Fallwertbezogene Budgetierung der Vergütung spezieller Laborleistungen
Heilung einer mangelhaften Entscheidung
Verhältnis von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund
Gründe
I.
Streitig ist die fallwertbezogene Budgetierung der Vergütung der speziellen Laborleistungen nach Kapitel 32.3 des Einheitlichen
Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM) nach Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Die Antragstellerin zu 1) ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ), in dem der Antragsteller zu 3), Facharzt für Innere
Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie und Zusatzbezeichnung Allergologie, sowie Dr. T, Fachärztin für Innere Medizin mit Schwerpunkt
Pneumologie, und Dr. B (vormals Antragstellerin zu 2)), Fachärztin für Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Allerlogie,
als angestellte Ärzte tätig sind. Dr. B und der Antragsteller zu 3) sind zur Abrechnung spezieller Laboruntersuchungen nach
Kapitel 32.3 EBM berechtigt.
Nach Teil E Nr. 3.4 der Vorgaben der KBV zur Honorarverteilung gemäß §
87b Abs.
4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) unterliegen die Kostenerstattungen für spezielle Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM bei "Nicht-Laborärzten"
einer fallwertbezogenen Budgetierung. Die Höhe des Budgets ergibt sich aus dem Produkt des für die Arztgruppe vorgegebenen,
mit einer bundeseinheitlichen Abstaffelungsquote multiplizierten Referenzfallwertes, der für Pneumologen 4,00 EUR beträgt,
und der Zahl der Behandlungsfälle. Die Antragsgegnerin hatte diese Vorgaben zunächst nicht umgesetzt. Vielmehr sah der Honorarverteilungsmaßstab
(HVM) für die Quartale III/2013 und IV/2013 für die Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie
einen nordrheinischen Referenzfallwert von 25,09 EUR vor. Der zum 01.10.2013 in Kraft getretene HVM überträgt mittels § 7
Abs. 2b mit Wirkung zum 01.01.2014 den bundeseinheitlichen Referenzfallwert von 4,00 EUR auf den Zuständigkeitsbereich der
Antragsgegnerin.
Die Anträge auf Aussetzung bzw. Anpassung der Mengenbegrenzung im Speziallabor nach Kap. 32.3. EBM des Antragstellers zu 3)
und der vormaligen Antragstellerin zu 2) beschied die Antragsgegnerin mit Bescheiden vom 15.01.2014 dahin, dass ab dem 01.01.2014
für Leistungen des Speziallabors (Kap. 32.2 EBM) ein individueller Fallwert in Höhe von 6,90 EUR zugestanden wurde.
Diesen Bescheiden widersprachen die Antragsteller am 17.02.2014. Am 19.03.2014 haben sie beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben vorgetragen: Das MVZ habe sich auf die Behandlungsgebiete
der Pneumologie und Allergologie spezialisiert. Insofern habe es sich als hochspezialisiertes Einsendelabor für spezielle
Laborleistungen nach Kap. 32.3 EBM für ca. 1.000 Einsender aus ganz Deutschland entwickelt. Hierbei würde seit dem Quartal
I/2012 pro Quartal ein Honorar von durchschnittlich 50.867,46 EUR an Laboranalysekosten für selbst erbrachte Leistungen angefordert.
Die Reduzierung des Laborfallwertes lasse Honorarverluste von durchschnittlich 35.704,53 EUR pro Quartal befürchten. Das bedrohe
die Existenz des MVZ.
Die Antragsteller haben beantragt,
1.
die fallwertbezogene Budgetierung der Vergütung der speziellen Laborleistungen nach Kapitel 32.3 des EBM nach Maßgabe der
KBV-Vorgabe (dort Teil E. Ziff. 3.4) bezüglich der Antragsteller zu 1) bis 3) bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits
in der Hauptsache auszusetzen,
hilfsweise,
2.
den Antragstellern zu 1) bis 3) hinsichtlich der Budgetierung der Vergütung der speziellen Laborleistungen nach Kapitel 32.3
des EBM nach Maßgabe der KBV-Vorgabe (dort Teil E. Ziff. 3.4) bezüglich der Antragsteller zu 1) bis 3) bis zur rechtskräftigen
Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache einen angemessenen Referenzfallwert, mindestens aber einen Referenzfallwert
von 22,22 EUR, zuzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Anordnungsgrund und -anspruch seien nicht gegeben. Die durchschnittlichen Honoraranforderungen der Antragstellerin zu 1) für
Leistungen im Speziallabor nach Kap. 32.3 EBM lägen bei lediglich ca. 39 % der Gesamthonoraranforderung pro Quartal. Die befürchteten
wirtschaftlichen Nachteile ließen sich durch eine Leistungsverlagerung in die Kernbereiche der Fachgebiete der Antragsteller
zu 2) und 3) kompensieren.
Mit Beschluss vom 13.05.2014 hat das SG dem Antrag insoweit stattgegeben, als es die Antragsgegnerin verpflichtet hat, der Vergütung der speziellen Laborleistungen
(Kap. 32.3 EBM) der Antragsteller bezüglich des Antragstellers zu 3) über den 31.12.2013 hinaus den bis zu diesem Zeitpunkt
maßgeblichen Referenzfallwert von 25,09 EUR zugrunde zu legen. Weiter hat das SG tenoriert: "Diese Verpflichtung endet mit der Erteilung von Bescheiden über die Widersprüche der Antragstellerin zu 2) und
des Antragstellers zu 3) gegen die Bescheide vom 15.01.2014."
Im Übrigen hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Antragsteller hätten eingeschränkten
Anspruch auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Die Voraussetzungen einer Regelungsanordnung gemäß §
86b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) lägen insofern vor, als die Antragsgegnerin bei der Honorarfestsetzung ab dem Quartal I/2014 hinsichtlich des Antragstellers
zu 3) bis zum Abschluss der Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 15.01.2014 den nordrheinischen Laborfallwert von
25,09 EUR zugrunde zu legen habe. Der mit der Reduzierung des Referenzfallwertes ab dem Quartal I/2014 zu erwartende Honorarrückgang
bzw. Umsatzeinbruch erreiche prognostisch eine Größenordnung, die das Vorbringen der Antragsteller zu dessen Auswirkungen
auf die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Praxisbetriebes in der bisherigen Struktur ohne Weiteres nachvollziehbar erscheinen
lasse. Führe die Reduzierung des Referenzfallwertes dazu, dass die Antragsteller genötigt seien, die Praxisstruktur insbesondere
hinsichtlich des vorgehaltenen Labors anzupassen und die ärztlichen Tätigkeitsfelder der Antragsteller zu 2) und 3) inhaltlich
neu auszurichten, so sei dies wegen der durch Art.
12 Abs.
1 und 14 Abs.
