Haftungsbegründende Kausalität in den Konsensempfehlungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 Anl. 1 BKV in der gesetzlichen Unfallversicherung
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage zur
Berufskrankheiten-Verordnung (
BKV- bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch
langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die
Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der 1953 geborene Kläger war in der Zeit von 1969 bis 1970 als Schweißer, von 1970 bis 1972 als Maschinenarbeiter und von
1973 an als Schweißer und Schlosser tätig. Der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten ermittelte für diese Tätigkeit
auf der Grundlage einer Arbeitgeberauskunft der Firma H GmbH vom 22. Mai 2002, wo der Kläger seit 1989 tätig gewesen war,
eine Gesamtbelastungsdosis nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell von 25,5 x 106 Nh, die arbeitstechnischen Voraussetzungen
für eine BK 2108 seien daher gegeben (Stellungnahme des Herrn M 17. Juli 2002). Die Tätigkeit gab der Kläger zum Ablauf des
Monats März 2008 durch Eigenkündigung auf. Vom 01. April bis 30. Juni 2008 bezog er eine Übergangsleistung nach §
3 der
BKV, die ihm durch Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2008 bewilligt worden war, weil er seine Tätigkeit aufgrund gesundheitlicher
Beeinträchtigungen wegen einer BK Nr. 5101 der Anlage zur
BKV (schwere oder wiederholte rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung der Tätigkeiten gezwungen hat) habe aufgeben müssen.
Im Januar 2002 wandte sich die Krankenkasse des Klägers, die AOK B, an die Beklagte und meldete einen Erstattungsanspruch
an, da anzunehmen sei, dass der Kläger an einer BK Nr. 2108 erkrankt sei. Beigefügt waren u. a. ein Vorerkrankungsverzeichnis
und Angaben des Klägers zu seinem beruflichen Werdegang. Die Beklagte befragte den Kläger erneut. Dieser reichte u. a. ein
Attest des behandelnden Arztes für Orthopädie und Chirurgie Dr. Gvom 22. Februar 2002 ein, der eine monosegmentale Bandscheibenschädigung
bei L 5/S 1 bestätigte und der am 03. April 2002 ebenfalls Anzeige über eine möglicherweise bestehende BK 2108 erstattete.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Facharztes für Chirurgie Dr. T vom 01. Juni 2002 ein, der ein MRT
der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 16. Oktober 2001 übersandte. Ferner äußerte sich die Betriebsärztin H, Werkarztzentrum der
Wirtschaft in Berlin und Brandenburg e. V., arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Dienst, am 28. Juni 2002 zu den
Tätigkeiten und Erkrankungen des Klägers.
Die Beklagte holte sodann ein Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. R vom 18. September 2002 ein, der ausführte, dass beim
Kläger ein Bandscheibenvorfall L 5/S 1 vorliege, es bestünden ständige Rückenschmerzen in der LWS mit Ausstrahlung in das
rechte Bein, die erhobenen Befunde seien jedoch als nicht durch die berufliche Wirbelsäulenbelastung hervorgerufen anzusehen,
die medizinischen Voraussetzungen der BK 2108 seien nicht erfüllt. Der Bandscheibenvorfall sei im MRT-Befund vom 16. Oktober
2001 beschrieben. Funktionseinschränkungen lägen jedoch nicht vor.
Nachdem das von der Beklagten gehörte Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin am 25.
November 2002 und der beratende Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. R am 19. Dezember 2002 sich dahin geäußert hatten, dass auch
nach ihrer Auffassung die medizinischen Voraussetzungen für eine BK 2108 nicht gegeben seien, lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 06. Februar 2003 die Gewährung einer Entschädigung wegen einer BK 2108 ab, da der beim Kläger vorliegende Krankheitsfall
nicht dem einer berufsbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung im Sinne dieser BK entspreche. Den hiergegen eingelegten Widerspruch
des Klägers, dem ein Attest des Dr. G vom 27. Februar 2003 beigefügt war, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.
April 2003 zurück.
Die Beklagte befragte parallel hierzu ihren TAD, ob die dem Kläger nach ärztlicher Einschätzung drohenden Gesundheitsgefahren
nach §
3 Abs.
1 Satz 1
BKV beseitigt werden könnten, für diesen antwortete Herr Mittelhäuser mit Stellungnahme vom 11. März 2003, dass Maßnahmen zur
Beseitigung von drohenden Gesundheitsgefahren durch Einwirkungen von schwerem Heben und Tragen sowie Arbeiten in extremer
Rumpfbeuge umgesetzt worden seien, der Kläger bezeichne seine Tätigkeit als nicht belastend. Mit weiterem Schreiben vom 09.
September 2003 teilte Herr M mit, dass der Kläger als fertigungsbegleitender Produktionsarbeiter beschäftigt sei; die an seinem
Arbeitsplatz drohenden Gesundheitsgefahren durch Heben und Tragen schwerer Lasten sowie durch Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung
seien beseitigt worden. Der Unternehmensleiter Herr R habe angegeben, dass der Arbeitsplatz des Klägers so umgestaltet und
ausgerüstet worden sei, dass Hebungen an mehr als 15 kg nicht mehr vorkämen.
