Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsanwaltsvergütung - beigeordneter Rechtsanwalt - Vergütungsfestsetzungsantrag - Einrede
der Verjährung - keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei materiell-rechtlichen Fristen
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem
Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) für ein von dem Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigtem beim Sozialgericht H. geführtes Klageverfahren (S 18 [24] R
844/09) die Einrede der Verjährung entgegensteht.
Dem Beschwerdeführer wurde vom Sozialgericht mit Beschluss vom 25. November 2009 Prozesskostenhilfe für das vorgenannte Klageverfahren,
in dem die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem
Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung -
SGB VI) umstritten war, bewilligt. Der Rechtsstreit endete am 8. November 2012 im Termin zur mündlichen Verhandlung durch gerichtlichen
Vergleich.
Am 17. Juli 2017 wandte sich der Beschwerdeführer an das Sozialgericht und bat unter Hinweis auf den in Fotokopie beigefügten
Kostenfestsetzungsantrag mit dem Datum vom 10. Januar 2013 um Mitteilung des Sachstandes. In dem beigefügten Schriftsatz wird
beantragt, die im Einzelnen aufgeführten Gebühren unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss vom 25.
November 2009 mit insgesamt 780,46 € festzusetzen. Der - seinerzeit zuständige - Bezirksrevisor erhob im Rahmen der vom Sozialgericht
angeforderten Stellungnahme zum Kostenfestsetzungsantrag am 15. Januar 2018 die Einrede der Verjährung gemäß § 8 RVG, §§
195,
199 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB). Der Anspruch auf Vergütung verjähre innerhalb von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch fällig, also
entstanden sei. Der Rechtsstreit, für den die Vergütung geltend gemacht werde, sei mit der Annahme des Vergleichsvorschlages
am 8. November 2012 beendet und der Vergütungsanspruch damit am 31. Dezember 2015 verjährt gewesen. Für den Beschwerdeführer
habe die Pflicht bestanden, sich entsprechend frühzeitig zu informieren, ob der Antrag bei Gericht eingegangen sei. Eine Nachfrage
fast zwei Jahre nach Eintritt der Verjährung, wann mit der Vergütung zu rechnen sei, könne nicht zu Lasten der Landeskasse
eingewendet werden. Die Einrede der Verjährung werde - unter bereits erteilter Zustimmung des Präsidenten des Landessozialgerichts
Sachsen-Anhalt - gegenüber dem Beschwerdeführer erklärt.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle wies mit Beschluss vom 2. Mai 2018 den Festsetzungsantrag vom 10. Januar 2013 zurück.
Der mit Eingang vom 17. Juli 2017 geltend gemachte Vergütungsanspruch sei verjährt. Dass der Verjährungseintritt auch in Fällen
der Vergütungsfestsetzung gemäß § 55 RVG anwendbar sei, habe u.a. das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 17. Januar 2008 (Az. II-8 WF 301/07, juris) entschieden.
Die vom Beschwerdeführer am 18. Mai 2018 beim Sozialgericht H. gegen den ihm am 7. Mai 2018 zugestellten Beschluss eingelegte
und nicht begründete Erinnerung wies das Sozialgericht H. mit Beschluss vom 30. März 2021 unter Hinweis auf die Darlegungen
im angefochtenen Beschluss zurück. Es sei insbesondere nicht glaubhaft gemacht worden, dass ein Vergütungsantrag vor dem 17.
Juli 2017 bzw. vor Ablauf der Verjährungsfrist am 31. Dezember 2015 gestellt worden sei.
Gegen diesen ihm am 1. April 2021 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 15. April 2021 - eine zunächst nicht
mit einer Begründung versehene - Beschwerde beim Sozialgericht H. eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
weitergeleitet hat. Zur Begründung hat er sodann am 8. Juni 2021 vorgetragen, er habe die Kostenfestsetzung rechtzeitig beantragt.
Diese sei ganz offensichtlich nicht zur Gerichtsakte gelangt. Er habe den Kostenfestsetzungsantrag vom 10. Januar 2013 persönlich
in den hierfür vorgesehenen Nachtbriefkasten des Gerichts eingeworfen. Er hat hierzu eine unter dem 8. Juni 2021 unterzeichnete
anwaltliche Versicherung vorgelegt, wonach die Post aus dem Postausgangsfach wochentags ausnahmslos jeden Abend zu Büroschluss
in einen Umschlag verpackt und sodann durch ihn oder, sofern er ortsabwesend sein sollte, durch seine Mitarbeiterin in den
Nachtbriefkasten des Justizzentrums H. eingeworfen werde. Vorliegend habe - ausweislich des Postausgangsvermerkes und Kürzels
- seine damalige, stets zuverlässig arbeitende Mitarbeiterin S. die Ausfertigung des Vergütungsfestsetzungsantrages vom 10.
