Anerkennung eines Arbeitsunfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung
Anforderungen an den Nachweis einer versicherten Tätigkeit unmittelbar vor einem Unfallereignis – hier im Falle von Arbeiten
an Firmenservern
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Streitig ist ein Geschehen am 28.04.2012.
Der 1968 geborene Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der als Versicherungsmaklerin auftretenden a A Management P GmbH.
Sowohl die Privatwohnung des Klägers wie auch die Büroräume der GmbH befinden sich in demselben sechsstöckigen Mehrfamilienhaus
im K -W -Ring in M . Die Privatwohnung befindet sich im 5. Obergeschoss, im 1. Obergeschoss des Gebäudes sind die ca. 120
Quadratmeter großen Büroräume des klägerischen Unternehmens und im Kellergeschoss hat der Kläger einen Raum angemietet, in
dem sich die Serveranlage seines Unternehmens sowie das Archiv befinden. Alle Stockwerke sind über ein gemeinsames Treppenhaus
verbunden, ein Aufzug ist ebenfalls vorhanden. Steigt man den zum Keller führenden Treppenabschnitt hinunter, so befinden
sich rechts die Kellerräume des Unternehmens, links die privaten Kellerräume, wobei der Kläger hier ebenfalls ein privates
Abteil hat. Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich ein Laden/Kiosk, der durch einen eigenen Zugang betreten werden kann.
Die Geschäftsräume des Klägers werden im Schnitt pro Tag 10 bis 15 Mal von Kunden besucht. Diese müssen dann ebenfalls die
Haustreppe im Treppenhaus benutzen.
Der Kläger ist gem. §
6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (
SGB VII) freiwillig bei der Beklagten unfallversichert.
Am Samstag, dem 28.04.2012 stellte sich der Kläger um 08: 06 Uhr in der Universitätsmedizin M vor. Im ersten Durchgangsarztbericht
vom 04.05.2012 wurde zunächst eine schwere Handdistorsion links festgestellt. Der Kläger sei um 1: 30 Uhr "auf dem Weg vom
Büro stolpernd gestürzt". Anschließende Folgeuntersuchungen erbrachten dann die Diagnose einer Kahnbeinfraktur links, die
im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Universitätsmedizin vom 22.05.2012 bis zum 24.05.2012 operativ versorgt wurde.
In seiner Unfallanzeige vom 25.05.2012 gab der Kläger handschriftlich an, er sei "von einem Außentermin kommend" zum "Abschalten
der Serverbackups in die Serverräume" im Keller gegangen. "Auf dem Weg vom Keller zum Büro (1. OG)" habe er "zwei Stufen auf
einmal genommen" und sei dabei auf die ausgestreckte linke Hand gestürzt. Der Unfall habe sich um ungefähr 01: 30 Uhr ereignet.
Da die Schwellung des Handgelenks nicht besser wurde, habe er sich sofort in die Notaufnahme der Unfallklinik begeben. Zuerst
habe seine Ehefrau von dem Unfall Kenntnis genommen, diese sei jedoch keine Augenzeugin. Laut Dienstreisebericht vom 01.06.2012
gab der Kläger gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten Busche an, dass er von einem Außentermin kommend direkt in den Keller
gegangen sei. Er habe den Server ausgeschaltet und habe sich in sein Büro im "1. EG" begeben wollen, um seine Aktentasche
dort abzulegen.
Mit Bescheid vom 05.06.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Lägen Wohnung und Arbeitsstätte in
demselben Gebäude, scheide ein Wegeunfall bereits begrifflich aus. Versicherungsschutz bestehe in diesem Fall grundsätzlich
nur an der unmittelbaren Arbeitsstelle, d. h. mit Betreten der jeweiligen Arbeitsräume, nicht aber für die Wege innerhalb
des Gebäudes, auch wenn sie dazu dienten Arbeitsgeräte bzw. Unterlagen zu verwahren. Da der Kläger nach dem Durchschreiten
der Außenhaustür im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses gestürzt sei, sei er zum Zeitpunkt des Sturzes nicht auf einem versicherten
Weg gewesen.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass seiner Ansicht nach kein Wegeunfall
im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII, sondern ein Unfall im Sinne des §
8 Abs.
1 SGB VII anzuerkennen sei. Die Beklagte verkenne, dass er ohne eine im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit erfolgte Datensicherungsmaßnahme
überhaupt nicht an der Unfallstelle gewesen wäre. Das Schadensereignis wäre dann nicht eingetreten. Sämtliche Wege zwischen
verschiedenen Betriebsräumen innerhalb eines Gebäudes stünden nach der Rechtsprechung unter Versicherungsschutz. Die von der
Beklagten angeführte Grenze der Außenhaustür gelte nach der Rechtsprechung nicht, wenn sich Wohnung und Arbeitsstätte in einem
Haus befänden. Durch Widerspruchsbescheid vom 22.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Begründung
entsprach den Ausführungen im Bescheid vom 05.06.2012.
Der Kläger hat am 20.12.2012 beim Sozialgericht Mainz (SG) Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt hat.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er als freiwillig Versicherter in den Anwendungsbereich der §§
3 i. V. m. 6
SGB VII falle. Vorliegend sei kein Fall des §
8 Abs.
2 SGB VII, sondern ein Fall des §
8 Abs.
1 SGB VII gegeben. Der Unfall habe sich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit während einer erforderlichen Datensicherung ereignet. Es
habe sich zwar eine eventuell alltägliche Gefahr verwirklicht, dies wäre jedoch nicht passiert, wenn er zur Unfallzeit nicht
der versicherten Tätigkeit nachgegangen wäre. Die "Haustür-Rechtsprechung" sei nicht einschlägig.
Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 09.07.2015 den Kläger persönlich angehört. Der Kläger hat dort angegeben, dass an jenem
Tag eine "Datenmigration" durchgeführt worden sei. Dies erfolge immer am Wochenende, damit man bei Fehlern noch bis zum nächsten
Werktag reagieren könne. Hierzu müssten die Festplatten unten im Serverraum ausgetauscht bzw. neu eingesetzt werden. Diese
würden während des Prozesses "gespiegelt". Der Server müsse dabei ausgeschaltet sein. Er sei im Keller gewesen, um eine Festplatte
einzusetzen, dann sei er wieder auf dem Weg nach oben ins Büro gewesen, um nachzuschauen, ob der Server wieder hochgefahren
sei, um dann die Datensicherung weiter laufen zu lassen. In seiner Erinnerung sei es ein bereits wiederholter Weg vom 1. Stock
in den Keller gewesen. Beim Sturz habe er keine Tasche bei sich gehabt. Er wisse nicht, wie diese Angabe in die Akte komme,
das habe er eigentlich so nicht gesagt. Es sei eine "besondere Aktion" gewesen, weil es "eine Software-Änderung gab". Ansonsten
sei er mindestens einmal im Monat in den Keller wegen einer Datensicherung, eher wöchentlich, wenn auch mal was aus dem Archiv
zu holen sei. Man könne den Server auch unten bedienen, es sei aber umständlicher. Seinen privaten Keller verwende er als
Lagerort für Dinge aus der Jugendzeit, nicht für Lebensmittel oder Getränke.
Durch Urteil vom 09.07.2015 hat das SG die Klage sodann abgewiesen. Der Bescheid vom 05.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.2012 sei rechtmäßig
und beschwere den Kläger nicht. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Unfall vom 28.04.2012 kein Arbeitsunfall gewesen sei. Maßstab der rechtlichen Beurteilung hierfür sei
vorliegend §
8 Abs.
1 SGB VII. Nach §
8 Abs.
1 SGB VII seien Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; S. 1). Unfälle seien zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende
Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führten (S. 2). Ein Arbeitsunfall eines Versicherten setze danach
voraus, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls im sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit stehe (innerer
Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis,
geführt habe (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht
habe (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden unmittelbaren oder mittelbaren Unfallfolgen aufgrund
des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) sei keine Tatbestandsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls. Der innere
Zusammenhang sei wertend zu ermitteln, indem untersucht werde, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liege, bis
zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reiche. Innerhalb dieser Wertung sei die Handlungstendenz
des Versicherten maßgeblich, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt werde. Bei eigenwirtschaftlichen
bzw. privatnützigen Tätigkeiten, also dem privaten Bereich zuzurechnenden Tätigkeiten, bestehe kein Versicherungsschutz. Für
die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung sei der volle Nachweis zu erbringen; d. h. es müsse bei vernünftiger
Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen
werden können; das Vorhandensein der versicherten Tätigkeit müsse sicher feststehen. Der Vollbeweis sei erbracht, wenn ein
Umstand in so hohem Maße wahrscheinlich sei, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses
des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet seien, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Gewisse
Zweifel seien unschädlich, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichteten. Es müsse folglich eine an Gewissheit
grenzende Wahrscheinlichkeit bestehen. Lasse sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich
machen, so gehe dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast)
zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang
für sich herleite.
Vorliegend sei bereits nicht mit ausreichender Überzeugung feststellbar, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde zu
legen sei. Während aus der Verwaltungsakte hervorgehe, dass der Kläger am Unfalltag von einem Außentermin kommend direkt in
den Keller hinabgestiegen und dann beim Gang hinauf zum Büro - ggf. um seine Aktentasche abzulegen - gestürzt sei, habe er
sich in der mündlichen Verhandlung an einen Außentermin nicht mehr erinnern können. Er sei vielmehr der Ansicht gewesen, er
sei zum Zeitpunkt des Sturzes bereits wiederholt die Treppen hinauf- und hinabgestiegen, um die Datenmigration voranzubringen.
Eine Aktentasche habe er damals nicht dabeigehabt. Letztlich komme es darauf aber nicht an. Denn auch wenn der eindeutigste
betriebliche Zweck unterstellt würde - hier: ein wiederholter Weg, um im Büro zu schauen, ob der Server wieder hochgefahren
sei und die Datenmigration fortgeführt werden könne -, habe der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht unter dem Schutz der
gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass der Versicherungsweg mit Durchschreiten der Haustür beginne bzw. ende, sei vorliegend nicht anwendbar, da sich die
Wohnung des Versicherten und seine Arbeitsstätte in einem Haus befänden (Urteil des BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R -). In einem solchen Fall sei bei Unfällen, die sich in Räumen bzw. auf Treppen ereigneten, die weder eindeutig der Privatwohnung
noch der Betriebsstätte zugeordnet werden könnten, darauf abzustellen, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignet habe, auch
Betriebszwecken (wesentlich) diene, ob der rein persönliche Lebensbereich schon verlassen worden sei bzw. auf den Nutzungszweck
zum Unfallzeitpunkt. Dabei seien immer die Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Als Kriterium für die Wesentlichkeit werde
eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke gefordert. Bei wertender Betrachtung
sei der Treppenabschnitt, auf dem sich der Sturz des Klägers ereignet habe, kein Teil des Gebäudes, der rechtlich wesentlich
den Zwecken des Unternehmens diene. Zwar führe das Treppenhaus (neben dem Aufzug) auch zu den Betriebsstätten im Keller und
im ersten Obergeschoss. Doch könne dies den weit überwiegenden Zweck eines allgemeinen Treppenhauses in einem Mehrfamilienhaus
- nämlich den dortigen Bewohnern, unabhängig von ihrer Zielsetzung, das Erreichen der verschiedenen Stockwerke zu ermöglichen
- nicht ausblenden. Das Treppenhaus diene eben nicht wesentlich dem Betrieb des Klägers, sondern stehe allen Bewohnern des
Hauses - auch dem Kläger - ebenso für rein private Tätigkeiten zur Verfügung. Allein auf die konkrete Nutzung zum Unfallzeitpunkt
abzustellen erscheine im Interesse einer möglichst einheitlichen Bewertung nicht sachgerecht.