Eine von Dr. G unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vom 01. April 2003 an die Beklagte gerichtete medizinische Stellungnahme
vom 21. April 2003, welche letztere an das Sozialgericht weitergereicht hatte, hat das Gericht nach Rückfrage beim Kläger
als Klage geführt und zunächst einen Befundbericht bei Dr. G vom 01. September 2003 eingeholt, übersandt wurden ferner weitere
Atteste des Dr. G vom 05. November 2003 und vom 19. Dezember 2003.
Auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das Sozialgericht Berlin sodann ein Gutachten des Prof. Dr. S, Klinik für Orthopädie des H-Klinikums E B, vom 13. Februar
2006 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger Verschleißerscheinungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule mit
Bewegungsbeeinträchtigung, Verspannungsneigung der Rückenmuskulatur und Irritationszeichen der Nervenwurzel S 1 rechts bestünden.
Er stellte eine geminderte Trage- und Bewegungsfunktion des Rumpfes auf der Basis einer leichten Wirbelsäulenfehlhaltung,
kernspintomografisch objektivierte Verschleißerscheinungen mehrerer Halsbandscheiben und einen Bandscheibenvorfall zwischen
dem 5. Lendenwirbelkörper und dem 1. Kreuzbeinsegment rechts fest; konkurrierende Erkrankungen bestünden beim Kläger nicht.
Folge man den Ausführungen von Paul, Peters und Ekkernkamp in Compendium der medizinischen Begutachtung (III - 12.3, S. 3
bis 13), dann ergebe das Abarbeiten der dort aufgeführten Checkliste für bandscheibenbedingte Berufserkrankungen, dass
- das TAD-Gutachten eindeutig sei,
- bei der Untersuchung keine konkurrierenden Wirbelsäulenerkrankungen erkannt worden seien und
- dass das MRT eindeutig den Bandscheibenvorfall dargestellt habe,
sodass davon auszugehen sei, dass die genannten Gesundheitsstörungen im Bereich der LWS, das heiße der dort aufgetretene monosegmentale
Bandscheibenvorfall, im Sinne der erstmaligen Entstehung ursächlich auf die berufliche Tätigkeit des Schlossers bzw. Schweißers
zurückzuführen seien. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 20 v. H. Beigefügt waren u. a. ein MRT der HWS vom
22. Dezember 2003, ein Arztbrief des Arztes für Radiologie und Neurochirurgie Dr. S vom 04. Dezember 2001, die Auswertung
von Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS) vom 24. März 2000 und ein Befundbericht des Facharztes für Neurochirurgie
Dr. Svom 10. Februar 2004, u. a. mit der Auswertung des MRT der HWS aus Dezember 2003, aus dem sich ein Bandscheibenvorfall
HWK 6/7 links und osteochondriotische Veränderungen der HWS ergeben hätten.
Nachdem das Gericht Prof. Dr. S zu einem belastungstypischen Schadensbild der BK 2108 befragt hatte, äußerte sich dieser zunächst
mit Stellungnahme vom 27. März 2006 dahin, dass eine wesentliche Differenz der Verschleißerscheinungen zwischen Hals-, Brust-
und Lendenwirbelsäule aufgrund des Nativ-Röntgenbildes nicht bestehe, erst das MRT belege einen deutlich gravierenderen Befund
im Bereich der Lendenwirbelsäule. Einen Zusammenhang eines isolierten Bandscheibenvorfalls zwischen dem 5. LWK und dem 1.
Kreuzbandsegment mit einer berufsbedingten Verursachung könne man nicht schlüssig beweisen, man könne lediglich durch Ausschluss
anderer Ursachen dieses Krankheitsgeschehen von einem schicksalhaft eingetretenen abgrenzen.
Die Beklagte übersandte hierzu eine fachchirurgische Stellungnahme des Arztes für Chirurgie Dr. K vom 28. August 2006, der
ausführte, dass die Ausführungen des Prof. Dr. S nicht überzeugen könnten. Prof. Dr. S habe lediglich den "Endzustand" der
unteren Lendenwirbelsäule betrachtet und die berufliche Verursachung deshalb postuliert, weil einzelne konkurrierende Erkrankungen
und Aufbaustörungen auszuschließen seien. Dies sei jedoch nicht ausreichend. Prof. S habe nicht in erforderlichem Umfang die
Empfehlungen der Expertengruppen, die sich seit langer Zeit mit der Kausalität der BK 2108 befassten, in die Diskussion einbezogen,
u. a. die 2005 im Springer-Verlag erschienene Konsensempfehlung. Ein weit vorauseilendes Verschleißleiden der unteren LWS
sei den Röntgenaufnahmen vom 19. Februar 2002 nicht zu entnehmen. Es fehlten der zeitliche Verlauf der Arbeitsexposition und
die kritische Würdigung der biomechanischen Auswirkungen auf die LWS sowie eine Auseinandersetzung mit dem Verlauf der Erkrankung.
Ob es weitere Ursachen für die Entstehung eines Bandscheibenvorfalls der unteren LWS gebe, die auch außerhalb der beruflichen
Belastung einen derartigen Befund hervorrufen könnten, werde in dem Gutachten nicht ansatzweise diskutiert. Auch werde außer
Acht gelassen, dass degenerative Veränderungen der unteren HWS in ihrem Ausmaß stärker ausgeprägt seien als das Schadensbild
der unteren LWS. Das Schadensbild an der HWS sei auch kernspintomografisch mit einem symptomatischen Bandscheibenvorfall verknüpft.
