Keine Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für ambulante Liposuktionen zur Behandlung des Lipödems
Keine Zugehörigkeit zum Leistungskatalog durch eine fehlende positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses
Kein Systemversagen und keine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (nur noch) um die Kostenerstattung von zwei während des Berufungsverfahrens durchgeführten Liposuktionsbehandlungen
an Armen und Unterschenkeln i.H.v. 9.208,80 €.
Die 1971 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert und leidet an Lipödemen beider Beine Stadium II
mit Lymphödemen Stadium I, einem Lipödem Stadium II beider Arme sowie Adipositas. Bereits im Jahr 1998 führte Dr. A auf Rechnung
der Klägerin eine Liposuktion der Oberschenkel durch, 2000/2001 erfolgte eine Liposuktion der Unterschenkel zu Lasten der
Beklagten.
Die Klägerin beantragte am 02.01.2018 bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine weitere Liposuktion der Beine und Arme.
Sie habe Probleme bei verschiedensten Alltagstätigkeiten. Die Beschwerden hätten sich in den letzten sechs Monaten verschlimmert.
Auch ihre psychische Disposition habe sich destabilisiert. Manuelle Lymphdrainage und das Tragen von Kompressionsstrümpfen
hätten den Gewebezuwachs und die Schmerzen nicht annehmbar reduzieren können. Die Klägerin fügte ihrem Antrag neben Fotos
der Beine und des Oberkörpers eine Stellungnahme des plastischen Chirurgen Dr. C, Klinik für plastische Chirurgie am T-Krankenhaus
in Essen, vom 27.11.2017 bei. Nach den Angaben auf der Homepage des Chefarztes der Klinik, Dr. D, werden dort jährlich durchschnittlich
über 1000 stationäre und 400 ambulante Eingriffe durchführt (https://www.dr-D.de/klinik/). Dr. C führt in seinem Schreiben
aus, die Klägerin leide unter Lipödemen Stadium II an beiden Armen und Beinen. Da der Befund ausgeprägt sei, müssten zwei
Liposuktionen unter stationären Bedingungen durchgeführt werden. Des Weiteren legte die Klägerin ein fachärztliches Gutachten
des Dr. E, Clinic Dr. F in Mülheim a.d.R. vom 17.7.2017 vor. Dr. E erläutert darin, die Klägerin habe ihr Gewicht trotz sportlicher
Betätigung, Rehabilitation und diätetischer Maßnahmen nicht nennenswert reduzieren können. Da sich ihre Mobilität einzuschränken
beginne, seien 3-4 ambulante Operationen an Unterschenkeln, Oberschenkelvorderseiten und -rückseiten sowie an den Armen erforderlich.
In der dem Antrag beigefügten Stellungnahme der Dr. G, Praxisgemeinschaft Dermatologie, Phlebologie, Lymphologie und Proktologie
vom 19.04.2017 weist die Ärztin darauf hin, dass seit 2014 ein deutlicher Zuwachs der Extremitäten zu verzeichnen sei. Es
bestehe die begründete Aussicht, dass mit der von der Klägerin geplanten Operation ein Behandlungserfolg erzielt werden könne.
Die Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 03.01.2018 über die Weiterleitung der Unterlagen an den Medizinischen
Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dr. H vom MDK führte in ihrem Gutachten vom 12.1.2018 aus, für die beantragte neue Untersuchungs-
und Behandlungsmethode habe der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) noch keine positive Bewertung abgegeben. Die Voraussetzungen
des §
2 Abs.
1 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V) seien nicht erfüllt. Mit Blick auf eine mögliche Krankenhausbehandlung werde der Beklagten empfohlen, keine Zusage zur Kostenübernahme
für eine bestimmte Behandlungsmethode zu geben. Nach Erhalt einer Krankenhausabrechnung bestehe die Möglichkeit, diese zur
Überprüfung an den MDK weiterzuleiten.
Dem eine "Kostenübernahme einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode: Liposuktion der Arme und Beine" ablehnenden Bescheid
vom 16.01.2018 widersprach die Klägerin mit der Begründung, es komme nicht darauf an, ob der G-BA eine positive Empfehlung
abgegeben habe. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die bei ihr zwingend stationär durchzuführenden Liposuktionen seien
in §
137 c SGB V so gestaltet, dass neue Behandlungsverfahren keiner besonderen Zulassung bedürften. Im Rahmen einer Krankenhausbehandlung
seien sie anwendbar, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative böten und den Regeln der ärztlichen
Kunst entsprächen. Da es sich bei der Liposuktion um eine anerkannte Heil- und Behandlungsmethode handele und diese nach der
Stellungnahme der behandelnden Ärzte medizinisch indiziert sei, habe sie einen Sachleistungsanspruch. Zudem stütze sie ihren
Anspruch auf ein Systemversagen. Der G-BA habe nicht zeitnah endgültig über den im Jahr 2014 bestellten Aufnahmeantrag entschieden.
