Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine stationäre Behandlung des Versicherten bei bestehendem Lungenkarzinom und akutem
Nierenversagen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung.
Der zum Aufnahmezeitpunkt 75-jährige Versicherte befand sich vom 15.04. bis zu seinem Tod am xxxxx2016 in vollstationärer
Krankenhausbehandlung im Hause der Klägerin. Er wurde notfallmäßig wegen Atemnot und Auswurf eingeliefert. Die Klägerin kodierte
als Hauptdiagnose ein Lungenkarzinom (C34.1:R) sowie als Nebendiagnose u.a. akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet:
Stadium I (N17.91).
Die Klägerin stellte der Beklagten den Aufenthalt mit insgesamt 6.102,84 € in Rechnung. Diesen Betrag zahlte die Beklagte
auch zunächst.
Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde sodann von der Beklagten mit einer Fallprüfung beauftragt und
kam in seinem Gutachten vom 17.10.2016 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose N17.91 medizinisch nicht nachvollziehbar kodiert
sei, da bei Aufnahme zwar ein erhöhtes Kreatinin vorgelegen habe (1,8 mg/dl), der darauffolgende Abfall auf 0,9 mg/dl (2.
Blutabnahme am 18.04.2016) aber nach Infusionsgabe bei Exsikkose zu verzeichnen gewesen sei. Damit seien die Kriterien nach
adäquater Flüssigkeitszufuhr nicht mehr erfüllt und es sei auch keine klinische Wertung als akutes Nierenversagen erfolgt.
Sodann verrechnete die Beklagte am 24.10.2016 einen Teilbetrag i.H.v. 3.897,80 € mit einem anderen unstreitigen Behandlungsfall.
Daraufhin hat die Klägerin am 13.02.2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Die Exsikkose habe zwar wahrscheinlich eine Rolle gespielt, entscheidend
sei aber, dass ein akutes Nierenversagen vorgelegen habe. Der Text der Kodierrichtlinie könne nicht so interpretiert werden,
dass alle Fälle, bei denen ein mehr oder weniger ausgeprägter Volumenmangel vorliege, nicht als akutes Nierenversagen verschlüsselt
werden könnten.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Herrn Dr. med. S., Facharzt für
Innere Medizin. Dieser hat in seinem Gutachten vom 18.06.2017 ausgeführt, dass ein passageres Nierenversagen vorgelegen habe,
obgleich in Bezug auf den anzunehmenden Kreatininanstieg keine Vorwerte vorhanden gewesen seien und die Urinausscheidung nicht
gemessen worden sei. Dieses sei aber lediglich Ausdruck der Exsikkose gewesen und als einzige therapeutische Maßnahme sei
eine Volumengabe durchgeführt worden, woraufhin sich die Nierenfunktion binnen 3 Tagen vollständig normalisiert habe. Das
ergebe sich auch aus dem ärztlichen Abschlussbericht („akutes prärenales Nierenversagen bei Exsikkose“). Die vom Krankenhaus
kodierte Nebendiagnose E86 (Volumenmangel) bilde daher aus seiner Sicht das Krankheitsbild und den Ressourcenverbrauch korrekt
ab.
Die Parteien haben sodann zum Sachverständigengutachten Stellung genommen. Die Beklagte hat sich in ihrer Argumentation bestätigt
gesehen, während die Klägerin gemeint hat, der Sachverständige habe ein akutes Nierenversagen bestätigt und die Abgrenzung
in den Kodierrichtlinien „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ beziehe sich lediglich auf die Reduktion der Urinausscheidungsmenge
und schließe ein akutes Nierenversagen bei Exsikkose nicht aus. Seit 2017 sei in den Kodierrichtlinien nunmehr geregelt, dass
das Stadium I bei Exsikkose nicht als erlösrelevante Nebendiagnose verschlüsselt werden dürfe, wohl aber höhere Stadien, woraus
im Umkehrschluss folge, dass bis Ende 2016 auch ein Nierenversagen bei Exsikkose zu verschlüsseln gewesen sei. Da im konkreten
Fall aber ohnehin eigentlich Stadium 2 hätte kodiert werden sollen (N17.92), dürfe sich eine Diskussion erledigt haben.
Das Sozialgericht hat abschließend eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 27.09.2017 eingeholt, in welcher
dieser bei seinen bisherigen Ausführungen geblieben ist.
