Ausnahme von der Fallwertabstaffelung bei der Bildung eines Regelleistungsvolumens
Teilnahme an der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung keine Praxisbesonderheit
Bildung einer einheitlichen Arztgruppe
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung bei der Bildung des Regelleistungsvolumens (RLV) für die Quartale I/2009 bis IV/2011.
Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie (Arztgruppe [AG] 26) und seit 1998 in B zur vertragsärztlichen Versorgung
zugelassen. Er nahm – bereits seit dem Jahr 2009 – an der „Vereinbarung gemäß §
85 Abs.
2 Satz 4 und §
43a SGB V i.V.m. Anlage 2 Absatz
3 zur Anlage 11 BMV über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der sozialpsychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen“
teil (Sozialpsychiatrie-Vereinbarung, im Folgenden: SPV).
Die SPV galt bereits seit 1994 als Anlage 11 des Bundesmantelvertrages. Als Vereinbarungen der Ärzte mit den Krankenkassen
bestanden Einzelverträge auf regionaler Ebene. So galt in Berlin für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 die
regionale Sozialpsychiatrie-Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Krankenkassen bzw. ihren Verbänden vom 19. Dezember
2008. Diese wurde zum 1. Juli 2009 durch die Sozialpsychiatrie-Vereinbarung auf Bundesebene abgelöst (im Folgenden: SPV 2009,
vgl. zur Ablösung allgemein § 9 Abs. 2 SPV 2009 sowie speziell für Berlin: „Vereinbarung zwischen der Beklagten und den Verbänden
der einzelnen Krankenkassen vom 22. Januar 2010 zur Ersetzung der bis zum 1. Juli 2009 zwischen den Vertragspartnern bestehenden
Sozialpsychiatrie-Vereinbarungen“, Neufassung ab dem 1. Oktober 2012).
Die SPV organisiert die in §
43a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) für die Versicherten vorgesehenen nichtärztlichen sozialpädiatrischen Leistungen, die unter ärztlicher Verantwortung ambulant
erbracht werden. Eine Teilnahme an der SPV ermöglicht es niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatern sowie Kinderärzten,
Nervenärzten und Psychiatern mit mindestens zweijähriger Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie, in enger
Kooperation mit komplementären (ärztlichen und nichtärztlichen) Leistungserbringern in einem Praxisteam, bestehend aus mindestens
einem Heilpädagogen und Sozialarbeiter (oder vergleichbar Qualifizierte), interdisziplinär zusammenarbeiten (§§ 2,3 SPV [2009]).
In die (ambulante) Behandlung auf Grundlage der SPV können Patienten und Patientinnen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
aufgenommen werden (vgl. § 1 SPV und § 1 Abs. 2 SPV 2009).
§ 1 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 SPV 2009 bestimmen zum Ziel der SPV:
„Im Vordergrund steht der gezielte Aufbau solcher Behandlungsangebote, die für eine sinnvolle kontinuierliche Betreuung der
betroffenen Patienten erforderlich sind, im Katalog der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen nach dem EBM jedoch nicht
aufgeführt werden. Die Vertragspartner erfüllen damit zudem den in §
85 Abs.
2 Satz 4 und §
43a SGB V vorgegebenen gesetzlichen Auftrag. So soll bei komplexen sozialpädiatrischen und psychiatrischen Behandlungsproblemen insbesondere
die ambulante Betreuung und Behandlung als Alternative zur stationären Versorgung und anderen institutionellen Betreuungsformen
ermöglicht werden.“
Die Vergütung der im EBM aufgeführten ärztlichen (oder ärztlich verantworteten) Leistungen erfolgt nach den entsprechenden
Leistungsansätzen (§ 6 Abs. 1 SPV). Zur Erstattung des besonderen Aufwandes der interdisziplinären Versorgung wird dem teilnehmenden
Arzt zusätzlich zu den nach dem EBM abrechnungsfähigen Leistungen eine Kostenpauschale je Behandlungsfall vergütet. Sie betrug
vom 1. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2009 163,60 Euro pro Behandlungsfall und war beschränkt auf 400 Behandlungsfälle pro Quartal
(§ 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 SPV). Ab dem 1. Juli 2009 betrug die Kostenpauschale bis zum 350. Behandlungsfall 163,00 Euro, ab
dem 351. bis zum 400. Behandlungsfall war sie auf 122,25 Euro abgesenkt (Anlage 2 der SPV 2009). Mit der Behandlungspauschale
sollten nach der SPV insbesondere die Kosten abgegolten werden, die dem Arzt für die Beschäftigung der nichtärztlichen Leistungserbringer
entstehen (§ 6 Abs. 2 Satz 2 SPV).
Der Arztgruppe des Klägers (AG 26) gehörten im Quartal I/2009 44 Ärzte an. Bis zum Quartal IV/2014 stieg die Anzahl auf 52
an. Im Quartal I/2009 nahmen von den 44 Ärzten der Fachgruppe 24 an der SPV teil, 20 nahmen nicht teil. In IV/2014 nahmen
32 Ärzte/Ärztinnen an der SPV teil, 20 nahmen nicht teil. Im Zeitraum dazwischen bewegte sich die Zahl der Teilnehmenden zwischen
24 und 32, die Zahl der nicht an der SPV teilnehmenden Ärzte schwankte zwischen 18 und 20.
Die Anzahl der Arzt- und Behandlungsfälle entwickelte sich – unterschieden nach den an der SPV teilnehmenden und den nicht
teilnehmenden Ärzten der Fachgruppe 26 – von I/2009 bis IV/2011 nach Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 7. Februar 2022
im Einzelnen wie folgt:
Quartal
|
Teilnahme/
Nichtteilnahme
|
Arztfälle
|
Behandlungsfälle
|
I/09
|
24 20
|
341,04 96,1
|
332,79 95,28
|
II/09
|
26 19
|
332,08 81
|
323,73 80,39
|
III/09
|
26 18
|
319,42 81
|
310 79,98
|
IV/09
|
25 19
|
343,64 94,47
|
332,86 80,9
|
I/10
|
25 19
|
358,96 89,68
|
348,9 93,96
|
II/10
|
28 19
|
339,14 82,11
|
328,59 89,02
|
III/10
|
29 18
|
313,72 82,11
|
304,24 81,34
|
IV/10
|
29 20
|
341,52 89,75
|
325,2 89,14
|
I/11
|
30 20
|
347,3 94,1
|
334,94 93,53
|
II/11
|
30 20
|
342,8 91,95
|
330,45 90,8
|
III/11
|
32 20
|
312,97 69,75
|
304,61 69,75
|
IV/11
|
32 20
|
328,66 78,7
|
315,09 78,69
|
In den streitigen Quartalen hatten die an der SPV teilnehmenden Ärzte durchschnittlich 324 Behandlungsfälle pro Quartal, die
nicht an der SPV Teilnehmenden hatten durchschnittlich 89 Behandlungsfälle pro Quartal. Die Fallzahlen der an der SPV teilnehmenden
Ärzte lagen danach konstant um das 3,5- bis 4,4-fache über den Fallzahlen der nicht an der SPV teilnehmenden Ärzte.
Beginnend mit dem RLV-Zuweisungsbescheid vom 11. Dezember 2008 wies die Beklagte dem Kläger für die Quartale I/2009 bis IV/2011 jeweils ein Regelleistungsvolumen
(RLV), ab III/2010 zusätzlich ein qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen (QZV) zu. Der Kläger überschritt mit seiner tatsächlich
erbrachten RLV-relevanten Fallzahl in jedem der streitigen Quartale die durchschnittliche RLV-Fallzahl der Fachgruppe um mehr als 100 % (vgl. die folgende tabellarische Übersicht auch mit den RLV-relevanten Fallzahlen des Klägers):
Quartal
|
Fall-wert
(Euro)
|
RLV-Fall-Zahl
Kläger
|
⌀-
Fallzahl
Fachgruppe
|
100
%
Verg.
|
75
%
Verg.
|
50
%
Verg.
|
25
%
Verg.
|
Alters-faktor
|
RLV
(Euro)
|
I/09
|
113,82
|
547
|
234
|
351
|
47
|
70
|
79
|
0,9987
|
50.108,34
|
II/09
|
108,46
|
597
|
242
|
363
|
48
|
73
|
112
|
0,9975
|
50.224,09
|
III/09
|
54,42
|
561
|
209
|
314
|
42
|
63
|
142
|
0,9929
|
22.283,90
|
IV/09
|
49,68
|
582
|
203
|
305
|
41
|
61
|
175
|
0,9977
|
20.317,45
|
I/10
|
38,32
|
596
|
225
|
337
|
45
|
67
|
146
|
0,9957
|
16.834,47
|
II/10
|
46,87
|
577
|
221
|
331
|
434
|
66
|
135
|
0,9957
|
20.138,11
|
III/10
|
90,46
|
503
|
224
|
335
|
44
|
67
|
55
|
0,9949
|
37.503,95
|
IV/10
|
113,51
|
542
|
224
|
336
|
44
|
67
|
93
|
0,9954
|
48.214,55
|
I/11
|
87,37
|
542
|
239
|
358
|
47
|
71
|
64
|
0,9988
|
38.915,21
|
II/11
|
94,71
|
526
|
243
|
351
|
46
|
70
|
57
|
0,9948
|
41.078,18
|
III/11
|
92,44
|
485
|
221
|
331
|
44
|
66
|
42
|
0,9936
|
37.551,65
|
IV/11
|
100,42
|
504
|
231
|
346
|
46
|
59
|
41
|
0,9967
|
42.693,39
|
Erhielte der Kläger für jeden seiner RLV-relevanten Behandlungsfälle (Spalte 3 der obigen Tabelle) eine Ausnahme von der Abstaffelung (Spalten 6-8), ergäbe sich für
die streitigen Quartale für ihn ein insgesamt um 110.935,92 Euro höheres RLV.
Für die Quartale I bis IV/2009, I, II und IV/2010 sind die RLV-Zuweisungsbescheide bestandskräftig. Nur für die Quartale III/2010 und I/2011 bis IV/2011 sind noch Widersprüche des Klägers
ruhend gestellt. Nach Zusage der Beklagten wird sie sich für die vom hiesigen Verfahren erfassten Quartale gemäß ihrer ständigen
Verwaltungspraxis nicht auf die Bestandskraft der Zuweisungsbescheide berufen.