1 GG geschützten Rechtspositionen als wesentlicher, gegenwärtig nicht hinnehmbarer Nachteil zu werten. Auch ein Anordnungsanspruch
sei hinreichend dargetan. Die Bescheide der Antragsgegnerin vom 15.01.2014 gestünden den Antragstellern zu 2) und 3) zwar
erhöhte individuelle Laborfallwerte zu. Die Begründungen enthielten jedoch keinerlei nachvollziehbare und überprüfbare Berechnungen
oder Tatsachengrundlagen, die den Schluss ermöglichten, dass dem Versorgungsbedarf mit den zugestandenen individuellen Fallwerten
ausreichend Rechnung getragen werde. Sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach sei davon auszugehen, dass der Zuordnung eines
nordrheinspezifischen Referenzfallwertes für die Gruppe der Pneumologen in den Quartalen III/2013 und IV/2013 in Höhe von
25,09 EUR sachgerechte und am Bedarf orientierte Erwägungen zugrunde gelegen hätten. Deshalb sei es hinsichtlich des Antragstellers
zu 3) als Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie gerechtfertigt, vorläufig die Fortgeltung dieses nordrheinischen
Fallwertes anzuordnen. Anders verhalte es sich hinsichtlich der Antragstellerin zu 2). Für Ärzte mit Zusatzbezeichnung Allergologie
habe der HVM bisher keinen nordrheinischen Referenzfallwert vorgesehen. Die Erhöhung des bundesweiten Referenzfallwertes von
4,00 EUR auf einen individuellen Laborfallwert von 6,30 EUR reiche daher einstweilen aus, zumal dieser oberhalb des nordrheinischen
Referenzfallwertes von 4,48 EUR für Dermatologen liege, die nach entsprechender Weiterbildung ebenfalls die Zusatzbezeichnung
Allergologie führen könnten. Eine gänzliche Aussetzung der fallwertbezogenen Budgetierung der Vergütung der speziellen Laborleistungen
nach Kap. 32.3 des EBM sei nicht in Betracht gekommen. Innerhalb des Rechtsfolgenkataloges der Ausnahmeregelung nach Ziffer
3.4.5 der KBV-Vorgaben stelle die Aussetzung die am weitesten gehende Maßnahme dar. Für eine dahin gehende Anordnung bestehe
im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes kein Anlass. Die Antragsteller hätten ihre Widersprüche gegen die Bescheide vom 15.01.2014
inhaltlich bisher noch nicht begründet. Erst die nähere Prüfung des konkreten Abrechnungsbildes des MVZ unter Einbeziehung
der Frequenzen und Diagnosen, ggf. nach entsprechenden Ermittlungen, sowie unter Beachtung der gesetzlichen Zielsetzung der
KBV-Vorgaben werde ergeben, ob und inwieweit die bisher zugestandenen individuellen Laborfallwerte ggf. unzureichend sein
könnten. Dieses Ergebnis könne nicht vorweggenommen werden, indem jetzt schon die maximale Rechtsfolge - und sei es auch nur
vorübergehend - ausgesprochen werde. Insgesamt habe daher Veranlassung bestanden bis zu einer Entscheidung über die Widersprüche
gegen die Bescheide vom 15.01.2014 dem Rechtsschutzbegehren der Antragsteller im tenorierten Umfang stattzugeben.
Diese Entscheidung greifen die Antragsgegnerin und die Antragsteller mit der Beschwerde an.
Mit ihrer am 21.05.2014 und damit fristgerecht eingegangenen Beschwerde trägt die Antragsgegnerin vor: Soweit das SG einen Anordnungsgrund annehme, könne dem nicht gefolgt werden. Eine Prognose müsse umfänglich erfolgen. Die Darlegungen der
Antragstellerin seien hingegen lückenhaft, nicht schlüssig und nicht glaubhaft gemacht. Es fehle jeglicher Vortrag zum Umsatz
aus privatärztlicher Tätigkeit. Die Angaben zum durchschnittlichen Jahresgewinn 2012 sowie zur Kausalität zwischen Existenzgefährdung
und angegriffener Maßnahme bei einem durchschnittlichen Jahresgewinn von 27.500,00 EUR seien nicht nachvollziehbar. Die Antragsteller
hätten nicht dargelegt, personelle und organisatorische Effizienzoptimierungsmaßnahmen ausgeschöpft zu haben, unmittelbar
von Insolvenz bedroht zu sein oder die Schließung oder doch nennenswerte Einschränkungen ihres Praxisbetriebes befürchten
zu müssen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 1) bereits heute nahezu 2/3 ihres Leistungsgeschehens
in anderen Bereichen als dem Speziallabor abdecke. Die Antragstellerin zu 2) und der Antragsteller zu 3) seien als Fachärztin
für Allgemeinmedizin bzw. als Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Pneumologie, beide mit der Zusatzbezeichnung
Allergologie, zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Sie hätten vielfältige Möglichkeiten, dem Inhalt der Weiterbildungsordnung
entsprechende Leistungen anzubieten. Die durch Art.
12 Abs.
1 und Art.
14 Abs.
1 Grundgesetz (
GG) geschützten Rechtspositionen könnten daher nicht verletzt sein. Selbst wenn das der Fall wäre, begründe dies für sich allein
keinen Anordnungsgrund. Die Antragstellerin könne weiterhin auch im Bereich des Speziallabors nach Kap. 35.2 EBM tätig werden,
nur nicht in dem durch sie individuell beanspruchten Umfang. Zu der Bildung der nordrheinspezifischen Referenzfallwerte der
Quartale III/2013 und IV/2013 sei den Regelungen des HVM ebenso wenig zu entnehmen, wie zu den Gründen für eine Festsetzung
in der jeweiligen Höhe. Die Berechnung des nordrheinspezifischen Referenzfallwertes in 2013 orientiere sich ausschließlich
am Vergütungsvolumen der Fachgruppe der Antragstellerin im zugrunde liegenden Basiszeitraum, mithin dem Quartal IV/2011. Dieser
sich rechnerisch ergebende Fallwert sei nach Empfehlung des Ausschusses für Honorarverteilung auf Beschluss der Vertreterversammlung
der Antragsgegnerin vom 08.05.2013 auf den 1,5 fachen rechnerischen Fallwert festgesetzt worden. Die Anpassung des rechnerischen
Ergebnisses um 50 % könne nicht die Annahme des SG rechtfertigen, der Fallwert der Quartale III/2013 und IV/2013 habe sich am Versorgungsbedarf orientiert. Die Vertreterversammlung
habe die Auswirkungen der Laborreform mit Wirkung ab dem Quartal IV/2012 bei ihrer Beschlussfassung Anfang Mai 2013 nicht
auf gesicherte Erkenntnisse aus entsprechenden Abrechnungen stützen können. Mithin hätten die durchschnittlichen Fallwerte
im Quartal IV/2011 sowie nachfolgend unterhalb der nordrheinspezifischen Referenzfallwerte in 2013 gelegen. Ein Anspruch der
Antragstellerin auf Festsetzung eines Fallwertes in der angefochtenen Höhe lasse sich daher nicht sachgerecht, insbesondere
nicht für den Zeitraum ab I/2014 herleiten. Zudem übersteige der gewährte vorläufige Referenzfallwert deutlich den individuellen
Fallwert der Antragstellerin hinsichtlich des Antragstellers zu 3) in 2011.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des SG Düsseldorf aufzuheben, den Antrag abzulehnen und die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.
Die Antragsteller begehren sinngemäß,
die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen und diese unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts
vom 13.05.2014 zu verpflichten, der Vergütung der speziellen Laborleistungen (Kap. 32.3 EBM) hinsichtlich des Antragstellers
zu 3) über den 31.12.2013 hinaus den bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Referenzfallwert von 26.09 EUR bis zum rechtskräftigen
Abschluss des mit Klage vom 22.08.2014 rechtshängig gemachten Hauptsacheverfahrens (S 2 KA 339/14) zugrunde zu legen.