Der Kläger hat gegen das ihm am 31.07.2015 zugestellte Urteil am 31.08.2015 Berufung eingelegt.
Zu deren Begründung hat er vorgetragen, dass die betriebliche Nutzung des Abschnitts des Treppenhauses zwischen Erdgeschoss
und 1. Obergeschoss überwiege, da seine Kunden auf diesem Weg in die Büroräumlichkeiten kämen. Die Beklagte hat entgegnet,
dass die vier ebenfalls über das Treppenhaus erreichbaren Stockwerke jedoch privat genutzt würden. Im Übrigen werde bestritten,
dass der Kläger vor dem Unfall bereits mehrfach die Treppe zwischen Keller und 1. Obergeschoss verwendet habe, da dies seinem
eigenen Vorbringen in der Unfallanzeige, dem Dienstreisebericht und dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren entgegenstehe.
Dort habe er angegeben, von einem Außendiensttermin kommend in den Keller gegangen zu sein, um die Datensicherung "abzuschalten".
Unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 05.07.2016 - B 2 U 5/15 R - hat der Kläger darauf hingewiesen, dass es auf den Zweck der konkreten Verrichtung im Moment des Unfalls ankomme. Er sei
im Rahmen der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gestürzt.
Am 28.06.2016 hat der Senat in einem Erörterungstermin des damaligen Berichterstatters den Kläger erneut angehört. Dort hat
der Kläger angegeben, am 28.04.2012 in seiner Erinnerung gegen 24: 00 Uhr von einem geschäftlichen Termin in N t an der W
zurückgekommen zu sein. In der Firma sei ein Softwareupdate in umfänglichem Maße durchgeführt worden. Von dem Termin kommend
sei er zuerst in die Büroräume gegangen, wo er die Computer neu gestartet habe. Bei einem derartigen Update müsse man den
Vorgang permanent überwachen, daher sei er zwischen Büro und Keller immer wieder "gependelt". Gegen 1: 30 Uhr sei er dabei
auf dem Weg von Serverraum zum Büro gestürzt. Wieso in dem aktenkundigen Dienstreisebericht erwähnt werde, dass er den Server
ausgeschaltet habe und dann zur Ablage seiner Aktentasche auf dem Weg zum Büro gewesen sei, sei ihm nicht erklärlich.
Sodann hat der Senat durch Urteil vom 11.01.2017 im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung die Berufung
des Klägers zurückgewiesen. Zunächst hat der Senat den Sachverhalt dargestellt, von dem er ausgehe. Hierbei hat er u. a. ausgeführt:
Am Unfalltag führte der Kläger nach Rückkehr von einem vorherigen auswärtigen Geschäftstermin gegen ca. 24 Uhr ein größeres
Softwareupdate mit Datensicherungsmaßnahmen in seiner Firma durch. Dies machte es notwendig, dass er zwischen dem Computer,
der sich im 1. Obergeschoss in seinen Büroräumen befindet, und dem im Kellergeschoss befindlichen Serverraum hin und her gehen
musste, um den Vorgang und seinen Ablauf zu überwachen. Auf einem der dabei zurückgelegten Wege vom Serverraum im Kellergeschoss
zu seinem Büro im 1. Obergeschoss stürzte er am 28.04.2012 gegen 01.30 morgens mit der linken Hand auf die Haustreppe.
Weiter hat der Senat ausgeführt, dass jede Verrichtung, die aufgrund ihrer Handlungstendenz der Ausübung der versicherten
Tätigkeit zu dienen bestimmt sei, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei, ohne Bindung an Arbeitsstätte und Arbeitszeit.
Andererseits seien nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeitsstätte versichert.
Daher seien auch nur solche Wege versichert, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und
dem Zurücklegen des Weges gegeben sei. Grundsätzlich seien Tätigkeiten im Bereich innerhalb des bewohnten Hauses nicht versichert.
Dieser Grundsatz sei nicht einschlägig, wenn sich die Arbeitsstätte im Wohnhaus befinde. In diesem Fall sei bei Treppen und
sonstigen nicht eindeutig zuzuordnenden Räumen danach zu differenzieren, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, Betriebszwecken
(wesentlich) diene oder ob er dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen sei. Hierbei sei auf die ständige und nicht nur gelegentliche
Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke abzustellen. Das bloße Zurücklegen zu der bzw. von der häuslichen Arbeitsstätte
sei nach der neueren BSG-Rechtsprechung jedoch nicht geeignet, eine ständige Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke zu begründen. Im vorliegenden
Fall habe die Treppe, auf der sich der Unfall ereignete, dem Betrieb nicht (wesentlich) gedient. Diese werde zum einen von
sämtlichen Hausbewohnern benutzt, und auch die Nutzung durch Kunden des Klägers sei keine betriebliche Nutzung, da diese hierbei
ihre eigenen Interessen und nicht die Interessen des Betriebs des Klägers verfolgten. Der Kläger sei zwar vorliegend auf einem
Weg gewesen, der in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden habe, weil dieser Weg für die Durchführung
des Softwareupdates seiner Betriebssoftware geboten gewesen sei, er sei also nach seiner objektivierten Handlungstendenz in
einem unmittelbaren Betriebsinteresse tätig gewesen, jedoch reiche dies nicht aus, weil nach der Rechtsprechung des BSG eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke zu fordern sei.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Frage grundsätzlich sei, ob das Ausmaß der Nutzung von Wegen im häuslichen
Bereich auch dann das alleinige sachgerechte Beurteilungskriterium bilde, wenn der Unfall auf Wegen im unmittelbaren Betriebsinteresse
geschehen sei.
Der Kläger hat am 17.02.2017 Revision beim BSG eingelegt.