Der Kläger beantragte am 14. Februar 2011, 11. Februar 2011 und 16. November 2011 jeweils eine „Freistellung“ seiner Praxis
von der „Fallwertabstaffelung“ bei der Bildung des RLV für die einzelnen Quartale I/2009 bis IV/2011. Daneben beantragte er gesondert jeweils einen „Zuschlag auf den Fallwert des
RLV wegen Praxisbesonderheiten“ in Gestalt eines Leistungsspektrums, welches vom Durchschnitt der Fachgruppe abweiche und schließlich
einen „Ausgleich für den überproportionalen Honorarverlust“ im Zusammenhang mit der Einführung des RLV für die Quartale I – IV/2009.
Die Beklagte lehnte alle Anträge zu den drei Themenkomplexen mit Ausnahme des Quartals I/2010 ab, für das sie Praxisbesonderheiten
anerkannte. Hinsichtlich der klägerseits beantragten „Freistellung von der Fallzahlabstaffelung“ erteilte sie am 24. September
2012 drei ablehnende Bescheide. Die dagegen erhobenen Widersprüche, mit denen der Kläger das Begehren der Freistellung von
der Fallzahlabstaffelung weiterverfolgte, wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 für alle Quartale I/2009 bis einschließlich
IV/2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Abstaffelung und Neufestsetzung
der RLV lägen nicht vor. Eine Ausnahme in Gestalt einer Härtefallregelung sei ebenfalls nicht möglich. Eine Einzelfallregelung zur
Vermeidung unbilliger Härten in einem seltenen Ausnahmefall sei in den Honorarverträgen (HV) sowie den Beschlüssen des Erweiterten Bewertungsausschusses (BewA) schon nicht vorgesehen. Mit dem im HV gewählten Begriff der „Ausnahme von einer Abstaffelung“ sei keine Ausnahme von der Fallzahlabstaffelung bei der RLV-Zuweisung gemeint, die Regelung gelte vielmehr nur auf der Ebene der Honorarfestsetzung. Im Fall einer z.B. untypisch niedrigen
Fallzahl im Aufsatzquartal wie auch bei einer ungewöhnlichen Steigerung der Behandlungsfallzahl komme jeweils nur eine Erhöhung
der Fallzahl, mithin des RLV in Betracht. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen eines Härtefalls beim Kläger nicht ersichtlich. Die Arztgruppe des
Klägers sei zwar klein (zwischen 37 und 48,5), aber nicht inhomogen. So hätten in den streitgegenständlichen Quartalen zwischen
I/2009 und IV/2011 zwischen 56,8 % und 70,97 % der Ärzte der Fachgruppe des Klägers an der SPV teilgenommen (Tendenz eher
steigend). Der Vergleich der durchschnittlichen Fallzahlen der Arztgruppe mit den arztindividuellen RLV-Fallzahlen des Klägers sei daher zulässig.
Der Kläger hat am 4. Juli 2014 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben. Er begehre eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung
bei der Zuweisung des RLV wegen einer überdurchschnittlich hohen Fallzahl aufgrund eines Härtefalles. Dies werde in Teil B § 6 bzw. § 7 der Anlage 1 zum HV nicht erfasst. Die genannten Regelungen könnten lediglich dazu führen, dass keine Abstaffelung des Honorars im Rahmen der
Honorarfestsetzung erfolge. Er hingegen begehre eine Ausnahme von der Abstaffelung (bereits) im Rahmen der Zuweisung des RLV auf Grundlage einer in den HV hineinzuinterpretierenden Härtefallklausel. Denn die Regelung der Fallwertabstaffelung führe in seinem Fall zu einer unbilligen
Belastung. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass eine ausnahmsweise Erhöhung des RLV im Wege einer Härtefallklausel im Rahmen einer ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung u.a. dann notwendig sei, wenn der
HV zu eng gefasste Härtefallklauseln enthalte (Hinweis auf Urteil des BSG vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 17/10 R). Dabei beschränkten sich die Ausnahmen nicht auf echte Härten, vielmehr müssten sie generell für atypische Versorgungssituationen
möglich sein (Hinweis auf ältere Rechtsprechung des BSG aus 1998/1999). Dies zeige sich auch in den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 22. April 2009 in der Fassung der Beschlüsse
vom 22. September 2009 und vom 26. März 2010. Diese sähen in Teil F Ziffer (Ziff.) 3.2.1 vor, dass die Gesamtvertragspartner
eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung aus Sicherstellungsgründen vereinbarten.
Der HV der Beklagten enthalte insoweit keine Regelung zugunsten des Klägers. Dabei habe er eine weit überdurchschnittliche Zahl
an Patienten, deren Zusammensetzung zudem nicht derjenigen einer durchschnittlichen Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie
entspreche. Er stelle in besonderem Maße die Versorgung sicher. Eine atypische Versorgungssituation bestehe in der besonderen,
weil heterogenen Zusammensetzung der Fachgruppe. In ihr seien Ärzte vertreten, die ihre Patienten/Patientinnen im Wege der
„sprechenden Medizin“ behandelten. Dem stünden Praxen wie diejenige des Klägers gegenüber, die an der SPV teilnähmen. Die
Fachgruppe sei insoweit in zwei Gruppen zu unterteilen. Nur die eine Gruppe der an der SPV (§ 3 SPV 2009) Teilnehmenden stelle
eine spezielle Betreuung der Patienten sicher, dies bedürfe einer umfangreichen personellen Ausstattung. Die Heterogenität
spiegele sich in der SPV auch selbst wider. Diese gehe von höheren Behandlungsfallzahlen als das RLV aus. So werde die pro Behandlungsfall anfallende Kostenpauschale (ab 1. Juli 2009) erst nach 350 Fällen abgestaffelt und
bis zu 400 Fällen gezahlt. Demgegenüber liege die der RLV-Berechnung zugrunde liegende durchschnittliche Fallzahl der gesamten Arztgruppe nur zwischen 203 (Quartal IV/2009) und 242
(Quartal II/2009).
Zur Beurteilung eines übergroßen Praxisumfanges bei der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten habe die Beklagte schließlich
in einem Fall nur die Ärzte der Fachgruppe in ihren Vergleich aufgenommen, die (ebenfalls) an der SPV teilnähmen. Die Gleichbehandlung
aller Angehörigen der Arztgruppe des Klägers verstoße gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Die Struktur
der an der SPV teilnehmenden Praxis sei nicht mit einer klassischen Einzelpraxis zu vergleichen. So habe in den streitigen
Quartalen die Fallzahl des Klägers bei durchschnittlich 550,72 Fällen gelegen, die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe
dagegen bei 225,13 Fällen.
Zumindest müsse in seinem Fall eine Anpassung der RLV-relevanten Fallzahlen erfolgen. Denn für hausärztlich tätige Internisten und Fachärzte für Allgemeinmedizin stelle der HV bei der Ermittlung des RLV nicht auf die tatsächliche durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe im Vorjahresquartal ab, sondern auf eine festgelegte
Fallzahl von 900 Fällen pro Quartal. Diese Regelung sei gerade mit Blick auf den sehr unterschiedlichen Tätigkeitsumfang getroffen
worden.
Die Abstaffelung widerspreche auch dem Gesetzeszweck des §
87b Abs.
2 Satz 1
SGB V. Denn von einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit könne im Fall des Klägers gerade nicht ausgegangen werden, wenn Ziel
der SPV sei, das Behandlungsangebot auszubauen. Es widerspreche schließlich dem Zweck der SPV, wenn zwar bis zum 400. bzw.
nach der SPV 2009 bis zum 350. Behandlungsfall eine Vergütung nach der vollen Kostenpauschale erfolge, aber die Ärzte allein
wegen der Teilnahme an der SPV und der hohen Fallzahlen im Rahmen der Zuweisung des RLV abgestaffelt würden.
Es müsse zumindest eine Anpassung der der RLV-Berechnung zugrunde liegenden durchschnittlichen Fallzahl erfolgen, wie dies im HV für die Hausärzte erfolgt sei, zumal bei den Hausärzten kein Grund für die stark unterschiedlichen Fallzahlen vorliege.
Mit Urteil vom 13. Dezember 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, auch soweit der Kläger
mit ihr die Eingruppierung aller Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie in eine (gemeinsame) Fachgruppe bei der Bildung
des RLV angreife. Streitgegenstand seien die Anträge des Klägers auf Ausnahme von der Abstaffelung des Fallwertes bei der Berechnung
bzw. Zuweisung des RLV. Dass die Beklagte diese Anträge gesondert von den RLV-Zuweisungsbescheiden behandelt habe, führe nicht dazu, dass die letzteren bestandskräftig würden. Denn sie stünden zumindest
unter dem Vorbehalt einer späteren Erhöhung des RLV aufgrund des Antragsverfahrens bzw. seien Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden (Hinweis auf Urteil des Senats vom
30. April 2014 – L 7 KA 154/11 , Rdnr. 32 ff.).
Die Klage sei aber unbegründet. Der Kläger begehre mit ihr eine Ausnahme von der Abstaffelung für die Jahre 2009 bis 2011,
wie sie sich aus Teil F Ziff. 3.2.1. Satz 3 der Beschlüsse des Bewertungsausschusses und den entsprechenden (gleichlautenden)
Regelungen des HV bei der Berechnung des RLV dann ergebe, wenn die RLV-Fallzahl des Arztes die durchschnittliche RLV-Fallzahl um mehr als 150 Prozent übersteige. Davon abzugrenzen sei eine Ausnahme von der Abstaffelung bei der Vergütung nach
Teil F Ziff. 3.4 der Beschlüsse des Bewertungsausschusses und den entsprechenden Regelungen im HV. Nach dieser Bestimmung könnten auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Beklagte Leistungen über das arzt-/praxisbezogene
RLV hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Die Regelung sei allein im Rahmen der Honorarbescheide
anzuwenden (Hinweis auf Urteil des Senats vom 8. März 2017 – L 7 KA 110/13). Der Kläger habe eine entsprechende Ausnahme von der Vergütung nicht beantragt. Daher sei es auch unerheblich, ob deren
Voraussetzungen gegeben seien. Die Eingruppierung der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie entspreche den Vorgaben
der Anlage 1 Ziff. 4 der jeweiligen Beschlüsse des Bewertungsausschusses und den entsprechenden Regelungen des HV.
