Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung
Zulässigkeit der Vereinbarung von Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten ab dem
01.01.2004
Tatbestand
Streitig sind Honorarkürzungen betreffend die Quartale III/2011 bis II/2012 sowie IV/2012 i.H.v. insgesamt 13.187,65 EUR.
Der Kläger war ab Oktober 2008 mit Praxissitz in H zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beigeladene zu 1)
prüfte ab Mai 2012 von Amts wegen die Honorarabrechnungen des Klägers aus 2011 und ab Mai 2013 diejenigen aus 2012 auf Wirtschaftlichkeit.
Dabei zeigte sich, dass die Fallkosten des Klägers die durchschnittlichen Fallkosten im Bereich der Beigeladenen zu 1) um
21% bis zu 132 % überschritten. Der Kläger wandte ein, die vorgenommene Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten
sei nur noch in Ausnahmefällen zulässig. Im Bereich der Beigeladenen zu 1) sei dieses Prüfverfahren jedoch weiterhin die Regelprüfmethode,
was rechtlich unzulässig sei. Im Übrigen ständen seine weit unterdurchschnittlichen Fallzahlen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung
nach Durchschnittswerten von vornherein entgegen, da schwere und leistungsintensive Fälle besonders starke Auswirkungen auf
die Fallkosten zeitigten. Als "schwere Fälle" seien Patienten anzusehen, die den 3,5-fachen Falldurchschnitt im jeweiligen
Quartal erreichten oder überschritten. Der hohe Anteil solcher Fälle ergebe sich daraus, dass er 10 bis 20 Mal mehr Notdienstpatienten
betreut habe als Praxen der Vergleichsgruppe. Diese schweren und leistungsintensiven Fälle müssten als Praxisbesonderheit
gewertet und in jedem Einzelfall geprüft werden. Auch habe er die Indikation für Zahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng
gestellt; selbst bei umfangreich geschädigten Zähnen sei häufig noch eine Füllungstherapie möglich gewesen und habe den maßgeblichen
Behandlungsrichtlinien entsprochen. Durch die von ihm präferierten Füllungen sei es zu kompensatorischen Einsparungen bei
Kronen i.H.v. zumindest 25.333,88 EUR im Jahr 2011 und von 17.955,08 EUR im Jahr 2012 gekommen. Als kompensatorische Einsparung
sei für jede große Füllung zumindest der einfache Festzuschuss für eine Einzelkrone anzusehen.
Die Prüfungsstelle der Beigeladenen zu 1) kürzte das Honorar des Klägers für die Quartale der Jahre 2011 und 2012, soweit
die Kosten je Behandlungsfall den maßgeblichen Durchschnittswert um 80 % überschritten, insgesamt um 9.727,91 EUR (Beschluss
vom 04.02.2014). In den Quartalen II/2011 und III/2012 habe die Zahl der vom Kläger behandelten Patienten allerdings weniger
als 20 % der durchschnittlichen Behandlungsfallzahl der Vergleichsgruppe betragen und sei somit nicht ausreichend aussagekräftig
für eine Prüfung nach Durchschnittswerten gewesen. Diese Quartale seien daher nicht regressiert worden. Der Kläger legte gegen
den Beschluss Widerspruch ein und machte ergänzend geltend, die Prüfungsstelle habe es unterlassen, jedes Quartal gesondert
zu betrachten und zu bewerten. Auch die Krankenkassen widersprachen und vertraten die Ansicht, dass an den Nachweis von Praxisbesonderheiten
und kompensatorischen Einsparungen keine hinreichend strengen Anforderungen gestellt worden seien.
Auf Anforderung durch den Beklagten legte der Kläger Röntgenaufnahmen der Behandlungsfälle der Jahre 2011 und 2012 in Fällen
vor, in denen er Leistungen nach der Gebührennummer 56c abgerechnet hatte sowie die dazugehörigen Karteiaufzeichnungen. Weiter
reichte der Kläger Röntgenaufnahmen der Behandlungsfälle aus dem Quartal I/2011 zu den Akten, in denen Leistungen nach der
Gebührennummer 03 abgerechnet worden waren, sowie Karteiaufzeichnungen für den gesamten Prüfzeitraum. Schließlich übersandte
er Röntgenaufnahmen und Karteiaufzeichnungen der neun Behandlungsfälle aus dem Quartal I/2011, die von ihm als "schwere Fälle"
bezeichnet worden waren.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück und gab demjenigen der Krankenkassen teilweise statt, indem er das Honorar
des Klägers kürzte, soweit die Kosten je Behandlungsfall den Durchschnittswert im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 70 % überschritten.