Mit ihrer fristgerecht am 16.06.2014 beim SG eingegangen Beschwerde tragen die Antragsteller vor: Soweit zu Gunsten der Antragstellerin zu 2) kein höheres Budget als
die seitens der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.01.2014 gewährten 6,30 EUR festgelegt werde, sei der Beschluss des SG rechtswidrig. Die Antragstellerin zu 2) sei von den Budgetierungsregelungen nicht betroffen, weshalb ihr keinerlei Budget
auferlegt werden dürfe. So wie die Antragsgegnerin für die Quartale III und IV/2013 im Rahmen des HVM entschieden habe, der
Gruppe der Pneumologen einen nordrheinspezifischen Referenzfallwert von 25,09 EUR zuzuordnen, habe sie auch entschieden, der
Gruppe der Fachärzte für Allgemeinmedizin mit der Zusatzbezeichnung Allergologie, der auch die Antragstellerin zu 2) angehöre,
kein Budget aufzuerlegen. Dies entspreche den Vorgaben zur Honorarverteilung der KBV, Abschnitt E, die eine Budgetierung von
Allgemeinmedizinern nicht vorsehe. Da die Antragstellerin zu 2) als Allgemeinmedizinerin nicht zu den betroffenen Arztgruppen
rechne, sei sie von der Budgetierung auch nicht betroffen. Sofern die Antragsgegnerin meine, dass jeglicher Vortrag zum Umsatz
aus privatärztlicher Tätigkeit fehle, sei erneut darauf hinzuweisen, dass auch der Umsatz aus privatärztlicher Tätigkeit selbstverständlich
Gegenstand der vorgelegten Jahresabschlüsse 2011 und 2012 sei. Diese wiesen auch den Gewinn aus privatärztlicher Tätigkeit
aus. Die Jahresabschlüsse seien von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt, geprüft und freigegeben worden und Grundlage
für die Besteuerung der Antragstellerin zu 1) gewesen.
Sie - die Antragsteller - hätten entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin zu den wirtschaftlichen Auswirkungen und den
Folgen personeller und sonstiger Art des zugeteilten Laborbudgets vorgetragen und aufgezeigt, dass allein durch die Laborbudgetierung
Verluste erwirtschaftet würden. Wenn die Antragsgegnerin auf "Effizienzoptimierungsmaßnahmen" abstelle, verlange sie, dass
sich die Antragstellerin zu 1) der Budgetierung anpasse, ggf. ihre Labortätigkeit einschränke oder einstelle und Personal
entlasse. Auch wenn sie - die Antragstellerin zu 1) - in etwa 2/3 ihres Leistungsgeschehens außerhalb der Laborleistungen
erwirtschafte, so ändere dies nichts daran, dass sie einen ganz erheblichen Anteil ihres Umsatzes im Bereich der Laborleistungen
erwirtschafte, der nachweislich über 600 % über dem durchschnittlichen Umsatz der von der Antragsgegnerin herangezogenen Vergleichsgruppe
liege. Es handele sich mithin um eine gewichtige Schwerpunkttätigkeit. Wie rechnerisch dargelegt, führe die drastische Reduzierung
der Vergütung in diesem Bereich zu einer Existenzbedrohung. Die von der Antragsgegnerin geforderte Umorganisation sei mit
den gesetzlichen Vorgaben zum Anordnungsgrund nicht in Einklang zu bringen. Drohe nämlich dem Antragsteller bei Versagung
der einstweiligen Verfügung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung, die durch eine Entscheidung
in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne, so sei einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. So liege der Fall hier.
Gerade das Leistungsangebot auf dem Gebiet des Speziallabors mache einen erheblichen Teil des Leistungsgeschehens im MVZ aus.
Hierfür würde eine teure Laborinfrastruktur (Einrichtung, Personal) vorgehalten. Eingriffe in die Berufsfreiheit in Form von
Vergütungsregelungen könnten in der gesetzlichen Krankenversicherung zwar durch den Gemeinwohlbelang "Sicherstellung der Versorgung"
gerechtfertigt sein. Dass dieser Gemeinwohlbelang bei der Budgetierung angesichts der widerstreitenden Interessen (Berufsausübungsfreiheit)
hinreichend berücksichtigt und die Interessen ordnungsgemäß abgewogen worden seien, lasse sich nicht erkennen. Es bleibe vollkommen
unklar, worauf die Budgetierungsberechnungen auf Bundesebene beruhten. Darüber hinaus sei nicht davon auszugehen, dass die
bundeseinheitlichen Budgetierungen in irgendeiner Form auf die regionalen Verhältnisse Rücksicht genommen hätten. Soweit die
Antragsgegnerin darauf abstelle, dass der Festlegung der nordrheinspezifischen Fallwerte für Pneumologen in Höhe von 25,09
EUR in den Quartalen III und IV/2013 keine am Bedarf orientierte Erwägungen zugrunde gelegen hätten, treffe das nicht zu.
Die Berechnung beruhe auf dem Vergütungsvolumen der Fachgruppe der Antragsteller im Referenzquartal. Mithin fließe der regionale
Versorgungsbedarf ein und sei damit auch bei der Berechnung des nordrheinspezifischen Fallwertes berücksichtigt worden. Darüber
hinaus sei es auch eine sachgemäße Erwägung, den 1,5-fachen rechnerischen Fallwert anzusetzen, um dem Umstand Genüge zu tun,
dass die Auswirkungen der Laborreform mangels Erfahrungswerten zunächst nicht abschätzbar gewesen seien. Demzufolge sei grundsätzlich
erkennbar, dass angemessene Erwägungen angestellt und der regionale Versorgungsbedarf berücksichtigt worden sei. Schließlich
sei der Hinweis, der Referenzfallwert übersteige den individuellen Fallwert der Antragstellerin zu 1), zu relativieren, denn
letzterer habe bei durchschnittlich 22,22 EUR (Basis der Quartale I/2012 bis III/13) gelegen. Wenn sich die Antragsgegnerin
dahin einlasse, dass der Referenzfallwert eine ohne Sachgrundlage gegriffene Größe darstelle, wäre zumindest eine Offenlegung
angezeigt, auf welcher Grundlage denn nun die mit den Bescheiden in der Hauptsache zugewiesenen Fallwerte berechnet worden
seien. Hierzu fänden sich Ausführungen weder in den Bescheiden in der Hauptsache noch in dem Sachvortrag in dem vorliegenden
Verfahren.
Mit Bescheid vom 23.07.2014 hat die Antragsgegnerin die Widersprüche gegen die Bescheide vom 15.01.2014 zurückgewiesen.
Der Senatsvorsitzende hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten im Termin vom 19.11.2014 erörtert. Die Beteiligten
haben das Verfahren hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) übereinstimmend für erledigt erklärt. Abschließend weist die Niederschrift
aus:
"Der Vorsitzende weist darauf hin, dass Ziffer 3.4.5 der Vorgaben der KBV mit Satz 2 eine zweifache Bedeutung haben kann.
Es könnte sich um eine Kompetenzzuweisung handeln ("kann die Kassenärztliche Vereinigung"). Aus dieser Wortfolge kann zudem
hergeleitet werden, dass die KV eine Ermessensentscheidung zu treffen hat. Der Vorsitzende neigt nach derzeitiger Einschätzung
der Sach- und Rechtslage zu dieser so formulierten Ansicht. Ausgehend hiervon könnte der Bescheid vom 15.01.2014 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides unter einem irreparablen Begründungsmangel zu leiden. Den Beteiligten wird nachgelassen, zu diesen
Erwägungen binnen drei Wochen ergänzend vorzutragen. Im Übrigen erwägt der Senat, je nach Sachlage einen Hängebeschluss zu
erlassen."
