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LSG Sachsen, Beschluss vom 23.01.2012 - 3 AS 958/11
Arbeitslosengeld II Berücksichtigung von Ausbildungsgeld als Einkommen Behinderte Menschen Erweiternde Auslegung einer Ausnahmevorschrift
1. Der Senat teilt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretene Auffassung, dass behinderte Menschen, deren Ausbildung im Rahmen der §§ 102 ff. SGB II dem Grunde nach förderfähig ist, nicht unter den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 SGB II fallen.
2. Auch wenn es sich beim Ausbildungsgeld bei beruflicher Ausbildung nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. 105 SGB III um eine Leistung handelt, die nach ihrer Zweckbestimmung und der Bedarfsfestlegung der Berufsausbildungsbeihilfe nach dem SGB III und der Ausbildungsförderung nach dem BAföG vergleichbar ist, handelt es sich gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.V.m. § 103 Satz 1 Nr. 2 SGB III doch um eine besondere Leistung, die behinderten Menschen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung einschließlich Berufsvorbereitung sowie blindentechnischer und vergleichbarer spezieller Grundausbildungen zu erbringen sind.
3. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass ein Wille des Gesetzgebers, die nach §§ 102 ff. SGB II dem Grunde nach Anspruchsberechtigten in den Geltungsbereich von § 7 Abs. 5 SGB II einbeziehen zu wollen, für den Zeitraum, als die Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II geschaffen wurde, nicht belegbar ist.
4. Ein Rückschluss aus späteren Gesetzesänderungen und den dort formulierten Gesetzesbegründungen auf einen bestimmte früheren, nicht belegbaren Willen des Gesetzgebers erscheint nicht möglich, weil dies in den Bereich des Spekulativen führen würde.
5. Zudem ist eine erweiternde Auslegung einer Ausnahmevorschrift, die zu einem Ausschluss von existenzsichernden Leistungen führt, im Hinblick auf die Gewährleistung eines soziokulturellen Existenzminimums und vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gebotes der Normenklarheit kaum denkbar, wenn im Gesetzeswortlaut hierfür nicht ein hinreichender Ansatzpunkt enthalten ist.
Normenkette:
SGB II § 19 Abs. 1 S. 1
,
SGB II § 7 Abs. 1 S. 1
, ,
SGB II §§ 102 ff.
,
SGB II § 7 Abs. 5
,
SGB III § 104 Abs. 1 Nr. 1
, ,
SGB III § 102 Abs. 1 S. 1
,
SGB III § 103 S. 1 Nr. 2
Vorinstanzen: SG Chemnitz 30.09.2011 S 40 AS 4302/11 ER
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 30. September 2011 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und hierbei das dem Antragsteller bewilligte Ausbildungsgeld in Höhe von 104,00 EUR als Einkommen zu berücksichtigen.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen zu erstatten.
III. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sächsischen Landessozialgericht ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin X ..., als Bevollmächtigte beigeordnet.

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