Für die degenerativen Veränderungen an der unteren HWS seien nach den Ausführungen des TAD keine Tätigkeiten gesichert worden,
die mit Lastenmanipulation von 50 kg und mehr auf den Schultern vorgelegen hätten, so dass eine mechanisch konkurrierende
Einwirkung auf die untere HWS nicht zu diskutieren sei. Für diese Fallkonstellation sei unter der Gruppe B 8 der Konsensempfehlung
(B-A und andere, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma
und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff.) eine berufliche Verursachung des Lendenwirbelschadens nicht wahrscheinlich zu machen.
Der hierzu erneut gehörte Prof. Dr. S äußerte sich mit Stellungnahme vom 25. November 2007 dahin, an seiner Einschätzung festzuhalten.
Er halte es für unzutreffend, Verschleißerscheinungen an der HWS als Beleg dafür anzuführen, dass der isolierte Bandscheibenvorfall
an der LWS konstitutionell bedingt sein müsse. Er habe sich auf gültige Fachliteratur gestützt.
Die Beklagte brachte hierzu eine weitere Stellungnahme des Dr. K vom 18. Februar 2008 bei, der darauf hinwies, dass Prof.
Dr. S die Konsensempfehlung erneut mit keinem Wort berücksichtigt habe. Auch die unfallversicherungsrechtliche Nomenklatur
sei von Prof. Dr. Snicht gebührend berücksichtigt worden, wenn dieser etwa ausführe, dass auslösender Faktor auch bei einer
genetischen Disposition die Arbeitsbelastung sein könne. Ein lediglich auslösender Faktor berechtige jedoch noch nicht, als
rechtlich wesentlich anerkannt zu werden. Unter der Konstellation B fordere das Konsenspapier den Nachweis einer Bandscheibenschädigung
entsprechend einer Chondrose Grad II, was einer Höhenminderung von mindestens einem Drittel der Norm entspreche und beim Kläger
nicht vorliege. Gerade der isolierte Befall der Bandscheibe spreche in hohem Maße dafür, dass das Bandscheibengewebe biologisch
frühzeitig durch Alterungsprozesse eine verminderte Widerstandsfähigkeit des hinteren Faserringes erlitten habe. Anpassungs-
und Reaktionsformen der LWS wiesen die unteren lumbalen Bewegungssegmente beim Kläger nicht auf.
Hierzu äußerte sich Prof. Dr. S mit Stellungnahme vom 14. Mai 2008 dahin, dass ihm die Konsensempfehlungen bekannt seien,
es sei jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese zur Anwendung kommen könnten. Er halte es selbst bei einer genetischen
Prädisposition weiterhin für gerechtfertigt, die berufliche Belastung als auslösenden Faktor anzusehen und auch als rechtlich
relevant wesentlich einzustufen. Hierbei verwies er auf Urteile der Landessozialgerichte Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
aus 1995 und 1999, wo ebenfalls der isolierte Bandscheibenvorfall bei L 5/S 1 als berufsbedingte Schädigung anerkannt worden
sei.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. W- vom 05. August 2008 eingeholt, der zu dem Ergebnis
kam, dass eine wahrscheinliche kausale Beziehung zwischen beruflicher Überlastung und der Bandscheibendegeneration der Etage
L 5/S 1 nicht erkennbar sei. Im Falle des Klägers sei lediglich die Grundvoraussetzung eines altersüberschreitenden Bandscheibenschadens
der unteren LWS erfüllt. Eine rein monosegmentale Problematik, wie sie vorliegend gegeben sei, mache eine kausale Beziehung
ohnehin unwahrscheinlich. Wenn darüber hinaus sich nach über drei Jahrzehnten beruflicher Exposition auf dem betroffenen Segment
selbst keine belastungsspezifischen Veränderungen entwickelt hätten, sei eine Berufskrankheit abzulehnen. Es sprächen insgesamt
zahlreiche Indizien gegen eine Kausalität, welche seien:
- keine erkennbare, altersüberschreitende Osteochondrose des Segmentes L 5/S 1,
- keine verstärkte Sklerose dieses Segmentes im Jahr 2001,
- keine dorsale Spondylose auf der betroffenen Etage,
- monosegmentaler Befall der unteren LWS,
- keine nach kaudal zunehmende, altersüberschreitende Degeneration der unteren drei Bandscheibenetagen der LWS,
- stärkere knöcherne Abnutzungserscheinungen der mittleren BWS,
- kein Mitbefall des thorako-lumbalen Überganges,
- Mitbefall der unteren HWS mit zusätzlichem Bandscheibenvorfall auf der Etage HWK 6/7 und ein daraus resultierendes Krankheitsbild,
- keine zusätzlichen black-disc-Phänomene in den Tomografieaufnahmen oberhalb der Etage L 5/S 1.
Keines der Ergänzungskriterien aus dem arbeitstechnischen Bereich sei als gesichert nachgewiesen einzustufen.
Entscheidungserheblich und im konkreten Fall nicht erkennbar sei, dass der berufliche Einfluss zu einer primären Diskose und
nach jahrzehntelanger Überlastung zu einer entsprechenden Veränderung auch knöcherner Strukturen an der LWS geführt habe.