Sodann hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 25. Juni 2021 abgewiesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, den
zur Vergütung des vorliegenden Behandlungsfalls gezahlten Betrag im Oktober 2016 aufzurechnen, da ein Rückforderungsanspruch
bestanden habe. Der Vergütungsanspruch der Klägerin für die im April 2016 durchgeführte Krankenhausbehandlung des Versicherten
stütze sich seinerseits auf § 109 Abs. 4 S. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und §§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit dem maßgeblichen Fallpauschalenkatalog sowie mit dem Landesvertrag nach §
112 Abs.
2 Nr.
1 SGB V. Die Klägerin sei nicht berechtigt gewesen, den nach Maßgabe von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlichen stationären Aufenthalt des Versicherten nach der Fallpauschale E71A abzurechnen. Gemäß §
7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG würden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen,
in den Nummern 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier gehe es um die Abrechnung von Fallpauschalen
(DRG) nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband
Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung hätten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG gemeinsam
mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragspartner (§ 11 KHEntgG i.V.m. § 18 Abs. 2 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz [KHG]: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie
Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge
zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG finde sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nehme. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG sei für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes
Vergütungssystem einzuführen. Dieses habe nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbitäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad solle praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz
1 würden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet. Vergütungsregelungen
für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen seien streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten
Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gebe es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen. Ergäben sich
bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, hätten es die zuständigen Stellen durch Änderung des
Fallpauschalenkatalogs in der Hand, für die Zukunft Abhilfe zu schaffen. Eine systematische Interpretation der Vorschriften
könne lediglich im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Regelungswerks erfolgen,
um mit ihrer Hilfe den Wortlaut der Leistungslegende klarzustellen. Streitig sei im vorliegenden Fall alleine die Kodierung
der Nebendiagnose N 17.91. Die Kodierrichtlinien bestimmen, ob und welche Nebendiagnosen für die Abrechnung zusätzlich zur
Hauptdiagnose zu kodieren seien. Die Hauptdiagnose werde entsprechend der Kodierrichtlinie (Version 2016) D002f definiert
als:"Die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären
Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist."Der Begriff "nach Analyse" bezeichne die Evaluation der Befunde
am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung
des stationären Krankenhausaufenthaltes gewesen sei. Die dabei evaluierten Befunde könnten Informationen enthalten, die aus
der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen
Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen
gewonnen worden seien. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingingen, sei für die Kodierung heranzuziehen.
Die Nebendiagnose sei entsprechend der Kodierrichtlinie (Version 2016) D003l definiert als: "Eine Krankheit oder Beschwerde,
die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt." Für Kodierungszwecke
müssten Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussten, dass
irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich sei: • therapeutische Maßnahmen, • diagnostische Maßnahmen, • erhöhter Betreuungs-,
Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. Krankheiten, die zB durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert
worden seien, würden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprächen. Sofern eine Begleitkrankheit das Standardvorgehen
für eine spezielle Prozedur beeinflusse, werde diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert. Anamnestische Diagnosen, die das
Patientenmanagement gemäß obiger Definition nicht beeinflusst hätten, wie z.B. eine ausgeheilte Pneumonie vor 6 Monaten oder
ein abgeheiltes Ulkus, werde nicht kodiert. Ein Symptom werde nicht kodiert, wenn es im Regelfall als eindeutige und unmittelbare
Folge mit der zugrundeliegenden Krankheit vergesellschaftet sei. Stelle ein Symptom jedoch ein eigenständiges, wichtiges Problem
für die medizinische Betreuung dar, so werde es als Nebendiagnose kodiert (siehe auch ICD-10-GM Kapitel XVIII). Auch die Nebendiagnosen