Daraus ergab sich eine Regresssumme i.H.v. insgesamt 13.187,65 EUR (Beschluss vom 11.03.2015). Hierzu führte der Beklagte
aus: Die geringe Fallzahl des Klägers werde dadurch berücksichtigt, dass die Abrechnungen der Quartale II/2011 und III/2012
mangels ausreichend validen Zahlenmaterials von der statistischen Betrachtung und einem Regress ausgenommen würden. Wegen
der auch in den prüfbaren Quartalen stark unterdurchschnittlichen Fallzahl seien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen
Missverhältnis zudem höhere Toleranzen zuzubilligen. Weiter sei festzuhalten, dass der Honoraranteil "schwerer Fälle" im Quartal
I/2011 nicht - wie vom Kläger vorgetragen - 43 % seines Gesamthonorars ausgemacht habe, sondern lediglich 25,7 %. Die relativ
vielen "schweren Fälle" des Klägers könnten zudem Ausdruck von Unwirtschaftlichkeit sein. Nach den vorgelegten Unterlagen
stellten diese Fälle nach der Erfahrung der Ausschussmitglieder auch in Durchschnittspraxen "normale Fälle" dar. Gleichwohl
könne in geringem Umfang aufgrund der weit unterdurchschnittlichen Fallzahl des Klägers eine statistische Relevanz vorliegen,
die entsprechend zu würdigen sei. Die vielen Notdienstbehandlungen des Klägers seien hingegen keine Praxisbesonderheit, würden
jedoch im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Viele der Notdienstfälle hätten auch nur einen geringen Behandlungsaufwand
ausgelöst, was für Notdienstfälle typisch sei, da sich die Behandlungen auf Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung beschränkten;
sie dienten der statistischen "Verdünnung". Weiter stelle sich die Frage der Wirtschaftlichkeit, wenn der Kläger im Notdienst
nach Maßnahmen zur Schmerzbeseitigung ohne Ausnahme den Wurzelkanal aufbereitet und mittels medikamentöser Einlagen versorgt
habe, die Abschlussquote seiner endodontischen Behandlungen aber gerade einmal bei 13% gelegen habe bzw. bei 20%, wenn man
die Wurzelkanalaufbereitungen herausrechne, die er im Notdienst erbracht habe. Die durchschnittliche Abschlussquote aller
Zahnärzte habe im gleichen Zeitraum 75% betragen und dies ohne Bereinigung um Notdienstfälle. Der Kläger könne den Mehraufwand
bei von ihm vorgenommenen Füllungen auch nicht dadurch kompensieren, dass er auf ein Minus bei den Kosten für Überkronungen
verweise. Ein denkbarer Minderaufwand in diesem Bereich sei nicht kausal auf die vom Kläger eingebrachten großen Füllungen
zurückzuführen. Das wäre nur dann der Fall, wenn er als Behandler zwischen zwei Behandlungsmethoden hätte alternativ entscheiden
können; eine solche Wahlmöglichkeit sähen die Richtlinien zur Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen jedoch nicht vor. Zusammenfassend
sei festzustellen, dass sich die statistischen Fallkostenabweichungen durch die geltend gemachten Besonderheiten nur bedingt
erklären ließen. Nach den vorgenannten Feststellungen sei dabei von offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit auszugehen, wenn
die durchschnittlichen Fallkosten um 70% überschritten würden. Mit dieser Toleranz seien alle möglichen "Besonderheiten" abgegolten.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend geltend gemacht: Es sei unzulässig,
aus den Notdienstfällen für das Quartal I/2011 Rückschlüsse auf andere Quartale zu ziehen. Wegen der deutlich unterdurchschnittlichen
Fallzahlen und der überdurchschnittlichen Notdiensttätigkeiten sowie "schweren Fälle" hätte eine eigene Vergleichsgruppe gebildet
werden müssen. Bei Notdienstmaßnahmen sei der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass sich diese zwingend auf die Beseitigung
von Schmerzen zu beschränken hätten. Auch bestehe das angebliche Missverhältnis zwischen Wurzelkanalaufbereitungen und anschließender
Versorgung nicht. Bei der Frage, ob ein Zahn aufzubereiten sei, bestehe ein Beurteilungsspielraum. Es genüge die Prognose,
dass eine Aufbereitungsmöglichkeit eintreten könne. Schließlich habe der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis
lediglich pauschal heraufgesetzt. Damit sei das Maß der Heraufsetzung nicht nachvollziehbar. Eine ausreichende Begründung
fehle auch zur Qualität der Röntgenaufnahmen und zur Auslegung der Gebührennummer 56c.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1)
den am 29.04.2015 ausgefertigten Bescheid des Beschwerdeausschusses vom 11.03.2015 über Kürzung der Gesamtabrechnung und Vergütungsberechnung
in Höhe von 13.187,65 EUR wird aufgehoben und
2)
der Beklagte wird verpflichtet, auf seinen Widerspruch gegen den am 24.02.2014 ausgefertigten Bescheid zum Beschluss der Prüfungsstelle
vom 04.02.2014 den Regress durch die Prüfungsstelle vollständig aufzuheben und hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, seinen
Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend zum bisherigen Vortrag hat er darauf hingewiesen, dass die schlechte Qualität der Röntgenaufnahmen des Klägers keinen
Einfluss auf die Entscheidung gehabt habe. Die Sichtung von Einzelfällen habe lediglich der Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen
gedient.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.02.2016) und ausgeführt: Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche
Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 regele in § 6 Abs. 1 die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten. Dies stehe