Obwohl nach der Verfahrensordnung des G-BA unter Kap. 2 Abschnitt V lediglich eine Erprobung innerhalb von zwei Jahren vorgesehen
sei, habe er im vorliegenden Fall eine Erprobungsphase von 5 Jahren gefordert, ohne in seinem Beschluss erkennen zu lassen,
weshalb in diesem Fall die 2,5 fache Zeit gerechtfertigt sein könnte. Da der Bericht der Abteilung Fachberatungsmedizin bereits
am 08.07.2015 dem G-BA vorgelegt worden, es erst nach vier Monaten zur Durchführung eines Expertengesprächs durch die themenbezogene
Arbeitsgruppe gekommen, erst nach fast weiteren acht Monaten das Verfahren gemäß §
91 Abs.
5 SGB V eingeleitet worden, es nach der Anhörung vom 27.10.2016 erst am 27.04.2017 zu einer weiteren Beratung gekommen und erst am
31.5. und 15.6.2017 über die Einleitung eines erneuten Stellungnahmeverfahrens unter Einbeziehung eines weiteren Beschlussvorgangs
beraten worden sei, liege eine verschleppte Bearbeitungsweise vor. Bereits nach Vorlage des abschließenden Berichts der Fachabteilung
Medizin vom 08.07.2015 habe der Beschluss über die Einleitung von Beratungen zu einer Richtlinie zur Erprobung gefasst werden
müssen.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21.3.2018 hat die Klägerin am 11.4.2018 Klage erhoben und
ihren Anspruch auf wegen der hohen Absaugvolumina zwingend stationär durchzuführende Liposuktionen weiterverfolgt. Im Hinblick
auf das Systemversagen sei auffällig, dass sich die beteiligten Interessengruppen Deutsche Krankenhausgesellschaft und die
Kassenärztliche Bundesvereinigung zusammen mit der Patientenvertretung zunächst für eine Aufnahme der Liposuktion in den Leistungskatalog
ausgesprochen hätten und dann plötzlich und ohne nähere Begründung nur wenige Tage vor dem Plenum von ihrer Meinung abgerückt
seien. Dies lasse darauf schließen, dass eine Interessengruppe das Verfahren verzögert habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2018 zu verurteilen,
ihr die Kosten für die beantragten Liposuktionsoperationen an den Armen und Beinen (jeweils beidseits) als Sachleistung zu
gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.11.2018 als unbegründet abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die begehrte
stationäre Behandlung überhaupt erforderlich und an welchen Körperteilen sie medizinisch notwendig sei. Da die Liposuktion
jedenfalls schulmedizinisch nicht anerkannt und damit als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode zu werten sei, scheide
ein Anspruch auf ambulante Durchführung ohnehin aus. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine stationäre Liposuktion.
Denn auch der Anspruch auf eine stationäre Behandlung unterliege den sich aus dem Qualitätsgebot ergebenden Einschränkungen.
Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit bloßem Potenzial einer Behandlungsalternative
sei §
137 Buchst. c Abs.
3 SGB V nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG - Urteil vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/18 R) nicht zu entnehmen. Der erforderliche Nutzenbeleg sei bei der Liposuktion bei Lipödem bisher nicht erbracht, da die wenigen
Studien nur Evidenzklasse IV entsprächen. Daher habe der G-BA in seinem Beschluss vom 18.1.2018 eine randomisierte kontrollierte
Studie für erforderlich angesehen und deren Durchführung im Rahmen einer Erprobung beschlossen. Die Grundsätze zum Systemmangel
seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Danach könne eine Leistungspflicht der Krankenkasse nur dann bestehen, wenn die
fehlende Anerkennung darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren von dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen
formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden sei (Urteil BSG vom 04.04.2006 - B 1 KR 12/05 R). Hier fehle es aber an einer für die Bewertung des Nutzens erforderlichen randomisierten kontrollierten Studie. Ein Anspruch