Dort hat er vorgetragen, dass er am Unfalltag nach Rückkehr von einem auswärtigen Geschäftstermin "ein größeres Software Update
und damit einhergehende Datensicherungsmaßnahmen" durchgeführt habe, die es erforderlich gemacht hätten, dass er zwischen
den Büroräumen und dem Keller hin und her gegangen sei. SG und Landessozialgericht (LSG) hätten ihre ablehnende Entscheidung zu Unrecht darauf gestützt, dass der Unfallort nicht wesentlich
Betriebszwecken diene. Stattdessen reiche es bereits aus, dass unter Zugrundelegung der objektivierten Handlungstendenz eine
konkrete Tätigkeit vorgelegen habe, die der Erfüllung des gesetzlichen Versicherungstatbestandes als Beschäftigter diente.
Unabhängig hiervon habe er sich auf einem "Betriebsweg" im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII befunden. Der Unfallort werde nicht nur gelegentlich, sondern in einer gewissen Häufigkeit - täglich durch den Kläger und
seine Kunden - betrieblich genutzt. Bei den Fallkonstellationen in anderen Urteilen zur "Wesentlichkeit der betrieblichen
Nutzung" seien Räume in Häusern mit "fließenden Übergängen" zwischen beruflicher und privater Sphäre wie Einfamilienhäuser
zu beurteilen gewesen. Dies sei vorliegend nicht der Fall.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Verrichtung des Klägers nicht im sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit
gestanden habe. Auch habe er in Zusammenhang mit dieser keinen Betriebsweg zurückgelegt. Er sei auch nicht durch die Wegeversicherung
des §
8 Abs.
2 SGB VII geschützt oder beförderte Arbeitsgerät (§
8 Abs.
2 Nr.
5 SGB VII). Der Gang auf der Treppe weise keinen objektiv beobachtbaren Bezug zu der versicherten Tätigkeit auf. Eine Intention müsse
objektiviert sein. Das LSG habe dies zwar angenommen, es fehle jedoch an einer Objektivierung. Die Uhrzeit und der Wochentag
lägen außerhalb jeglicher Geschäftszeiten. Weitere Umstände, die objektiv einen Rückschluss auf die Intention des Klägers
zulassen würden, seien nicht ersichtlich. Daher ergebe sich der Versicherungsschutz nicht schon aus der konkreten Verrichtung.
Der Unfall habe sich auch nicht auf einem Betriebsweg ereignet, da die Treppe weder zu den Betriebsräumen des Klägers zähle,
noch durch seine Nutzung zu einem Betriebszwecken dienenden Ort geworden sei. Es liege auch kein Wegeunfall im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII vor, da sich der Unfall innerhalb des Hauses ereignet habe. Schließlich sei auch §
8 Abs.
2 Nr.
5 SGB VII (Verwahren von Arbeitsgerät) nicht einschlägig, da der Umstand, dass der Kläger eine Arbeitstasche mit sich geführt habe,
nicht in den Feststellungen des LSG erwähnt werde.
Hilfsweise hat die Beklagte beantragt, das Verfahren zurückzuverweisen, weil unklar bleibe, wie sich das LSG eine Überzeugung
zu dem festgestellten Sachverhalt gebildet habe. Im Wege einer Gegenrüge werde der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und
die fehlende Angabe der Gründe für die Überzeugungsbildung im Urteil gerügt. Aufgrund welcher Erwägungen die zugrunde gelegten
Tatsachen in den Entscheidungsgründen beruhte, werde nicht erklärt. Die Aussagen des Klägers hierzu hätten divergiert.
Durch Urteil vom 27.11.2018 hat das BSG das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache gem. §
170 Abs.
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Zum einen reichten die tatsächlichen Feststellungen
(§
163 Hs. 1
SGG) nicht aus, um abschließend zu entscheiden, ob der Kläger als Versicherter einen Arbeitsunfall erlitten habe. Sollten weder
die Voraussetzungen der Beschäftigtenversicherung nach §
2 Abs.
1 Nr.
1 SGB VII, noch die Erfordernisse der freiwilligen Versicherung nach §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 oder 2
SGB VII und auch kein anderer Versicherungstatbestand nach §
2,
3 oder 6
SGB VII in Betracht kommen, müsste die Berufung bereits aus diesem Grund zurückgewiesen werden.
Zum anderen habe der Kläger zwar einen Unfall erlitten, das LSG hätte aber einen Arbeitsunfall nicht schon deshalb verneinen
dürfen, weil die öffentlich zugängliche Treppe dem Unternehmen nicht wesentlich diente. Mit dem nach der Entscheidung des
LSG ergangenen Urteil vom 31.08.2017 - B 2 U 9/16 R - habe das BSG seine Rechtsprechung insoweit konkretisiert, dass bei der Feststellung eines Arbeitsunfalls im häuslichen Bereich die objektivierte
Handlungstendenz des Versicherten, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben zu wollen, den Ausschlag gebe. Entscheidend
sei somit, ob der Kläger bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit (subjektiv)
ausüben wollte, und diese innere (Haupt-)Tatsache durch die objektiven Umstände des Einzelfalls zur Überzeugung des Tatrichters
im Vollbeweis bestätigt werde. Hierzu müssten alle als Hilfstatsachen (Indizien) in Frage kommenden Umstände festgestellt
und abgewogen werden. Das LSG habe nur das Ergebnis festgestellt. Die Abwägung fehle vollständig, so dass ein Abwägungsausfall
vorliege. Es sei vertiefter zu prüfen, ob die objektiven Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger zu der genannten
Uhrzeit die vom LSG zugrunde gelegte Tätigkeit ausgeübt habe.
Das LSG hat sodann den Kläger schriftlich zu den genauen Umständen des Ereignisses, zu möglichen Indizien zur Objektivierung
der unternehmerischen Tätigkeit, zur Nichtbenutzung des Aufzugs und zu seiner Versicherteneigenschaft befragt.