im Einklang mit §
106 Abs.
2 Satz 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V), der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich
zulasse. Dem Beklagten habe für die Prüfung nach Durchschnittswerten in den regressierten Quartalen hinreichend sicheres Datenmaterial
zur Verfügung gestanden. Die niedrigen Fallzahlen seien bei der Festsetzung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis
berücksichtigt worden. Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung komme den Prüfgremien im Übrigen ein Beurteilungsspielraum zu, der
nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle unterliege. Diese beschränke sich auf die Prüfung, ob das Verwaltungsverfahren
ordnungsgemäß durchgeführt, der Sachverhalt richtig und vollständige ermittelt, die Auslegungsgrenzen unbestimmter Rechtsbegriffe
eingehalten und Subsumtionserwägungen so verdeutlicht worden seien, dass die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe
nachvollziehbar sei. Der Bescheid des Beklagten genüge diesen Anforderungen. So seien Praxisbesonderheiten zu Recht nicht
berücksichtigt worden. Bei ihnen handele es sich um solche Umstände, die aus der Zusammensetzung der Patienten herrührten,
sich auf das Behandlungsverhalten des Zahnarztes auswirkten und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender
Weise anzutreffen seien. Dabei sei es Aufgabe des geprüften Arztes, den durch die Feststellung eines offensichtlichen Missverhältnisses
erbrachten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen, indem er Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Minderaufwendungen
konkret darlege. Das sei dem Kläger nicht gelungen. Die von ihm benannten Notdienstbehandlungen seien keine Praxisbesonderheiten.
Solche Behandlungen würden auch in den Praxen der Vergleichsgruppe durchgeführt. Der Beklagte habe den Umstand indes zu Recht
im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Auch der vom Kläger geltend gemachte hohe Anteil "schwerer Fälle" sei
nicht als Praxisbesonderheit zu werten. Umstände, die die Annahme einer solchen Besonderheit rechtfertigen könnten, seien
nicht dargelegt worden. "Schwere Fälle" wie diejenigen des Klägers seien auch in den Praxen der Vergleichsgruppe vorhanden.
Auswirkungen dieser Fälle auf statistische Daten habe der Beklagte in seine Überlegungen einbezogen und bei der Festsetzung
der einzuräumenden Toleranz berücksichtigt. Hierfür habe eine gesicherte Grundlage dadurch bestanden, dass neun "schwere Fälle"
aus dem Quartal I/2011 ausgewertet worden seien. Auch bestehe kein kompensatorischer Minderaufwand bei Kronen aufgrund des
Umstandes, dass der Kläger Zähne ganz überwiegend verfüllt habe. Dabei sei davon auszugehen, dass auch die Zahnärzte der Vergleichsgruppe
nur dann überkronen, wenn die maßgeblichen Richtlinien hierfür erfüllt seien. Nach diesen Richtlinien bestände keine Wahlmöglichkeit
zwischen zwei Behandlungsmethoden, so dass durch eine vermehrte Fülltätigkeit kein kausaler Minderaufwand bei Kronen entstehen
könne. Der Beklagte habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt auch hinreichend von Amts wegen aufgeklärt, selbst wenn
die Röntgenaufnahmen des Klägers wegen ihrer schlechten Qualität teilweise nur unzulänglich haben ausgewertet werden können,
denn es sei keine Einzelfallprüfung erfolgt. Die auf § 6 Abs. 1 Satz 2 Prüfvereinbarung basierende Sichtung von Einzelfällen
im Rahmen der Prüfung nach Durchschnittswerten habe lediglich bezweckt, die durch die Statistikauswertung erlangten Erkenntnisse
zu ergänzen.
Das Urteil ist dem Kläger am 04.03.2016 zugestellt worden; er hat hiergegen am 04.04.016 Berufung eingelegt und vorgetragen:
Zu Recht mache er sein Klagebegehren nicht nur im Rahmen einer Neubescheidungsklage gelten, sondern auch als reine Anfechtungsklage.
So seien kompensatorische Einsparungen zu berücksichtigen, die den regressierten Betrag mehrfach überstiegen. Ein Beurteilungsspielraum
des Beklagten verbleibe daher nicht. Im Übrigen ergebe sich aus den Gesetzgebungsmaterialien zu §
106 SGB V unmissverständlich, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten auslaufen solle. Damit sei nicht zu vereinbaren, wenn die Prüfvereinbarung
der Beigeladenen zu 1) die Prüfung auf Grundlage von Durchschnittswerten weiterhin zur Regelprüfmethode erhebe. Dadurch würde
ihm als geprüftem Zahnarzt unzulässigerweise die objektive Beweislast dafür aufgebürdet nachzuweisen, wirtschaftlich gehandelt
zu haben. Weiter liege auch kein hinreichend aussagekräftiges Zahlenmaterial vor. Es müsse beachtet werden, dass bei ihm unterdurchschnittliche
Fallzahlen auf eine hohe Anzahl "schwerer Fälle" träfen. Praxisbesonderheiten könnten in einem solchen Fall nicht ohne nähere
Prüfung verneint werden. In den geprüften Quartalen hätten seine Fallzahlen zwischen 69 % und 79 % unter den maßgeblichen
Durchschnittswerten gelegen. Angesichts dieser Schwankungsbreite wäre es erforderlich gewesen, für jedes einzelne Quartal
eine gesonderte Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen. Auch habe er in seinem Widerspruch statistische Verzerrungen für jedes
Quartal gesondert aufgezeigt. Die Substantiierungslast dürfe nicht überspannt werden, da die Prüfgremien sachkompetent seien.