ergebe sich auch nicht aus §
2 Abs.
1 Buchst. a
SGB V, da es sich bei einem Lipödem weder um eine lebensbedrohliche noch regelmäßig tödlich oder hiermit wertungsmäßig vergleichbare
Erkrankung handele. Da die Beklagte die in §
13 Abs.
3 Buchst. a S. 6
SGB V vorgeschriebenen Fristen eingehalten habe, könne sich die Klägerin auch nicht auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion
stützen. Schließlich sei ein Anspruch auf Teilhabe an dem Erprobungsverfahren bzw. auf eine ermessensfehlerfreie Berücksichtigung
beim Auswahlverfahren von vornherein ausgeschlossen, da die Klägerin die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Erprobungsrichtlinie
wegen der Voroperationen nicht erfülle.
Gegen das ihr am 28.12.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.01.2019 Berufung eingelegt und ihren Anspruch weiterverfolgt.
Die Entscheidung des BSG vom 24.4.2018 (a.a.O.) sei willkürlich und verfassungswidrig. Mangels einer Ausschlussentscheidung des G-BA nach §
137 c Abs.
1 S. 2
SGB V sei die begehrte stationäre Behandlung zu Lasten der Beklagten zu erbringen. Dass das Potenzial einer Heilbehandlung das
Qualitätsgebot modifiziere, ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut und dem historischen Hintergrund für die Neuschaffung
des §
137 c Abs.
3 SGB V. Die Klägerin hat eine "Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt" der Stadt Essen vom 04.04.2019 zu den Akten gereicht, aus
der hervorgeht, dass das Gesundheitsamt der Stadt Essen von einer medizinischen Notwendigkeit der Liposuktionen an Beinen
und Armen ausgeht.
Nachdem sich die Klägerin bei Dr. C, Klinik für plastische Chirurgie im T-Krankenhaus in Essen, am 04.03.2019 einer Liposuktion
beider Arme und am 04.06.2019 einer Liposuktion beider Unterschenkel und Knie unterzogen hat, hat sie u.a. eine mit Dr. C
am 4.3.2019 getroffene Wahlleistungsvereinbarung (Kosten der Behandlung werden nach GOÄ ermittelt, Vereinbarung eines bis zum 8-fachen erhöhten Steigerungssatzes), die Rechnungen Nr. AB 4047 vom 13.2.2019 über
4.004,40 € und Nr. AB 4048 vom 21.5.2019 über 4.004,40 € jeweils nach GOÄ (überwiegend mit Faktor 7 und 8 fakturiert), Rechnungen der Anästhesie für die Operationen vom 4.3.2019 und 4.6.2019 jeweils
nach GOÄ i.H.v. 780 € bzw. 420 € (jeweils mit einem Zuschlag für ambulante Anästhesie) sowie die Operationsberichte der "Station PC
Amb. D" über die am 4.3.2019 und 4.6.2019 durchgeführten Eingriffe überreicht. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten,
die Operationen seien stationär durchgeführt worden, da sie am Operationstag jeweils um 7 Uhr morgens aufgenommen und am Folgetag
um 10 Uhr entlassen worden sei und ihr Kosten für die Übernachtungen nicht gesondert in Rechnung gestellt worden seien.
Nachdem sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 5.12.2019 vor dem Senat bereit erklärt hat, über einen Antrag
auf Gewährung einer stationären Liposuktion an den Oberschenkeln/ Übergang Gesäß neu zu entscheiden,
beantragt die Klägerin,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14.11.2018 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.01.2018
in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.03.2018 zu verurteilen, ihr die Kosten für die am 04.03.2019 und 04.06.2019 durchgeführten
Liposuktionen an Armen und Beinen in Höhe von 9.208,80 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt auf ihre bisherigen Ausführungen, die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und die Entscheidung des
BSG vom 24.04.2018 (B 1 KR 12/05 R) Bezug. Zweifelhaft sei, ob die ambulant durchgeführten Operationen überhaupt medizinisch notwendig gewesen seien.