Mit Beschluss vom 02.12.2014 hat der Senat die Antragsgegnerin verpflichtet, der Vergütung der speziellen Laborleistungen
(Kap. 32.3 EBM) bezüglich des Antragstellers Dr. K über den 31.12.2013 hinaus den bis zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Referenzfallwert
von 25,09 EUR bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens zugrundezulegen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet. Prüfgegenstand der von der Antragsgegnerin
anhängig gemachten Beschwerde ist die Entscheidung des SG, das dem Hilfsantrag mit allerdings die Antragsteller beschwerender zeitlicher Eingrenzung stattgegeben hat (nachfolgend
1.). Die Beschwerde der Antragsteller erweist sich als statthaft, zulässig und soweit noch streitbefangen als begründet. Prüfgegenstand
dieser Beschwerde ist der vom SG abgelehnte Hauptantrag und die zeitliche Eingrenzung des den Antragstellern im Übrigen günstigen Ausspruchs (nachfolgend
2.).
1.
a) Nach §
86b Abs.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach
Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§
86b Abs.
2 Satz 1
SGG) und Regelungsanordnung (§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG) zu unterscheiden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der
Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs
(Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen
(§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 der
Zivilprozessordnung (
ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende
Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist - erforderlichenfalls
unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs - einstweiliger
Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -; Senat, Beschluss vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER -; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 - L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG, Beschluss vom
16.05.1995 - 1 BvR 1087/91 -). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht
vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (Senat, Beschlüsse
vom 12.08.20313 - L 11 KA 92/12 B ER - und 12.10.2009 - L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 - L 10 B 14/06 KA ER - und 14.12.2006 - L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen
für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren
einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen
würde (vgl. Senat, Beschlüsse 12.08.20313 - L 11 KA 92/12 B ER - und 21.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 - L 5 KR 518/07 ER-B -).
b) Ausgehend hiervon sind Anordnungsanspruch (nachfolgend aa)) und Anordnungsgrund (nachfolgend bb)) glaubhaft gemacht.
ad aa) Anordnungsanspruch
Der Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Nach Teil E Ziff. 3.4.5 der KBV-Vorgaben gilt:
"Die Regelungen nach 3.4.1 bis 3.4.3 sind für alle Nicht-Laborärzte verbindlich anzuwenden, es sei denn, betroffene Ärzte
weisen der Kassenärztlichen Vereinigung nach, dass sie die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung
laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen erfüllen. In diesem Fall kann die Kassenärztliche Vereinigung das Budget nach 3.4.2
erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen."
Die Regelungen nach Ziff. 3.4.1. bis 3.4.3 lauten:
3.4.1 Für Vertragsärzte, die zur Abrechnung von Laboratoriumsuntersuchungen berechtigt sind und nicht Fachärzte für Laboratoriumsmedizin,
Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Transfusionsmedizin, ermächtigte Fachwissenschaftler der Medizin sind (kurz: "Nicht-Laborärzte")
sowie aufgrund der Arztgruppenzugehörigkeit von nachfolgenden Regelungen erfasst werden, unterliegen die Kostenerstattungen
für spezielle Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM einer fallwertbezogenen Budgetierung. Die in den Budgets
enthaltenen Kostenerstattungen sind je Arztpraxis und Abrechnungsquartal nur bis zu einem begrenzten Gesamthonorarvolumen
unter Berücksichtigung von Nr. 3.3 zu vergüten.
3.4.2 Die Höhe der Budgets ergibt sich aus dem Produkt des für die Arztgruppe vorgegebenen, mit der bundeseinheitlichen Abstaffelungsquote
Q gemäß 1.1.5 multiplizierten Referenz-Fallwertes und der Zahl der Behandlungsfälle gemäß § 21 Abs. 1 BMV-Ärzte bzw. § 25
Abs. 1 Arzt-/Ersatzkassenvertrag des Abrechnungsquartals der Arztpraxis.
3.4.3 Referenz-Fallwerte für die Ermittlung des Budgets nach 3.4.2
Arztgruppe = Referenz-Fallwert in Euro
Rheumatologen, Endokrinologen = 40
Nuklearmediziner, Hämatologen = 21
Dermatologen, Gynäkologen, Pneumologen, Urologen = 4
Die Kassenärztliche Vereinigung kann für jede der genannten Arztgruppen einen KV-spezifischen Referenzfallwert festsetzen,
maximal jedoch in Höhe des für die jeweilige Arztgruppe genannten Wertes. Der Referenz-Fallwert einer (Teil-)Berufsaus- übungsgemeinschaft,
eines Medizinischen Versorgungszentrums und einer Praxis mit angestellten Ärzten wird als Summe der Produkte des relativen
Anteils der Fälle eines Arztes in der Arztpraxis der arztgruppenbezogenen Referenz-Fallwerte der beteiligten Ärzte errechnet.
Beteiligte Ärzte, die nicht zur Abrechnung von speziellen Laboratoriumsuntersuchungen des Abschnitts 32.3 EBM berechtigt sind
oder der Fallwertsteuerung nicht unterliegen, werden mit einem Referenz-Fallwert von 0 Euro berücksichtigt."
Der Antragsteller zu 3) ist Nicht-Laborarzt. Demnach sind die Regelungen nach 3.4.1 bis 3.4.3 verbindlich. Allerdings formuliert
Ziff. 3.4.5 mittels des Konnektors "es sei denn" eine Ausnahme. Zwischen den Beteiligten ist zufolge ihrer Erklärungen im
Erörterungstermin vom 19.11.2014 unstrittig, dass der Antragsteller zu 3) die Anforderungen der Richtlinie der Bundesärztekammer
zur Qualitätssicherung "Laboratoriumsmedizinische Untersuchungen" erfüllt. Das leitet über zu Ziff. 3.4.5 Satz 2, wonach die
KV "in diesem Fall" das Budget nach 3.4.2 erweitern, aussetzen oder bedarfsgerecht anpassen kann.
Die Regelung ist atypisch aufgebaut. Sie enthält in Satz 1 keinen eigenständigen Tatbestand. Stattdessen nimmt sie auf Ziff.
3.4.1 bis 3.4.3 Bezug und erklärt diese für verbindlich. Herkömmlicher Normstruktur folgend enthalten mithin Ziff. 3.4.1 bis
3.4.3 den Tatbestand. Sie bestimmen, wie sich die Höhe des Budgets errechnet. Flankierend regelt Ziff. 3.4.5 Satz 1 den persönlichen
Anwendungsbereich ("Nicht-Laborärzte") und erklärt den Mechanismus der Ziff. 3.4.1 bis 3.4.3 insoweit für verbindlich. Ziff.
3.4.5 Satz 2 formuliert hierzu eine Ausnahme und eröffnet eine abweichende Rechtsfolge. Die Voraussetzungen und die abweichende
Rechtsfolge verknüpft Ziff. 3.4.5 Satz 2 mit dem Verb "kann". Gesetzestechnisch kann hiermit Zweierlei zum Ausdruck gebracht
werden, nämlich zum einen eine Zuständigkeits- und/oder zum anderen eine Ermessenszuweisung.
Der Senat versteht die Regelung nicht als reine Zuständigkeitszuweisung sondern als eine Ermessensbetätigung fordernde Regel.
