Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Helfer für minderhandwerkliche Dienstleistungen und Montagearbeiten
Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung
Unerheblichkeit von subjektiven Vorstellungen über das Fehlen einer Beitragspflicht
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um eine Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in Höhe von
insgesamt 62.012,32 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 16. Dezember 2011 im Rahmen einer Betriebsprüfung nach
§ 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Streitig ist insbesondere, ob die Beigeladenen zu 1. bis 4. im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin abhängig beschäftigt
waren und damit der Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlagen.
Die Klägerin ist eine GmbH, die minderhandwerkliche Dienstleistungen und Montagearbeiten anbietet. Ferner betreibt sie die
gewerbliche Überlassung von Arbeitnehmern, wofür sie seit Juli 2008 die Erlaubnis der Beigeladenen zu 10. besitzt. In diesem
Rahmen setzte die Klägerin im streitigen Zeitraum bei Personalengpässen neben ihren eigenen als sozialversicherungspflichtig
gemeldeten Arbeitnehmern wiederholt die Beigeladenen zu 1. bis 4. ein, überwiegend für Aufträge im Bereich Schiffsausbau.
Mit dem Beigeladenen zu 3. schloss die Klägerin am 09. Mai 2005 einen „Nachunternehmervertrag“, der Reinigungs- und Montagearbeiten
zum Gegenstand hat, zu denen sich die Klägerin Dritten gegenüber verpflichtete. Die Vergütung erfolgte zunächst auf der Basis
eines Stundenverrechnungssatzes in Höhe von 10 € netto pro erbrachter Leistungsstunde. Vom „Nachunternehmer“ waren Arbeitsschuhe
S3, Schutzhelm sowie Arbeitsschutzbekleidung bereitzustellen. In späteren „Rahmenverträgen“ wurde ein Stundenlohn von 11 €
und später 12 € zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart.
Am 08. September 2008, 02. Februar 2009, 02. März 2009 und 19. Januar 2010 schloss die Klägerin mit der N. L. GmbH Arbeitnehmerüberlassungsverträge,
in welchen der Beigeladene zu 3. als „Helfer“ überlassen wurde. Ferner wurden ab dem 27. Februar 2009 die Beigeladenen zu
1., 2. und 4. als „Helfer“ überlassen.
Die Beigeladenen zu 1. bis 4. hatten jeweils Gewerbe, unter anderem für Hausmeistertätigkeiten, Messebau und Veranstaltungsservice
angemeldet und stellten der Klägerin ihre erbrachten Leistungen in Rechnung. Während der Beigeladene zu 1. in geringem Umfang
Kosten für eingebaute Steckdosen und Schalter in Rechnung stellte, enthielten die Rechnungen der weiteren Beigeladenen neben
dem Zeitaufwand in Stunden keinerlei weitere Posten.
Im Jahr 2012 führte das Hauptzollamt Stralsund (HZA) im Rahmen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit Ermittlungen gegen den Geschäftsführer
der Klägerin wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt. Es wurde u.a. festgestellt, dass die Beigeladenen zu
1. bis 4. keine weiteren Arbeitnehmer beschäftigten und die gleichen Arbeiten ausführten wie die im Unternehmen abhängig beschäftigten
Arbeitnehmer. Sie seien in täglichen Einsatzplänen für den Einsatz beim Entleiher geführt worden und es seien Arbeitszeitkonten
für sie geführt worden.
Mit Schreiben vom 20. August 2013 und vom 21. Oktober 2013 erfolgte die Anhörung der Klägerin zum Sachverhalt.
Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 29. August 2013 unter Bezugnahme auf ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft vom
14. Februar 2013 wie folgt Stellung: Die oben genannten Personen hätten in ihren Zeugenaussagen bestätigt, als freie Mitarbeiter
tätig geworden zu sein. Sie würden daher nicht unter das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) fallen. Alle Personen hätten auch noch Werkverträge mit anderen Auftraggebern gehabt. Sie hätten weiter bekundet, nicht
weisungsgebunden, sondern frei in ihrer Arbeitszeit und Arbeitsleistung gewesen zu sein. Sie habe sich der Selbständigen nur
dann bedient, wenn die eigenen Personalkapazitäten nicht ausgereicht hätten. Regelmäßig hätten die oben genannten Personen
von sich aus nach Aufträgen gefragt. Auf Verlangen der Auftraggeber und zur Vereinfachung der Buchführung seien Selbständige
und Angestellte auf gleichen Listen erfasst worden. Die Beklagte stütze sich zu Unrecht nur auf diesen Gesichtspunkt und lasse
die Differenzierung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung außer Acht. Die Personen seien zu keiner Zeit in den Betrieb des
jeweiligen Entleihers integriert worden, vom Betrieb vorgegebene Zeiten und Arbeitsordnungen mussten nicht eingehalten werden.