Radiologisch sei weder eine Chondrose Grad II noch eine verstärkte Sklerose in einem altersüberschreitenden Ausmaß identifizierbar.
Eine signifikante Höhenminderung sei nicht erkennbar. Dorsale Spondylosen fehlten gänzlich im Bereich der gesamten LWS. Auch
auf der Etage L 5/S 1 bildete sich keine verstärkte dorsale Ausziehung ab. In der erkennbaren Befundkonstellation lasse sich
die Bandscheibendegeneration daher nicht von einer schicksalhaften Veränderung abgrenzen.
Die aktuellen Konsensempfehlungen ermöglichten zwar auch beim Fehlen von dorsaler Spondylose und beim Nachweis und/oder einer
Chondrose Grad II bzw. eines Bandscheibenvorfalles eine Beziehung zur beruflichen Überlastung. Bei einer derartigen Konstellation
B 2 müssten jedoch so genannte Ergänzungskriterien erfüllt sein, und zwar entweder auf mindestens zwei Etagen im Kernspin
so genannte black-disc-Phänomene, oder es müsse bei der arbeitstechnischen Exposition eine besonders intensive Belastung erkennbar
sein, als Anhaltspunkt gelte das Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren, oder es müsse ein
besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen aufgedeckt werden können. Diese arbeitstechnischen Zusatzerfordernisse
seien der TAD-Analyse nicht zu entnehmen. Noch unwahrscheinlicher werde die Annahme einer derartigen Fallkonstellation auch
bei näherer Betrachtung der übrigen Abschnitte des Achsenorgans. In der LWS selber fänden sich hier durchgehend altersnormale
Befunde bis in den thorakolumbalen Übergang. Zusätzliche Argumente liefere hierfür der verstärkte Befall der mittleren BWS.
Ferner deckten die Röntgenaufnahmen stärkere Abnutzungen der unteren HWS-Segmente (C 6 bis Th 1) auf als dies in den Röntgenaufnahmen
der LWS nachweisbar gewesen sei. Auch wiesen Kernspintomografien der HWS von Dezember 2003 einen Bandscheibenvorfall des Segmentes
C 6/7 nach, so dass eine belastungsferne Region des Achsenorgans ebenfalls von altersüberschreitenden Bandscheibenschäden
befallen worden sei.
Die von Prof. Dr. S herangezogenen Bewertungsaspekte entsprächen nicht allgemeinen Bewertungsvorgaben. Die von ihm aufgeführte
Trias von altersüberschreitendem Bandscheibenschaden der unteren LWS, ausreichender beruflicher Belastung und gleichzeitig
fehlender konkurrierender Ursachen belegte nicht eine hinreichende kausale Beziehung. Sowohl vor als auch nach den neuen Konsensempfehlungen
müssten belastungsspezifische Veränderungen am Achsenorgan aufgedeckt werden, so dass es unerlässlich sei, die gesamte Wirbelsäule
mitzubeurteilen. Den Ausführungen des Dr. K schließe er sich hingegen vorbehaltlos an.
Mit Gerichtsbescheid vom 11. November 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und hierbei ausgeführt, sich auf das
Gutachten des Dr. W zu stützen. Der Kläger leide zwar an einer Erkrankung der Bandscheibe der unteren Lendenwirbelsäule. Allein
dies sei jedoch nicht ausreichend, um von einem Kausalzusammenhang mit der beruflichen Überlastung auszugehen. Vielmehr müssten
zusätzlich dem Lebensalter vorauseilende belastungsspezifische Veränderungen der Wirbelsäule vorliegen, dies entspräche auch
den Konsensempfehlungen der Expertengruppe zur Kausalität der BK Nr. 2108. Derartige Veränderungen seien beim Kläger nicht
zu erkennen. Die von Prof. Dr. S verwendeten Kriterien zur Ermittlung einer BK Nr. 2108 entsprächen nicht allgemeinen Bewertungsvorgaben.
Der Hilfsantrag auf Gewährung von Leistungen im Sinne des §
3 Abs.
2 BKV scheitere bereits daran, dass der Kläger nicht vorgetragen habe, dass eine Gefahr im Sinne dieser Vorschrift fortbestanden
habe. Der TAD habe auf entsprechende Anfragen der Beklagten mit Schreiben vom 11. März 2003 und 09. September 2003 mitgeteilt,
dass die dem Kläger an seinem Arbeitsplatz drohenden Gesundheitsgefahren beseitigt worden seien.