Wäre Ziff. 3.4.5 Satz 2 als reine Kompetenzregel zu verstehen, so bliebe offen, nach welchen Maßgaben die KV zu entscheiden
hätte. Lediglich die zulässigen Rechtsfolgen wären mit dem Dreitakt "erweitern, aussetzen und bedarfgerecht anpassen" bestimmt.
Die dafür wesentlichen Bedingungen, nämlich unter welchen Voraussetzungen von welcher der drei Alternativen Gebrauch zu machen
wäre, würden fehlen. Das Verb "kann" vermag keine Hilfestellung zu gegeben. Seine Funktion erschöpft sich in dieser rechtlichen
Variante in einer schlichten Kompetenzzuweisung. Der Konnektor "in diesem Fall" kann gleichermaßen nicht als Voraussetzung
dafür angesehen werden, ob und ggf. welche der drei Alternativen der Ziff. 3.4.5 Satz 2 einschlägig sind. "In diesem Fall"
weist nur den Weg in die Ausnahme, konkretisiert indessen nicht die weiteren Voraussetzungen dafür, ob zu erweitern, auszusetzen,
bedarfsgerecht anzupassen oder - ungeachtet des Wortlauts - gar abzulehnen ist. Das wäre rechtsstaatswidrig. Eine derartige
Entscheidung könnte niemals nachvollziehbar sein. Fehlt es an jedweden Vorgaben, kann eine solche Entscheidung (Verwaltungsakt
nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)) nicht i.S.d § 35 SGB X begründet werden. Die fehlende Begründung wäre denklogisch weder nachholbar (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) noch verzichtbar (§ 35 Abs. 2 SGB X). Demnach ist das Verb "kann" im konkreten Zusammenhang als Zuständigkeits- und als Ermessenszuweisung zu verstehen. Über
die Ausnahme zu entscheiden hat die KV. Diese Entscheidung hat sie mangels konkreter Vorgaben nach pflichtgemäßem Ermessen
zu treffen (§
39 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I)).
Gleichwohl bleibt zu klären, worauf sich die Ermessenszuweisung bezieht. Das Ermessen kann sich - je nach Art und Intensität
der normativen Einräumung - auf das schlichte Ob und/oder auf das Wie des Verwaltungshandelns erstrecken. Die Weichenstellung
ist vorliegend entscheidend. Vom "Ob" hat die Antragsgegnerin Gebrauch gemacht, denn sie hat sich entschlossen, den Antrag
zu bescheiden (Entschließungsermessen). Wäre ihr zusätzlich ein Auswahlermessen eingeräumt, ergäben sich allerdings die Rechtmäßigkeit
des Bescheides vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2014 nachhaltig tangierende Probleme.
Um ein reines Entschließungsermessen handelt es sich in Ziff. 3.4.5 Satz 2 schon deswegen nicht, weil die Regel drei Handlungsalternativen
beschreibt, die ggf. um einen vierte, nämlich die Ablehnung des Antrags, anzureichern ist. Geht es also um ein Auswahlermessen,
ist dieses nur dann rechtmäßig ausgeübt, wenn sie die Antragsgegnerin ermessensfehlerfrei entschieden hätte. Ermessensfehler
sind die Ermessensunterschreitung, der Ermessensfehlgebrauch und die Ermessensüberschreitung (hierzu auch Jestaedt, in: Erichsen/Ehlers,
Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Auflage, 2012, § 11 Rdn. 61).
Die Antragsgegnerin hat das ihr eingeräumte Auswahlermessen nicht ausgeübt (Ermessensunterschreitung). Da der Antragsteller
zu 3) die Ausnahmevoraussetzungen der Ziff. 3.4.5 Satz 1 Halbs. 2 erfüllt, musste die Antragsgegnerin von einer der drei Handlungsalternativen
der Ziff. 3.4.5 Satz 2 Gebrauch machen. Ob sie befugt gewesen wäre, den Antrag trotz Vorliegens der Ausnahmevoraussetzung
nach Ziff. 3.4.5 Satz 1 Halbs. 2 abzulehnen, braucht nicht entschieden zu werden. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller
zu 3) für Leistungen des Speziallabors nach Kap. 32.3 EBM abweichend vom Referenzfallwert nach Ziff. 3.4.3 von 4,00 EUR einen
individuellen Fallwert von 6,90 EUR zugestanden (Bescheid vom 15.01.2014). Zur Begründung führte sie aus (Anm.: Durchnummerierung
zur besseren Übersicht eingefügt):
"Der Vorstand der KV Nordrhein folgt im Ergebnis den Empfehlungen des HVM-Ausschusses und des Arbeitsausschusses (Satz 1).
Beide Gremien gelangen nach Prüfung und Erörterung Ihres Antrages und der vorgetragenen Begründung zu der Auffassung, dass
eine Ausnahme von den Regelungen des HVM angemessen erscheint (Satz 2). Dem HVM liegen die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
vorgegebenen Referenzfallwerte zugrunde (Satz 3). Die Kassenärztliche Vereinigung kann nur nach individueller Prüfung jeden
einzelnen Antrages über eine eventuelle Ausnahmeregelung oder die Zuerkennung eines von den Vorgaben abweichenden Budgets
entscheiden (Satz 4). Dabei müssen die medizinischen, wirtschaftlichen und die labortechnischen Anforderungen der Richtlinie
der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen erfüllt und individuell beurteilt werden
(Satz 5). Die von Ihnen begehrte Ausnahme bedarf einer nachvollziehbaren Begründung, die insbesondere in den Frequenzen und
Diagnosen ihre Grundlage findet (Satz 6). Eine derartige Begründung vermochten die Gremien Ihren Ausführungen unter Würdigung
des Abrechnungsbildes nur bedingt zu entnehmen (Satz 7). Es konnte nicht festgestellt werden, dass bei Ihnen zwingend ein
Abrechnungsbedarf oberhalb des zugestandenen Fallwertes besteht (Satz 8). Eine weitere Erhöhung des Budgets war daher nicht
geboten und somit abzulehnen (Satz 9)."
Diese Begründung verdeutlicht, dass sich die Antragsgegnerin nicht bewusst war, Ermessen ausüben zu müssen. Satz 2 ist bedeutungslos,
weil er lediglich das wiedergibt, was Ziff. 3.4.5 Satz 1 Halbs. 2 verlangt, nämlich eine Ausnahmeregelung. Die Ausnahme ist
geboten, weil deren Voraussetzungen erfüllt sind und nicht weil dem HVM-Ausschuss und dem Arbeitsausschusses eine Ausnahme
als angemessen erscheint. Sinn macht Satz 2 nur, wenn die Antragsgegnerin glaubte, einen Antrag ablehnen zu dürfen, obgleich
die Voraussetzungen der Ziff. 3.4.5 Satz 1 Halbs. 2 erfüllt sind. Diese Erkenntnis ist eher nicht anzunehmen. Jedenfalls aber
stünde Satz 2 dann in keinem Zusammenhang mit Auswahlermessen, bezöge sich vielmehr allein auf das insoweit bejahte "Ob" (Entschließungsermessen).
Satz 3 hat deskriptiven Inhalt. Satz 4 formuliert einen durch Satz 5 konkretisierten rechtlichen Obersatz. Satz 6 verdichtet
dies zu einer Substantiierungsobliegenheit. Allein Satz 7 enthält die eigentliche Begründung. Satz 8 fasst zusammen und Satz
9 schließt den Kreis ohne eigenen Erkenntniswert.