Der Kläger führt aus, dass es sich um einen älteren und lauten Aufzug handle. Daher habe er wie auch im Alltag die Treppe
genutzt. Auch habe er konkret nur zwei Stockwerke überwinden müssen. Hinsichtlich der sonstigen Umstände des Unfalls verweist
er auf die "unstreitigen Feststellungen des LSG". Er sei in der Firma alleine für die EDV-Organisation, die Datensicherheit
und die Datensicherung zuständig. Größere Arbeiten an der Serveranlage könnten nicht während der Arbeitszeiten durchgeführt
werden, sondern immer an Wochenenden. Der Server habe vor einigen Jahren ausgetauscht werde müssen, daher sei eine Übersendung
eines Datenprotokolls nicht möglich. Er habe erfolglos versucht, ein Protokoll zu rekonstruieren, um den Nachweis führen zu
können, dass zu dem Unfallzeitpunkt die Datensicherungs- und Updatemaßnahmen durchgeführt worden seien. Ergänzend hat er einen
Auszug aus dem Handelsregister vorgelegt.
Der Geschehensablauf sei bereits zweimal intensiv und lebhaft erörtert und geklärt. Hierbei sei auch zur Sprache gekommen,
dass er die handschriftliche Unfallanzeige auf Anforderung der Beklagten vom 22.05.2012 im Krankenhaus nach einer aufwändigen
Operation am 22.05.2012 habe ausfüllen müssen. Selbst wenn sich der Unfall in der Weise ereignet hätte, wie es die Beklagte
sehen möchte, sei nach der Änderung der Rechtsprechung des BSG ein Arbeitsunfall zu bejahen. Auf Nachfrage des Senats, von welchem Anbieter das Softwareupdate heruntergeladen worden sei,
teilt er mit, dass "die Datensicherung durch Spiegelungen der Festplatten" durchgeführt worden sei. Ein Transfer über die
Cloud sei damals noch nicht möglich gewesen. Er legt eine Rechnung der Firma as vom 29.12.2011 vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.07.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.11.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Unfall vom 28.04.2012 ein Arbeitsunfall war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass der Kläger bei ihr als Gesellschafter-Geschäftsführer eine freiwillige Versicherung abgeschlossen habe
und daher grundsätzlich zum versicherten Personenkreis gehöre. Sie bestreite jedoch den vom Kläger vorgetragene Geschehensablauf
am Unfalltag. Die Angaben des Klägers hinsichtlich seiner versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt hätten im Laufe des Verwaltungs-
und Gerichtsverfahrens variiert. Zunächst habe er angegeben, dass er von einem Außendiensttermin kommend zunächst in den Keller
gegangen sei, um den dort befindlichen Unternehmensserver auszuschalten. Gestürzt sei er dann, als er auf dem Weg gewesen
sei, seine Aktentasche im Büro abzulegen. Nach Ablehnung des Versicherungsfalls habe der Kläger im Widerspruchsverfahren mit
anwaltlicher Vertretung nunmehr vorgetragen, im Rahmen durchzuführender Datensicherungsmaßnahmen bei Wechsel zwischen den
Räumlichkeiten gestürzt zu sein. Dies sei auch in der Klageschrift so vorgetragen worden. In der Verhandlung vor dem SG habe er dann angegeben, wiederholt in den Keller gegangen zu sein, um Festplatten für die Datensicherung auszutauschen. Eine
Aktentasche habe er nicht dabei gehabt. Im Erörterungstermin des LSG habe der Kläger dann angegeben, aufgrund eines umfangreichen
Softwareupdates vom geschäftlichen Termin kommend zuerst im Büro seinen Computer neu gestartet zu haben und dann zwischen
Büro und dem Serverraum gependelt zu sein, da ein Softwareupdate eine permanente Überwachung erforderlich mache. Die in der
Akte erwähnte "Aktentasche" könne er sich nicht erklären.
Die frühesten Angaben des Klägers in der Unfallanzeige und im Rahmen eines Besuchs eines Mitarbeiters der Beklagten entsprächen
am ehesten der Realität. Sie deckten sich - wenn auch nicht wörtlich - mit den Angaben beim Durchgangsarzt. Erst nach Ablehnung
des Antrags und mit anwaltlicher Vertretung habe der Kläger dann seinen Vortrag geändert. Die späteren Angaben variierten
auch immer wieder. Es bestünden somit Indizien dafür, dass es dem Kläger selbst nicht mehr klar sei, was er in dieser Nacht
um diese Uhrzeit gemacht haben will, außer vielleicht, dass er tatsächlich den Server ausgeschaltet habe. Der Kläger habe
sich daher zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bei versicherter Tätigkeit befunden.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2019 persönlich angehört und zum Geschehensablauf am 28.04.2012
und seinen bisherigen Angaben hierzu befragt. Er hat angegeben, nach der Rückkehr von dem auswärtigen Geschäftstermin zunächst
in den Keller gegangen und dann zwischen Büroräumen und Keller hin- und her gegangen zu sein. Soweit er in der Unfallanzeige
die Worte "Abschaltung des Serverbackups" verwendet habe, sei dies nicht ganz korrekt gewesen. Er habe sich kurzfassen müssen
und habe andere Probleme gehabt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörung wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung
verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte
der Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die nach §§
143 ff.
SGG zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 05.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 22.11.2012 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Unfall vom 28.04.2012 ist kein Arbeitsunfall
im Sinne des §
8 SGB VII gewesen.
Nach §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach §
8 Abs.
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§
2,
3 oder 6
SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit, außerdem gem. §
8 Abs.
2 Nr.
5 SGB VII auch das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts
oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht alle erfüllt. Der Kläger ist zwar bei der Beklagten unfallversichert gewesen und
erlitt am 28.04.2012 um ungefähr 01.30 Uhr morgens einen Unfall, der zu einem Gesundheitserstschaden führte. Es lässt sich
jedoch nicht im Vollbeweis belegen, dass der Kläger unmittelbar vor dem Unfallereignis eine versicherte Tätigkeit verrichtete.
Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und als solcher bei der Beklagten freiwillig gesetzlich unfallversichert.