Der Beklagte sei somit von sich aus zu einer intellektuellen Prüfung bzgl. der statistischen Werte gehalten gewesen. Soweit
das SG die Ansicht vertrete, "schweren Fälle" wie beim Kläger seien auch in der Praxis der Vergleichsgruppe vorhanden, handele es
sich um reine Mutmaßungen. Das SG habe kausal-kompensatorische Einsparungen zudem zu Unrecht verneint. Es hätte die sich überschneidenden Indikationen zwischen
der Füllungstätigkeit und der Überkronungstätigkeit mittels eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen aufklären müssen.
Er - der Kläger - habe insoweit substantiiert zum Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft vorgetragen und insbesondere auf
die insoweit zwischen der Prüfungsstelle der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) und den Verbänden der Krankenkassen
getroffenen Vereinbarung zum Nachweis kompensatorischer Einsparung bei konservierendem Behandlungsmehraufwand hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 22.02.2016 abzuändern und den Beschluss des Beklagten vom 29.04.2015 aufzuheben,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers gegen den Beschluss der Prüfungsstelle vom 24.02.2014
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.
Sodann beantragt der Bevollmächtigte des Klägers hilfsweise,
zum Beweis der Tatsache, dass es zwischen Überkronungen und mehrflächigen Füllungen zahnmedizinisch sich überschneidende Indikationen
gibt, ein Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist auf den angefochtenen Beschluss und das Urteil des SG.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge
des Beklagten Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.02.2016 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses des Beklagten vom 29.04.2015. Dieser beschwert ihn nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Der Senat nimmt nach eigener Prüfung auf die Entscheidungen des Beklagten und des SG Bezug (§§
136 Abs.
3,
153 Abs.
1 und
2 SGG) und führt ergänzend aus:
I.
Das SG hat die mit dem Klage- und Berufungsantrag zu 2) erhobene reine Anfechtungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1 1. Alternative
SGG) zutreffend als unbegründet angesehen. Das folgt allerdings nicht bereits aus dem Umstand, dass dem Beklagten im Rahmen der
Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des klägerischen Handelns ein Beurteilungsspielraum zusteht. Denn der angefochtene Beschluss
könnte unabhängig von diesem, dem Beklagten zustehenden und von Gerichten nicht selbst ausfüllbaren Beurteilungsspielraum
rechtswidrig sein. Ein solcher Fall liegt indes nicht vor; insbesondere gibt es keine kompensatorischen Einsparungen, die
die Regresssumme übersteigen (vgl. II. 2. c. dd.). Die danach allein in Betracht kommende besondere Verpflichtungsklage in
Form der Bescheidungsklage (Berufungsantrag zu 2.; §
54 Abs.
1 Satz 1 2. Alternative
SGG) ist zwar zulässig aber unbegründet (vgl. II.).
II.
1. Rechtsgrundlage für die streitigen Honorarkürzungen ist §
106 SGB V. Nach Abs.
1 dieser Vorschrift überwachen die Krankenkassen und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Wirtschaftlichkeit der vertrags(zahn)ärztlichen
Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Gemäß §
106 Abs.
2 Satz 1 Nr.
1 und
2 SGB V in der Fassung vom 22.12.2010, gültig vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2016, wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch
arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina (Auffälligkeitsprüfung)
oder durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen
Stichproben, die mindestens 2 % der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung), geprüft. Die Landesverbände der Krankenkassen
und die Ersatzkassen konnten jedoch gemeinsam mit den Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen über diese Prüfmethoden hinaus
Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen weiterhin nach Durchschnittswerten vereinbaren (§
106 Abs.
2 Nr.
2 Satz 4 Halbsatz 1
SGB V). Die für den Bereich der Beigeladenen zu 1) maßgebliche Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 regelte in § 6 Abs. 1 die Prüfung
der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten als Regelfall.