Eine Ausnahme sei vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht geboten. Dieser gebiete, dass
zwei Gruppen, die sich in verschiedener Lage befänden, nur beim Vorliegen zureichender Gründe gleichbehandelt würden. Hinsichtlich
der Bildung von RLV müssten nach der Rechtsprechung des BSG Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass die Bildung unterschiedlicher RLV geboten sei (Hinweis auf B 6 KA 14/11 R, Rdnr. 15). Ein entsprechend gewichtiger Unterschied bestehe zwischen Fachärzten der Kinder- und Jugendpsychiatrie, die an
der SPV teilnähmen und solchen, die das nicht täten, nicht. Zwar möge es zutreffen, dass bei den nicht teilnehmenden Fachärzten
die zeitgebundenen antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen nach EBM Abschnitt 35.2 überwögen. Erst bei ausschließlich
psychotherapeutischer Tätigkeit erfolge die Einbeziehung in die zeitbezogene Kapazitätsgrenze nach Teil F Ziff. 4.1 der maßgeblichen
Beschlüsse des Bewertungsausschusses. Diese Ärzte seien dann aber gar nicht mehr von der RLV-Bildung erfasst. Eine nur psychotherapeutische Tätigkeit sei jedoch keine psychotherapeutische Tätigkeit, so dass solche
Fachärzte (noch) dem RLV unterlägen. Die Fachärzte selbst hätten darüber frei zu entscheiden, ob sie an der SPV teilnähmen oder nicht. Ohne die Teilnahme
könnten diese Fachärzte entscheiden, ob sie überwiegend Gesprächsleistungen oder andere Leistungen erbrächten. Die Teilnahme
an der SPV zwinge mithin nicht zu einer unterschiedlichen RLV-Behandlung. Es handele sich dabei vielmehr um die (freie) Entscheidung über die Ausrichtung einer Praxis.
Eine Förderpflicht folge auch nicht aus § 1 SPV. Denn bereits die SPV selbst begrenze die Kostenpauschale auf 400 (bis 30.
Juni 2009) bzw. 350 Behandlungsfälle (ab 1. Juli 2009). Eine von der Mengensteuerung unabhängige Förderung sei gerade nicht
vorgesehen. Eine solche würde aber eintreten, wenn die ohnehin schon sehr kleine Fachgruppe der Fachärzte für Kinder- und
Jugendpsychiatrie noch unterteilt und eine eigene Fachgruppe der an der SPV teilnehmenden Ärzte gebildet würde. Zudem sei
nicht ersichtlich, dass durch die gemeinsame Fachgruppe bei der RLV-Bildung das Ziel der SPV, einen Aufbau der entsprechenden Behandlungsangebote zu fördern, nicht erreicht werden würde. Denn
die Zahl der an der SPV teilnehmenden Fachärzte bewege sich im streitgegenständlichen Zeitraum zwischen 56,82 und 70,97 %.
Letztlich sei eine Unterscheidung auch deshalb entbehrlich, weil nach der SPV bereits eine Kostenpauschale pro Behandlungsfall
gezahlt werde. Zwar werde damit lediglich der Mehraufwand für Personal- und Raumkosten abgedeckt. Es sei jedoch mit Blick
auf den Wortlaut der entsprechenden SPV-Regelung nicht ausgeschlossen, damit auch ein aufgrund der Struktur des interdisziplinären
Behandlungsangebots geringeres Honorar auszugleichen.
Eine Ausnahme von der Fallwertabstaffelung könne schließlich auch nicht aufgrund einer in den HV hineinzulesenden Härtefallklausel in Betracht kommen. Zwar sehe Teil F Ziff. 3.2.1 der Beschlüsse des BewA vom 20. April
2009, vom 22. September 2009 und 26. März 2010 eine Ausnahme aus Sicherstellungsgründen vor. Auch habe der Beklagte eine entsprechende
Regelung in Anlage 1 Teil B § 6 Abs. 2 HV 2010 bzw. Anlage 1 Teil B § 7 Abs. 1 HV 2011 durch die Festlegung einer Durchschnittsfallzahl für Hausärzte getroffen. Hinsichtlich der hier betroffenen Gruppe der
Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sei eine solche Regelung aber nicht zwingend, da Sicherstellungsgründe nicht gegeben
seien.
Ebenso wenig, so das Sozialgericht, lägen die Voraussetzungen einer (ungeschriebenen) Härtefallregelung nach den Grundsätzen
der Rechtsprechung des BSG vor. Denn der HV 2010 und der HV 2011 sähen jeweils Ausnahmeregelungen vor, die einerseits besondere Versorgungsstrukturen und andererseits existenzbedrohende
Honorarminderungen berücksichtigten. In Anlage 1 Teil B § 6 Abs. 10 HV 2010 und HV 2011 sei die Möglichkeit vorgesehen, Praxisbesonderheiten beim Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs zu berücksichtigen.
In Teil B Anlage 1 § 7 Abs. 3 HV 2010 und HV 2011 sei jeweils die Möglichkeit der Ausnahme von der Abstaffelung der Vergütung bei besonderen, vom Arzt nicht verschuldeten
Umständen vorgesehen, die bei der Festsetzung des RLV nicht hätten beachtet werden können. Ein (weiterer) Härtefall komme nur in Betracht, wenn trotz dieser Maßnahmen durch Umstände,
die Vertragsärzte nicht zu vertreten hätten, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entstehe. Dieser sei nur anzunehmen, wenn ein
spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehe und die wirtschaftliche Existenz einer Praxis gefährdet bzw. gravierende Veränderungen
der Versorgungsstrukturen gegeben seien (Hinweis auf BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 – B 6 KA 6/11 R, Rdnr. 28). Im Fall des Klägers liege schon kein spezifischer Sicherstellungsbedarf vor. Allein die Teilnahme an einer SPV
stelle schließlich keine in diesem Sinne beachtliche „Neuausrichtung der Praxis“ dar. Ungeachtet dessen sei auch eine Gefährdung
der wirtschaftlichen Existenz der Praxis nicht ersichtlich.
Es fehle schließlich an einer gravierenden Verwerfung in der regionalen Vergütungsstruktur, wie sie der Kläger behaupte. Voraussetzung
sei eine im Hinblick auf die Fallzahlen (ungünstige) spezifische örtliche Lage der Praxis. Im Fall des Klägers fehle es insoweit
bereits an einem spezifischen örtlichen Bezug.
Der Kläger hat gegen das ihm am 4. Januar 2018 zugestellte Urteil am 31. Januar 2018 Berufung eingelegt. Seine RLV-Zahlen lägen in den streitgegenständlichen Quartalen sogar noch deutlich über denjenigen seiner an der SPV teilnehmenden
Fachkollegen. Sie bewegten sich zwischen 485 und 596 Fällen. Mit Blick darauf gerate er in jedem Quartal in die Fallwertabstaffelung.
Die Bildung eines einheitlichen Honorartopfs für die Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie sei nicht mehr von der Gestaltungsfreiheit
des HV gedeckt. Ausgehend von der Durchschnitts-RLV-Fallzahl der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie (230 Fälle) beginne für einen an der SPV teilnehmenden Facharzt
für Kinder- und Jugendpsychiatrie die Fallwertabstaffelung praktisch in dem Moment, in dem er die Durchschnittsfallzahl der
an der SPV teilnehmenden Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie überschreite, und sei es auch nur geringfügig. Demgegenüber
gelangten diejenigen Fachärzte der Fachgruppe, die nicht an der SPV teilnehmen, nie in die Fallwertabstaffelung. Diese von
vornherein bestehende Ungleichheit innerhalb der Facharztgruppe hätte die Beklagte bei der Bildung des Honorartopfes zwingend
berücksichtigen müssen. Ein sachlicher Grund, beide Gruppen gleich zu behandeln, bestehe nicht. Eine Rechtfertigung liege
insbesondere nicht darin, dass die Ärzte frei entscheiden könnten, ob sie an der SPV teilnehmen. Der Kläger nehme an einer
geförderten Möglichkeit der Ausübung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit teil. So setze die Beklagte mit Abschluss der SPV
die u.a. ihr und den Krankenkassen zugewiesene gesetzliche Aufgabe um, ein Angebot i.S. des §
43a SGB V (nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen unter ärztlicher Verantwortung in der ambulant psychiatrischen Versorgung)
für die versicherten Kinder/Jugendlichen bereitzustellen. Nach §
85 Abs.
2 Satz 4
SGB V hätten die Kassen und die Beklagte eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer
und psychiatrischer Tätigkeit zu vereinbaren. Angesichts dieses gesetzlichen Förderauftrags könne dem Kläger im Rahmen der
Honorarverteilung nicht entgegengehalten werden, dass er sich gegen eine Teilnahme an der SPV hätte entscheiden können, um
sich (dadurch) der Abstaffelungsproblematik zu entziehen.
Die finanziell für ihn nachteiligen Folgen würden auch nicht mit den Regelungen der SPV ausgeglichen. Insbesondere könne ein
geringeres ärztliches Honorar nicht durch die Kostenpauschalen der SPV ausgeglichen werden. Bereits die entsprechende Überschrift
in der SPV („Vergütung der Tätigkeit der nichtärztlichen Mitarbeiter“) spreche dagegen, mit den Kostenpauschalen auch Honorarminderungen
des Vertragsarztes auszugleichen. Auch gehe die SPV-Regelung erkennbar davon aus, dass die Kostenpauschale gerade nicht die
im EBM abgebildete vertragsärztliche Tätigkeit abgelten solle. Aus der verminderten Kostenpauschale ab dem 351. Behandlungsfall
(SPV 2009) ergebe sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht, dass eine von der Mengensteuerung unabhängige Förderung
von der SPV nicht gewollt sei. Denn die maßgebenden Behandlungsfälle der Kostenpauschale bezögen sich nicht auf die Gesamtzahl
der Fälle, sondern nur die gemäß der SPV behandelten Fälle.