Januar 2013 vorgenommen und in den Postausgang gelegt. Am Abend des 10. Januar 2013 sei er nicht ortsabwesend gewesen und
habe die Post für das Justizzentrum H. aus dem eigens dafür geführten Ausgangsfach verpackt und sodann selbst zum Justizzentrum
H. gebracht. Die entsprechende Post habe er noch am 10. Januar 2013 in den Nachtbriefkasten des Justizzentrums eingeworfen.
Wegen der Einzelheiten der anwaltlichen Versicherung wird auf Blatt 24 der Gerichtsakte Bezug genommen. Zudem hat der Beschwerdeführer
die eidesstattliche Versicherung der S. vorgelegt; wegen der Einzelheiten wird insoweit auf Blatt 31 der Gerichtsakte verwiesen.
Schließlich hat der Beschwerdeführer beispielhaft weitere Schriftsätze, die am 10. Januar 2013 an das Justizzentrum adressiert
waren, aufgelistet und in Fotokopie zur Akte gereicht.
Der Beschwerdeführer, der einen konkreten Beschwerdeantrag nicht gestellt hat, beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts H. vom 30. März 2021 sowie den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 2. Mai
2018 aufzuheben und unter Bezugnahme auf den Prozesskostenhilfebewilligungsbeschluss vom 25. November 2009 und den unter dem
10. Januar 2013 gestellten Kostenfestsetzungsantrag die zu erstattenden Gebühren mit insgesamt 780,46 € festzusetzen.
Der Beschwerdegegner hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Nachweis, dass der Kostenfestsetzungsantrag fristgerecht in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden sei, sei nicht erbracht.
Insoweit sei nicht nachvollziehbar, warum die Erklärungen vom Beschwerdeführer nicht schon im Erinnerungsverfahren, sondern
erst nach über acht Jahren im Beschwerdeverfahren vorgebracht und eidesstattlich versichert worden seien.
Das Sozialgericht, dem der Vorgang mit der Beschwerdebegründung und -erwiderung erneut vorgelegt worden ist, hat der Beschwerde
unter dem 14. Januar 2022 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat am 26. Januar 2022 zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdeakte sowie die beigezogene Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens beim
Sozialgericht S 18 (24) R 844/09, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Anzuwenden ist das RVG in der Fassung bis zum 31. Juli 2013 (a.F.), denn die Beiordnung des Beschwerdeführers ist vor diesem Zeitpunkt erfolgt (§
60 Abs. 1 S. 1 RVG).
Zuständig für die Entscheidung ist die Berichterstatterin des 3. Senats, die als Einzelrichterin über die Beschwerde entscheidet
(§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG). Die Übertragung auf den Senat kam nicht in Betracht, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher
Art aufweist und keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG statthaft und zulässig; der Beschwerdewert übersteigt 200,00 €.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse
zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das Sozialgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 25. November 2009 Prozesskostenhilfe gewährt und er war kostenprivilegierter
Beteiligter i.S.d. §
183 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 S. 1
SGG).
Dem Anspruch des Beschwerdeführers auf Festsetzung der Vergütung nach § 55 RVG steht die durch den - seinerzeit zuständigen Bezirksrevisor - erhobene Verjährungseinrede entgegen.
Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers war mit Erledigung des Verfahrens am 8. November 2012 nach § 8 Abs. 1 RVG fällig und hätte bis zum 31. Dezember 2015 geltend gemacht werden müssen. Dem Beschwerdeführer ist der Nachweis, dass der
Antrag auf Vergütungsfestsetzung vom 10. Januar 2013 bis zum Ablauf der vorgenannten Verjährungsfrist beim Sozialgericht eingegangen
ist, nicht gelungen. Die von ihm geschilderten Abläufe, wie üblicherweise Post zum Justizzentrum H. gelangt, ersetzen diesen
Nachweis nicht. Sie könnten allenfalls im Rahmen der Prüfung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Versäumung
einer gesetzlichen Verfahrensfrist gemäß §
67 SGG maßgeblich sein. Die vorgenannte Vorschrift greift jedoch nicht für materiell-rechtliche Fristen, zu der die zur Disposition
der Beteiligten stehende Verjährungseinrede mit den danach anzuwendenden Verjährungsfristen gehören, ein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Kommentar zum
SGG, 13. Aufl., §
67 RdNrn. 2b, 2d). Selbst wenn §
67 SGG analog Anwendung finden könnte, wäre der Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig, da hier seit dem Ende der versäumten Frist
mehr als ein Jahr vergangen und der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist nicht infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen ist (§
67 Abs.
3 SGG).
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).