a) Dies stand im Einklang mit dem Wortlaut des §
106 Abs.
2 Nr.
2 Satz 4
SGB V in der bis zum 31.12.2016 gültigen Fassung, der diese Prüfmethode auch für die Zeit ab dem 01.01.2004 aufgrund entsprechender
vertraglicher Vereinbarungen ausdrücklich zuließ. Eine Rangfolge der verschiedenen Prüfmethoden oder ein Verbot, in der Regel
anhand von Durchschnittswerten zu prüfen, war dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Daher konnten die Vertragspartner vereinbaren,
dass diese Prüfmethode (weiterhin) als Regelprüfmethode anzuwenden ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.04.2008 - B 6 KA 34/07 -; Senat, Urteil vom 17.12.2014 - L 11 KA 46/14 -; Urteil vom 22.10.2014 - L 11 KA 21/11 -; Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -; Clemens in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
106 Rn. 45; Wehebrink in BeckOK-
SGB V, 50. Edition, Stand 01.06.2018, §
106 Rn. 1; kritisch ohne rechtliche Begründung: u.a. Hess in KassKomm-
SGB V, 101. EL, September 2018, §
106 Rn. 17).
b) Die Vereinbarung von Prüfungen nach Durchschnittswerten war und ist auch sachgerecht, denn sie brachte und bringt hohen
Erkenntniswert bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand (st. Rspr. des BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R - m.w.N.; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -; Clemens in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
106 Rn. 161).
c) Auf die vom Kläger zu seinen Gunsten ins Feld geführten Gesetzesmaterialien kommt es nicht entscheidend an, denn primäres
Auslegungskriterium für die Norminterpretation ist der Gesetzeswortlaut. Die Grenze des möglichen Wortsinns ist zugleich die
Grenze der Auslegung (Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Auflage, 2006, S. 47; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss
vom 20.10.1992 - 1 BvR 698/89 -; Senat, Urteil vom 15.05.2013 - L 11 KA 45/12 -). Für einen Ausschluss der Prüfung nach Durchschnittswerten gab der Wortlaut des §
106 Abs.
2 SGB V in der Fassung vom 22.12.2010 jedoch nichts her.
Im Übrigen ergibt sich auch aus der sog. historischen Auslegung nicht, dass die Prüfvereinbarung der Beigeladenen zu 1) in
Bezug auf die regelhafte Prüfung mittels Durchschnittswerten (§ 6 Abs. 1 Prüfvereinbarung vom 20.11.2007 nach §
106 Abs.
2 Nr.
2 Satz 4
SGB V) oder gar die Prüfung als solche rechtswidrig war. So heißt es in der Bundestagsdrucksache 15/1525 S. 114 u.a.:
"In der Neuformulierung der Regelung entfällt die bisherige arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen
nach Durchschnittswerten als verpflichtende Vorgabe und wird in die Entscheidungskompetenz der Vertragspartner übertragen
(vgl. Doppelbuchstabe dd). Diese Prüfungsart wird damit zwar erhalten bleiben, jedoch künftig nachrangig sein. Die von den
Prüfdiensten durchgeführte Untersuchung hat bestätigt, dass die Durchschnittsprüfung ein qualitativ minderwertiges Prüfungsverfahren
ist, da es ausschließlich auf statistischen Auffälligkeiten basiert und verdeckte Unwirtschaftlichkeiten nicht erkennbar werden.
Insbesondere können die einzelnen Arztgruppen durch ihr Leistungs- und Verordnungsverhalten die Höhe der Durchschnittswerte
- und damit der Kriterien zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit - nachhaltig beeinflussen. Die Abschaffung der Pflicht zur
Durchführung der Durchschnittsprüfungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen soll der Selbstverwaltung der Ärzte und
Krankenkassen einen Impuls geben, den gesetzlich vorgegebenen Übergang zu anderen Prüfungsformen, insbesondere zu den qualitätsorientierten
Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (Zufälligkeitsprüfungen) in dem gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang
(Stichprobe von 2 vom Hundert der Ärzte pro Quartal) ohne weitere Verzögerungen durchzuführen."
Der Gesetzesbegründung ist somit zunächst zu entnehmen, dass die arztbezogene Prüfung ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten
"erhalten bleibt" und der "Entscheidungskompetenz der Vertragspartner" der Vertragspartner übertragen wird, die hiervon in
§ 6 Abs. 1 Prüfvereinbarung Gebrauch gemacht haben. Weiter ist der Bundestagsdrucksache zu entnehmen, dass der Gesetzgeber
mit dem "Nachrang" der Prüfung nach Durchschnittswerten nicht einzelne von solchen Prüfungen betroffene Vertrags(zahn)ärzte
vor unberechtigten Regressen schützen wollte. Vielmehr sollten durch die gesetzlich in den Vordergrund gerückten Auf- und
Zufälligkeitsprüfungen selbst "verdeckte" Unwirtschaftlichkeiten offengelegt werden, die bei Prüfungen (allein) nach Durchschnittswerten
unentdeckt bleiben. Auch sollte durch neue Prüfverfahren dem Umstand entgegengewirkt werden, dass Arztgruppen durch einheitlich
unwirtschaftliches Handeln die Grenze der Auffälligkeit einer Prüfung nach Durchschnittswerten nachhaltig nach oben verschieben.
All dies stützt das Begehren des Klägers nicht.