Die aufgezeigten rechtswidrigen Folgen des HV ließen sich dann abwenden, wenn man jedenfalls für solche Teilnehmer an der SPV, die eine hohe Fallzahl aufwiesen, eine Härteklausel
annehme.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom
24. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2014 zu verpflichten, über die Anträge des Klägers
auf Ausnahme von der Fallwertabstaffelung für die Quartale I/09 bis IV/11 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
neu zu entscheiden sowie
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Erörterung sowie der Beratung und Entscheidung des
Senats war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide vom
24. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2014. Das Sozialgericht hätte die Klage auf Ausnahme
von der Fallwertabstaffelung und ein höheres RLV für die Quartale I/2009 bis IV/2011 nicht unter jedem denkbaren Gesichtspunkt abweisen dürfen.
I. Der Gegenstand des Berufungsverfahrens liegt im Begehren des Klägers auf eine (ggf. vollständige) Freistellung vom RLV bzw. eine entsprechende Erhöhung der Fallzahl im Rahmen der Festsetzung und Zuweisung des RLV für die o.g. Quartale. Letztlich geht es um die vom Kläger im Berufungsverfahren auch so umschriebene Frage, ob innerhalb
der Arztgruppe 26 nach Ärzten zu differenzieren ist, die an der SPV teilnehmen (mit der Folge höherer Fallzahlen) und solchen,
die nicht an der SPV teilnehmen (mit der Folge erheblich niedrigerer Fallzahlen); zur Überzeugung des Senats ist dies der
Fall (hierzu unten IV.).
II. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage (§
54 Abs.
1, §
131 Abs.
2 und Abs.
3 SGG) statthaft (vgl. auch BSG, Urteil vom 29. Juni 2011 - B 6 KA 17/10 R - Rdnr. 26). Sie ist auch hinsichtlich der Quartale zulässig, für welche die RLV-Zuweisung jeweils bereits bestandskräftig ist (Quartale I/2009 – IV/2009 und – I, III und IV/2010). Zutreffend ist das Sozialgericht
davon ausgegangen, dass die Bestandskraft von RLV-Zuweisungsbescheiden der Zulässigkeit der Klage nicht per se entgegensteht. Zum einen hat die Beklagte vor dem Sozialgericht
erklärt, sich nicht auf die Bestandskraft der Zuweisungsbescheide zu berufen, mithin den Ausgang des vorliegenden Verfahrens
auf diese Bescheide zu übertragen. Es liegt mit dieser Erklärung eine Selbstbindung für § 44 Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor (zur Anwendbarkeit beim vertragsärztlichen Honorar: Schütze in: Schütze, 9. Aufl. 2020, SGB X § 44 Rdnr. 22). Zum anderen ist in Anbetracht der gesetzlichen Vorgabe in §
87b Abs.
5 Sätze 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V, in der hier maßgeblichen Fassung vom 26. März 2007, im Folgenden: a.F.), wonach das RLV zur Gewährleistung von Kalkulationssicherheit rechtzeitig vor Beginn des jeweiligen Abrechnungsquartals zuzuweisen ist, gleichzeitig
aber die KV nur auf Antrag berücksichtigungsfähige Umstände als mögliche Praxisbesonderheiten berücksichtigen muss, davon
auszugehen, dass die RLV-Zuweisung unter dem nicht ausdrücklich erklärten Vorbehalt einer späteren antragsabhängigen RLV-Erhöhung steht (so bereits Urteil des Senats vom 30. April 2014, L 7 KA 154/11 , Rdnrn. 35 – 37, juris).
III. Die Klage ist – ohne im Übrigen abgewiesen werden zu müssen – nur teilweise begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch
auf völlige Freistellung von der Abstaffelung. Hinsichtlich dieses Begehrens hat das Sozialgericht die Klage völlig zu Recht
abgewiesen.
1. Die rechtlichen Grundlagen für die Berechnung der für die Honorarverteilung ausschlaggebenden RLV in den Jahren 2009 bis 2011 ergeben sich aus dem
SGB V i.V.m. mit den Vorgaben des (erweiterten) Bewertungsausschusses sowie den von den Gesamtvertragspartnern geschlossenen Honorarverträgen
(HV).
Die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen erfolgte ab dem 1. Januar 2009 im gesamten Bundesgebiet für die große Mehrzahl
der Arztgruppen auf der Grundlage von RLV gemäß §
87b Abs.
2 Satz 2
SGB V a.F. Nach §
87b Abs.
2 Satz 1 und
2 SGB V a.F. sind zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der vertragsärztlichen Tätigkeit arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen, die die im Quartal abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen erfassen, welche mit den in der regionalen
Euro-Gebührenordnung (§
87a Abs.
2 SGB V) enthaltenen Preisen vergütet werden. Die das RLV überschreitende Leistungsmenge ist abgestaffelt zu vergüten (§
87b Abs.
2 Satz 3 Halbsatz 1
SGB V a.F.). Nach §
87b Abs.
3 Satz 1
SGB V a.F. sind die Werte für die RLV nach Absatz 2 morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und nach Versorgungsgraden sowie unter Berücksichtigung
der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen festzulegen; bei der Differenzierung der Arztgruppen ist die nach §
87 Abs.
2a SGB V zugrunde zu legende Definition der Arztgruppen zu berücksichtigen. Nach §
87b Abs.
4 Satz 1
SGB V a.F. bestimmt der Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der
Regelleistungsvolumina nach den Absätzen 2 und 3 sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der
dafür erforderlichen Daten.
Nach dem Scheitern einer Einigung im Bewertungsausschuss schuf der erweiterte Bewertungsausschuss (§
87 Abs.
4 SGB V) durch Beschluss vom 27./28. August 2008 (DÄ 2008, A 1988 – für 2009 insoweit nicht geändert durch die nachfolgenden Änderungsbeschlüsse
u.a. vom 17. September 2008 und vom 23. Oktober 2008, nur redaktionell überarbeitet durch Änderungsbeschluss vom 20. April
2009) im Teil F Ziffer (Ziff.) 3.2.1 und 3.4 sog. Basisregelungen: Diese sahen vor, dass für die Bemessung des RLV u.a. die Fallzahl im Vorjahresquartal maßgebend war (Ziff. 3.2.1 Satz 2)) und dass bei Überschreitung der fachgruppendurchschnittlichen
Fallzahl um mehr als 50 % eine Abstaffelung des Fallwerts stattzufinden hat (a.a.O. Satz 3). Ziff. 3.4 („Kriterien zur Ausnahme
von der Abstaffelung“) sah vor, dass auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Leistungen
über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden
können. Über das Verfahren der Umsetzung sollten sich die Partner der Gesamtverträge einigen (Ziff. 3.4 Satz 2 BewA-Beschluss).
Ziff. 3.4 Satz 3 des BewA-Beschlusses vom 27./28. August 2008 erkannte als Grund für eine Vergütung über das RLV hinaus eine außergewöhnliche Erhöhung der Zahl der Versicherten an, wenn diese Patientenzahlerhöhung auf bestimmten dort
näher benannten besonderen Lebenssachverhalten beruhte. Daneben enthielt der Beschluss in Ziff. 3.5 Vorgaben für Anfangs-
und Übergangsregelung des RLV für die Neuzulassung von Vertragsärzten sowie von Umwandlungen der Kooperationsform. Ziff. 3.6 beauftragte die Partner der
Gesamtverträge RLV-erhöhende Regelungen für Praxisbesonderheiten vorzusehen und definiert diese.
Zur Umsetzung der in Nr. 3.4 enthaltenen Regelungen („Ausnahmen von der Abstaffelung“) vereinbarten die Gesamtvertragspartner
im Bezirk der beklagten KV in § 6 Abs. 3 der Anlage 1 Teil B zum HV 2009 („Ermittlung des Regelleistungsvolumens“):
„Auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin können Leistungen über das arzt-/praxisbezogene
Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Ein Arzt kann einen Antrag
stellen, wenn aufgrund
a) Urlaubs- und krankheitsbedingter Vertretung eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft,
b) Urlaubs- und krankheitsbedingter Vertretung eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis,
c) Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft,
d) Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis,
eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Zahl der behandelnden Versicherten vorliegt oder wenn durch
e) einen außergewöhnlichen und/oder durch Arzt unverschuldeten Grund eine niedrige arztindividuelle Fallzahl im Aufsatzquartal
abgerechnet wurde. Hierzu zählt z.B. Krankheit des Arztes.“
Die Vergütung der aufgrund der o.g. Kriterien a) bis d) das Regelleistungsvolumen überschreitenden Leistungen erfolgte je
nach Zugehörigkeit des antragstellenden Arztes aus der Rückstellung für Sicherstellungsaufgaben gemäß § 3 Abs. 1 Buchstabe
d) für Ärzte des hausärztlichen Versorgungsbereichs und § 4 Abs. 1 Buchstabe d) für Ärzte des fachärztlichen Versorgungsbereichs;
entsprechendes galt bei Stattgabe eines Antrags nach dem Kriterium e) (vgl. zum Ganzen Urteil des Senats vom 8. März 2017,
L 7 KA 110/13 , Rn. 29 - 36, juris).
Die Regelungen zur Bestimmung des RLV, innerhalb dessen keine Abstaffelung erfolgte, und zu den Ausnahmen waren auch ab dem Quartal III/2010, mit Einführung des
QZV, welches neben das RLV trat, inhaltlich unverändert geblieben, lediglich die Bezifferung veränderte sich (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 1. bis 5. HV ab dem Quartal III/2010 und HV 2011).