Gegen diesen ihm am 14. November 2008 zugegangenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 25. November 2008 eingegangene Berufung
des Klägers. Der Kläger trägt vor, dass die Vorgaben der Konsensempfehlungen auch in seinem Falle erfüllt seien, dies habe
Dr. W nicht beachtet. Eine Übereinstimmung des konkreten Schadensbildes mit dem in der Allgemeinbevölkerung typischen Degenerationsmuster
stelle kein zwingendes Ausschlusskriterium dar. Dies ergebe sich auch aus den Konsensempfehlungen. Lediglich weitergehend
werde zum Teil ein belastungstypisches Schadensbild gefordert, diese weitergehende Anforderung beinhalte dann so genannte
belastungsadaptive Reaktionen in Form einer dem Lebensalter vorauseilenden Osteochondrose und/oder Spondylose in den von den
äußeren Belastungen betroffenen Segmenten der LWS. Diese weitergehenden Anforderungen seien aber nur dann von Bedeutung, wenn
die Beurteilung des Ursachenzusammenhanges in Frage stehe, was wiederum der Fall sei, wenn der Richtwert für die Gesamtbelastungsdosis
bei der BK 2108 nicht erreicht oder die Gesamtbelastungsdosis nicht sicher zu ermitteln sei. Die medizinischen Voraussetzungen
einer Anerkennung einer BK 2108 seien bei ihm daher gegeben, Dr. Wund Dr. K hätten die Anforderungen an die Anerkennungsfähigkeit
dieser BK überdehnt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. November 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 06. Februar 2003 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aus Anlass des Bestehens
einer Berufskrankheit nach Nr. 2108
BKV eine Verletztenteilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von zumindest 20 v. H. zu gewähren,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 11. November 2008 und des Bescheides vom 06. Februar 2003
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2003 zu verurteilen, ihm eine Verletztenteilrente anlässlich des Bestehens
einer BK Nr. 2108 als Stützrente unter Einbeziehung der bei dem Kläger bestehenden Berufskrankheit nach Nr. 5101
BKV zu zahlen,
hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 11. November 2008 sowie des Bescheides vom 06. Februar
2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2003 zu verurteilen, ihm Leistungen gemäß §
3 BKV zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen der Dr. Kund Dr. W-
Das Gericht hat auf Antrag des Klägers nach §
109 Sozialgerichtsgesetz zunächst erneut Prof. Dr. S gehört, der mit Stellungnahme vom 18. August 2009 ausführte, bei seiner Auffassung zu bleiben.
Es bestehe eine dem Lebensalter vorauseilende belastungsspezifische Veränderung in Form einer leichten Erniedrigung im Bewegungssegment
L 5/S 1. Es sei eine Höhenminderung um 30 Prozent eingetreten. Eine vermehrte Kalksalzeinlagerung in den Grund- und Deckenplatten
sei im MRT-Befund vom 16. Oktober 2001 ebenfalls beschrieben. Wenn argumentiert würde, dass erkennbare Verschleißerscheinungen
an der HWS ein Indiz für eine insgesamt schicksalhafte Erkrankung sei, dann sei nicht nachvollziehbar, warum ausschließlich
das Bewegungssegment L 5/S 1 betroffen sei und die anderen LWS-Segmente unauffällig seien. Er bleibe bei seiner Beurteilung.
Das Gericht hat ferner eine ergänzende Stellungnahme des Dr. W vom 09. Oktober 2009 eingeholt, der sich zunächst zu den Einwänden
des Klägers dahin äußerte, dass die Konsensempfehlungen die Erfordernisse nicht erschwerten, sondern sie spezifizierten. Es
handele sich also insoweit mitnichten um "weitergehende" Anforderungen. Belastungsspezifische Veränderungen im Bereich der
LWS hätten sich jedoch nicht gezeigt. Neben fehlenden belastungsadaptiven Veränderungen ließen sich auch keine sonstigen Ergänzungskriterien
identifizieren. Zu Prof. Dr. S führte er aus, dass auch eine Höhenminderung von 30 v. H. noch kein eindeutiger Indikator für
eine chronische Diskose sei, da das Bandscheibenfach L 5/S 1 in vielen Fällen eine physiologische Höhenminderung in diesem
Umfang aufweise. Ein altersüberschreitender Skleroseprozess sei vorliegend jedoch weder kernspintomografisch noch in der Röntgenaufnahme
zu finden. Weiter müsse eine Berufskrankheit zunächst anhand von Positivkriterien erörtert werden, was durch Prof. Dr. S nicht
geschehen sei. Es sei aus biomechanischen Überlegungen heraus nicht nachvollziehbar, warum eine jahrzehntelange Überlastung
sich ausschließlich auf die unterste Etage auswirken sollte. Daher werde auch eine nach kaudal durchgreifende, zunehmende
Segmentdegeneration gefordert, um als positives Abbild einer beruflichen Überlastung gelten zu können. Die Konsensempfehlungen
hätten die monosegmentale Problematik nicht ausgenommen, definierten hierbei jedoch relativ strenge Ergänzungskriterien. Bereits
daraus sei ersichtlich, dass der monosegmentale Bandscheibenschaden zunächst als äußerst unwahrscheinlich gelte. Prof. Dr.
S habe seine Entscheidungsfindung weiterhin nicht anhand der Konsensempfehlungen begründet.
Das Gericht hat sodann Nachermittlungen des TAD im Hinblick auf die besonderen arbeitstechnischen Belastungen für die Konstellation
B 2 der Konsensempfehlungen veranlasst, der mit Schreiben vom 03. November 2010 mitteilte, dass ein besonders hohes Gefährdungspotential
durch hohe Belastungsspitzen (6.300N > 6 kN) bis zum 31. August 1989 an 35 Tagen pro Jahr vorgelegen habe.
Das Gericht hat hierzu Dr. W gehört, der mit Stellungnahme vom 02. Dezember 2010 mitteilte, dass sich aufgrund der vom TAD
mitgeteilten Belastungsspitzen eine Änderung nicht ergebe. Allerdings gehe aus den Formulierungen der Konsensempfehlungen
nicht hervor, ob allein der Nachweis des Gefährdungspotentials ausreiche, um als gewichtiges Ergänzungskriterium zu gelten.