2. Somit hat der Beklagte zu Recht nach Durchschnittswerten geprüft und mit Beschluss vom 29.04.2015 in nicht zu beanstandender
Weise im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums angenommen, dass die vertragszahnärztlichen Leistungen des Klägers
unwirtschaftlich i.S.d. §
106 SGB V sind, soweit seine Fallkosten die durchschnittlichen Fallkosten im Bereich der Beigeladenen zu 1) um 70% und mehr überschritten.
Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich insoweit auf die ordnungsgemäße Durchführung des Verwaltungsverfahrens, die richtige
und vollständige Ermittlung des Sachverhalts sowie auf die Frage, ob der Beklagte die durch die Auslegung des unbestimmten
Rechtsbegriffs Wirtschaftlichkeit ermittelten Grenzen eingehalten und seine Subsumtionserwägungen so verdeutlicht hat, dass
die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 30.11.1994 - 6 RKa 16/93 -). All dies ist hier - wie vom SG dargelegt - geschehen. Der Beschluss des Beklagten leidet insbesondere nicht an den vom Kläger mit der Berufung weiter geltend
gemachten Fehlern.
a) Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung vom richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen.
Ihm stand zur Prüfung nach Durchschnittswerten insbesondere hinreichend sicheres statistisches Datenmaterial zur Verfügung.
Die Gruppe der Vertragszahnärzte der Beigeladenen zu 1) ist ausreichend groß und in ihrem Abrechnungsverhalten homogen. Die
Bildung einer besonderen Vergleichsgruppe war aus diesem Grund nicht erforderlich Die unterdurchschnittlichen Fallzahlen des
Klägers stehen der Verwendung der Statistiken nicht entgegen. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit ärztlicher und ärztlich verordneter
Leistungen nach Durchschnittswerten ist nur dann ausgeschlossen, wenn die Fallzahl des geprüften Arztes 20 % des Fallzahldurchschnitts
der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle nicht erreicht (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 17/11 R -; Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Clemens in jurisPK-
SGB V, 3. Auflage, 2016, §
106 Rn. 173). Diesen Vorgaben hat der Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass er die Quartale II/2011 und III/2012, in denen
die Fallzahlen des Klägers unter der Grenze von 20 % lagen, von der statistischen Prüfung und dem Regress ausgenommen hat.
Die niedrigen Fallzahlen der klägerischen Praxis auch in den übrigen Quartalen hat der Beklagte bei der Festsetzung der Grenze
zum offensichtlichen Missverhältnis im Rahmen der intellektuellen Prüfung berücksichtigt. Mehr oder anderes musste er nicht
tun, insbesondere keine Einzelfallprüfung vornehmen. Das Gebot, effektiv Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen, erfordert
vielmehr, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von zumindest 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit
als gegeben annehmen dürfen (BSG, Urteil vom 21.03.2012 - B 6 KA 18/11 R -; Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R -).
b) Entgegen der Argumentation des Klägers hat der Beklagte die Unwirtschaftlichkeit für jedes regressierte Quartal einzeln
geprüft (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 6 RKa 1/97 -). So hat er für die Quartale der Jahre 2011 und 2012 die durchschnittlichen Kosten je Behandlungsfall des Klägers und der
übrigen Vertragszahnärzte der Beigeladenen zu 1) ermittelt. Aus der Gegenüberstellung dieser Zahlen ergab sich, dass die durchschnittlichen
Fallkosten des Klägers diejenigen der übrigen Vertragszahnärzte in den Quartalen III und IV/2011, I, II sowie IV/2012 um 70%
und mehr überstiegen. Sie lagen somit in jedem einzelnen regressierten Quartal oberhalb der vom Beklagten im Rahmen des ihm
zustehenden Beurteilungsspielraums fehlerfrei angenommenen Grenze zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit. Damit verbunden
war der Beweis des ersten Anscheins, dass der Kläger in diesen Quartalen vertragszahnärztliche Leistungen unwirtschaftlich
erbracht hat (BSG, Urteil vom 21.05.2003 - B 6 KA 32/02 R -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -).
c) Die vom Kläger angenommenen Praxisbesonderheiten liegen nicht vor. Bei ihnen handelt es sich um Umstände, die in der Patientenstruktur
liegen und nicht arztbezogen sind; sie rühren aus der Zusammensetzung der Patienten her, wirken sich auf das Behandlungsverhalten
des Zahnarztes aus und sind in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen (BSG, Urteil vom 23.02.2005 - B 6 KA 79/03 -; Urteil vom 06.09.2000 - B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es Sache des geprüften Arztes, den durch die Feststellung des offensichtlichen Missverhältnisses erbrachten
Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit seines Verhaltens durch Praxisbesonderheiten oder kompensatorischen Minderaufwendungen
zu widerlegen. Ihn trifft hinsichtlich dieser Einwendungen die Darlegungslast (BSG, Urteil vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Seiner Mitwirkungspflicht hat der Vertrags(zahn)arzt grundsätzlich bereits im Verwaltungsverfahren zu genügen; er erfüllt
sie nur dann, wenn er konkret darlegt, bei welchem der von ihm behandelten Patienten, aufgrund welcher Erkrankungen welcher
Mehraufwand erforderlich gewesen ist (vgl. zum Ganzen: Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -). Dies bedeutet nicht, dass der (Zahn-) Arzt alle Einzelfälle - nach Art einer Einzelprüfung - anführen und medizinisch
erläutern muss; es genügt, strukturell die methodischen Zusammenhänge und die medizinische Gleichwertigkeit darzulegen. Gelingt
das nicht, geht dies zu Lasten des (Zahn-) Arztes (Senat, Urteil vom 17.12.2014 - L 11 KA 46/14 -).