2. Auf der Grundlage dieser Bestimmungen besteht für den Kläger kein Anspruch, von der Fallzahlabstaffelung gänzlich „freigestellt“
zu werden (a.); auch besteht kein Anspruch auf eine Ausnahme gemäß der in Konkretisierung des Auftrags von Nr. 3.4 des BewA-Beschlusses
im HV vorgesehenen Regelungen (b.). Er hat auch keinen Anspruch auf ein höheres RLV allein und unmittelbar aus den Regelungen der SPV (c.).
a. Eine völlige Freistellung von der Abstaffelung ist bereits vom Begriff des Regelleistungsvolumens nicht erfasst. Weder
im HV der Beklagten noch in den Beschlüssen des BewA oder in §
87b Abs.
2 SGB V a.F. war vorgesehen, (einzelne) Ärzte mit ihren RLV-relevanten Leistungen von der Geltung der Abstaffelung (auf Antrag) gänzlich freizustellen. Eine vollständige „Freistellung“
von der Fallzahlabstaffelung für die streitigen Quartale im RLV-Zuweisungsbescheid käme einer Aufhebung oder einer Nichtfestsetzung des RLV für den Kläger gleich. Dabei gehört er als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Arztgruppe 26 (Fachärzte für Kinder-
und Jugendpsychiatrie) an, für die gemäß § 7 Abs. 1 HV 2009 i.V.m. Anlage 1 Teil B § 5 Abs. 5 Satz 1 HV 2009 i.V.m. §
87b Abs.
2 SGB V (in der seit dem 26. März 2007 insoweit bis zum GKV-VStG vom 22.12.2011 mit Geltung ab dem 1. Januar 2012 unveränderten Fassung) zwingend ein RLV ab dem Quartal I/2009 festzusetzen war. Die Arztgruppe gehört zu den in Anlage 1, Anhang 2 bzw. für 2011 in Anhang 2a des
HV 2011 benannten Fachärzten, die von einem RLV erfasst waren. Ab III/2010 unterlagen die Leistungen dem neben dem RLV eröffneten qualitätsgebundenen Zusatzvolumen (QZV – vgl. § 7 HV i.V.m. Anlage 1 § 6 i.V.m. § 6 Abs. 7 bis 9 HV und § 8 Honorarvertrag für den Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 31. Dezember 2010).
Auch Ziff. 3.2.1 des Beschlusses des BewA, beginnend mit der Fassung der 7. Sitzung vom 27./28. August 2008, enthält keine
Grundlage zur Freistellung vom RLV. Gemäß Ziff. 3.2.1 erhält jeder der Ärzte der in Anlage 1 genannten Arztgruppe ein RLV. Bereits der Wortlaut spricht dagegen, einige Ärzte – und sei es praktisch - von dessen Geltung auszunehmen. Ziff. 3.4 Beschluss
des BewA sieht demgegenüber zwar Ausnahmen von der Abstaffelung (im Einzelfall) vor, allerdings können in der Rechtsfolge
nur „Leistungen“ über das RLV hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden“ (dazu sogleich unter b.; zur Frage der Geltung
nur auf der Ebene der Honorarvergütung siehe Urteil des Senats vom 8. März 2007, L 7 KA 110/13 , Rdnr. 41 f.). Zudem impliziert der verwendete Begriff der „Leistungen“, dass eine begrenzte Anzahl und nicht schlechthin
alle RLV-relevanten Leistungen von der Abstaffelung ausgenommen werden. Davon geht auch §
87b Abs.
2 SGB V aus. Dieser definiert in Satz 2 das Regelleistungsvolumen (RLV) explizit als die „in einen bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen“, für die der Vertragsarzt
die „vollen“ Preise nach der regionalen Euro-Gebührenordnung erhält (Freudenberg in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-
SGB V, §
87b SGB V [Stand: 26.02.2008], Rn. 22). Für den Begriff der „Menge“ der Leistungen ist das Bestehen einer Grenze konstitutiv. M.a.W.:
Was keine äußere Grenze hat, kann auch keine Leistungsmenge sein. Schließlich soll nach der Intention des §
87b Abs.
2 SGB V a.F. die Vergütung nach RLV zweierlei gewährleisten. Das RLV selbst schafft Kalkulationssicherheit für die Ärzte. Die Abstaffelung soll den leistungssteuernden Effekt sicherstellen,
d.h. Vertragsärzte davon abhalten, Leistungen zu erbringen, die medizinisch nicht erforderlich sind. Deshalb wird der BewA
in §
87b Abs.
4 Satz 2
SGB V a.F. beauftragt, Vorgaben speziell zur Abstaffelungsregelung für den HV festzulegen. Diese können vom BewA zwar flexibel ausgestaltet werden, müssen aber stets gewährleisten, dass ein Großteil
der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung zur Abdeckung der Regelleistungsvolumina zur Verfügung steht (vgl. zur ursprünglich
als § 85b
SGB V konzipierten Regelung die Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/3100, S. 123/124 zu § 85b Abs. 1 und Abs. 2; Freudenberg in: Schlegel/Engelmann, jurisPK-
SGB V, §
87b SGB V [Stand: 26.02.2008] Rn. 27). Speziell diese zuletzt genannten Ziele drohten unterlaufen zu werden, wenn bereits mit der Festsetzung
eines RLV abstrakt eine gänzliche Freistellung der RLV-relevanten ärztlichen Leistungen von jeglicher Abstaffelung im Einzelfall erfolgte. Dies ließe die Steuerungswirkung des
RLV vollständig ins Leere laufen.
b. Auch die positiv-rechtlich vom BewA und Honorarvertrag normierten Voraussetzungen für eine (begrenzte) Ausnahme von der
Abstaffelung bzw. eine Erhöhung des RLV gemäß Teil B § 6 Abs. 3 der Anlage 1 bzw. Teil B § 7 Abs. 3 Anlage 1 HV 2011 sind im Fall des Klägers nicht gegeben.
§ 6 Abs. 3 der Anlage 1 zum HV 2009 bzw. § 7 Abs. 3 HV ab dem III. Quartal übernahmen mit den dort abschließend genannten Fallgruppen auf regionaler Ebene die in Ziff. 3.4 des
Beschlusses des BewA von 2009 bis 2011 unverändert vorgesehenen Kriterien für die Ausnahme von der Abstaffelung (im Einzelfall).
Der Kläger nimmt aber für sich schon gar nicht in Anspruch, die o.g. ausdrücklich normierten Voraussetzungen des HV zu erfüllen. Diese liegen auch aus Sicht des Senats schon nach dem Wortlaut in seinem Fall ersichtlich nicht vor.
Soweit der Kläger darauf verweist, seine Teilnahme an der SPV rechtfertige ein höheres RLV, so ergibt sich aus den übrigen Bestimmungen des BewA oder des höherrangigen einfachen Rechts kein Hinweis darauf, dass speziell
dieser Umstand in im HVV im Rahmen der Zuweisung des RLV eine besondere Beachtung gefunden hat. Nach Teil F. Ziff. 3.5 des BewA-Beschlusses (vom 27./28. August 2008) können individuelle
strukturelle Veränderungen der jeweiligen Arztpraxis Sondersituationen begründen, die Einfluss auf das RLV haben, wie eine Neugründung der Praxis oder Änderung der bisherigen Kooperationsform. Aus Teil F. Ziff. 3.6 BewA-Beschluss
(in der Fassung vom 27./28. August 2008, für die Folgezeit Ziff. 3.6 unverändert: Beschluss des Bewertungsausschusses vom
20. April.2009, in Teil A Nr. 5; Beschluss des Bewertungsausschusses v. 22. September 2009, in Teil F; Beschluss vom 26. März
2010, Teil F unter Ziff. 3.7.) lässt sich ersehen, dass Praxisbesonderheiten das RLV erhöhen konnten. Es kann dahinstehen, ob das beim Kläger der Fall war. Denn er hat zu den Praxisbesonderheiten eigene Anträge
bei der Beklagten gestellt, über die mit Bescheiden vom 24. September 2012 und Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2014 entschieden
wurde.
Nur hilfsweise wird weist der Senat insoweit darauf hin, dass allein ein Verweis auf die Teilnahme an der SPV die Voraussetzung
einer Praxisbesonderheit nicht erfüllen dürfte. Als Praxisbesonderheit anerkannt werden kann z.B. ein besonders hoher Behandlungsaufwand
im Rahmen der Spezialisierung einer Praxis, der aufgrund der getroffenen Diagnosen festgestellt werden kann, oder ein von
der Regelpraxis abweichendes Patientengut, das das Behandlungsverhalten des einzelnen Arztes dauerhaft und nachhaltig prägt
(Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 2. Aufl. 2012, §
87b SGB V [Stand: 01.04.2012], Rn. 69). Gegen eine Praxisbesonderheit allein aufgrund der Teilnahme an der SPV in den streitigen Quartalen
spricht im Fall des Klägers deutlich die Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Fachärzte seiner Arztgruppe in den streitigen
Quartalen an der SPV teilnahmen (zwischen 56,82 % und 70,97 %). Ein „atypischer“ Leistungsbedarf gerade seiner Praxis, der
durch die Behandlungen auf der Grundlage der SPV ausgelöst wurde und mithin nicht vom RLV gedeckt wurde, ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen (zur strukturellen Besonderheit der Praxistätigkeit vgl. dagegen
unter IV).
c. Die (Vergütungs-)Regelungen der SPV (Anlage 11 zum BMV) selbst beeinflussen schließlich die Zuweisung des RLV an den Kläger nicht. Denn die SPV nimmt auf die Bemessung des RLV keinen Bezug. So enthält die SPV keine Regelungen, die das RLV zugunsten des teilnehmenden Arztes ausdrücklich vergrößern oder sonst beeinflussen. Sie regelt eigenständig nur die Vergütung
der nichtärztlichen Leistungen, wenn auch als Zuschlag auf das ärztliche Honorar (dazu sogleich). Die eigenen Leistungen des
Arztes, die dieser (als Teil des interdisziplinären Teams) selbst erbringt, werden dagegen nach den (allgemeinen) Leistungsansätzen
des EBM vergütet (so ausdrücklich § 6 Abs. 1 Satz 1 SPV in der Fassung ab dem 1. Juli 2009; so auch für den Zeitraum davor
[1. Januar 2009 bis 30. Juni 2009]: Sozialpsychiatrie-Vereinbarung zwischen der KV Berlin und der AOK Berlin und den weiteren
Verbänden der Krankenkassen vom 19. Dezember 2008). Die Vergütung nach EBM erfolgt auch für die Leistungen der nichtärztlichen
Mitarbeiter, wenn diese diese auf Anordnung und unter Verantwortung des Arzt erbracht wurden, d.h. der Vertragsarzt sie fachlich
überwacht und wenn die ausführenden Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen die notwendige fachliche Qualifikation aufweisen. Dies bestimmt
§ 6 Abs. 1 Satz 2 SPV.