Die Begründung zu Satz 7 ist nichtssagend und nicht nachvollziehbar. Sie ist beliebig austauschbar, hat allenfalls blanketthaften
Charakter und stellt sich als formelhafte Floskel dar (hierzu Engelmann, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage, 2012, § 35 Rdn. 5a m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)). Damit verstößt der Bescheid vom 15.01.2014 gegen § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Antragsgegnerin zu ihrer Entscheidung bewogen haben, hat
sie nicht mitgeteilt. Ein solcher Mangel kann bezogen auf gebundene Entscheidungen zwar geheilt werden (§§ 41 Abs. 2, 42 Satz 1 SGB X), indessen handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Für die Adressaten muss erkennbar und damit überprüfbar sein, ob
Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch vorliegt (BSG, Urteil vom 18.4.2000 - B 2 U 19/99 R -; hierzu auch Mutschler, in Kasseler Kommentar, SGB X, 2014, § 35 Rdn. 17). Daran fehlt es. Die Antragsgegnerin hat ihr Entschließungsermessen nicht bzw. nicht nachvollziehbar ausgeübt. Satz
2 der Bescheidbegründung bezieht sich - wie ausgeführt - allenfalls auf das Handlungsermessen. Der allein als Begründung verbleibende
Satz 7 enthält keinerlei Ermessenserwägungen, was keiner weiteren Darlegung bedarf. Dennoch hat die Antragsgegnerin einen
individuellen Fallwert von 6,90 EUR zugewiesen, ohne dass auch nur ansatzweise ersichtlich wäre, aus welchen Gründen sie diesen
Wert bestimmt hat. Dies deutet darauf hin, dass die Antragsgegnerin nicht wusste, Auswahlermessen ausüben und begründen zu
müssen.
Dieser Ermessensnichtgebrauch ist durch den Widerspruchsbescheid vom 23.07.2014 nicht repariert worden. Auch die Begründung
dieses Bescheides ist defizitär. Seite 2 referiert den Sachverhalt und das Widerspruchsvorbringen. Seite 3 wiederholt in den
Absätzen 1 bis 4 den Inhalt der Ziff. 3.4.1 und 3.4.2 der KBV-Vorgaben. Beginnend mit Absatz 4 folgt ansatzweise eine individualisierte
Begründung wie folgt (Anm.: Durchnummerierung aus Gründen der Übersichtlichkeit eingefügt):
"Von diesen Referenz-Fallwerten - unerheblich, ob die Werte des Bundes oder der jeweiligen KV maßgeblich sind - kann nach
Ziffer 3.4.5 der Vorgabe KBV auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall dergestalt abgewichen werden, das dass sich ergebende
fallwertbezogene Laborbudget erweitert, ausgesetzt oder bedarfsgerecht angepasst wird (Satz 1).Voraussetzung hierfür ist ein
konkret begründeter Antrag in welchem dargelegt wird, warum eine Abweichung von den Vorgaben der Bundesebene notwendig ist
(Satz 2). Der Antrag wurde sowohl im Arbeitsausschuss als auch im HVM-Ausschuss eingehend geprüft und erörtert (Satz 3). Die
Gremien gelangten nach Würdigung der vorgetragenen Gründe zu der Auffassung, dass eine Ausnahme von den Regelungen nicht gerechtfertigt
erscheint, da die von Ihrer Mandantin begehrte Ausnahme einer nachvollziehbaren Begründung, die insbesondere in den Frequenzen
und Diagnosen ihre Grundlage findet, bedarf (Satz 4). Somit konnte auch im vorliegenden Widerspruchsverfahren keine andere
Entscheidung getroffen werden (Satz 5). Gründe die eine Ausnahme zulassen würden, sind somit nicht vorgetragen worden (Satz
6). Daher musste es bei der getroffenen Entscheidung verbleiben (Satz 7)."
Dieser Text entspricht im Wesentlichen jenem des Bescheides vom 15.01.2014, allerdings mit einer rechtserheblichen Variante.
Wenn die Antragsgegnerin in Satz 4 meint, eine "Ausnahme von den Regelungen" sei nicht gerechtfertigt, belegt dies nicht nur
einen Ermessensausfall; es belegt auch Konfusion. Hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 15.01.2014 abweichend von Ziff.
3.4.3 KBV-Vorgaben mit 6,90 EUR einen individuellen Fallwert zugestanden, so erschließt sich der Inhalt von Satz 4 nicht.
Da die folgenden Sätze 5 bis 7 nur zusammenfassen und abstrahieren, ist die Begründung des Widerspruchsbescheides nicht nur
defizitär, sie ist bezogen auf den Bescheid vom 15.01.2014 konfus. Mag die Konfusion mittels der Mechanismen der §§ 41 Abs. 2, § 42 Satz 1 SGB X geheilt werden können, ist dies für den Ermessensausfall zweifelhaft. Mängel der Ermessensbegründung können ggf. repariert
werden (hierzu Schütze, in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 41 Rdn. 10 m.w.N. (str.)). Anders verhält es sich in Fällen des
Ermessensausfalls. Dann liegt kein Fehler der Ermessensbegründung, sondern ein Mangel der Ermessensbetätigung nach §
39 SGB I vor. Das spricht dafür, die Fehlerbeseitigung nicht als Heilung im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X zu qualifizieren, mithin auch den Zeitrahmen von Abs. 2 nicht als eröffnet anzusehen. Die Rechtsgrundlage solcher Korrekturen
dürfte vielmehr §
78 Abs.
1 Satz 1
SGG sein, wonach im Vorverfahren auch über die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu befinden ist und die Widerspruchsbehörde
deshalb befugt - und bei einem Ermessensausfall oder -fehlgebrauch auf Ebene der Ausgangsbehörde auch gehalten - ist, selbst
Ermessenserwägungen anzustellen und sie ggf. an die Stelle der Ausgangsbehörde zu setzen. Diese Kompetenz endet indes mit
dem Abschluss des Widerspruchsverfahrens, weshalb die nachholende Ermessensausübung in den Fällen des Ermessensausfalls oder
-fehlgebrauchs auch nach der Erweiterung des Zeitrahmens nach § 41 Abs. 2 SGB X i.d.F. des 4. Euro-Einführungsgesetzes nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zuzulassen ist (hierzu Schütze, a.a.O.,
§ 41 Rdn. 11 m.w.N. auf die Rechtsprechung des BSG und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG)). Das solchermaßen fixierte Zeitfenster ist nunmehr verschlossen. Der Widerspruchsbescheid
heilt nicht, er perpetuiert den Ermessensausfall. Infolgedessen sind der Bescheid vom 15.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 23.07.2014 irreparabel infiziert. Sie sind rechtswidrig und auf Anfechtungsklage aufhebbar.
ad b) Anordnungsgrund
aa) Den Anordnungsgrund definiert §
86b Abs.
2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung
setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers
vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§
86b Abs.
2 Satz 1
SGG). Sicherungsanordnungen dienen der Sicherung eines bestehenden Zustandes; das Gericht trifft demgemäß nur bestandsschützende
Maßnahmen (Frehse in Jansen,
SGG, 4. Auflage, 2012, §
86b Rdn. 73). Hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint
(§
86b Abs.