Auch gebe es keine Veröffentlichungen zur geforderten Quantität der Belastungsspitzen. Eine "erhebliche Zahl von Arbeitsschichten"
erfordere allerdings eine Quantität von mindestens 60 Schichten pro Jahr; dies sollte auch für Belastungsspitzen gelten. Da
die Fallkonstellation B 2 die Annahme einer Berufskrankheit bereits erheblich erleichtere, sollten die Bewertungskriterien
nicht weiter "erweicht" werden. In der Gesamtabwägung besäßen die stärker ausgeprägten und multisegmentalen Abnutzungen an
BWS und HWS letztlich überragende Bedeutung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst
Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom
11. November 2008 und der Bescheid der Beklagten vom 06. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. April
2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder Anspruch auf die Gewährung einer
Verletztenteilrente wegen der Folgen einer BK 2108 noch auf die Gewährung von Leistungen nach §
3 Abs.
2 BKV.
Anspruch auf Rente haben gemäß §
56 Abs.
1 Satz 1 Siebentes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Unfallversicherung (
SGB VII), Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles - eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit
- um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Berufskrankheiten sind gemäß §
9 Abs.
1 SGG VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und
die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2108 der Anlage
zur
BKV bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit
in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung
oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Feststellung einer Berufskrankheit setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in der Person des
Klägers gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser Berufskrankheit vorliegt und dieses im Sinne
der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist. Die Krankheit,
die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß müssen
im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen
Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht jedoch
die bloße Möglichkeit ausreicht (Bundessozialgericht, BSG, SozR 3-2200, § 551 Nr. 18 m. w. N.).
Der Kläger erfüllt zwar nach den Feststellungen des TAD der Beklagten die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen
für die Anerkennung einer BK 2108 im Sinne einer hierfür ausreichenden beruflichen Belastung. Allerdings besteht zwischen
dieser beruflichen Belastung und dem beim Kläger festgestellten Wirbelsäulenschaden kein kausaler Zusammenhang, der beim Kläger
bestehende Lendenwirbelsäulenschaden ist nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf seine berufliche
Tätigkeit zurückzuführen.
Die Frage, unter welchen Umständen ein gefundenes Schadensbild mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Belastung zurückzuführen
ist, ist nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand unter Zuhilfenahme medizinischer Erfahrungssätze
festzustellen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse
anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über
die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Dazu können einschlägige
Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung
befassten Fachmediziner herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten
Stand befinden (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 13/05 R, zitiert nach juris.de). Dr. WundDr. K haben ihren Beurteilungen dem folgend zu Recht die bereits zitierten Konsensempfehlungen
(Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit
2010, 482 (212 ff.)) zugrunde gelegt. Denn bei diesen handelt es sich um sich auf dem aktuellen Stand befindende Empfehlungen
der mit der einschlägigen Fragestellung befassten Fachmediziner, die den maßgebenden medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand
wiedergeben (insgesamt zur Orientierung an den Konsensempfehlungen BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009, Az.: B 2 U 16/08 R, zitiert nach juris.de).
Nach den Konsensempfehlungen zeichnet sich das typische Krankheitsbild der BK 2108 aus durch ein so genanntes belastungskonformes
Verteilungsmuster der Erkrankung an der Wirbelsäule. Art, Ausprägung und Lokalisation des Krankheitsbildes müssen der spezifischen
Einwirkung bzw. der beruflichen Exposition entsprechen. Der nach dem anzuwendenden Berufskrankheiten-Tatbestand mit einer
bestimmten Einwirkung korrespondierende Wirbelsäulenabschnitt muss besonders betroffen sein. Die bandscheibenbedingte Erkrankung
im beruflich belasteten Abschnitt muss sich vom Degenerationszustand belastungsferner Abschnitte deutlich abheben. Für die
BK Nr. 2108 ist hierbei in der Regel ein von oben nach unten in der Ausprägung zunehmender Befund erforderlich, weil die Belastungen
durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeuge bzw. Heben schwerer Lasten insbesondere bei den Lendenwirbelsegmenten L5/S1
und L4/5 kumulieren. Diese Belastung ist brustwirbelsäulenwärts abnehmend, so dass die Segmente L3/4, L2/3 und L1/2 zwar auch,
jedoch nur geringer belastet sind. Dabei spricht eine Betonung der Bandscheibenschäden an den unteren drei Segmenten eher
für einen Ursachenzusammenhang mit der beruflichen Belastung, während ein Befall der HWS und/oder BWS je nach Fallkonstellation
gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann (Konsensempfehlungen, aaO., Seite 216).
Unter Beachtung dieser Beurteilungskriterien ist das beim Kläger vorliegende Schadensbild nicht hinreichend wahrscheinlich
durch seine berufliche Tätigkeit verursacht worden. Dies folgt aus den Feststellungen des Dr. in dessen Gutachten vom 05.
August 2008 und seiner Rückäußerungen vom 9. Oktober 2009 und 2. Dezember 2010 sowie den Stellungnahmen des Dr. K vom 28.