Urlaub sei nur auf Projektebene besprochen worden. Im Übrigen habe es keine Urlaubsanträge gegeben. Der Beigeladene zu 2.
habe für das jeweilige Projekt Werkverträge abgeschlossen. Ausweislich der Diensteinsatzpläne sei er nur sporadisch in den
Jahren 2008 bis 2012 eingesetzt worden. Seit 2008 habe er ein eigenes Gewerbe gehabt. Er sei gleichzeitig für mehrere Auftraggeber
tätig geworden. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine wirtschaftliche oder persönliche Abhängigkeit bestanden. Das unternehmerische
Risiko habe er selber tragen müssen. Im Falle von Krankheit habe er keine Lohnfortzahlung erhalten. Aufträge, Telefonate und
Rechnungslegung seien ausschließlich durch das eigene Büro des Beigeladenen zu 2. erfolgt. Es habe zu keiner Zeit eine Weisungsgebundenheit
bestanden. Entsprechendes gelte für die Beigeladenen zu 1. und 3. Das Gewerbe des Beigeladenen zu 3. sei seit 2004 zugelassen.
Eine durchgängige Beschäftigung bei der Klägerin könne ausweislich der Diensteinsatzpläne unter keinen Umständen angenommen
werden.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2013 forderte die Beklagte die Klägerin zur Entrichtung von Beiträgen für die Zeit von Januar
2008 bis Dezember 2011 auf. Insgesamt machte sie für die oben genannten Personen Beitragsforderungen in Höhe von insgesamt
62.012,32 € geltend. Darin enthalten waren Umlagebeiträge in Höhe von 807,01 €, Säumniszuschläge in Höhe von 19.068 €. Allein
auf den Beigeladenen zu 3. entfällt ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 34.222,08 €. Darin sind Umlagen in Höhe von 655,42
€ und Säumniszuschläge in Höhe von 14.767,00 € enthalten. Die Klägerin habe die oben genannten Personen nicht den Einzugsstellen
für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gemeldet. Die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie Umlagen nach dem
Aufwendungsausgleichsgesetz bzw. Insolvenzgeldumlagen sei unterlassen worden, obwohl die Beschäftigten der Sozialversicherungspflicht unterlagen.
Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2013 legte die Klägerin gegen den Bescheid Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung
der Vollziehung des Bescheides. Zur Begründung machte sie geltend, der ergangene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig.
Alle freien Mitarbeiter hätten neben den sporadischen Aufträgen der Klägerin parallel andere Auftraggeber gehabt. Sie hätten
im Ermittlungsverfahren übereinstimmend ausgesagt, dass sie nicht weisungsgebunden gewesen seien, sondern in der Gestaltung
der Arbeitsleistung und Arbeitszeit frei waren. Arbeitswerkzeuge und Arbeitskleidung seien von den Personen selbst gestellt
worden. Die Personen seien nicht vom AÜG erfasst gewesen.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2014 lehnte die Beklagte die Aussetzung der Vollziehung ab. Das daraufhin von der Klägerin eingeleitete
einstweilige Rechtsschutzverfahren blieb erfolglos (Sozialgericht Rostock – S 7 R 29/14 ER; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern – L 7 R 344/14 B ER).
Mit Widerspruchsbescheid vom 06. März 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, es sprächen
überwiegende Merkmale für eine abhängige Beschäftigung der scheinbar selbstständigen Arbeitskräfte. So habe die Klägerin schriftliche
Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit den jeweiligen Entleihern abgeschlossen, in denen unter anderen vereinbart worden sei,
dass der Verleiher sich im Hinblick auf die nach §
28e Abs.