2 Satz 2
SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Frehse, a.a.O., § 86b
Rdn. 73). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher (Senat, Beschluss vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -). Vorliegend geht es den Antragstellern darum, die fallwertbezogene Budgetierung der speziellen Laborleistungen auszusetzen,
hilfsweise ihnen einen angemessenen Referenzfallwert, mindestens aber einen Referenzfallwert von 22,22 EUR zuzuweisen. Dies
deutet im Hauptantrag auf eine Sicherungsanordnung und im Hilfsantrag auf eine Regelungsanordnung hin. Letztlich kann dies
dahinstehen, denn Sicherungs- und Regelungsanordnung unterliegen im Ergebnis derselben Behandlung (hierzu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 70. Auflage, 2012, §
940 Rdn. 1; vgl. auch Musielak/Huber,
ZPO, 11. Auflage, 2014, §
935 Rdn. 1 und §
940 Rdn. 1; Seiler, in: Thomas/Putzo,
ZPO, 33. Auflage, 2012, §
935 Rdn. 3).
bb) Im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zum einstweiligen Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 - ; Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 -) wurde unter der Geltung des früheren Rechts von den Sozialgerichten ganz überwiegend gefordert, dass dem Antragsteller
schwere irreparable und unzumutbare Nachteile drohen müssen. Die Rechtsprechung aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 86b Abs.
2 durch das 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I 2144) m.W.v. 02.01.2002 zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Anordnungsgrund
dargetan ist (Sicherung eines verfassungsrechtlichen Mindeststandard i.S. einer "Existenzgefährdung"), kann entgegen dem rechtlichen
Ansatz der Antragsgegnerin nur noch eingeschränkt herangezogen werden (Senat, Beschlüsse vom 23.12.2010 - L 11 KA 54/10 B ER - und 23.11.2007 - L 11 B 11/07 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 22.05.2006 - L 10 B 3/06 KA ER - und 09.07.2004 - L 10 B 6/04 KA ER -). Setzt § 86b Abs. 2 i.d.F. des 6. SGGÄndG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seither (nur) voraus, dass
ein wesentlicher Nachteil abgewendet werden soll oder die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers
wesentlich erschwert werden könnte, so ist dies schon sprachlich weniger als die zuvor geforderten "schweren und unzumutbaren
Nachteile" (Frehse in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Auflage, 2006, §
23 Rdn. 126). Demzufolge wird unter Geltung des
SGG i.d.F. des 6. SGGÄndG vornehmlich darauf abgestellt, welche Intensität der abzuwehrende Eingriff in geschützte Güter (z.B.
Art.
12,
14 GG) hat. Maßstab für die Eingriffsintensität sind vielfach die wirtschaftlichen Folgen in Bezug auf das geschützte Rechtsgut
(vgl. Senat, Beschlüsse vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER -, 06.09.2010 - L 11 KA 3/10 B ER -, 27.05.2008 - L 11 B 6/08 KR ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 23.11.2007 - L 10 B 11/07 KA ER - und 12.02.2007 - L 10 B 35/06 KA ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.11.2009 - L 11 KR 3727/09 ER-B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.12.2007 - L 5 ER 289/07 KR -). Der unbestimmte Rechtsbegriff "zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint" in §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG erfordert eine Interessenabwägung nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls. Ein Anordnungsgrund ist danach anzunehmen, wenn
dem Antragsteller ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann,
a. a. O., §
940 Rdn. 1; vgl. Zöller/Vollkommer,
ZPO, 28. Auflage, 2010, §
940 Rdn. 4; Seiler, a.a.O, § 940 Rdn. 5; Huber, a.a.O., § 940 Rdn. 4; Frehse, in: Jansen,
SGG, §
86b Rdn. 87 ff.); dabei sind die öffentlichen Interessen jenen der Verfahrensbeteiligten gegenüberzustellen. Insbesondere sind
die Folgen abzuwägen, die mit dem Erlass bzw. dem Nicht-Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden sind. Einzubeziehen
sind u.a. die wirtschaftlichen Verhältnisse, die Intensität einer drohenden (Grund-)Rechtsverletzung und sonstige unbillige
Härten der Beteiligten. Die mit jedem Hauptsacheverfahren zwingend verbundenen zeitlichen Nachteile reichen für den Erlass
einer Regelungsanordnung nicht aus (Senat, Beschlüsse vom 12.08.2013 - L 11 KA 92/12 B ER - und 21.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.11.2011 - L 3 KA 104/10 B ER -).
cc) Hiernach ist ein Anordnungsgrund dargetan. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen sich nicht isoliert gegenüber,
vielmehr besteht zwischen ihnen eine funktionelle Wechselbeziehung dergestalt, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch
mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern sind oder umgekehrt;
dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden, die Anforderungen haben
sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt (BVerfG, Beschlüsse vom
19.03.2004 - 1 BvR 131/04 - und 29.07.2003 - 2 BvR 311/03 -; Senat, Beschlüsse vom 27.03.2013 - L 11 KA 96/12 B ER -, 27.02.2013 - L 11 KA 8/13 B ER -,07.01.2013 - L 11 KR 592/12 B ER -, 21.05.2012 - L 11 KR 113/12 B ER -, 04.10.2011 - L 11 KA 50/11 B ER -, 21.06.2010 - L 11 B 26/09 K ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2011 - L 12 B 50/09 AS ER -). Daraus folgt, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern, wenn eine Klage in der Hauptsache
offensichtlich begründet wäre. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, dennoch
kann auch in diesem Fall nicht gänzlich auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes verzichtet werden (Senat, Beschluss vom 05.04.2012
- L 11 KA 85/11 B ER -; Frehse, a.a.O., § 86b Rdn. 87, 93). Ist ein Anordnungsgrund nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen
Anordnung nach §
86b Abs.
2 SGG SGG auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird (zur abweichenden
Rechtslage nach Maßgabe des §
86b Abs.
1 SGG vgl. Senat, Beschluss vom 03.02.2010 - L 11 KA 80/09 ER -). Anderenfalls würden die den Anordnungsgrund bezeichnenden Tatbestandsmerkmale des §
86b Abs.
2 SGG ("vereitelt" bzw. "wesentlich erschwert" und "zur Abwendung wesentlicher Nachteile") gesetzwidrig hinweg interpretiert (Senat,
Beschlüsse vom 04.10.2011 - L 11 KA 50/11 B ER - und 16.05.2011 - L 11 KA 132/10 B ER -). Im Übrigen ist einstweiliger Rechtsschutz insbesondere dann zu gewähren, wenn eine Verletzung des Gebotes, effektiven
Rechtsschutz gem. Art.
19 Abs.
4 GG zu gewähren, zu besorgen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.06.2003 - L 10 B 9/03 KA ER - und 24.11.2004 - L 10 B 14/04 KA -). Letzteres ist der Fall. Die Antragstellerin kann nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden. Das Verbot der
Vorwegnahme der Hauptsache gilt vorliegend nicht. Die Rechtsverletzung wäre irreparabel (hierzu Frehse, a.a.O., § 86b Rdn.
109).
Ob die ggf. glaubhaft zu machenden Tatsachenbehauptungen einen Anordnungsgrund ausfüllen, bedarf einer genauen Prüfung. Trägt
ein Antragsteller vor, in seiner Existenz gefährdet zu sein, muss er eine entsprechende wirtschaftliche Situation glaubhaft
machen und nachvollziehbar darlegen, dass diese - kausal - auf die angegriffene Maßnahme zurückzuführen ist, d.h. die Gründe
für die behauptete Existenzgefährdung müssen geklärt sein (Senat, Beschlüsse vom 15.05.1996 - L 11 SKa 21/96 - und 27.11.1991
- L 11 SKa 35/91 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.03.2007 - L 10 B 3/07 KA ER -). Macht ein Antragsteller erhebliche Zahlungsverpflichtungen geltend, fehlt es am Anordnungsgrund, wenn diese nicht
kausal durch den Betrieb der Arztpraxis entstanden sind (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 16.10.1997 - L 5 Ka 58/97 eR -).