Auf Nachfrage des Senats hat Dr. G in ihrem Befundbericht vom 24.4.2019 angegeben, die Klägerin leide u.a. an einem Lipödem
beider Beine Stadium II mit einem Lymphödem Stadium I, einem Lipödem Stadium II beider Arme und Adipositas. Die Liposuktion
sei die einzige Therapie, die das pathologische Fettgewebe entfernen und reduzieren könne. Ob dadurch eine nachhaltige Befundverbesserung
erreicht werden könne, vermöge sie nicht zu sagen, denn jeder operative Eingriff könne das Lymphknotensystem schädigen. Zudem
werde durch die begleitende Adipositas die Unterscheidung zwischen normalen und atypischen Fettzellen erschwert. Ob ein entsprechender
Eingriff ambulant oder stationär durchzuführen sei, müsse der Operator beantworten. Der Hausarzt Dr. H hat in seinem Befundbericht
vom 13.8.2019 erklärt, die Klägerin leide unter anderem unter einem kombinierten Lip-Lymphödem, einer belastenden Adipositas
mit Hyperlipidämie und einem Z.n. Hashimoto-Thyreoiditis. Nach der erfolglosen langjährigen konservativen Therapie sei eine
Liposuktion medizinisch sinnvoll. Diese könne wegen der beteiligten Areale nicht ambulant durchgeführt werden. Dr. H hat einen
Rehabilitationsbericht der Chiemgau-Klinik überreicht, in der die Klägerin im Jahr 2016 wegen einer mittelgradigen depressiven
Episode und einer Adipositas Grad II bei einem BMI von 40 behandelt worden ist.
Dr. H vom MDK hat dazu am 16.9.2019 ausgeführt, die Klägerin leide nicht an einem reinen Lipödem, sondern einer Mischform
mehrerer Erkrankungen. Die behandelnden Ärzte hätten sich zur Notwendigkeit der durchgeführten Maßnahmen nicht eindeutig geäußert
und vielmehr auf die effektiven ambulanten Behandlungsmethoden hingewiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte,
die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Anfechtungs- und Leistungsklage ist statthaft. Die Klägerin hat den zunächst geltend gemachten Sachleistungsanspruch nach
den beiden Operationen an Armen und Unterschenkeln zulässigerweise auf ein Kostenerstattungsbegehren umgestellt (§
99 Abs.
3 Nr.
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Den Sachleistungsanspruch hinsichtlich einer Liposuktion der Oberschenkel hat die Klägerin im Berufungsverfahren
nach der Erklärung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt.
Das Sozialgericht Aachen hat die Klage zu Recht mit Urteil vom 14.11.2018 als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid vom 16.01.2018
in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten nach
§
54 Abs.
1 Satz 2
SGG.
Die Voraussetzungen der allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden Vorschrift des §
13 Abs.
3, 2. Alt.
SGB V liegen nicht vor, so dass die Leistungsablehnung der Beklagten durch den Bescheid vom 16.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 21.3.2018 nicht zu beanstanden ist. Die Beklagte hat die Leistung nicht im Sinne von §
13 Abs.
3 Satz 1 Fall 2
SGB V zu Unrecht abgelehnt. Der Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er
setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur
als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG Urteil vom 11.07.2017 - B 1 KR 30/16 R, Rn. 8, juris). Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die ärztliche Behandlung
(§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V). Die Klägerin hatte weder im Zeitpunkt der Ablehnung noch im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung Anspruch auf die Liposuktionen
als Sachleistung.
Dabei geht die Klägerin zu Unrecht davon aus, dass die beiden Liposuktionen unter stationären Bedingungen durchgeführt worden
sind. Soweit sie ihre Ansicht damit begründet, jeweils zur Beobachtung über Nacht im Krankenhaus verblieben zu sein, verkennt
sie, dass die Operationen inklusive der Nachsorge am Folgetag aus Sicht des Krankenhauses keineswegs unter stationären Bedingungen
mit den Mitteln eines Krankenhauses erfolgte. Denn die Operationen wurden - in der ambulante und stationäre Behandlungen gleichermaßen
anbietenden Klinik für Plastische Chirurgie- ausweislich der Operationsberichte vom 4.3. und 4.6.2019 in der Station für ambulante
Behandlungen (Station PC Amb. D) durchgeführt. Korrespondierend hierzu haben die behandelnden Ärzte durch den wirtschaftlichen
Behandlungsweg zu erkennen gegeben, dass es sich um ambulante Behandlungen gehandelt hat (siehe hierzu BSG, Urteil vom 26.2.2019 - B 1 KR 21/17 R, Rz. 26, zitiert nach juris). Denn der Klägerin wurde bei den Anästhesierechnungen jeweils ein Zuschlag für die ambulante
Behandlung in Rechnung gestellt, den diese auch anstandslos beglichen hat. Flankierend dazu sind die Leistungen der Anästhesisten
und Operateure auch nicht nach dem Fallpauschalensystem (DRG), sondern nach der GOÄ abgerechnet worden.