2 SGB IV bestehende Haftung des Entleihers verpflichtete, für die Sozialversicherungsbeiträge der Leiharbeitnehmer eine Bescheinigung
der entsprechenden Sozialversicherungsträger vorzulegen, die die ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge durch den Entleiher
nachweise. Es seien Tagesarbeits- bzw. -einsatzpläne erstellt worden, in denen die vermeintlich selbstständigen Arbeitskräfte
genauso angeführt gewesen seien, wie die sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer. Insoweit habe sich weder
in der Tätigkeitsausführung, noch in der Eingliederung in den Betriebsablauf eine Unterscheidung zwischen den abhängig Beschäftigten
und den vermeintlich selbstständig Tätigen ergeben. Auch die Abrechnungen gegenüber dem Entleiher hätten keine Unterschiede
zwischen abhängig Beschäftigten und den vermeintlich selbstständig Tätigen gemacht. Die vermeintlich selbstständigen Arbeitskräfte
hätten auch kein Unternehmerrisiko getragen. Die scheinbar Selbständigen hätten kein eigenes Kapital eingesetzt, bei dem die
Gefahr des Verlustes bestanden habe. Sie hätten keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitsplatz sei ihnen vorgegeben
worden, die persönliche Leistungspflicht sei einzuhalten gewesen. Die scheinbar selbstständigen Arbeitskräfte seien funktionsgerecht
in den Betrieb eingegliedert gewesen und hätten die gleichen Arbeiten durchgeführt, wie die im Unternehmen beschäftigten versicherungspflichtigen
Arbeitnehmer. Sie hätten lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Die Planung und Kalkulation der durchzuführenden
Arbeiten sei allein durch die Klägerin erfolgt. Anhand des nachgewiesenen Zeitaufwandes hätten die scheinbar selbstständigen
Arbeitskräfte auch nicht für andere Auftraggeber tätig werden können. Sie seien ausschließlich im Namen, im Auftrag und für
Rechnung der Klägerin tätig geworden.
Am 07. April 2014 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Rostock erhoben. Das Amtsgericht habe eine Einordnung der Beigeladenen
zu 1., 2. und 4. als Scheinselbständige verneint und das Strafverfahren insoweit eingestellt. Aus dem Vernehmungsprotokoll
des HZA könne nicht auf eine abhängige Tätigkeit geschlossen werden. Die dort gestellten Fragen seien nicht präzise. Das Ergebnis
werde fehlerhaft bewertet.
Die Klägerin hat beantragt:
Der Leistungsbescheid vom 16. Dezember 2013 in der Form des Bescheides vom 06. März 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf den Beschluss des LSG MV. Für die Sozialversicherungspflicht komme es im Unterschied zum Strafrecht allein auf die objektiven Kriterien an. Nach §
28 Abs.
1 SGB IV sei der Arbeitgeber originärer und alleiniger Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegenüber der Einzugsstelle
und zwar unabhängig davon, ob er von dem Abzug Gebrauch gemacht habe oder noch machen könne und auch unabhängig davon, ob
er seiner Lohnverpflichtung an den Arbeitnehmer nachgekommen sei oder nicht. Die Ermittlungsergebnisse und Unterlagen des
HZA, insbesondere die Arbeitnehmerüberlassungsverträge, die Arbeitsstundenaufstellungen, die Tageseinsatzpläne, die Zeugenaussagen
und Rechnungen seien sozialversicherungsrechtlich ausgewertet worden. Es sei festgestellt worden, dass die Klägerin in der
Zeit vom 01. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 die betroffenen Personen als Arbeitnehmer beschäftigt habe. Soweit Arbeitnehmer
für weitere Auftraggeber tätig gewesen seien, schließe diese Tatsache das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses mit
der Klägerin nicht aus. Für jedes Auftragsverhältnis sei gesondert zu prüfen, ob die Tätigkeit selbstständig oder im Rahmen
eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Gewichtiges Indiz für die Selbstständigkeit sei das erhebliche Unternehmerrisiko,
das von den betroffenen Arbeitnehmern so nicht getragen worden sei. Sie hätten weder eigene Arbeitnehmer eingesetzt, noch
seien sie berechtigt gewesen, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen. Die Klägerin habe bislang keine Tatsachen vorgetragen,
die für ein Unternehmerrisiko der betreffenden Arbeitnehmer spräche. Im Übrigen sei sie ihren Amtsermittlungspflichten vollumfänglich
nachgekommen, indem sie alle verfügbaren Beweismittel geprüft und gewürdigt habe. Die von der Ermittlungsbehörde im Rahmen
der Zusammenarbeit nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zur Verfügung gestellten Unterlagen und Nachweise seien bislang von der Klägerin nicht widerlegt worden. Die Einbeziehung
in die Sozialversicherung hänge nicht von dem Willen der Vertragsparteien ab.