Er ist daher zwar nicht gem. § 2 oder § 3 SGB XII, jedoch gem. §
6 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VII als Wie-Unternehmer versichert. Dies hat die Beklagte in ihrem letzten Schriftsatz noch einmal bestätigt.
Auch das Unfallereignis an sich und der Gesundheitserstschaden sind aufgrund der Angaben im Durchgangsarztbericht zu bejahen.
Der Kläger stürzte am Samstag, den 28.04.2012, morgens um 1: 30 Uhr, im Treppenhaus des Hauses Kaiser-Wilhelm-Ring 30 und
zog sich hierbei eine Verletzung der linken Hand zu.
Es ist jedoch nicht im Vollbeweis nachgewiesen, dass der Kläger unmittelbar vor diesem Unfallereignis eine versicherte Tätigkeit
zurücklegte und er sich daher auf einem versicherten Betriebsweg im Sinne des §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII befand.
Grundsätzlich sind versicherte Tätigkeiten solche Verrichtungen, die einen sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
aufweisen (sog. innerer Zusammenhang). Dieser Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige
Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.
Innerhalb dieser Wertung steht der Zweck des Handelns im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten,
so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser
Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen. Bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss
der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Lässt sich nicht feststellen,
ob der Versicherte bei einer Verrichtung verunglückt ist, die in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand,
trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Verrichtung den Versicherten (vgl. Urteil des BSG vom 26.06.2001 - B 2 U 30/00 R -, Rdnr. 14 bei juris).
Vorliegend lässt sich nicht objektiv belegen, dass der Unfall tatsächlich - wie vom Kläger vorgetragen - zwischen dem Erdgeschoss
und dem 1. Stock des Hauses geschehen ist. Der genaue Unfallort kann jedoch offen bleiben. Selbst wenn man zugunsten des Klägers
seinen insoweit mit Ausnahme des Durchgangsarztberichts einheitlichen Vortrag übernimmt, ist nicht zur Überzeugung des Senats
im Vollbeweis nachgewiesen, dass es sich bei der letzten abgrenzbaren Handlung unmittelbar vor dem Unfallereignis um eine
versicherte Tätigkeit gehandelt hat.
Das Treppenhaus zwischen Erdgeschoss und 1. Obergeschoss als Ort der letzten abgrenzbaren Handlung vor dem Unfallereignis
ist kein zum Betrieb gehörender Raum gewesen. Daher könnte es sich bei der Verrichtung des Klägers nur um einen sog. versicherten
Betriebsweg gehandelt haben. Betriebswege sind Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden, Teil
der versicherten Tätigkeit sind und damit der Betriebsarbeit gleichstehen. Sie werden im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen
(Urteil des BSG vom 31.08.2017 - B 2 U 9/16 R -, Rdnr. 10 bei juris, m. w. N.) Keine Betriebswege sind die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit, diese gehen der nach
§
8 Abs.
1 SGB VII versicherten Tätigkeit voraus oder schließen sich ihr an. Jene Wege sind gem. §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII zu bewerten.
Der Versicherungsschutz des Treppaufgehens als Betriebsweg scheitert zunächst nicht daran, dass sich der Unfall auf einem
Weg innerhalb des Wohngebäudes des Klägers ereignete. Die Grenzziehung an der Außentür greift ausnahmslos nur im Rahmen der
Wegeunfallversicherung nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII. Bei Betriebswegen ist sie nicht anzuwenden, wenn sich - wie vorliegend - sowohl die Wohnung des Versicherten als auch seine
Arbeitsstätte im selben Haus befinden und wenn der Betriebsweg in Ausführung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt wird
(BSG, a. a. O., Rdnr. 11 bei juris).
Ob ein innerhalb eines solchen gemischt genutzten Hauses zurückgelegter Weg im unmittelbaren Betriebsinteresse unternommen
worden ist, bestimmt sich stattdessen vorrangig nach der objektivierten Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen
des Weges, also danach, ob dieser bei der zum Unfallereignis führenden Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit
ausüben wollte und diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird. Die maßgeblichen objektiven
Umstände können auch den konkreten Ort des Unfallgeschehens und seine objektive Zweckbestimmung und den Zeitpunkt der unfallbringenden
Verrichtung umfassen (BSG, a. a. O., Rdnr. 13, 17, und 18 bei juris). Allein der Umstand, dass der Unfall auf einer frei allen Bewohnern des Miethauses
zugänglichen Treppe stattfand, führt nicht von vorneherein dazu, einen Betriebsweg auszuschließen. Beim Unfallort und seiner
objektiven Zweckbestimmung handelt sich vielmehr nur um eines von mehreren möglichen Indizien, anhand derer die Handlungstendenz
zu objektivieren ist.
Vorliegend lässt sich eine betriebliche Handlungstendenz des Klägers während der unmittelbar dem Unfall vorangehenden Verrichtung
nicht objektivieren.
Allein der Zeitpunkt des Unfalls spricht zunächst objektiv eher gegen einen unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang, da er
sich weit außerhalb der üblichen Geschäftszeiten des Geschäftsführers einer Versicherungsmakler-GmbH befindet. Es ist zwar
nachvollziehbar, dass gerade an diesem Wochentag und zu dieser Uhrzeit üblicherweise Arbeiten an Firmenservern vorgenommen
werden, jedoch ließ sich anhand des Servers oder anhand von über das Internet verbundenen anderen Servern nicht mehr rekonstruieren,
dass in dieser Nacht, vor allem aber noch zum konkreten Zeitpunkt des Unfalls tatsächlich an dem Server Datensicherungs- oder
Update-Maßnahmen durchgeführt wurden. Zeugen, z. B. Mitarbeiter des Klägers oder seine Ehefrau, waren nicht zugegen. Auch
der vom Kläger in der letzten mündlichen Verhandlung erwähnte Mitarbeiter könnte mangels Sicherungsprotokoll keine Aussage
darüber machen, ob im Moment des Unfalls noch Datensicherungsmaßnahmen liefen, die vom Kläger betreut wurden.