aa) Die geringen Fallzahlen des Klägers stellen danach keine Praxisbesonderheit dar. Es fehlt an Umständen, aus denen ein
besonderer Behandlungsbedarf seiner Patienten herrührt (sog. Morbiditätsstruktur). Eine unterdurchschnittliche Fallzahl ist
im Übrigen bei der statistischen Vergleichsprüfung grundsätzlich irrelevant. Da beim statistischen Wirtschaftlichkeitsbeweis
nicht die Gesamtkosten, sondern nur die Kosten pro behandeltem Patienten gegenübergestellt werden. Somit muss all das als
Vergleichsumstand unberücksichtigt bleiben, was die Patientenzahl betrifft (vgl. Senat, Urteil vom 18.05.2011 - 11 KA 11/10
-; Beschluss vom 17.07.1996 - L 11 Ka 55/96 -).
Die geringe Fallzahl kann daher allenfalls im Rahmen der sog intellektuellen Prüfung berücksichtigt werden. Ob das überhaupt
erforderlich ist, kann dahinstehen, da der Beklagte diesen Umstand berücksichtigt hat. Im angefochtenen Beschluss heißt es
insoweit:
"Wegen der auch in den prüfbaren Quartalen stark unterdurchschnittlichen Fallzahl sind hier bei der Festsetzung der Grenze
zum offensichtlichen Missverhältnis höhere Toleranzen zuzubilligen."
Eine mathematische Formel, nach der bei unterdurchschnittlichen Fallzahlen zuzubilligenden "Toleranzen" ermittelt werden können,
existiert nicht. Die richterliche Kontrolle beschränkt sich daher auch insoweit auf die Prüfung, ob der Beklagte den entscheidungserheblichen
Sachverhalt - die klägerischen durchschnittlichen Fallkosten und diejenigen der übrigen Vertragszahnärzte - richtig und vollständig
ermittelt hat, und ob er seine Subsumtionserwägungen im Rahmen des Möglichen so verdeutlicht und begründet hat, dass sie nachzuvollziehen
sind (BSG, Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 -; Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 10/11 -). Das ist der Fall.
bb) Auch die vom Kläger ins Feld geführten "schweren Fälle" - Fälle, bei denen er den 3,5fachen Falldurchschnitt abgerechnet
hat - stellen keine Praxisbesonderheit dar. Mit ihnen benennt der Kläger keine Umstände, aus denen ein besonderer Behandlungsbedarf
seiner Patienten herrührt (sog. Morbiditätsstruktur der Patienten). Höhe bzw. Umfang der Abrechnungen eines Vertrags(zahn)arztes
können bei der statistischen Vergleichsprüfung grundsätzlich nicht klären, ob sich der (Zahn-) Arzt wirtschaftlich verhalten
hat. Schließlich soll gerade festgestellt werden, ob dieses Abrechnungsverhalten auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen oder
im Rahmen der intellektuellen Prüfung zu berücksichtigen und damit (noch) wirtschaftlich ist. Somit muss all das als Vergleichsumstand
unberücksichtigt bleiben, was das Abrechnungsverhalten des geprüften Vertrags-(zahn)arztes betrifft. Wäre das Abrechnungsverhalten
des Klägers zu prüfen, ergäbe sich daraus nur, dass er deutlich umfangreicher abgerechnet hat als die Vertrags(zahn)ärzte
der Vergleichsgruppe. Das begründet den Anscheinsbeweis einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise, den der Kläger gerade zu
widerlegen hat (Senat, Urteil vom 18.05.2011 - L 11 KA 11/10 -).
cc) Weiter stellen die Notdienste keine Praxisbesonderheit dar, die die überdurchschnittlich hohen Fallkosten des Klägers
in den geprüften Quartalen erklären könnten. Es ist schon fraglich, ob mit dem bloßen Hinweis auf die überdurchschnittlich
oft verrichteten Notdienste überhaupt etwas zur Zusammensetzung der Patienten gesagt wird, was sich auf das Behandlungsverhalten
des Zahnarztes auswirkt und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen ist. Selbst wenn
man dies zugunsten des Klägers unterstellen würde, so würde ihm das nicht weiterhelfen. Die Behandlung von Notfallpatienten
umfasst nämlich im Regelfall nur die notwendigen Leistungen zur Schmerzbehandlung. Abgerechnet werden daher zumeist weniger
Punkte je Fall als bei Nichtnotfallpatienten. Das hat der Beklagte hier konkret für das Quartal I/2011 und die Vergleichsgruppe
festgestellt und darauf hingewiesen, dass der Kläger sogar noch weniger Leistungen bei Notfalldiensten je Fall abgerechnet
hat als die Vergleichsgruppe. Es fehlten Anhaltspunkte dafür, dass dies in anderen Quartalen anders gewesen sein könnte. Auch
vom Kläger ist das nicht vorgetragen worden, insbesondere nicht - wie grundsätzlich erforderlich - im Verwaltungsverfahren.
