Aufnahme als Mitglied bei einer Krankenkasse
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Eilverfahrens
Abgabe einer Wahlerklärung
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Aufnahme als Mitglied bei der Antragsgegnerin, insbesondere
ist streitig, ob bzw. in welcher Weise er (noch) gegenüber der Antragsgegnerin eine Wahlerklärung abzugeben hat.
Mit dem Beschluss des SG Stralsund vom 05. Juli 2019 – S 3 KR 212/19 ER – ist u. a. die Beigeladene im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren
verpflichtet worden, dem Antragsteller Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ohne die sich aus der Regelung des
§
16 Abs.
3a SGB V ergebenden Leistungsbeschränkungen zu gewähren. Nach einer summarischen Prüfung ist das Sozialgericht davon ausgegangen,
dass der Antragsteller weiter Mitglied der Beigeladenen ist und seine Mitgliedschaft seit dem 01. August 2015 als freiwillige
Versicherung gemäß §
188 Absatz
4 SGB V fortgeführt wird (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten den genauen Inhalt des vorgenannten Beschlusses vom 05. Juli 2019).
Die dagegen eingelegte Beschwerde hat der Senat mit seinem Beschluss als unbegründet zurückgewiesen und von einer weiteren
Begründung gemäß §
142 Abs.
2 Satz 3
SGG abgesehen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2019 hat das Sozialgericht auf die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage
den Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 27. Juni 2019 (zwecks Festsetzung der für die Vergangenheit erhobenen Beiträge
unter Beachtung der Rechtsauffassung) aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Letzteres deshalb, weil der dortige
Kläger – hier Antragsteller – als Mitglied in der freiwilligen Versicherung bei der Beigeladenen versichert sei. Unter Beachtung
der gesetzlichen Voraussetzungen könne er eine andere Krankenkasse frei wählen.
Die dagegen vom Antragsteller eingelegte Berufung ist unter dem Az. L 6 KR 127/19 anhängig.
Das Sozialgericht Stralsund hat mit seinem Beschluss vom 07. April 2020 den gegen dieselbe Antragsgegnerin gerichteten Antrag,
diese im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn als Mitglied aufzunehmen, abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen
auf den Beschluss des Sozialgerichts Stralsund vom 05. Juli 2019 (S 3 KR 212/19 ER) verwiesen. Es sei vom Antragsteller weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden, weil
er weiter freiwilliges Mitglied der Beigeladenen („der anderen Krankenkasse“) sei (vgl. wegen der weiteren Einzelheiten den
genauen Inhalt des vorgenannten Beschlusses vom 07. April 2020).
Die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 13. Juli 2020 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat
u. a. ausgeführt:
„Der Antragsteller hat zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin ihn als Mitglied aufnimmt.
… (Es) …besteht eine Mitgliedschaft des Antragstellers bei einer anderen KK. Bei dieser KK war der Antragsteller während des
Bezugs von Arbeitslosengeld II pflichtversichertes Mitglied. Diese Mitgliedschaft hat sich gemäß §
188 Abs.
4 S.1
SGB V auch nach dem Ende der Versicherungspflicht fortgesetzt, da der Antragsteller nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem entsprechenden
Hinweis der KK wirksam seinen Austritt erklärt hat…
Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorträgt, er habe das Recht, eine Krankenkasse zu wählen, ist dies grundsätzlich
zutreffend. Allerdings setzt ein Wechsel der KK voraus, dass der Versicherte sein Wahlrecht nach §
175 SGB V wirksam ausübt, was der Antragsteller vorliegend nicht glaubhaft gemacht hat.
Die wirksame Ausübung des Wahlrechts setzt zunächst eine Kündigung gegenüber der bisherigen KK voraus. Diese hat gemäß §
175 Abs.
4 S. 3
SGB V nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Mit der Kündigungsbestätigung wird zunächst nur der Eingang,
nicht aber die Wirksamkeit der Kündigung bescheinigt. Die Vorlage dieser Kündigungsbestätigung ist nach §
175 Abs.
4 S. 2
SGB V Voraussetzung für die Ausstellung einer Mitgliedsbescheinigung durch die neu gewählte KK. Die Mitgliedsbescheinigung ist
dann wiederum Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung gegenüber der bisherigen KK. Durch den gesetzlich hergestellten
Zusammenhang zwischen Kündigungsbestätigung durch die bisherige KK und der Mitgliedsbescheinigung der neuen Kasse wird die
Einhaltung der Bindungsfrist von 18 Monaten und die Nahtlosigkeit des Versicherungsschutzes bei einem Kassenwechsel gewährleistet
(vgl. Peters in Kassler Kommentar,
SGB V, März 2020, §
175 Rn. 40).
Die Antragsgegnerin hat vorliegend zu Recht die Ausstellung der Mitgliedsbescheinigung verweigert, da der Antragsteller eine
Kündigungsbestätigung seiner bisherigen KK nicht vorgelegt hat und sich darüber hinaus auch weigert, Angaben zu seiner bisherigen
KK gegenüber der Antragsgegnerin zu machen. Solange der Antragsteller den gesetzlich vorgegebenen Weg für einen Krankenkassenwechsel
jedoch nicht einhält, kann eine neue Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin nicht begründet werden…“
Darüber hinaus ist auch ein Anordnungsgrund nicht gegeben. Der Antragsteller ist weiterhin Mitglied seiner bisherigen Krankenkasse
und hat gegen diesen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit der Antragsteller behauptet, seine
bisherige KK schließe notwendige Behandlungen aus, hat er bereits nicht glaubhaft gemacht, dass sich seine bisherige KK trotz
der Entscheidung des Sozialgerichts Stralsund im Eilverfahren zum S 3 KR 213/19 weigert, entsprechende Leistungen ohne die sich aus der Regelung des §
16 Abs.
3a SGB V ergebenden Leistungsbeschränkungen zu erbringen…
Die vom Antragsteller dagegen gerichtete Anhörungsrüge blieb ohne Erfolg. Seine Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht
nicht zur Entscheidung angenommen.
