte. Gilt dieser Unternehmensbegriff für die Beitragshöhe des Zweiten Unterabschnitts, besteht jedenfalls
aus systematischen Gründen kein Anlass, bei der die Beitragshöhe ebenfalls beeinflussenden Umlage der Lastenverteilung zwischen
den gewerblichen Berufsgenossenschaften von einem grundsätzlich anderen Unternehmensbegriff auszugehen. Gilt dies für die
Höhe, muss dies in gleicher Weise auch für Nachlassmöglichkeiten gelten. Denn gesetzessystematisch ist kein Grund ersichtlich,
warum bestimmte Unternehmen von vornherein von Nachlassmöglichkeiten ausgeschlossen sein sollten. Gesetzessystematisch spricht
daher alles dafür, dass dem Ersten Abschnitt (Allgemeine Vorschriften) des Sechsten Kapitels (Aufbringung der Mittel) ein
einheitlicher Unternehmensbegriff zugrunde liegt (§§ 150 - 181). Liegt ein einheitlicher Unternehmensbegriff zugrunde, spricht
auch alles dafür, den Terminus Gemeinnutz dem Grundsatz nach auf alle versicherten Unternehmen der Beklagten zu beziehen.
Auch Sinn und Zweck (teleologische Auslegung) des §
180 Satz 3
SGB VII gebietet es letztlich, den Inhalt des Begriffes "gemeinnützig" im Sinne des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung zu
bestimmen und lediglich zur Begriffsbestimmung auf andere Gesetze und Vorschriften zurückzugreifen. Die gesetzliche Unfallversicherung
ist wie die anderen Zweige der Sozialversicherung auch vom Solidargedanken geprägt und damit einer solidarischen Haftung für
Risiken im Gegensatz zu einer nur persönliche Risiken kalkulierenden Privatversicherung.
Auch wenn dieser Solidaritätsgedanke in der gesetzlichen Unfallversicherung durch die gewerbe- und branchenspezifische Gefahrtragung
nicht so sehr im Vordergrund steht wie in anderen Zweigen der Sozialversicherung, so zeigt er sich doch gerade in der Lastenverteilung
zwischen den gewerblichen Berufsgenossenschaften. Fallen bei einer Berufsgenossenschaft überproportionale Lasten an, die durch
ein bestimmtes gewerbespezifisches Risiko entstanden sind, so soll nicht nur diese Gefahrgemeinschaft, die die Verwirklichung
der Risiken verursacht hat, haften. Vielmehr werden andere Branchen und Gewerbezweige, die mit den nun zu tragenden verwirklichten
Risiken nicht in Zusammenhang stehen, aus Gründen der Solidarität mit in die Pflicht genommen. Von diesem Grundsatz hat das
Gesetz in §
180 Satz 3
SGB VII solche Unternehmen, die schon in hohem Grade gesellschaftlich solidarisch sind, ausgenommen. Sie sollen nicht noch weitere
Lasten tragen, die ihre Gefahrgemeinschaft nicht verursacht hat. Als in diesem Sinne solidarisch und damit förderungswürdig
hat der Gesetzgeber nach dem von ihm benutzten Terminus "gemeinnützige" Unternehmen angesehen. In der Neufassung ab 05. November
2008 hat er diese Unternehmen in der amtlichen Überschrift dann als "Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht" bezeichnet
und in der Gesetzesbegründung ausgeführt, die Änderung der Termini entspreche geltendem Recht und sei redaktioneller Art.
Es kann nicht infrage gestellt werden, dass die Regelung des §
180 Satz 3
SGB VII vornehmlich die privaten nicht-staatlichen Unternehmen betreffen soll, die gemeinnützig, mildtätig bzw. kirchlich tätig sind.
Sinn und Zweck dieser Befreiung ist aber die vom diesen Unternehmen erbrachte Leistung für Gemeinwohlbelange bei Fehlen einer
Gewinnerzielungsabsicht. Wer sich bereits solidarisch gezeigt hat und Leistungen für die Gesellschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht
erbracht hat, soll nicht in weitere Haftung aus dem Gesichtspunkt der Solidarität genommen werden. Dies gilt dann auch für
die Klägerin.
Die Beklagte weist in ihrer Klageerwiderung vom 12. November 2008 nicht ganz zu Unrecht darauf hin, dass staatliche Institutionen
und Einrichtungen das eben beschriebene Privileg der Gemeinnützigkeit nicht für sich beanspruchen könnten und daher auch nicht
förderungswürdig seien, weil die ausschließliche, unmittelbare und selbstlose Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben nicht das Werk
ihrer freien Entscheidung sei, sondern schlicht ihre gesetzliche Aufgabe. Diese Erkenntnis ist im Grundsatz richtig, ändert
aber nichts daran, dass auch staatliche Einrichtungen - hier ein Sozialversicherungsträger als Körperschaft des öffentlichen
Rechts -, soweit sie für das Allgemeinwohl arbeiten, ohne Gewinnerzielungsabsicht solidarisch tätig werden und deshalb auch
als gemeinnützig im Sinne der Vorschriften des
SGB VII angesehen werden müssen. Denn für den Begriff der Gemeinnützigkeit ist gerade nicht nur das Steuerrecht, insbesondere die
AO, maßgebend, wenn auch aus der Sicht des Senat keine Bedenken bestehen, bei nicht-staatlichen privaten Einrichtungen auf das
Steuerrecht zurückzugreifen, wie das BSG dies in der oben zitierten Entscheidung bereits getan hat.
Vielmehr ist allgemein auf die Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben ohne Gewinnerzielungsabsicht abzustellen. Wie diese Gemeinwohlaufgaben
über das hier nicht einschlägige Steuerrecht hinaus beschrieben werden könnten, muss nicht entschieden werden, da die Erfüllung
von Aufgaben der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des
SGB VI ohne Zweifel Gemeinwohlaufgabe ist. Damit bleibt entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich, dass die Klägerin nicht
in einem steuerrechtlichen Sinne förderungswürdig erscheint, weil es bei ihr nicht um die steuerrechtliche Stimulierung eines
altruistischen Tätigwerdens geht, sondern um hoheitliche Aufgabenerfüllung aufgrund eines Gesetzes. Letztlich ist die Klägerin
nur Sachwalterin der solidarisch aufgebrachten Mittel ihrer Beitragszahler. Damit ist kein Grund ersichtlich, dieses Vermögen
schlechter zu stellen als das Vermögen gemeinnütziger Unternehmen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeiten.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
197 a SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen, auch wenn die hier zu prüfende Norm des §
180 Satz 3
SGB VII mit dem 04. November 2008 außer Kraft gewesen ist, weil der Begriff des gemeinnützigen Unternehmens bzw. der gemeinnützigen
Einrichtung weiter von Bedeutung bleibt, auch wenn das System des Lastenausgleichs komplett umgestellt worden ist. Dies gilt
sowohl im Hinblick auf das Übergangsrecht als auch für die Neufassung der Norm. Im Übrigen sind nach Auskunft der Beteiligten
eine Vielzahl von Widerspruchsverfahren auch anderer Sozialversicherungsträger ruhend gestellt worden, um eine höchstrichterliche
Rechtsprechung abzuwarten.