Der teilnehmende Arzt erhält zusätzlich zu den EBM-Vergütungen pro Behandlungsfall eine Kostenpauschale nach der SPV und zwar
unabhängig davon, in welchem Umfang er Beschäftigte in die Leistung im Einzelfall eingebunden hatte. Den Anspruch auf diese
Kostenpauschale begrenzt die SPV auf bis zu 400 Behandlungsfälle pro Quartal, die Kostenpauschale verringerte sich ab dem
1. Juli 2009 bei Überschreitung von 350 Behandlungsfällen von 163,00 Euro auf 122,25 Euro (vgl. bis 30. Juni 2009 in § 6 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 SPV 2008 [Fixbetrag von 163,60 Euro], ab dem 1. Juli 2009 nach Anlage 2 SPV 2009). Gleichzeitig konnte
ab dem 1. Juli 2009 die Obergrenze für die Kostenpauschale zur Sicherstellung der psychiatrischen Versorgung (im Einzelfall)
noch erhöht werden (vgl. Anlage 2 der SPV 2009).
Allein aus der Ausgestaltung der Kostenpauschale ergeben sich keine Rückwirkungen auf die Größe eines RLV für den teilnehmenden Arzt. Zwar erinnert ihre Ausgestaltung, konkret ihre Mechanik und vor allem ihre zahlenmäßige Begrenzung
(Obergrenze) bzw. ab dem 1. Juli 2009 auch die Abstaffelung ab dem 351. Behandlungsfall, an diejenige des RLV. Die Kostenpauschale steht gleichwohl nicht in der Weise in einer inhaltlichen Beziehung zum RLV, dass dieses z.B. ebenfalls im Umfang der Behandlungsfälle zugewiesen werden musste, in der es einen Anspruch auf die Kostenpauschalen
nach der SPV gab (i.S. eines „Gleichlaufs“). Denn die Kostenpauschale wird für den besonderen Aufwand entrichtet, der für
die interdisziplinär ausgestaltete multiprofessionelle Betreuung der jugendlichen Patientenschaft für den teilnehmenden Arzt
entsteht. Mit der Pauschale wird ein zusätzlicher Aufwand abgedeckt, sie lässt aber keine Rückschlüsse auf die dem Arzt zustehende
Größe des RLV zu. Vor allem lässt sich mit Blick auf ihren Zweck aus den Pauschalen nicht ableiten, dass der teilnehmende Facharzt mindestens
in Höhe der Behandlungsfallzahlen, für die Kostenpauschalen entstehen, auch ein RLV erhalten müsste. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger auch die SPV-Obergrenze mit seinen Fallzahlen in jedem
streitigen Quartal weit überschritten hat.
Mit den Kostenpauschalen sollte der an der SPV teilnehmende Vertragsarzt vor allem die Beschäftigung der nichtärztlichen Leistungserbringer,
die im Praxisteam nach § 3 Abs. 2 SPV zwingend in die Versorgung einzubeziehen sind, finanzieren. Dies kommt in § 6 Abs. 2
SPV deutlich zum Ausdruck. Konkret sollte der erhöhte Aufwand für den Arzt ausgeglichen werden, der aus der multiprofessionellen
Betreuung der Patienten (im Team) entsteht (so § 6 Abs. 2 Satz 1 SPV). § 3 Abs. 2 Satz 2 und 3 SPV sehen den Aufwand vor allem
in den Kosten der Beschäftigung der nichtärztlichen Mitarbeiter begründet. Die Ausgestaltung des Ausgleichs als pauschaler
Zuschlag zur ärztlichen Vergütung beruhte auf §
85 Abs.
2 Satz 4
SGB V (a.F.). Darin werden – seit der Änderung durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom
17. Juli 2009 (BGBl I S. 1990) in Gestalt einer Mussvorschrift (davor Sollensgebot) – die Gesamtvertragspartner verpflichtet, im Rahmen der Gesamtvergütung
auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit
zu vereinbaren. Der Gesetzgeber wollte damit sicherstellen, dass die im Rahmen der sozialpsychiatrischen Versorgung zwingend
im Praxisteam zu erbringende Leistung auch hinsichtlich der notwendigen nichtärztlichen Leistungen dem Arzt (!) angemessen
vergütet wird. Hintergrund war, dass die an der SPV teilnehmenden Ärzte auch im Fall des Auslaufens bestehender Vereinbarungen
Planungssicherheit erhalten sollten (BT-Drs. 16/12256, S. 65 – Zu Nummer 5; Freudenberg in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 4. Aufl., §
85 SGB V [Stand: 15.06.2020], Rdnr. 7). Der besondere Aufwand des Vertragsarztes ist insoweit nachvollziehbar. Denn das Praxisteam
musste gemäß der SPV aus mindestens einem Heilpädagogen und einem Sozialarbeiter oder Mitarbeitern mit vergleichbarer Qualifikation
bestehen, für die zudem eigene Arbeitsräume in der Praxis vorzuhalten waren (§ 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz Satz 4 bzw. Satz 5
nach der SPV 2009). Dagegen mussten mit Psychologischen Psychotherapeuten, Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten nur für
den Bedarfsfall Kooperationsvereinbarungen bestehen. Diese Leistungserbringer sind nicht Beschäftigte des Arztes (vgl. § 3
Abs. 2 im Unterschied zu Abs.
3 SPV). Sie sind vielmehr gemäß §
69 Abs.
1 SGB V zur eigenständigen Abrechnung ihrer Leistungen gegenüber den Krankenkassen berechtigt. Damit waren Gegenstand der Kostenpauschale
vor allem die Leistungen der beschäftigten nichtärztlichen Leistungserbringer (Heilpädagogen und Sozialarbeiter). Diese sind
in der besonderen Versorgung nach SPV i.V:m. §
43a SGB V als „Hilfspersonen“ des Arztes leistungsberechtigt. Nur der Arzt war „nach außen“ abrechnungsberechtigt. Dies spiegelt sich
in der Ausgestaltung der Kostenpauschale als „Zuschlag“ zum EBM-Honorar wider (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 SPV: „zusätzlich zu
den nach dem EBM abrechnungsfähigen Leistungen“). Denkbar gewesen wäre auch die Ausgestaltung als separater Aufwendungsersatz.
Dass die Personalkosten den Löwenanteil der Kosten verursachten, bringt § 6 Abs. 2 Satz 2 (ab 1. Juli 2009: Satz 3) SPV mit
dem Begriff „insbesondere“ klar zum Ausdruck. Weitere Kosten waren diejenigen für die zusätzlich vorzuhaltenden Arbeitsräume
(vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 bzw. Satz 4 nach der SPV 2009).
§
85 Abs.
2 Satz 4
SGB V verpflichtet die Gesamtvertragspartner vor diesem Hintergrund, besonders für die Angemessenheit der Vergütung der nichtärztlichen
Leistungserbringer zu sorgen (Hess in: Kasseler Kommentar, §
85 SGB V Rdnr. 34). Den Auftrag erfüllte §
6 Abs.
4 SPV bzw. ab dem 1. Juli 2009 die Anlage 2 zur SPV 2009 mit den dort enthaltenen festen Pauschalen und gleichzeitiger Begrenzung
der Behandlungsfälle, für die Kostenpauschalen anfallen i.S. einer Obergrenze. Die erst zum 1. Juli 2009 aufgenommene zusätzliche
Abstaffelung ab dem 351. Behandlungsfall lässt sich mit der Entstehungsgeschichte der SPV 2009 erklären. Die ihr vorausgegangenen
Einzelverträge waren 2008 u.a. wegen der ungeklärten Frage der Finanzierung zum großen Teil von den Krankenkassen gekündigt
worden. Es lag im Interesse der Krankenkassen, einer neuen Bundes-Vereinbarung nur zuzustimmen, wenn die damit einhergehenden
Kosten eine wirksame Begrenzung erfuhren (vgl. dazu „Sozialpsychiatrie-Vereinbarung – Wie geht es 2009 weiter? www.dvgt.de
und „Kostenpauschalen zusätzlich zur EBM-Vergütung“, DÄBl. 9/2009). Die Obergrenze diente außerdem der Qualitätssicherung.
Die Leistungserbringung und damit auch die Kostenpauschale hingen nach § 6 Abs. 1 Satz 2 SPV davon ab, dass der Arzt die multiprofessionellen
nichtärztlichen Leistungen anordnete und verantwortete. Diese Voraussetzung der SPV übernimmt die allgemeine Leistungserbringungsvorschrift
des §
15 Abs.
1 Satz 2
SGB V. Im Zusammenspiel mit der Obergrenze für die Kostenpauschalen wurde so verhindert, dass der an der SPV teilnehmende Arzt
durch eine (über-)große Zahl an nichtärztlichen Beschäftigten seine Behandlungsfallzahlen beliebig ausdehnte und so wegen
der schieren Zahl der Behandlungsfälle die qualitativ hochwertige Versorgung und Betreuung der Versicherten praktisch nicht
mehr selbst verantworten und angemessen beaufsichtigen konnte.
Im Vergleich zu dieser speziellen Struktur und Zielsetzung zielt das RLV auf die Vergütung und Begrenzung der ärztlichen Leistungen selbst. Mit Blick darauf ist es auf die jeweilige Arztgruppe im
Verhältnis zu anderen Arztgruppen bezogen und wird von der Durchschnittsfallzahl der Ärzte in der jeweiligen Arztgruppe bestimmt.
Es dient nicht der (angemessenen) Vergütung der nichtärztlichen Leistungserbringer, die in die Versichertenleistung notwendig
strukturell eingebunden sind. Wegen dieser strukturellen Unterschiede und Zielsetzungen besteht auch kein Wertungswiderspruch
zwischen den u.U. niedrigeren mengenbegrenzenden Fallzahlen des RLV und höheren Behandlungsfallzahlen im SPV.