Der Senat kann daher im vorliegenden Fall dahinstehen lassen, ob ein Erstattungsanspruch dann scheitert, wenn zwar formal
einzelne GOÄ-Ziffern benannt werden, in der Sache aber völlig identisch pauschal abgerechnet wird, weil - wie hier - unabhängig vom betroffenen
Extremitäten und der konkreten Absaugungsmenge (hier: 7000 ml und 6200 ml Fett jeweils derselbe Betrag zur Abrechnung gelangt.
Ebenfalls offen bleiben kann die Frage, ob eine stationäre Behandlung der Klägerin überhaupt medizinisch notwendig gewesen
wäre. Angesichts dessen, dass Dr. C, der sich in seinem Attest vom 27.11.2017 noch für eine stationäre Durchführung ausgesprochen
hatte, die Operationen ambulant durchgeführt hat und auch Dr. E in seinem Gutachten von Operationen im ambulanten Rahmen ausging,
erscheint dies jedenfalls zweifelhaft. Da die Operationen nicht im stationären Rahmen durchgeführt worden sind, kann auch
dahinstehen, ob dem Bundessozialgericht insoweit gefolgt werden kann, als es ausgeführt hat, der Anspruch Versicherter auf
stationäre Krankenhausbehandlung aus §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5, §
39 Abs.
1 S 1
SGB V unterliege nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck den sich aus dem Qualitätsgebot ergebenden Einschränkungen,
wobei eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer
Behandlungsalternative sich nicht aus §
137c Abs.
3 SGB V (i.d.F. durch Art. 1 Nr.
64 Buchst. b Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG)
vom 16.07.2015, BGBl. I 1211, 1230, m.W.v. 23.07.2015) ergebe, weil allein Hinweise in den Gesetzesmaterialien nicht genügten, um das Ergebnis aller anderen
Auslegungsmethoden zu überspielen (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R, Rn. 11, juris, Anschluss: LSG NRW, Urteil vom 19.7.2018 - L 16 KR 660/17; BSG, Urteil vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R).
Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, scheidet ein Anspruch auf die neue Behandlungsmethode der ambulanten
ärztlichen Liposuktion zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nach wie vor aus, weil der Gemeinsame Bundesausschuss
diese Methode nicht positiv empfohlen hat (§
135 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 SGB V) und kein Ausnahmefall vorliegt, in welchem die positive Empfehlung entbehrlich ist (vgl. BSG, Beschluss vom 10.05.2012 - B 1 KR 78/11 B = SozR 4-2500 § 140f Nr. 1, Rn. 6). Ein Ausnahmefall des Systemversagens liegt ersichtlich nicht vor, nachdem sich der Gemeinsame
Bundesausschuss auf Antrag der Patientenvertretung seit dem 20.03.2014 mit der Liposuktion befasst hat und mit Beschluss vom
20.07.2017 über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung entschieden und das Bewertungsverfahren
ausgesetzt hat. Der Senat weist nur ergänzend auf das Gutachten "Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen
Expertengruppe 7 des MDK vom 6.10.2011 nebst Gutachtensaktualisierung (15.01.2015; abrufbar unter www.mds-ev.de/richtlinien-publikationen/gutachten-nutzenbewertungen.html
dort Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen) hin, deren Übereinstimmung im Ergebnis mit der Beurteilung des Gemeinsamen
Bundesausschusses in den "Tragenden Gründen zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie
Methoden Krankenhausbehandlung: Liposuktion bei Lipödem vom 20.07.2017" auch das Bundessozialgericht zu Recht betont (vgl.
BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R, Rn. 27, juris; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.7.2018 - L 16 KR 660/17 -, Beschluss des BSG vom 19.2.2019 - B 1 KR 41/18 B NZB).
Auch die Voraussetzungen einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung im Sinne von §
2 Abs.
1a SGB V liegen nicht vor, weil das Lipödem weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine hiermit wertungsmäßig
vergleichbare Erkrankung ist (BSG, Urteil vom 24.04.2018 - B 1 KR 10/17 R a.a.O. Rn. 10).
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus §
13 Abs.
3 a SGB V, da die Beklagte den Antrag innerhalb der Fristen des §
13 Abs.
3a Satz 1
SGB V beschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs.
1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§
160 Abs.
2 SGG).