August 2006 und vom 18. Februar 2008. Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid
Bezug genommen, denen sich der Senat anschließt und auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (§
153 Abs.
2 SGG). Auch das Berufungsgericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen der Dr. und Dr. K an, nach denen nach einer Gesamtbetrachtung
aller beim Kläger im Bereich der Wirbelsäule festzustellenden Schäden unter Auswertung der bildgebenden Verfahren anhand der
in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur geforderten Kriterien ein derartiger Zusammenhang nicht besteht. Das Gutachten
des Dr. ist sorgfältig erstellt, überzeugend begründet und berücksichtigt - ganz im Gegensatz zu den Äußerungen des auf Antrag
des Klägers nach §
109 SGG gehörten Prof. Dr. S - den medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand, wie er sich aus den oben zitierten Konsensempfehlungen
ergibt (vgl. hierzu ebenfalls Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 477 ff.,482
ff., m. w. N.).
Nach den gutachterlichen Feststellungen fehlt es beim Kläger zunächst einmal schon an dem notwendigen belastungskonformen
Schadensbild im Sinne eines von oben nach unten in der Ausprägung zunehmenden Befundes, da sich Veränderungen lediglich auf
der Etage L5/S1 finden, also ein sog. monosegmentaler Bandscheibenvorfall vorliegt. Ein derartiges Schadensbild spricht gegen
eine berufliche Verursachung, so dass es einer plausiblen Begründung für die Annahme einer beruflichen Verursachung bedürfte
(Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO., S. 482). Eine solche war jedoch nicht zu finden; vielmehr sprachen zahlreiche weitere
Aspekte gegen einen Ursachenzusammenhang, wie sie Dr. aufgelistet hat und wie sie bereits dargestellt wurden.
Entgegen der Auffassung des Klägers sind die von Dr. W- geprüften Kriterien keine "weitergehenden" Anforderungen in dem Sinne,
dass sie über die in den Konsensempfehlungen geforderten Kriterien hinausgingen. Dr. W- hat nämlich - entgegen den vom Kläger
in seiner Berufungsbegründung vom 24. Februar 2009 gemachten Ausführungen - nicht ausschließlich auf das Fehlen so genannter
belastungsadaptiver Reaktionen abgestellt, sondern - wie bereits ausgeführt - auf das Fehlen eines belastungskonformen Schadensbildes
und daneben auf eine Gesamtbetrachtung aller zu würdigenden Indizien. Diese Überprüfung durch Dr. Wentsprach den Vorgaben
der Konsensusempfehlungen. Denn auch hier ist ausgeführt, dass etwa ein Befall von HWS und/oder BWS je nach Fallkonstellation
gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen kann (Trauma und Berufskrankheit, aaO., S. 216). Bei Fehlen eines belastungskonformen
Schadensbildes und stärkerer Schädigung der HWS sprach damit vorliegend alles gegen eine berufliche Verursachung.
Dr. W hat sodann unter weiterer Berücksichtigung des Umstandes, dass beim Kläger wesentliche konkurrierende Ursachenfaktoren
nicht erkennbar sind und eine Begleitspondylose, also degenerative Veränderungen an den kleinen Gelenken, ebenfalls nicht
feststellbar waren, die Konstellation B 2 der Konsensempfehlungen geprüft (aaO., S. 217) und deren Voraussetzungen zu Recht
verneint. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob wegen des stärker ausgeprägten Befalls von HWS und BWS nicht die Konstellation
B 5 zu prüfen war, die aber die Konstellation B2 voraussetzt. Denn in der Konstellation B 2 muss für die Anerkennung eines
Kausalzusammenhanges wenigstens eines der folgenden Kriterien erfüllt sein: 1. Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren
Bandscheiben, bei monosegmentalem Vorfall in L5/S 1 ein so genanntes "black disc" (Folge einer Austrocknung des Gallertkerns)
im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten, 2. eine besonders intensive Belastung, Anhaltspunkt: Erreichen des Richtwertes
für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren, oder 3. ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen, Anhaltspunkt:
Erreichen der Hälfte des MDD-Tagesdosisrichtwertes durch hohe Belastungsspitzen. Sämtliche Diese Voraussetzungen liegen nicht
vor. Der Lebensdosisrichtwert wurde nicht in weniger als 10 Jahren erreicht, vielmehr lag dem vom TAD gefundenen Ergebnis
hinsichtlich der Gesamtbelastungsdosis ein Zeitraum von 29 Jahren zugrunde. Zu den Belastungsspitzen hat der TAD zuletzt mit
Stellungnahme vom 03. November 2010 mitgeteilt, dass ein besonders hohes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen
(6.300N > 6 kN) bis zum 31. August 1989 an 35 Tagen pro Jahr vorgelegen habe. Damit sind die Voraussetzungen der Konstellation
B 2 jedoch noch nicht erfüllt. Zum einen hat hierzu Dr. W mit Stellungnahme vom 02. Dezember 2010 ausgeführt, dass mit dieser
Anzahl von Belastungsspitzen noch keine ausreichende erhebliche Zahl von Arbeitsschichten betroffen gewesen sei; hierzu seien
Belastungsspitzen an mindestens 60 Schichten pro Jahr erforderlich. Letztlich kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Denn
die Anwendung der Regelbeispiele aus den Konsensempfehlungen darf keineswegs schematisch erfolgen. Die einzelnen "Tatbestandsmerkmale"
der Konstellationen B 2 bis B 10 ersetzen die notwendige Gesamtbetrachtung nicht. Dies folgt bereits aus der Einleitung zur
Beschreibung der Fallkonstellationen, wo ausgeführt ist, dass nur eine begrenzte Anzahl typischer Konstellationen definiert
und beurteilt worden sei. Weiter zeigt dies auch der vorliegende Fall, der sich nicht ohne weiteres unter die Regelbeispiele
unter dem Buchstaben "B", die im Grundsatz alle von einem monosegmentalen bzw. bisegmentalen LWS-Befall ausgehen, wie er auch
beim Kläger vorliegt, subsumieren lässt. Denn die Konstellation B 2, die Dr. W-R für allein diskussionswürdig hielt, trifft
den vorliegenden Fall nicht. Denn die Konstellation B2 geht von einer mit Ausnahme des mono- bzw. bisegmentalen Schadens der
LWS altersentsprechenden Wirbelsäule aus. Dies belegen die folgenden Regelbeispiele, die als Abwägungskriterien auch Schäden
an anderen Wirbelsäulenabschnitten als der LWS benennen, wenn diese denn vorliegen. Die vorliegende Konstellation mit einem
stärkeren BWS-Schaden wird aber in keinem Beispiel genannt, obwohl ein solcher BWS-Schaden mit abzuwägen ist (aaO., S. 220).