dd) Zu Recht haben der Beklagte und das SG eine Kausalität zwischen den Füllungsleistungen des Klägers und möglicherweise unterdurchschnittlichen Kosten im Bereich
von Überkronungen im Sinne eines kompensatorischen Minderaufwands verneint. Darauf wird verwiesen (§§
136 Abs.
3,
153 Abs.
1 und
2 SGG).
Mit seiner Stellungnahme vom 24.07.2012 hat der Kläger hierzu im Verwaltungsverfahren ausgeführt:
"Wenn die Möglichkeit vorhanden ist, einen Zahn noch mit einer Füllung zu erhalten, um die Erhaltung des Zahnes mit einer
Krone hinausschieben zu können, ist mit den heutigen Mitteln selbst für umfangreich geschädigte Zähne häufig noch eine Füllungstherapie
möglich, was ich dann auch versuche. Ich stelle die Indikation für Einzelzahnversorgungen mit Einzelkronen sehr eng, da bekannt
ist, dass die Versorgung mit Zahnkronen wirtschaftlich teurer ist als die Therapie eines Zahnes mit Füllungen. Hier richtet
sich meine Praxis aus an den Behandlungsrichtlinien ".
Dieses Vorbringen hat er mit Stellungnahme vom 30.01.2014 wiederholt.
Danach gab es nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Klägers in den von ihm behandelten Fällen der Jahre 2011 und 2012,
in denen zahnerhaltend mittels "großer Füllungen" behandeln werden konnte und wurde, kein Alternativverhalten. Insbesondere
hätte er trotz bestehender Möglichkeit zur zahnerhaltenden Behandlung mittels solcher Füllung nicht (einfach) überkronen dürfen.
Damit fehlt es an jedoch einem rechtmäßigen Alternativverhalten, gegenüber dem er mit seiner Behandlungsweise kompensatorische
Einsparungen erreichen konnte.
Nach diesem Vorbringen des Klägers kam es nicht auf das Ergebnis des von ihm als Berufungsantrag zu 3) hilfsweise gestellten
Beweisantrags (" zum Beweis der Tatsache, dass es zwischen Überkronungen und mehrflächigen Füllungen zahnmedizinisch sich
überschneidende Indikationen gibt, ein Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen einzuholen.") an. Der Kläger hat
nicht behauptet, bei (fast) allen oder zumindest bei konkret benannten Behandlungsfällen mit "großen Füllungen" habe es sich
um Zweifelsfälle gehandelt, in denen er nicht sicher beurteilen konnte, ob eine Zahnerhaltung mittels einer solchen Füllung
noch möglich war oder ob es hierfür (zwingend) bereits einer Überkronung bedurfte, so dass grundsätzlich beide Behandlungsweisen
rechtmäßig gewesen wären. Dass es solche Zweifelsfälle geben kann, ist im Übrigen gerichtsbekannt, so dass auch aus diesem
Grund hierüber kein Beweis zu erheben war. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Zahnärzte der Vergleichsgruppe - ebenso
wie der Kläger - nur dann die Versorgung mit einer Krone vornehmen, wenn die maßgeblichen Richtlinien für eine solche Versorgung
erfüllt sind.
Nichts anderes folgt daraus, dass in Bayern die Prüfungsstelle in Absprache mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns
(KZVB) und den Verbänden der Krankenkassen in Bayern nach dem Vortrag des Klägers einen anderen Lösungsweg vereinbart haben.
Danach könne ein Zahnarzt im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung Praxisbesonderheiten nachweisen, die eine kompensatorische
Einsparung bei konservierendem Behandlungsmehraufwand beträfen. Dabei werde den dortigen Prüfgremien empfohlen, zu den absoluten
Werten des Leistungsnachweises Zahnersatz einen "Sicherheitszuschlag" bei der Ermittlung des Anscheins von kompensatorischen
Einsparungen im Kronenbereich zu berücksichtigen. Diese Regelung ist zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits
nicht anwendbar. Hinzu kommt: Wenn sicher feststände, dass im Zweifel eine Füllung gegenüber einer Krone immer wirtschaftlicher
sei, so müsste auch in Bayern hierzu nichts vereinbart werden, sondern dies würde bereits nach den allgemeinen Behandlungsrichtlinien
gelten. Tatsächlich ist das nicht der Fall. Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die KZVen und
Krankenkassen in den 15 anderen Bundesländern offenbar anderer Auffassung sind als die Vertragspartner in Bayern und daher
entsprechende Regelungen nicht getroffen haben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Absatz
1 Satz 1
SGG i.V.m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits auch in zweiter Instanz zu tragen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 SGG).