seien "nach Analyse" zu kodieren, also nach Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes. Entsprechend der
im ICD-10-GM Version 2016 aufgeführten Kriterien liege ein akutes Nierenversagen nach den KDIGO-Leitlinien (Kidney Disease:
Improving Global Outcomes, abgedruckt in Kidney International Supplements (2012) 2, 8-12) vor, wenn mindestens eines der folgenden
Kriterien erfüllt sei: * Anstieg des Serumkreatinins über einen gemessenen Ausgangswert um mindestens 0,3 mg/dl innerhalb
von 48 Stunden, * Anstieg des Serumkreatinins von einem gemessenen Ausgangswert oder anzunehmenden Grundwert des Patienten
um mindestens 50 % innerhalb der vorangehenden 7 Tage, * Abfall der Urinausscheidung auf weniger als 0,5 ml/kg/h über mindestens
6 Stunden. Differenziert werde zwischen: Stadium 1: Anstieg des Serum-Kreatinins um mindestens 50 % bis unter 100 % gegenüber
dem Ausgangswert innerhalb von 7 Tagen oder um mindestens 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder Abfall der Diurese auf unter
0,5 ml/kg/h über 6 bis unter 12 Stunden (adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt); Stadium 2: Anstieg des Serum-Kreatinins
um mindestens 100 % bis unter 200 % gegenüber dem Ausgangswert innerhalb von 7 Tagen oder Abfall der Diurese auf unter 0,5
ml/kg/h über mindestens 12 Stunden (adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt); Stadium 3: Anstieg des Serum-Kreatinins um
mindestens 200 % gegenüber dem Ausgangswert innerhalb von 7 Tagen oder Anstieg des Serum-Kreatinins auf mindestens 4,0 mg/dl
oder Einleitung einer Nierenersatztherapie oder Abfall der glomerulären Filtrationsrate auf unter 35 ml/min/1,73 m² Körperoberfläche
bei Patienten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder Abfall der Diurese auf unter 0,3 ml/kg/h über mindestens 24 Stunden
oder Vorliegen einer Anurie über mindestens 12 Stunden (adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt). Bei dem Versicherten habe
am Aufnahmetag ein Serum-Kreatinin-Wert von 1,8 mg/dl vorgelegen. Am 18.04.2016 habe der Wert 0,9 mg/dl betragen, nachdem
der Flüssigkeitshaushalt des Versicherten habe stabilisiert werden können. Nachdem keine früheren Werte des Versicherten aus
der Zeit vor dem Krankenhausaufenthalt bekannt gewesen seien, sei es medizinisch plausibel, auf den Wert bei Entlassung als
"angenommenen Ausgangswert" zurückzugreifen. Es sei somit davon auszugehen, dass durch die Störung der Nierenfunktion eine
Erhöhung des Serum-Kreatinins von 0,9 mg/dl auf 1,8 mg/dl, d.h. also sogar um 100 % innerhalb von 7 Tagen stattgefunden habe.
Dies entspräche im Ergebnis der Definition des akuten Nierenversagens Stadium 2. Jedoch sei das vom Sachverständigen bestätigte
akute Nierenversagen des Versicherten lediglich Ausdruck einer Exsikkose gewesen, wobei als einzige therapeutische Maßnahme
eine Volumengabe durchgeführt worden sei. Weitere in Betracht kommende Ursachen habe der Gutachter nicht feststellen können,
sodass das Kriterium der „adäquaten Flüssigkeitszufuhr“ nicht als erfüllt anzusehen sei. Anders als die Klägerin meine, beziehe
sich dieser in Klammern stehende Passus nicht nur auf den 2. Satzteil des Abfalls der Diurese, welcher vorliegend laut Gutachter
gar nicht gemessen worden sei, sondern auch auf den Anstieg des Serum-Kreatinins. Das werde aus dem Satzbau mit dem hinten
angestellten Klammerzusatz geschlussfolgert, denn wäre nur eine Bezugnahme auf die Diurese gewollt gewesen, hätte dies durch
eine direkte Einfügung des adäquaten Hydrationszustandes an der entsprechenden Stelle kenntlich gemacht werden können.
Mit der am 27.07.2021 eingelegten Berufung bleibt die Klägerin dabei, dass der Zusatz „adäquate Flüssigkeitszufuhr“ sich nur
auf den Abfall der Diurese beziehe und daher die Ansicht des Sozialgerichts nicht zutreffend sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichtes vom 25. Juni 2021 zu verurteilen, an die Klägerin 3.897,80 EUR
zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 25.10.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten
Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Patientenakte der Klägerin und der Verwaltungsakte
der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen.
Streitig ist allein die Abrechenbarkeit der Diagnose N17.9 als Nebendiagnose.
Die rechtlichen Voraussetzungen dafür hat das Sozialgericht zutreffend dargestellt. Hierauf wird Bezug genommen.
Das Sozialgericht ist auch zutreffend in Anknüpfung an die Entscheidung des Senats vom 22. April 2021 (L 1 KR 83/20) davon ausgegangen, dass grundsätzlich mit Blick auf die Entwicklung der Kreatininwerte von einem akuten Nierenversagen auszugehen
ist.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichtes ist der Senat jedoch der Auffassung, dass die Auslegung des ICD 10- Kodes N17 durch
die Klägerin zutreffend vorgenommen wurde. Denn auch der Senat geht davon aus, dass sich der in der Vorschrift genannte Klammerzusatz
„adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ allein auf die letzte Variante der im ICD-10-GM, Version 2016, Kapitel XVIII genannten
Definition (Abfall der Diurese) bezieht.