Das Sozialgericht hat die Beigeladenen zu 1. bis 4. mit Beschluss vom 17. Mai 2019 zum Rechtsstreit beigeladen. Es hat ferner
Auszüge aus den Akten des Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer der Klägerin (Staatsanwaltschaft Rostock – 476 Js 2036/13, Amtsgericht Rostock – 22 Cs 93/13) beigezogen, die in dem vorangegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren gefertigt worden waren. Im Ergebnis des Strafverfahrens
ist der Geschäftsführer der Klägerin mit Urteil vom 14. Mai 2014 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß
§
266a Strafgesetzbuch in 48 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Die Verurteilung beschränkte sich auf die Tatvorwürfe
hinsichtlich der Beitragsvorenthaltung betreffend den Beigeladenen zu 3., nachdem sich der Angeklagte insoweit geständig eingelassen
und zugestanden hatte, „dass über die Dauer der Zeit was kommen könnte“ und „dass irgendwann das Verhältnis, wie es jetzt
ist, nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Mir war schon klar, dass da eine Scheinselbständigkeit vorliegt, anhand der
Stunden schon, die er bei mir gearbeitet hat.“ Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den beigezogenen Aktenauszug Bezug
genommen, insbesondere auf die Niederschriften über die Zeugenaussagen der Beigeladenen zu 1., 3. und 4., ferner auf die Angaben
des Geschäftsführers der Klägerin im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht am 7. und 14. Mai 2014.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Juni 2019, der Klägerin zugestellt am 27. Juni 2019, abgewiesen und zur
Begründung ausgeführt, dass die mit dem angefochtenen Bescheid erhobenen Beitragsforderungen nicht zu beanstanden seien. Die
Beklagte sei rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beigeladenen zu 1. bis 4. nicht als Selbstständige tätig, sondern
bei der Klägerin als abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind.
Rechtsgrundlage für die Nachforderung ist §
28 p Abs.
1 Satz 5
SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe
der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitsgebern. Nach §
28e Abs.
1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d. h. die für einen versicherungspflichtigen
Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§
28d Sätze 1 und 2
SGB IV) zu zahlen. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen,
die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§
5 Abs.
1 Nr.
1 SGB V, §
20 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB XI, §
1 Satz 1 Nr.
1 SGB VI, §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III). Beschäftigung sei gemäß §
7 Abs.
1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine
Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung
des BSG setze eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt
oder selbstständig tätig sei, richte sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hänge davon
ab, welche Merkmale überwiegen.
Das Sozialgericht sah es als zu seiner vollen Überzeugung erwiesen an, dass die Beigeladenen keine Selbstständigen waren,
sondern abhängig beschäftigte Arbeitnehmer. Die Beklagte habe daher zutreffend festgestellt, dass die vier Beigeladenen nicht
Selbständige, sondern abhängig beschäftigte Arbeitnehmer der Klägerin gewesen seien und damit der Beitragspflicht unterlagen.
Zur weiteren Begründung hat sich das Sozialgericht gemäß §
136 Abs.
3 SGG vollumfänglich den Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid angeschlossen. Soweit die Klägerin für die Beigeladenen
zu 1., 2. und 4. eine abhängige Beschäftigung als nicht erwiesen ansehe, weil das Amtsgericht diese verneint habe, sei darauf
hinzuweisen, dass die Tatvorwürfe insoweit keineswegs fallen gelassen worden seien, sondern dass lediglich die Strafverfolgung
gemäß §§
154,154a
StPO auf die vorenthaltenen Beiträge für den Beigeladenen zu 3. beschränkt worden sei.