Mit Faxsendung vom 23. Mai 2021 hat der Antragsteller Berufung gegen das ihm am 24. April 2021 zugestellte Urteil des Sozialgerichts
Stralsund vom 19. April 2021 – S 2 KR 60/20 – eingelegt, mit welchem der Antragsteller – dortige Kläger- seine Aufnahme als Mitglied in die Techniker Krankenkasse abgewiesen
hat. Die Voraussetzungen zur Ausübung des Wahlrechts gemäß §
175 Abs.
2 S. 1
SGB V hätten u. a. deshalb nicht vorgelegen, weil der Antragsteller keine Kündigungsbestätigung der Beigeladenen vorgelegt hätte.
Dagegen hat der Antragsteller Berufung – L 6 KR 38/21 – eingelegt.
Mit Faxsendung vom 30. Mai 2021 hat der Antragsteller den streitgegenständlichen Eilantrag („bzgl. Thema Festlegung der Techniker
GKV als neue GKV“) gestellt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 15. September 2021 eine unmittelbar an sie und nicht an das Gericht gerichtete
Wahlerklärung des Klägers – hier Antragsteller – verlangt, was sie weiter ausgeführt hat.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 14. Oktober 2021 ist dem Antragsteller folgender gerichtlicher Hinweis erteilt worden:
„…in Ihrem o. g. Verfahren weise ich darauf hin, dass die Frage, ob bislang eine den gesetzlichen Anforderungen genügende
Wahlerklärung (Wahl der Beklagten als Krankenkasse gemäß §
175 SGB V) abgegeben worden ist, nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten ist. Die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15. September
2021 geäußerte Rechtsauffassung ist jedenfalls nicht völlig abwegig…
In Ihrem eigenen Interesse kann daher nur dringend geraten werden, eine erneute und eindeutige Wahlerklärung unmittelbar gegenüber
der Beklagten abzugeben. Das kann sowohl schriftlich als auch zur Niederschrift in einer Geschäftsstelle der Beklagten geschehen.
Das wäre der einfachste und schnellste Weg, einen Wechsel von der AOK Nordost zu Beklagten zu erreichen. Die gleiche Möglichkeit
besteht selbstverständlich gegenüber jeder anderen bundesweit geöffneten gesetzlichen Krankenkasse.“
Der Antragsteller hat mit den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2021, 01. November 2021 und zuletzt mit seinem Schreiben vom 09.
Februar 2022 erklärt, er weigere sich, diesen für ihn einfacheren Weg zu beschreiten, seine Antragstellung gegenüber der Antragsgegnerin
sei als Willenserklärung und damit als Wahlerklärung gegenüber der Antragsgegnerin auszulegen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn als Mitglied aufzunehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es fehle bereits an einem Anordnungsgrund, weil der Antragsteller laufend krankenversichert sei. Zudem sei die Wahlerklärung
zwingend unmittelbar gegenüber der gewählten Krankenkasse, also ihr gegenüber abzugeben, was die Antragsgegnerin unter Hinweis
auf Nr. 4.1. der „Grundsätzlichen Hinweisen zum Krankenkassenwahlrecht vom 20. November 2020“ des GKV-Spitzenverbandes weiter
ausgeführt hat. Das Berufungsgericht sei keine „zur Meldung verpflichtete Stelle“ in diesem Sinne.
Mit Schreiben vom 10. Januar 2022 hat der Senat dem Antragsgegner nahegelegt, seine Wahlerklärung direkt gegenüber der Antragsgegnerin
abzugeben und sich zu diesem Zweck an diese zu wenden.
II.
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung gemäß §
86b Absatz
2 SGG war abzulehnen. Der Antrag ist evident unzulässig, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines gerichtlichen
Eilverfahrens fehlt. Der Antragsteller hat es selbst in der Hand, die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin
herbeizuführen und hierzu den aus Sicht des objektivierten Empfängerhorizonts einfacheren und schnelleren Weg zu beschreiten,
indem er seine Wahlerklärung unmittelbar gegenüber der Antragsgegnerin abgibt (vgl. schon zuletzt den Hinweis des Senats vom
10. Januar 2022). Deshalb bedarf es keiner gerichtlichen Entscheidung. Das Verhalten des Antragstellers stellt sich demgegenüber
als rechtsmissbräuchlich dar, insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, weshalb dem Antragsteller ein solches Vorgehen nicht
zuzumuten sein sollte.
Der Antrag des Antragstellers, ihm für die Durchführung des Eilverfahrens Prozesskostenhilfe zu gewähren, war aus den o. g.
Gründen mangels hinreichender Erfolgsaussichten (vgl. §
114 Satz 1 Halbsatz 2
ZPO i. V. m. §
73a SGG) abzulehnen, denn war schon kein gerichtlicher Rechtsschutz erforderlich, bedurfte es auch keiner anwaltlichen Vertretung
und keiner Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Lasten der Landeskasse.
Der Beschluss im Verfahren der einstweiligen Anordnung und der Beschluss auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind jeweils
nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, vgl. §
177 SGG.