Erhebung von Gerichtskosten und Festsetzung des Streitwerts im sozialgerichtlichen Verfahren; Verwirkung des Anspruchs bei
verspäteter Festsetzung
Gründe:
Die Beschwerde ist gemäß §§
172 Abs.
1,
173 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i.V.m. § 25 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung (a.F.), die gemäß § 72 Nr. 1 GKG anzuwenden ist, zulässig aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren
auf 233.709,03 € festgesetzt. Auf die entsprechenden Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 4. Juli 2008 (L 7 KA 118/06) bezüglich des Berufungsverfahrens wird verwiesen. Nichts anderes gilt für das erstinstanzliche Verfahren. Soweit der Kläger
geltend macht, das Sozialgericht dürfe wegen Verwirkung des Anspruchs auf Erhebung von Gerichtskosten den Streitwert nicht
mehr festsetzen, kann der Senat dem nicht folgen.
Gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über
den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt
nach § 25 Abs. 2 S. 2 GKG a.F. mit Ausnahme der Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit von Amts wegen (vgl. Hartmann,
Kostengesetze, 38. Auflage 2008, § 63 GKG, Rn 20). Lediglich ausnahmsweise kann die Verpflichtung des Prozessgerichts zur Festsetzung des Streitwerts entfallen, wenn
mit Sicherheit keine Gerichtskosten anfallen und wenn auch keine Anwaltsgebühren in Abhängigkeit vom festzusetzenden Streitwert
gegenüber dem Gegner erhoben werden können (Hartmann, aaO., Rn 25 a.E.). Ob bereits dann ein Bedürfnis für eine Streitwertfestsetzung
entfällt, wenn der Anspruch auf Zahlung von Gerichtskosten verwirkt ist, oder dies erst gegen den Kostenansatz geltend zu
machen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn der Anspruch der Staatskasse auf Erhebung von Gebühren nach dem GKG für das Verfahren vor dem Sozialgericht ist nicht verwirkt.
Grundsätzlich kommt auch bei der Erhebung von Gerichtskosten neben der Verjährung eine Verwirkung in Betracht (Hartmann, aaO.,
§ 5 GKG, Rn. 5 a.E.). Auf Grund dieses Rechtsinstitutes entfällt eine Leistungspflicht, wenn der Berechtigte die Ausübung seines
Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten
des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben
dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden Umstände liegen vor, wenn der
Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser
das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das
Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet
hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde
(vgl. z.B. BSGE 80, 41). Hier fehlt es aber bereits an einem Verwirkungsverhalten. Denn dieses kann nicht allein in der Unterlassung der Geltendmachung
des Anspruchs liegen. Die bloße Untätigkeit begründet lediglich das sog. Zeitmoment und führt, soweit nicht weitere Umstände
im o.g. Sinne hinzutreten, allein zur Verjährung des Anspruchs, nicht aber zu einer Verwirkung. Es bedarf daher für ein Verwirkungsverhalten
eines positiven Tuns des Anspruchsgläubigers, aus dem der Schuldner berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Anspruch
werde nicht geltend gemacht. Ein derartiges postives Tun hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist dieses ersichtlich. Er
bezieht sich allein auf das zeitliche Moment und trägt lediglich vor, es seien längere Zeit keine auf Geltendmachung der Gerichtskosten
gerichtete Handlungen vorgenommen worden, obwohl bereits bei Erhebung der Klage der Gerichtskostenvorschuss fällig gewesen
sei.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Argumentation des Klägers aber bereits deshalb hinkt, weil der Gerichtskostenvorschuss
im sozialgerichtlichen Verfahren (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG) nicht bereits zum 1. Januar 2002, sondern erst mit Wirkung vom 1. Juli 2004 eingeführt wurde und daher bei Erhebung der
Klage im August 2003 vom Sozialgericht keine Gerichtskosten zu erheben waren. Es somit schon fraglich, ob durch die Streitwertfestsetzung
ca. 15 Monate nach Erledigung des Rechtsstreits das zeitliche Moment überhaupt erfüllt ist.
Darüber hinaus hat der Kläger auch nichts zu einem Vertrauensverhalten vorgetragen, also welche Maßnahmen und Vorkehrungen
er in einem Vertrauen darauf, er müsse keine Gerichtskosten zahlen, getroffen hat.
Einen nachvollziehbaren Grund, weshalb nicht der tatsächliche Streitwert, sondern nur der Regelstreitwert anzusetzen sei,
hat der Kläger nicht angegeben. Eine Reduzierung des Streitwertes allein wegen später Festsetzung des Streitwertes und Erhebung
der Gerichtsgebühren kommt nicht in Betracht. Insoweit regelt § 10 GKG a.F. mit der Verjährung der Ansprüche auf Erhebung von Gerichtskosten abschließend den Fall der alleinigen längeren Untätigkeit.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 25 Abs. 4 GKG).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).