Keinesfalls reicht es aus, wenn z.B. ein Vertragsarzt defizitäre Salden ausweisende steuerliche Bilanzen oder Gewinn- und
Verlustrechnungen vorlegt. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass steuerrechtliche Regelungen angesichts ihrer spezifischen
Zielsetzung eine Vielzahl von disponiblen und manipulativen Gestaltungsmöglichkeiten einräumen, mithin von vornherein ungeeignet
sind, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen (vgl. Beschlüsse vom 28.12.2010 - L 11 KA 60/10 B ER - und 19.03.2009 - L 11 B 20/08 KA ER -; so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.07.2005 - L 10 B 11/05 KA ER -). In der Regel muss hinzu kommen, dass der Antragsteller glaubhaft macht, personelle und organisatorische Effizienzoptimierungsmaßnahmen
ausgeschöpft zu haben (Senat, Beschluss vom 24.06.1997 - L 11 SKa 20/97 -), unmittelbar von Insolvenz bedroht zu sein oder
die Schließung oder doch nennenswerte Einschränkung seines Praxisbetriebs befürchten zu müssen (Senat, Beschlüsse vom 09.05.2012
- L 11 KA 90/11 B ER -, 05.04.2012 - L 11 KA 92/11 B ER -, 02.04.2012 -L 11 KA 81/11 B ER -, 25.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER -, 18.07.1997 - L 11 SKa 27/97 - und 22.02.1996 - L 11 SKa 55/95 -; im Ergebnis auch LSG Bayern, Beschlüsse vom 21.11.1995
- L 12 B 211/95 - und 28.09.1994 - L 12 B 189/94 Ka-VR -; einschränkend LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 14.10.1999 - L 4 B 60/99 KA ER -).
Angesichts der aufgezeigten Wechselbeziehung zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch genügt das Vorbringen der Antragsteller
diesen Anforderungen. Sie haben jedenfalls im Anschluss an den Erörterungstermin vom 19.11.2014 glaubhaft gemacht, ohne einstweiligen
Rechtsschutz einen Honorarverlust von ca. 117.868,00 EUR zu erleiden, was die glaubhaft gemachten Jahresgewinne nachhaltig
übersteigen und zu einer existenzbedrohlichen Situation führen würde.
Soweit der Senat ausgeführt hat, der Vertragsarzt müsse zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit Einschränkungen
seines Behandlungsspektrums ebenso hinnehmen wie seine Niederlassungsfreiheit, seine Fallzahlen und seine Vergütung begrenzende
Regelungen, das wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit habe der Vertragsarzt jedenfalls grundsätzlich selbst zu tragen, die
KV sei nicht gehalten, ihm die Sorge um seine Existenz abzunehmen, nötigenfalls werde er umdisponieren und sein Leistungsspektrum
verändern müssen (u.a. Beschlüsse vom 09.05.2012 - L 11 KA 90/11 B ER -, 05.04.2012 - L 11 KA 92/11 B ER -, 02.04.2012 - L 11 KA 81/11 B ER -, 25.01.2012 - L 11 KA 77/11 B ER -), ist hieran festzuhalten. Im Gegensatz zu jenen Fällen, in denen es um die Vergütung polysomnographischer Leistungen
ging und ein Anordnungsanspruch nicht gegeben war, greift wiederum das Prinzip der funktionalen Wechselbeziehung zwischen
Anordnungsgrund und -anspruch. Die Anforderungen an den Anordnungsgrund reduzieren sich nachhaltig, wenn ein Anordnungsanspruch
- wie hier - eindeutig gegeben ist. Auch den Antragstellern wird es aus den vom Senat in den vorgenannten Beschlüssen aufgezeigten
Gründen im Ergebnis zuzumuten sein, ihr Leistungsspektrum zu ändern, indessen nicht schon auf der Grundlage einer rechtswidrigen
Bescheidung.
2. Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig (nachfolgend a)). Sie ist begründet, soweit es um die zeitliche Begrenzung
geht (nachfolgend b)).
ad a) Die Antragsteller haben mit Schriftsatz vom 13.06.2014 Beschwerde erhoben, soweit das SG den Antrag der Antragstellerin zu 2) zurückgewiesen hat. Insoweit könnte hinsichtlich des vom SG abgelehnten Hauptantrags, hinsichtlich der tenorierten zeitlichen Begrenzung des stattgegebenen Hilfsantrags und hinsichtlich
des Antragstellers zu 3) formelle Rechtskraft eingetreten sein (§
141 SGG). Mit Schriftsatz vom 05.08.2014 haben die Antragsteller rein vorsorglich beantragt, die Beschwerde auch auf die zeitliche
Begrenzung zu erstrecken. Damit ist das Prüfprogramm bestimmt. Bezogen auf den Hauptantrag ist der Beschluss des SG rechtskräftig geworden. Dem Senat mit der Beschwerde angefallen ist lediglich die zeitliche Begrenzung und die Entscheidung
zu Lasten der Antragstellerin zu 2). Letztere ist nicht mehr streitbefangen. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit
im Erörterungstermin vom 19.11.2014 für erledigt erklärt. Damit verbleibt es bei der Frage, ob die vom SG fixierte zeitliche Begrenzung Bestand hat. Ob die Beschwerde (zeitliche Begrenzung) bereits Gegenstand der mit Schriftsatz
vom 13.06.2014 anhängig gemachten Beschwerde war, kann dahinstehen. Die Erweiterung des Beschwerdegegenstandes ist jedenfalls
sachdienlich (§
99 Abs.
1 SGG).
ad b) Die zeitliche Begrenzung ist aufzuheben. Das SG hat diese als geboten angesehen, weil die Antragsteller ihre Widersprüche gegen die Bescheide vom 15.01.2014 im Zeitpunkt
des Beschlusses vom 13.05.2014 noch nicht begründet hatten und damit nicht ansatzweise deutlich war, ob und inwieweit die
bisher zugestandenen individuellen Laborfallwerte ggf. unzureichend sein können. Zwar hat die Antragsgegnerin zwischenzeitlich
den Widerspruch beschieden. Indessen ändert dies nichts an der zutreffenden Erkenntnis des SG, denn der Widerspruchsbescheid lässt nicht im Ansatz erkennen, was die Antragsgegnerin wie geprüft hat. Im Übrigen hat das
SG zutreffend darauf verwiesen, dass den Antragstellern nötigenfalls die Gelegenheit gegeben werden muss, einen aus Sicht der
Behörde unzureichend begründeten Antrag nachzubessern.
Nach alledem hat die Beschwerde der Antragsteller Erfolg.
III.
Die Streitwertentscheidung ergeht gesondert.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §
197a Abs.
1 SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) für erledigt erklärt haben, beruht die Kostenentscheidung
auf §
161 Abs.
2 VwGO. Danach trägt die Antragsgegnerin die Kosten, weil die Antragstellerin zu 2) von vornherein nicht von den Budgetregelungen
betroffen war.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).