Die nach allem erforderliche Gesamtabwägung hat Dr. W-R überzeugend vorgenommen, als er in seinem Gutachten vom 05. August
2008 eine umfassende Indizienabwägung vornahm, die insgesamt nicht zugunsten des Klägers ausfiel, und als er in seiner Stellungnahme
vom 02. Dezember 2010 abschließend nochmals darauf hinwies, dass die stärker ausgeprägten und multisegmentalen Abnutzungen
an BWS und HWS letztlich überragenden Bedeutung besäßen. Damit sind die Voraussetzungen der Konstellation B 2 nicht erfüllt.
In der Konstellation B 5 besteht in der Fachwelt kein Konsens, so dass sich auch insoweit vor dem Hintergrund der HWS- und
BWS-Schäden kein Ursachenzusammenhang wahrscheinlich machen lässt.
Den Ausführungen des Prof. Dr. S konnte nicht gefolgt werden. Denn Prof. Dr. S hat sich nicht an den geltenden medizinischen
Beurteilungskriterien orientiert. Er hat in keiner Weise auch nur ansatzweise versucht, mit den Konsensempfehlungen oder aber
einer anderen aktuellen Veröffentlichung zu argumentieren. Seine Bezugnahme auf zweitinstanzliche Urteile aus 1995 und 1999
belegt hingegen, dass die von ihm zugrunde gelegten Kriterien nicht aktuell sind. Für die Prüfung der Konstellation B 2 verweist
Prof. Dr. S in seiner Rückäußerung vom 18. August 2009 darauf, dass nach einem BSG-Urteil bei einem 54jährigen Langzeitmaurer
Belastungsspitzen erreicht worden seien. Dies besagt indessen nichts über den vorliegenden Fall, sondern ausschließlich etwas
über die Argumentationshöhe des Gutachters. Hier wäre die für den Kläger einschlägige TAD-Überprüfung auszuwerten gewesen,
der derartige Belastungsspitzen gerade nicht zu entnehmen sind. Auch die sonstige Argumentation des Gutachters war teilweise
kaum nachvollziehbar und genügte nicht den Anforderungen an ein unfallversicherungsrechtliches Kausalitätsgutachten, wie Dr.
K und Dr. W im Einzelnen ausführten. Das Gutachten des Prof. Dr. S konnte daher nicht Grundlage der hier zu treffenden Zusammenhangsbeurteilung
sein.
Auch den Einwänden des Klägers konnte nicht gefolgt werden, da sich diese sämtlich auch nicht an dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen
Erkenntnisstand, wie er sich aus den Konsensempfehlungen ergibt, orientierten.
Eine MdE war wegen des Fehlens eines beruflich verursachten Schadens nach allem daher nicht feststellbar, so dass weder die
Gewährung einer Verletztenteilrente aufgrund einer MdE von 20 v. H. noch die Zuerkennung einer Stützrente in Betracht kam.
Leistungen nach §
3 Abs.
2 BKV waren ebenfalls nicht zu gewähren, so dass auch die hierauf gerichteten Hilfsanträge zurückzuweisen waren. Nach §
3 Abs.
2 BKV haben Versicherte, die eine gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter
Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Wie bereits erstinstanzlich ausgeführt, hat der Kläger bei Aufgabe seiner Tätigkeit
zum 01. April 2008 keine gefährdende Tätigkeit unterlassen, da die Gefährdung nach den diesbezüglichen Feststellungen des
TAD, zuletzt vom 09. September 2003, abgestellt worden war. Abgesehen davon bezog der Kläger nach der Aufgabe seiner Tätigkeit
ohnehin Übergangsleistungen aufgrund der von der Beklagten anerkannten BK 5101, so dass nicht ersichtlich ist, welcher weitergehende
Anspruch hier geltend gemacht wurde.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG lagen nicht vor.