Der konkrete Unfallort zwischen Erdgeschoss und 1. Obergeschoss lässt objektiv sowohl eine betriebliche, wie auch eine privatwirtschaftliche
Handlungstendenz zu, da von dort sowohl die Betriebsräume, als auch die Privatwohnung des Klägers erreichbar sind. Die objektive
Zweckbestimmung dieses Treppenabschnitts spricht eher gegen eine betriebliche Handlungstendenz, da auch dieser Teil des Treppenhauses
nicht wesentlich betrieblichen Zwecken dient. Diesbezüglich hält der Senat an seiner im Urteil vom 11.01.2017 vorgenommenen
Einschätzung fest: Auch dieser Treppenabschnitt ist als Haustreppe in dem Sinne öffentlich zugänglich, da er von sämtlichen
Hausbewohnern und auch deren Besuchern zum Erreichen der jeweiligen Wohnungen genutzt wurde. Eine ständige und nicht nur gelegentliche
Nutzung für betriebliche Zwecke des Unternehmens des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, dass die Treppe
auch von Kunden des Klägers mehrfach in der Woche genutzt wird, die ihn in seinen Betriebsräumen aufsuchen. Da die Kunden
mit dem Aufsuchen der Geschäftsräume des Klägers naturgemäß keine dem Unternehmen des Klägers dienende Tätigkeit ausüben,
sondern eigene Interessen verfolgen, wird die Treppe hierdurch nicht zu einem Betriebszwecken dienenden Ort.
Der objektive Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht den Aufzug, sondern die Treppe verwendete, stellt in
diesem Zusammenhang nur ein schwaches Indiz dafür dar, dass er hierbei nicht seine Wohnräume im 5. Stock, sondern den 1. Stock
und damit seine Büroräume zum Ziel hatte. Der Kläger hat angegeben, dass es sich bei dem Aufzug um ein altes und lautes Modell
handelt, den er auch im Alltag nicht verwenden würde. Daher ist es genauso gut möglich, dass er um 01: 30 Uhr nachts auch
mit dem Ziel "5. Stock" bewusst nicht den Aufzug, sondern die Treppe genommen hat.
Im Übrigen sind keine weiteren objektiven Umstände, die auf eine bestimmte Handlungstendenz schließen lassen könnten, ersichtlich.
Rückschlüsse auf die Handlungstendenz des Klägers im Moment des Unfalls ließen sich daher im Wesentlichen nur aufgrund der
Angaben des Klägers zum Geschehensablauf selbst ziehen. Grundsätzlich kann auch Parteivortrag eine gerichtliche Erkenntnisquelle
sein, gegebenenfalls sogar die einzige. Vorliegend ist der Vortrag des Klägers - z. B. im Rahmen der Beteiligtenanhörung in
der letzten mündlichen Verhandlung - zwar grundsätzlich geeignet, den Zeitpunkt und den Ort des Unfalls als betriebsbedingt
zu erklären, er ist jedoch nicht geeignet, dies so zu objektivieren, dass sich der Senat eine an Sicherheit grenzende Überzeugung
von den Einzelheiten des Geschehensablaufs vor dem Unfall bzw. von einer bestimmten Handlungstendenz des Klägers zu bilden
vermag. Dem steht durchgreifend entgegen, dass die im Laufe des Verfahrens gemachten Angaben deutliche inhaltliche Abweichungen
aufweisen. Insbesondere hat der Kläger das konkrete Unfallgeschehen nacheinander in zwei stark voneinander abweichende Gesamtzusammenhänge
gestellt. So ergaben die von Kläger aktenkundigen, zeitnah zum Unfall gemachten Angaben folgendes Bild: Er sei von einem Außentermin
kommend unmittelbar in den Keller gegangen, um die Serverbackups abzuschalten, und sei dann - noch mit der Aktentasche in
der Hand - auf dem Weg zum Büro im 1. Stock um 1: 30 Uhr auf der Treppe gestürzt. Es handelt sich insoweit um die Schilderung
eines kompakten und die zuvor in seiner Abwesenheit erfolgte Datensicherung abschließenden Vorgangs, der unmittelbar nach
der Rückkehr von einem auswärtigen Termin erfolgte. Die späteren Schilderungen im Widerspruchsverfahren, in der mündlichen
Verhandlung vor dem SG und im Erörterungstermin und der mündlichen Verhandlung des LSG hingegen stellen den Unfall an das Ende eines von vom Kläger
persönlich überwachten, länger andauernden Sicherungs- oder Updatevorgangs, währenddessen der Kläger bereits mehrfach zwischen
dem 1. Obergeschoss und dem Keller hin- und her gewechselt war. Der Unfall sei erst 90 Minuten nach der Rückkehr von einem
Außentermin erfolgt. Es handelt sich hierbei nicht um zwei Varianten eines im Grundsatz einheitlichen Geschehensablaufs, sondern
um zwei sich wesentlich unterscheidenden Lebenssachverhalte, die beide möglich und realistisch sind, sich aber gegenseitig
ausschließen.