Rechtsgrundlage der Säumniszuschläge sei §
24 SGB IV, dessen Voraussetzungen erfüllt seien. Wegen der Berechnung der Beitragsforderungen und der Säumniszuschläge hat das Sozialgericht
auf den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2013 Bezug genommen.
Mit ihrer am 23. Juli 2019 eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. In den Zeugenaussagen der Beigeladenen
zu 1. bis 4. im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sei von diesen übereinstimmend und glaubhaft bekundet worden, dass kein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin bestanden habe und dass sie in der Umsetzung des Auftrags der Klägerin
hinsichtlich Zeit, Ort und Durchführung frei gewesen seien. Das unternehmerische Risiko der „freien Mitarbeiter“ sei gering
gewesen. Alle vier Beigeladenen seien auch für andere Auftraggeber tätig gewesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 4. November 2021 die Beigeladenen zu 5. bis 10. zum vorliegenden Verfahren beigeladenen und
dabei die Zuständigkeit der Krankenkassen / Einzugsstellen anhand der letzten Mitgliedschaft der Beigeladenen zu 1. bis 4.
in einer gesetzlichen Krankenkasse (§
175 Abs.
3 Satz 2
SGB V) zugrunde gelegt; die Deutsche Rentenversicherung Nord als kontoführender Rentenversicherungsträger der Beigeladenen zu 1.
bis 4. hat von ihrem Anspruch auf Beiladung gemäß §
75 Abs.
2b Sozialgerichtsgesetz (
SGG) keinen Gebrauch gemacht.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 22. September 2020 und 12. November 2021 sind die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung
des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß §
153 Abs.
4 SGG angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens
und des Eilverfahrens (Sozialgericht Rostock – S 7 R 29/14 ER; Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern – L 7 R 344/14 B ER), der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und des Aktenauszugs des Strafverfahrens Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten gemäß §
153 Abs.
4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, denn er hält die zulässige Berufung einstimmig für unbegründet und
eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Einer Zustimmung der Beteiligten bedarf es hierfür nicht.
Das erstinstanzliche Urteil ist zutreffend. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin
nicht in ihren Rechten. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zur Begründung im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen
des Sozialgerichts in der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen werden, die sich der Senat nach Prüfung zu eigen macht.
Insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, §
153 Abs.
2 SGG. Ergänzend sei lediglich Folgendes, im Kern bereits von der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid dargelegt, ausgeführt:
Nach den eigenen Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wurden die
Beigeladenen zu 1.-4. immer dann, wenn ein Auftrag allein mit den eigenen, auch von der Klägerin als abhängig Beschäftigte
angesehenen Mitarbeitern nicht abgearbeitet werden konnte, hinzugezogen und dann ebenso wie diese als Leiharbeitnehmer vor
Ort eingesetzt. Sie waren damit ebenso wie diese in den Betrieb der Klägerin bzw. den jeweiligen Entleihbetrieb eingebunden
und hatten bei der Ausführung der einzelnen Aufträge keinerlei Gestaltungsmöglichkeit. Auf etwaige weitere Tätigkeiten, die
die Beigeladenen zu 1. bis 4. bei anderen Auftraggebern (bzw. Arbeitgebern) verrichtet haben mögen, kommt es schon deshalb
nicht an, weil Gegenstand der sozialversicherungsrechtlichen Prüfung lediglich die konkreten Verhältnisse nach Annahme eines
Einzelauftrags der Klägerin ist (vgl. etwa BSG, Urteil vom 18. November 2015 – B 12 KR 16/13 R). Diese entsprachen jeweils denjenigen, die auch im Falle einer abhängigen Beschäftigung herrschten. Den vertraglichen Verhältnissen
zwischen der Klägerin und den Beigeladenen zu 1. bis 4., wie sie tatsächlich zur Ausführung gelangten, fehlte letztlich jegliches
Merkmal eines Werk- oder Dienstvertrages zwischen Unternehmen. Die Beigeladenen zu 1. bis 4. haben letztlich nicht mehr als
ihre Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Ihre Leistung wurde – nicht anders als bei den übrigen Beschäftigten der Klägerin
– allein anhand von Stundenlisten erfasst und abgerechnet, die vom jeweiligen Vorarbeiter abgezeichnet wurden, wobei diese
Aufgabe im Falle des Beigeladenen zu 3. von diesem selbst übernommen wurde, auch für die ihm nachgeordneten Mitarbeiter, gleich
ob abhängig beschäftigt oder (schein)selbständig.
