Aufhebbarkeit eines Vermittlungsgutscheins gegenüber dem Arbeitnehmer
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von
1.000,00 € aus einem der Beigeladenen erteilten Vermittlungsgutschein (§ 421g Sozialgesetzbuch Drittes Buch -
SGB III -) zu zahlen.
Die Beklagte stellte der arbeitslosen Beigeladenen am 9. April 2009 einen Vermittlungsgutschein aus. Das Gutscheinformular
trägt die durch vergrößerte Schrift und Fettdruck hervorgehobene Textzeile: "gültig vom 10.04.2009 bis 09.07.2009". Am 21.
April 2009 schloss die Beigeladene mit der Klägerin, die als private Arbeitsvermittlerin tätig ist, einen Vermittlungsvertrag.
Aufgrund von Bemühungen der Klägerin wurde die Beigeladene ab dem 18. Mai 2009 von einem Personaldienstleister eingestellt.
Den Antrag der Klägerin vom 1. Juli 2009 auf Auszahlung von zunächst 1.000,00 € aus dem Vermittlungsgutschein, dem die erforderlichen
Begleitunterlagen beigefügt waren, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 2009 und Widerspruchsbescheid vom 18. August
2009 ab. Der Vermittlungsgutschein sei für die Zeit vom 10. April 2009 bis 9. Juli 2009 ausgestellt worden, der Anspruch der
Beigeladenen auf Arbeitslosengeld sei jedoch bereits mit Ablauf des 2. Mai 2009 erschöpft gewesen. Damit habe Anspruch auf
einen Vermittlungsgutschein lediglich für die Zeit vom 10. April 2009 bis 2. Mai 2009 bestanden. Die Ausstellung des Vermittlungsgutscheines
an den Arbeitnehmer stelle weder einen Verwaltungsakt noch eine Zusicherung dar. Es werde lediglich das jeweilige Vorliegen
der Voraussetzungen des § 421g Abs. 1 Satz 1
SGB III festgestellt. Der Vermittlungsgutschein sei lediglich eine technische Unterlage zur späteren Abwicklung der Auszahlung.
Da die Vermittlung der Beigeladenen mit Abschluss des Arbeitsvertrages am 13. Mai 2009 außerhalb der rechtmäßigen Gültigkeitsdauer
des Vermittlungsgutscheines erfolgt sei, bestehe der geltend gemachte Anspruch nicht.
Auf die Klage vom 28. August 2009 hat das Sozialgericht Dresden die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen
verurteilt, der Klägerin den geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.000,00 € zu zahlen. Bei dem Vermittlungsgutschein handele
es sich im Verhältnis zum Berechtigten um einen Verwaltungsakt, den die Beklagte bisher nicht aufgehoben habe. Aufgrund des
weiterhin existenten Vermittlungsgutscheins sei die Beklagte verpflichtet, den Vergütungsanspruch der Klägerin zu erfüllen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 3. Juni 2010.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines keinen Verwaltungsakt darstelle
und es damit auch nicht seiner Aufhebung bedürfe. Die Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheins sei zum Zeitpunkt der Vermittlung
der Beigeladenen in ein Beschäftigungsverhältnis kraft Gesetzes abgelaufen gewesen, da der Anspruch der Beigeladenen auf Arbeitslosengeld
mit Ablauf des 2. Mai 2009 erschöpft gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. April 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stimmt der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsauffassung des Sozialgerichts zu und bestreitet, von der Beigeladenen
über die Umstände, die zum Wegfall der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins geführt haben sollen, informiert worden zu sein.
Die Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten
beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Beklagte
zur Zahlung aus dem Vermittlungsgutscheins verpflichtet. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe sieht der
Senat - vorbehaltlich der nachfolgenden Ergänzung - ab und verweist auf die Darlegungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen
Urteils.
In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass es sich bei dem Vermittlungsgutschein nach § 421g
SGB III um einen Verwaltungsakt handelt (Urteil vom 18. März 2010 - L 3 AL 19/09 -, JURIS-Dokument RdNr. 19). Bei dem Vermittlungsgutschein handelt es sich nicht nur um eine technische Unterlage zur späteren
Abwicklung des Freistellungsanspruches (so Urmersbach, in: Eicher/Schlegel,
SGB III [94. Erg.-Lfg., November 2009], § 421g Rdnr. 29), sondern um einen feststellenden Verwaltungsakt (vgl. Brands, in: Niesel,
SGB III [4. Aufl., 2007], § 421g Rdnr. 14), auf dessen Erlass der Arbeitnehmer bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Rechtsanspruch hat. Vergleichbar
dem Bildungsgutschein nach §
77 Absatz
3 Satz 1
SGB III wird mit dem Vermittlungsgutschein gegenüber dem Arbeitnehmer verbindlich festgestellt, dass er die Fördervoraussetzungen
erfüllt.
Zugleich wird die grundsätzliche Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit nach § 421g Abs. 1 Satz 4
SGB III zur Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermittler festgestellt und dokumentiert.
Die Verwaltungsaktsqualität des Vermittlungsgutscheins hat damit zur Folge, dass er gegenüber dem Arbeitnehmer auch nach Maßgabe
der §§ 45 und 48 SGB X i. V. m. §
330 SGB III aufgehoben werden kann. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte aber, aus ihrer Sicht folgerichtig, keinen Gebrauch gemacht.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 6. Mai 2008
- B 7/7a AL 8/07 R -, JURIS-Dokument RdNr. 17) ein Vermittlungsmakler auf den im Gutschein selbst vorgesehenen Geltungszeitraum
verlassen darf.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i.V.m. §§
154,
162 Abs.
3 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die keinen Antrag gestellt hat,
der Beklagten aufzuerlegen.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür nicht vorliegen (§
160 Abs.
2 SGG).