Sich in diesem Ausmaß widersprechende Angaben des Klägers zu den Umständen des Unfalls sind gänzlich ungeeignet, als Indizien
eine bestimmte Handlungstendenz zu objektivieren, wenn sich - wie vorliegend - diese Widersprüche nicht schlüssig auflösen
lassen. Soweit der Kläger zuletzt in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass er bei seiner Unfallanzeige im Mai 2012
nicht die richtigen Worte verwendet habe und abgelenkt gewesen sei, so hält der Senat dies nicht für glaubhaft. Die selbst
verfasste Beschreibung in der Unfallanzeige ist so konkret und detailliert ("kommend vom Außentermin", "abschalten der Serverbackups"
und "nahm ich zwei Stufen auf einmal"), dass sich die späteren Abweichungen gerade nicht damit erklären lassen, dass die Angaben
damals nur oberflächlich und unter Zeitdruck erstellt wurden. Im Gegenteil verwundert, warum der Kläger unter den von ihm
beschriebenen Umständen gerade den engen zeitlichen Zusammenhang zu dem auswärtigen Termin hervorgehoben hat, der gemäß seinen
späteren Angaben überhaupt nicht bestand. Diesen Zusammenhang hat er ausweislich des Protokolls vom 01.06.2012 gegenüber dem
Mitarbeiter wiederholt ("kommend vom Außentermin", "direkt in den Keller", "den Server ausgeschaltet"). Es bestehen auch sonst
keine Anhaltspunkte für irrtümliche Angaben, und die Schilderungen sind auch nicht mehrdeutig. Es kann auch nicht pauschal
die älteste, also kurz nach dem Unfall abgegebene Schilderung als die vermutlich noch mit dem besten Erinnerungsvermögen abgegebene
Beschreibung zugrunde gelegt werden, da der Kläger später bewusst einen wie dargelegt wesentlich anderen Geschehensablauf
angegeben hat und sich damit von den ersten Angaben distanziert hat.
Im Ergebnis kann offen bleiben, ob die unterschiedlichen Angaben darauf beruhen, dass der Kläger keine genaue oder eine wechselnde
Erinnerung an den Unfall hat oder ob er bewusst verschiedene Varianten angegeben hat, in jedem Fall kann nicht von Seiten
der Beklagten oder der Gerichte willkürlich eine der beiden von ihm vorgetragenen Schilderungen einer rechtlichen Bewertung
zugrunde gelegt werden.
Hinzukommt, dass die Angaben des Klägers im Detail weitere Abweichungen aufweisen, die sie ebenfalls für eine Objektivierung
einer bestimmten Handlungstendenz ungeeignet erscheinen lassen. So ergab sich aus seinen ursprünglichen Angaben, dass ihn
sein erster Gang im Haus in den Keller führte, im Erörterungstermin vor dem LSG am 28.06.2016 hat er dann jedoch ausdrücklich
mitgeteilt, dass er zunächst in sein Büro gegangen sei, und in der mündlichen Verhandlung vom 09.12.2019 hat er schließlich
wieder erklärt, als erstes in den Keller gegangen zu sein. Auch hat der Kläger sehr unterschiedlich Begriffe dafür verwendet,
welche Arbeiten in dieser Nacht am Server vorgenommen werden mussten. Es ist zumindest auffällig, dass er als hierfür zuständige
und damit sachkundige Person in der GmbH nicht durchgehend dieselbe Begrifflichkeit verwendet und auf diese Weise die Bedeutung
des "software-updates" im Verhältnis zur Datensicherung unterschiedlich wiedergibt. So ist ursprünglich nur ein abzuschaltender
Server-Backup erwähnt worden, in der Revisionsbegründung hat der Kläger im Gegensatz hierzu angegeben, dass ein "größeres
Software-Update mit einhergehenden Datensicherungsmaßnahmen" durchgeführt worden sei.
Weiter hat der Kläger gemäß der Entscheidungsgründe des Urteil des SG angegeben, sich an einen dem Unfall vorangegangenen auswärtigen Termin nicht mehr erinnern zu können, vor dem LSG hat er
jedoch zu Protokoll gegeben, dass er circa um 0: 00 Uhr von einem Termin in Neustadt an der Weinstraße gekommen sei.
Schließlich findet sich im Durchgangsarztbericht vom 28.04.2012 die wiedergegebene Angabe des Klägers, er sei "auf dem Weg
vom Büro stolpernd gestürzt". Diese Angabe steht im Widerspruch zu allen späteren Angaben, in denen der Kläger den Unfall
als auf dem Weg aus dem Keller zurück zum Büro erfolgt beschrieben hat. Auch könnte mit dem "Weg vom Büro" auch der Weg vom
Büro zur Wohnung im 5. Stock gemeint sein, ein Weg der unter keinem Gesichtspunkt die Voraussetzungen eines versicherten Betriebswegs
erfüllt hätte.
Ob die beiden vom Kläger geschilderten Geschehensabläufe für sich gesehen jeweils den Rückschluss auf eine betriebliche Handlungstendenz
zulassen, kann daher offen bleiben. Ebenfalls offen bleiben kann, ob ein Betriebsweg nicht zumindest im Wege einer Wahlfeststellung
angenommen werden könnte, falls sogar beide Geschehensabläufe diesen Rückschluss zulassen würden. Da die sich widersprechenden
Aussagen des Klägers bereits grundsätzlich nicht als Indiz herangezogen werden können, besteht weiterhin auch die in die Prüfung
miteinzubeziehende Möglichkeit, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt des Unfalls etwas anderes (drittes) zu tun beabsichtigte
und nicht (mehr) betriebsbezogen handelte, z. B. weil er die Serverbackups im Keller abgeschaltet hatte und sich auf dem Weg
in seine Wohnung befand.
Nach alledem ist nicht als nachgewiesen anzusehen, dass sich der Kläger unmittelbar vor dem Unfallereignis auf einem Betriebsweg
befand. Ausreichende Indizien für eine betriebliche Handlungstendenz liegen nicht vor. Die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall
im Sinne von §
8 Abs.
1 SGB VII sind nicht erfüllt.
Auch ein Wegeunfall nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 SGB VII liegt nicht vor. Wegeunfälle können wie ausgeführt nicht innerhalb des Wohnhauses des Versicherten erfolgen. Liegen Wohnung
und Arbeitsstätte in demselben Gebäude ist begrifflich ein Wegeunfall ausgeschlossen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 48).
Ein Arbeitsunfall nach §
8 Abs.
2 Nr.
5 SGB VII kann ebenfalls nicht bejaht werden. Ob der Kläger eine Aktentasche bei sich trug und ob er sich im Moment des Unfalls auf
dem Weg zu seinen Büroräumen befand, lässt sich nach den obigen Ausführungen nicht im Vollbeweis feststellen
Nach alledem ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§
160 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 SGG) nicht vorliegen.