Es kommt hinzu, dass auch die Klägerin, indem sie gegenüber den Entleihunternehmen die Leistungen der Beigeladenen zu 1. bis
4. nicht anders abrechnete als diejenige der als sozialversicherungspflichtig gemeldeten Mitarbeiter, ausdrücklich von einer
abhängigen Beschäftigung ausgegangen ist, jedenfalls aber den entsprechenden Eindruck erwecken wollte. Dass sie dabei davon
ausgegangen sein könnte, dass wegen etwa erteilter Unbedenklichkeitsbescheinigungen alles seine Richtigkeit habe, erscheint
wenig nachvollziehbar, da die Nichtabführung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für gar nicht gemeldete Mitarbeiter die
Ausstellung einer derartigen Bescheinigung durch eine getäuschte Behörde gerade nicht hindert.
Die Klägerin hat die Beigeladenen zu 1. bis 4. allein nach ihrem Gutdünken eingesetzt bzw. ihr Direktionsbefugnis als Arbeitgeberin
auf die Entleihunternehmen übertragen. Alle vier Beigeladenen waren bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten jeweils Teams oder
Kolonnen zugeordnet, in denen in gleicher Weise Arbeitnehmer der Klägerin tätig waren. Bei ihrer Tätigkeit waren die Beigeladenen
zu 1. bis 4. vollständig in die Unternehmenshierarchie und die Betriebsabläufe der Klägerin integriert, wobei der Beigeladene
zu 3. als Vorarbeiter agierte, die übrigen als bloße Anweisungsempfänger. Der Geschäftsführer der Klägerin hat insoweit im
Rahmen seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Rostock bekundet, dass der Beigeladene zu 3. vor Ort der Ansprechpartner für
das Entleihunternehmen gewesen sei, ferner wörtlich: „Herr E. ist von den Arbeitnehmern, die dort beschäftigt waren, der Ansprechpartner
für die Bauleiter [...]. Wenn da einer hinkommt und fragt, wie weit seit (sic!) ihr, dann muss einer antworten. Für mein Unternehmen.“
Keineswegs waren die Beigeladenen zu 1. bis 4. bei der Erfüllung der Aufträge der Klägerin (hinsichtlich Zeit, Ort und Art
der Durchführung) frei, sondern vielmehr waren alle genannten Parameter durch die Klägerin (bzw. das jeweilige Entleihunternehmen)
im Einzelnen vorgegeben. Die einzige Freiheit der Beigeladenen zu 1. bis 4. bestand darin, ein konkretes Arbeitsangebot der
Klägerin abzulehnen, weshalb arbeitsrechtlich wohl von mehrfachen, jeweils befristeten Arbeitsverhältnissen auszugehen sein
dürfte. Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung dieser Einzelverträge kommt es aber – wie bereits ausgeführt – ganz
allein auf die konkreten Verhältnisse nach Annahme eines Einzelauftrags an.
Die bloße Tatsache, dass die Klägerin den Beigeladenen dabei ihre Arbeitnehmerrechte (bspw. bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall) vorenthielt, ändert an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung im Ergebnis deshalb nichts, weil
diese eingeschränkten Schutzrechte nicht auf der anderen Seite mit einer höheren Gewinnmöglichkeit einhergingen, mithin keineswegs
Ausdruck unternehmerischer Freiheit waren. Ebenso unbedeutend ist der Umstand, dass die Beigeladenen die subjektive Vorstellung
gehabt haben mögen, als Selbständige tätig zu sein, oder dass beide Vertragsparteien nicht wollten, dass Versicherungs- und
Beitragspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung eintritt, da diese Rechtsfolge allein auf objektiven,
nicht dispositiven Normen beruht, die den Vorstellungen und Wünschen der Vertragsparteien entzogen sind.
Gründe für eine Revisionszulassung gemäß §
160 Abs.
2 SGG sind nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §
197a Abs.
1 Satz 1
SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 GKG. Insoweit ist diese Entscheidung unanfechtbar. Die nachfolgende Rechtsmittelbelehrung bezieht sich allein auf die Entscheidung
in der Hauptsache.