IV. Der Kläger hat gleichwohl einen Anspruch auf Neubescheidung der RLV-Zuweisung. Die Beklagte hätte im Honorarvertrag, betreffend das RLV, innerhalb der Arztgruppe 26 für die Gruppe der an der SPV teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte, zu denen der Kläger gehört,
eine eigene Arzt-Untergruppe bilden müssen. Dies gebietet der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit und führt zu einem
deutlich späteren Einsetzen der Abstaffelung.
Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ist dann verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen
wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw. Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen,
die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Dabei ist von den Gerichten der Gestaltungsspielraum des jeweiligen Normgebers
zu beachten; dieser kann von dem Grundsatz einer leistungsproportionalen Verteilung des Honorars aus sachlichem Grund abweichen
(vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - B 6 KA 21/18 R, Rdnr. 31; Urteil des Senats vom 23. September 2020 – L 7 KA 46/16 , Rdnr. 53 , juris). Das Maß der Bindung an den Gleichheitssatz hängt allgemein u.a. davon ab, inwieweit die Betroffenen
in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (Hömig/Wolff,
Grundgesetz, 13. Aufl. 2022, Art.
3 Rdnr. 6).
Die honorarvertraglichen Regelungen bewirken für die Ärzte der Arztgruppe 26, die wie der Kläger an der SPV teilnehmen, deshalb
eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung, weil sie nach dem HV der Beklagten pauschal mit den Ärzten, die nicht an der SPV teilnehmen, für das RLV eine (einheitliche) Arzt- und damit Vergütungsgruppe bilden; zur Überzeugung des Senats ist im Sinne der Honorarverteilungsgerechtigkeit
angesichts der konkreten und kontinuierlich gravierend voneinander abweichenden durchschnittlichen Behandlungsfallzahlen der
beiden Gruppen zwingend eine Differenzierung vorzunehmen.
Gemäß Anlage 1 Anhang 2 des HV für das Jahr 2009 bzw. gleichlautend Anlage 1 Anhang 2 des HV bis II/2010 und Anlage 1 Anhang 2a des HV ab III/2010 und ebenfalls für 2011 war für die Gruppe der Fachärzte der Kinder- und Jugendpsychiatrie unter der Nr. 26 eine
einheitliche RLV-Arztgruppe zu bilden. Das galt unabhängig davon, ob die Fachärzte an der SPV teilnahmen oder nicht.
Tatsächlich unterscheiden sich Ärzte innerhalb der Arztgruppe 26, die wie der Kläger an der SPV teilnehmen, von den übrigen
Ärzten und grenzen sich sowohl durch das Strukturangebot als auch ein alternatives, ganz klar anders umrissenes Berufs- und
Praxisbild ab. Die an der SPV teilnehmenden Ärzte erbringen Leistungen speziell im Versorgungsauftrag des §
43a SGB V. Die speziell dadurch vorgegebene Patientenschaft besteht aus Kindern und Jugendlichen, die in einem gemäß der SPV vorgegebenen
interdisziplinär aufgestellten Praxisteam behandelt werden. Der Kläger hat die Praxisstruktur und seinen Arbeitsalltag „als
SPV-Praxis“ für den Senat anschaulich beschrieben. Der Kläger behandelt im Rahmen der SPV Kinder allen Alters mit unterschiedlichen
Problematiken. Die Störungsbilder reichen von Erkrankungen des depressiven Formenkreises bis zu vielfältigen Störungen im
Sozialverhalten. Einen großen Raum nimmt mithin bei Kindern und Jugendlichen typischerweise die Behandlung von Schulproblemen
ein. Gerade in der Behandlung vielgestaltiger Schulprobleme besteht ein Schwerpunkt einer Praxis, die im Bereich der SPV arbeitet,
so auch der Praxis des Klägers. Dies spiegelt sich in seinem Arbeitsalltag wider. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass
er vor allem bei Beginn der Behandlung intensiver eingebunden ist als im weiteren Fortgang. So führt er am Anfang zwei bis
drei Gespräche mit den Patienten und unternimmt dann psychiatrische Tests. Ausgehend davon leitet er die Weiterbehandlung
in die (teilweise nichtärztliche) Begleitbehandlung durch das Praxisteam über. In dieser Phase sieht er die jungen Patienten
als Facharzt nur alle vier bis sechs Wochen. Einen wesentlichen Arbeitsanteil machen zwischendurch die Teamkonferenzen aus,
an denen er teilnimmt. Diese spezielle Ausrichtung bestimmt auch sein vertragsärztliches Leistungs- und Abrechnungsspektrum.
Es umfasst nur zu einem verschwindend geringen Teil antrags- und genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen des
Abschnitts 35.2 EBM, im Unterschied dazu aber vielfältige andere Leistungen. So unterscheiden sich seine GOP-Statistiken erheblich von denjenigen der übrigen Fachkolleginnen und –kollegen der Arztgruppe 26, die nicht an der SPV teilnehmen.
Das hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Abrede gestellt, vielmehr ausdrücklich bestätigt.
Im Vergleich dazu unterscheiden sich sowohl das Abrechnungsverhalten als auch der Arbeitsalltag und die Praxisstruktur der
„klassischen“ KJP-Praxis. Diese Praxis erbringt typischerweise zu einem großen, wenn nicht sogar überwiegenden Teil zeitgebundene
antrags- und genehmigungspflichtige psychotherapeutische Leistungen (Kapitel 35.2 EBM). Teamkonferenzen dürften mangels eines
(interdisziplinär arbeitenden) Praxisteams typischerweise so gut wie nicht im Arbeitsalltag vorkommen, der Facharzt/ die –ärztin
behandeln die Patienten überwiegend während der gesamten Behandlung selbst. Bereits daraus ergibt sich eine nur begrenzte
Anzahl von Behandlungen und Leistungen, die pro Quartal erbracht werden können.
Die aufgezeigte unterschiedliche Praxis- und Versorgungsstruktur bildet sich in einer fundamental abweichenden Fallzahl zwischen
der KJP-Praxis klassischer Prägung und einer SPV-Praxis ab. Dies zeigt sich bildhaft an der von der Beklagten am 7. Februar
2022 auf Veranlassung des Senats eingereichten tabellarischen Übersicht der Arzt- und Behandlungsfallzahlen für die Quartale
I/2009 bis IV/2011, unterschieden nach KJP-Ärzten und -Ärztinnen, die an der SPV teilnahmen und solchen, die das nicht taten
(Bl. 154/155 Gerichtsakte). Aus dieser Tabelle lässt sich sehr eindrücklich ablesen und errechnen, dass der Durchschnitt der
Behandlungsfälle in der Gruppe der an der SPV teilnehmenden Ärzte und Ärztinnen der Fachgruppe KJP bei 324,3 lag, während
derjenige der Gruppe der nicht an der SPV teilnehmenden Fachärztinnen und Fachärzte bei 85,2 Behandlungsfällen lag. Die Gruppe
der an der SPV teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte der Gruppe AG 26 befasste sich also durchweg mit dem 3,5- bis 4,4-fachen
an Behandlungsfällen im Vergleich zu den „klassisch“ ausgerichteten KJP-Praxen. Die durchschnittliche Fallzahl, gebildet aus
beiden Arztgruppen zusammen (mit und ohne SPV-Teilnahme), lag in der streitigen Zeit hingegen zwischen 203 Fällen (im Quartal
IV/2009) und 243,23 Fällen pro Arzt (im Quartal II/2011); es liegt auf der Hand, dass dieser Wert, der sich aus zwei unterschiedlichen
Behandlungs- und Praxisrealitäten errechnet, keiner der beiden Untergruppen auch nur annähernd gerecht wird.
Für die Bildung des RLV folgt daraus: Im Hinblick auf die u.a. von § 6 HV der Anlage 1 HV für 2009 und für die Zeit danach inhaltsgleichen Abstaffelungsregelungen wurde der für einen Arzt/eine Ärztin zutreffende
arztgruppenspezifische Fallwert für jeden über 150 % der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe (26) hinausgehenden Fall
gemindert. Im Hinblick auf die wegen der großen Spreizung der Behandlungsfallzahlen bedeutsamen „Verdünnung“ durch die klassisch
ausgerichteten KJP-Praxen wurde eine an der SPV teilnehmende Praxis bereits ab Überschreitung einer Fallzahl von rund 304,5
Fällen (150 % ausgehend von Ø 203Fällen) bzw. rund 365 Fällen (ausgehend von Ø 243,23 Fällen) in den Fallwerten abgestaffelt.
Eine klassisch ausgerichtete KJP-Praxis blieb dagegen mit ihren durchschnittlichen Fallzahlen von unter 100 Fällen regelhaft
von der Durchschnittsfallzahl aller KJP-Ärztinnen und –ärzte weit entfernt und so auch von der Abstaffelung gänzlich verschont.
Diese unterschiedliche Wirkung der RLV-Regelungen wurde weder dadurch zugunsten der an der SPV teilnehmenden Praxen im Längsschnitt abgemildert, dass sich die Höhe
des RLV für den einzelnen Arzt/die einzelne Ärztin anhand seiner Fallzahlen im Vorjahresquartal bestimmte (vgl. nur § 6 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 1 zum HV 2009) und so quasi „hochschrauben“ konnte, noch dadurch, dass im streitigen Zeitraum die Anzahl der an der SPV teilnehmenden
Fachärzte-/ärztinnen konstant anstieg. Im Hinblick auf die starke Differenz der Fallzahlen („Spreizung“) erwies sich eine
jeweils die Durchschnittsfallzahlen stetig anhebende Wirkung als nur gering.