Bereits der Wortlaut der Regelung selbst spricht dafür. Denn der Zusatz „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ findet
sich lediglich hinter der letzten Variante (Abfall der Diurese) und ist zudem in Klammern gesetzt. Hätte dieser Klammerzusatz
auch für die zuvor aufgeführten beiden Varianten gelten sollen, wäre der Klammerzusatz nach jeder Variante aufzuführen oder
einleitend vor die Differenzierung der Definitionen zu setzen gewesen. Andernfalls hätte im ICD-10-GM Version 2016 eine weitergehende
Klarstellung erfolgen müssen, wie im ICD-10-GM Version 2017 im Rahmen eines klarstellenden Hinweises geschehen. Soweit die
Definition im Rahmen der ICD-10-GM Version 2017 neu gefasst wurde, wirkt sich dies jedoch auf den vorliegenden Fall nicht
aus (Prinzip des „lernenden Systems“).
Auch der Kodierleitfaden Nephrologie 2017 bezieht den Klammerzusatz „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ ausschließlich
auf die Diurese (vgl. die dortige Tabelle S. 47). Hier wird in tabellarischer Form eine Schweregradeinteilung des akuten Nierenversagens
nach den KDIGO-Leitlinien vorgestellt, in der das akute Nierenversagen in drei Grade eingeteilt wird, die sich auf den Anstieg
des Serum-Kreatinins oder den Abfall der Diurese beziehen. Mithin wird eine Differenzierung zwischen dem Wert des Serum-Kreatinins
und der Diurese vorgenommen. Zweifelsfrei ergibt sich aus der Tabelle, dass sich der Zusatz „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“
ausschließlich auf die Diurese bezieht. Für den Fall des Anstiegs des Serum-Kreatinins spielt die Flüssigkeitszufuhr damit
keine Rolle.
In der „Stellungnahme zur Kodierung von Nierenerkrankungen (AKI, CKD) 2019“ (dort S. 7 ff) betont die DGfN dann unter rückblickender
Betrachtung der Entwicklung des Kodes N17, dass zwischen dem Kreatininwert und der Urinausscheidung strikt zu differenzieren
sei. Kritisiert wird hier auch das Urteil des BSG vom 23.06.2015 (Az. B 1 KR 13/14 R), nach dem im Regelfall kein akutes Nierenversagen vorliege, wenn die Symptome/ Werte eindeutige und unmittelbare Folge der
Exsikkose seien und neben der Volumentherapie keinen weiteren therapeutischen Aufwand bewirkt hätten. Eine solche vom BSG behandelte Konstellation liegt hier schon deswegen nicht vor, weil ein schwer kranker, multimorbider Versicherter betroffen
war, bei dem die Nierenbeeinträchtigung nicht einzig und allein auf den Volumenmangel zurückzuführen war.
Auch wenn seit 2017 eine andere Regelung vereinbart wurde, bei der das Stadium 1 scheinbar sowohl für den Kreatininwert als
auch für die Urinausscheidung von einem ausreichenden Hydrationszustand abhängen soll, ist der Befund bzgl. der Auslegung
des ICD-10-GM, Version 2016 nach Auffassung des Senats eindeutig (so auch LSG BW, Urt. v. 30.06.2021 - L 5 KR 4252/18; SG Nürnberg, Urt. v. 25.07.2019 – S 7 KR 35/17). Dies verkennt der vom Sozialgericht beauftragte Gutachter.
Entgegen dessen Annahme kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Kodierung der Exsikkose die Kodierung der N17 verbietet.
Es findet sich bei N17 bereits kein Exklusivum des Inhalts, dass der Kode nicht neben einer Exsikkose kodiert werden dürfte.
Dann aber sind die Grundvoraussetzungen für die Kodierbarkeit einer Nebendiagnose zu prüfen, wie die DKR sie vorgibt. Dabei
kann offen bleiben, ob – z.B. durch die Kreatininwert-Messungen – ein spezieller Aufwand im Hinblick auf das Nierenversagen
erfolgt ist. Denn 2016 beinhaltete die DKR schon den Zusatz, dass es für die Kodierung einer Diagnose nicht entscheidend ist,
ob ein Aufwand für mehrere Diagnose Bedeutung hatte. Dass die Volumengabe sowohl der Exsikkose als auch der Nierenbeeinträchtigung
galt, steht außer Frage. Damit ist dann aber das Erfordernis eines Aufwands auch für die Nebendiagnose aus N17 erfüllt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.