Diese unterschiedslose Gleichbehandlung durch die Bildung einer einheitlichen Arztgruppe für das RLV führte praktisch dazu, dass Ärztinnen und Ärzte wie der Kläger regelhaft auch dann in die Abstaffelung gerieten, wenn sie
nur wenig über der Durchschnittsanzahl der an der SPV teilnehmenden Praxen lagen und nicht erst bei einem Überschreiten von
150 % des Durchschnittswerts dieser Arztuntergruppe. Gleichzeitig ist eine hohe Fallzahl bereits durch das Strukturangebot,
wie es §
43a SGB V und die SPV verlangen, bedingt und gerade nicht Ausdruck einer unerwünschten Mengenausweitung und übermäßigen Praxistätigkeit,
auf die die Regelungen des RLV zugeschnitten sind. Ein sachlicher Grund für diese eklatant unterschiedliche Wirkung des RLV innerhalb der Arztgruppe 26, die durch den HV ein einheitliches Vergütungsvolumen erhält, ist also nicht gegeben. Die an der SPV teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte können
auch nicht darauf verwiesen werden, es handele sich dabei nur um eine „frei gewählte Gestaltung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit“
(so u.a. die Beklagte und das Sozialgericht). Der darin liegende Verweis auf eine „unternehmerische Freiheit“ wird der Komplexität
und dem spezifischen, auch gesetzgeberisch gewollten Berufsbild des Klägers nicht gerecht; er negiert den gesetzgeberischen
Auftrag des §
43a SGB V, ein ausreichendes qualifiziertes Versorgungsangebot für die dort genannte Versichertengruppe zu schaffen, wie er auch in
der SPV selbst zum Ausdruck kommt (vgl. deren Grundsatz in § 1 SPV).
Nach alledem waren die Partner der Gesamtverträge zur Vermeidung einer sachwidrigen Gleichbehandlung verpflichtet, im HV für die beiden genannten Untergruppen der Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie eine jeweils eigene Untergruppe und
für diese im Ergebnis ein eigenes Vergütungsvolumen und eigene RLV zu bilden. Dazu ist die Beklagte nicht nur ermächtigt, sondern aus Gründen der Honorarverteilungsgerechtigkeit sogar verpflichtet.
Weder §
85 Abs.
4 SGB V noch die Vorgaben des Bewertungsausschusses stehen dem entgegen; das Gegenteil ist der Fall.
Die KV ist im Rahmen der Honorarverteilung nach §
85 Abs.
4 SGB V (in der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung vom 26. März 2007) berechtigt, die Gesamtvergütung nach festen, arztgruppenspezifischen
Kontingenten zu verteilen (Satz 1). Der Verteilungsmaßstab hat einerseits Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung
der Tätigkeit des Vertragsarztes entsprechend seinem Versorgungsauftrag nach § 95 Abs. 3 Satz 1 vorzusehen (Satz 6). Insbesondere
sind dazu arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen
Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina, Satz 7). Mit Blick auf die Verantwortung für das RLV dürfen einzelne Arztgruppen durch die Vertragspartner nicht aus der Mengenbegrenzung ganz oder teilweise – ggf. zu Lasten
anderer Gruppen – entlassen werden (dazu bereits oben 2. a. und b.). Satz 7 ermächtigt aber sowohl den BewA als auch die Partner
der Gesamtverträge, weitere Steuerungsinstrumente einzuführen („insbesondere“, dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 16/13 R, Rdnr. 20 ff.; Urteil vom 5. Juni 2013 - B 6 KA 32/12 R, Rdnr. 18 ff.). Zu solchen ergänzenden Steuerungsinstrumenten kann die Bildung von Arztuntergruppen gehören. Diese kann sich
bereits aus den vorrangigen Vorgaben des BewA ergeben oder einem entsprechenden Spielraum, wenn dieser den Partnern der Gesamtverträge
insoweit explizit vom BewA eröffnet wird (BSG Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 16/13 R, Rdnr. 18 ff.). Von letzterem ist im vorliegenden Fall auszugehen. Denn gemäß dem Beschluss des BewA vom 27./28. August 2008
haben die Partner der Gesamtverträge die RLV für die in Anlage 1 bestimmten Arztgruppen zu ermitteln und festzusetzen (Ziff. 2.1). Für die benannten Arztgruppen hat der
HV damit zwar ausnahmslos ein RLV zu bilden (RLV-relevante Arztgruppen). Nach Anlage 1 Teil F Ziff. 2. des o.g. Beschlusses können die Partner der Gesamtverträge aber „Modifikationen
von relevanten Arztgruppen vereinbaren“, dazu rechnet der BewA-Beschluss in einem Klammerzusatz explizit „Differenzierungen
oder Zusammenfassungen von Arztgruppen“. Mithin nahm der BewA-Beschluss die Ermächtigung des §
85 Abs.
4 Satz 7
SGB V (a.F.) auf, den HV-Partnern weitere Instrumente der Mengensteuerung zu eröffnen. Konkret enthält er eine explizite Ermächtigung (wenn auch keine
Verpflichtung), für das RLV Untergruppen von Arztgruppen zu bilden. Die Differenzierung kann auch eine solche nach der fachlichen Subspezifizierung sein,
so z.B., um damit den unterschiedlichen Praxisstrukturen von einzelnen (Unter-)Gruppen Rechnung zu tragen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 16/13 R, Rdnr. 20; zum Erfordernis der expliziten Ermächtigung durch den BewA: BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 - B 6 KA 32/12 R, Rdnr. 15 ff., 21).
Die Partner des Honorarvertrags haben ihrerseits im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit bei der Honorarverteilung das Mögliche
und Notwendige zu tun, um auf regionaler Ebene eintretende unerwünschte Verwerfungen zwischen einzelnen Arztgruppen und auch
innerhalb einer Arztgruppe zu verhindern (Urteil des Senats vom 5. Mai 2020 – L 7 KA 5/06 , Rdnr. 80). Zu den innerhalb einer Arztgruppe auftretenden Verwerfungen gehört nach den oben dargestellten besonderen Strukturprinzipien
der SPV-Versorgung eine ungerechtfertigt unterschiedliche RLV-Höhe, wenn die Arztgruppe 26 (KJP) von den Partnern der Honorarvereinbarung ohne Rücksicht auf die von §
43a SGB V und der SPV veranlasste gravierend unterschiedliche Praxis- und Leistungsstruktur einheitlich bestimmt wird. Abhilfe kann
und muss hier gerade die Bildung einer eigenen (Arzt-)Untergruppe der an der SPV teilnehmenden KJP-Ärztinnen und Ärzte schaffen
(vgl. BSG, aaO, Rdrn. 30 f.), was im Ergebnis zu einem deutlich späteren Einsetzen der Abstaffelung führen wird. Das Gestaltungsermessen
der Partner der Honorarverträge ist insoweit verfassungsrechtlich verengt.
Die Bildung einer Untergruppe in der Gruppe der KJP-Ärzte und Ärztinnen im HV stellt noch eine „ergänzende Steuerungsmaßnahme“ i.S. des §
85 Abs.
4 Satz 7
SGB V dar. Ergänzende Steuerungsmaßnahmen sind nur zulässig, soweit sie sich im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben
halten und damit das Instrument des RLV als gesetzgeberisches Leitbild nicht in Frage stellen (BSG, aaO, Rdnr. 38).
Eine eigene Arzt-Untergruppe im Rahmen der AG 26 (KJP) bewirkte weder eine gänzliche Freistellung von den RLV-Regelungen noch eine zu weitgehende Abkehr vom Leitbild der RLV (und dem Normbefehl des §
85 Abs.
4 Satz 6 – 8
SGB V a.F., vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 16/13 R, Rdrn. 20 ff., insbesondere 25 ff.). Sie findet ihre Rechtfertigung darin, dass die arztgruppenspezifischen Grenzwerte des
HV (z.B. § 6 Anlage 1 zum HV 2009) der speziellen, von §
43a SGB V veranlassten Praxisstruktur der SPV-Praxis nicht gerecht werden. Im Hinblick auf strukturelle Besonderheiten ist der Normgeber
des HV verpflichtet, bereits für die regelhafte Zuweisung seinen Gestaltungsspielraum für die Definition der Arztgruppen und Untergruppen
zu nutzen und die Ärzte/Ärztinnen nicht auf Härtefallregelungen für die Honorierung im Einzelfall zu verweisen. Möglicherweise
stand dem BewA ein solches unterschiedliches Behandlungsspektrum vor Augen, als er die Modifikationen der Arztgruppen in seinen
Beschluss aufnahm (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2014 – B 6 KA 16/13 R Rdrn. 27 ff., 31).
Für den Kläger folgt hieraus im Ergebnis der von der Beklagten vorzunehmenden Neubescheidung ein deutlich späteres Einsetzen
der Abstaffelung. Die durchschnittliche Fallzahl der Untergruppe der an der SPV teilnehmenden KJP-Ärztinnen und Ärzte liegt
über alle 12 streitigen Quartale bei rund 324. Nimmt man dies als Grundlage für ein Rechenbeispiel und ferner § 6 Anlage 1 zum HV (2009) zum Ausgangspunkt, wären 150 Prozent von 324 Fällen, mithin 486 Fälle unabgestaffelt zu vergüten. Erst jenseits dieser
Grenze setzt dann eine Abstaffelung der Fallwerte, beginnend ab 25 % bis zu 75 %, ein. Gemäß dieser Maßgabe hat die Beklagte
das RLV des Klägers neu zu bestimmen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war notwendig (§
197a SGG i.V.m. §
162 Abs.
2 Satz 2
VwGO). Ein Vertragsarzt darf immer dann anwaltliche Hilfe als notwendig erachten, wenn rein medizinische Erläuterungen zum Behandlungsumfang
aus seiner Sicht nicht ausreichen, um das Widerspruchsverfahren mit Aussicht auf Erfolg durchzuführen, und dem Verfahren zumindest
eine nicht unerhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Dies gilt, wenn rechtliche Fragen aufgeworfen werden, zu deren
Klärung anwaltliche Hilfe nicht zuletzt auch zur Wahrung der "Waffengleichheit" gegenüber der KV, für die im Widerspruchsverfahren
häufig Juristinnen/Juristen tätig werden, angezeigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 6 KA 19/11 R, Rdnr. 14)
Der Senat hat die Revision trotz des ausgelaufenen Rechts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Fragen, betreffend die Bildung
einer einheitlichen Arztgruppe im Rahmen des RLV, zugelassen (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).