Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im sozialgerichtlichen Verfahren bei Nichtverlegung einer mündlichen Verhandlung
trotz zeitlich früherer Ladung einer anderen Kammer
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die ihr für die Beschaffung des Medizinproduktes Gepan®
Instill entstandenen Kosten zu erstatten sowie sie von künftig anfallenden Kosten freizustellen hat.
Bei der 1951 geborenen und bei der Beklagten versicherten Klägerin wurde im September 2006 die Diagnose einer interstitiellen
Zystitis (im Folgenden: IC) bei klinischer Reizblase (Urgency-Frequenzy-Syndrom) gestellt. Hierbei handelt es sich um eine
nicht durch Bakterien verursachte systemische Erkrankung, die sich in einer sterilen Blasenentzündung mit Schädigung der Blasenschleimhaut
manifestiert. Sie ist gekennzeichnet durch imperativen Harndrang, gesteigerte Miktionsfrequenz sowie Schmerzen in der Blase
und im kleinen Becken. Im Februar 2007 beantragte die H. Klinikum E. GmbH - Dr. M. - bei der Beklagten die Kostenübernahme
für eine intravesikale Instillation mit Uropol® S. Ein Therapieversuch mit deutlicher Abnahme der Beschwerdesymptomatik sei
durchgeführt worden. Indiziert sei eine dreimal wöchentliche Instillation der Blase, danach alle vier Wochen einmal. Nach
Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Thüringen e.V. vom 22. Februar 2007 gewährte
die Beklagte mit Bescheid vom 12. März 2007 eine bis zum 12. Juli 2007 befristete Kostenübernahme für die Therapie mit Uropol®
S. Im November 2007 beantragte Dr. M. für die Klägerin die weitere Kostenübernahme für die Therapie mit Uropol® S bzw. jetzt
Gepan® instill. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2007 bewilligte die Beklagte nach Einholung einer Stellungnahme des Beratungsarztes
Dr. W. vom 22. November 2007 eine weitere Kostenübernahme bis zum 31. Dezember 2008.
Im September 2008 beantragte die Klägerin unter Vorlage eines Berichtes der H. Klinikum E. GmbH - Dr. M. - vom 12. März 2008
die weitere Kostenübernahme für die Therapie mit Uropol® S. Die Symptome der chronischen Zystitis hätten durch die Therapie
mittels Instillation des Medikamentes reduziert werden können, sie sei auf eine Weiterbehandlung angewiesen, weil es sich
um eine chronische Erkrankung handele. Bei ihr sei 2006 auch eine Hämochromatose (Störung des Eisenstoffwechsels) diagnostiziert
und therapiert worden. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des MDK vom 23. September 2008 ein. Danach handelt es sich
bei Gepan® instill nicht um ein zugelassenes Arzneimittel, sondern um ein Medizinprodukt. Dieses sei in der in Anlage 12 der
Arzneimittel-Richtlinien (im Folgenden: AMR) erfassten verordnungsfähigen Medizinprodukte nicht enthalten. Eine Verordnung
zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei daher nicht möglich. In Deutschland stünden zur vertragsärztlichen
Behandlung der IC nur interventionelle und operative Eingriffe zur Verfügung. Die externe Evidenz für Gepan® instill sei nicht
ausreichend, um den Einsatz zu empfehlen.
Mit Bescheid vom 24. November 2008 lehnte die Beklagte eine weitere Kostenübernahme ab. Den Widerspruch wies sie nach Einholung
eines weiteren Gutachtens des MDK vom 11. Februar 2009 mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2009 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses - Unterausschuss "Arzneimittel" vom 14. Oktober 2009 eingeholt. Danach
hat dieser mit Beschluss vom 17. Juli 2008 den Antrag des Herstellers zur Aufnahme des Medizinproduktes Gepan® instill in
die AMR Anlage V (zuvor Anlage 12) nach §
31 Abs.
1 Satz 2 und Satz 3
SGB V i.V.m. §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine Aufnahme nicht erfüllt sind. Das Medizinprodukt Gepan® instill enthält im Wesentlichen
Natrium-Chondroitinsulfat-Lösung in einer Konzentration von 0,2 v.H ... Als Zweckbestimmung werde der vorübergehende Ersatz
der Glykosaminoglykan-Schicht (GAG-Schicht) in der Blase, z. B. bei IC, angegeben. Die Prüfung des Antrags habe ergeben, dass
erhebliche Zweifel daran bestehen, ob Gepan® instill überhaupt zur Krankenbehandlung im Sinne des §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V geeignet sei, da die Bedeutung des Defektes oder einer Schädigung der GAG-Schicht nicht ausreichend gesichert sei. Auf Basis
der vorhandenen Studienlage sei der therapeutische Nutzen von Chondroitinsulfat intravesikal nicht belegt. Der Hersteller
habe Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid eingelegt.
Mit Verfügung vom 22. Oktober 2009 hat das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf Montag, den 23. November 2009, 10:15 Uhr bestimmt. Mit Schriftsatz vom 28. Oktober
2009 hat der allein bevollmächtigte Prozessbevollmächtigte der Klägerin um eine Verlegung des Termins in Absprache mit der
17. Kammer des SG gebeten und deren Ladung vom 15. Oktober 2009 auf Montag, den 23. November 2009, 10:15 Uhr vorgelegt. Mit Verfügung vom 2.
November 2009 hat ihm die Vorsitzende der 38. Kammer geantwortet, der Termin zur mündlichen Verhandlung werde nicht verlegt.
Es sei zuzumuten, dass der Verband mehrere Terminsvertreter entsende. Mit Schriftsatz vom 6. November 2009 hat der Prozessbevollmächtigte
angegeben, er habe keine Vertagung, sondern eine Verlegung des Termins in Absprache mit der 17. Kammer beantragt. Herr R.,
der einzige noch mögliche Prozessvertreter, sei an diesem Tag nicht abkömmlich. Mit Schriftsatz vom 12. November 2009 hat
er die Aufhebung des Termins wegen Überschneidung mit anderen Terminen des SG Gotha beantragt. Mit Verfügung vom 16. November
2009 hat die Vorsitzende der 38. Kammer eine Verlegung des Termins abgelehnt und ausgeführt, die Gegenseite werde nicht erscheinen.
Es werde erwartet, dass er sich zeitnah bei ihr melde. Es könne dann eine andere Terminsstunde genannt werden, falls er einen
Antrag stellen wolle. Andernfalls werde eine Entscheidung nach Lage der Akten ergehen. Mit Schriftsatz vom 19. November 2009
hat der Prozessbevollmächtigte nochmals die Terminsaufhebung beantragt; mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
bestehe kein Verständnis. Er weise vorsorglich auf die entsprechenden Entscheidungen des Bundessozialgerichts bezüglich der
Verletzung des rechtlichen Gehörs hin. Die Klägerin könne aufgrund ihrer Stoffwechselerkrankung keine Medikamente, die systemisch
wirkten, einnehmen. Sie stehe auf dem Standpunkt, dass Gepan® instill als einzig mögliches Medikament in Frage komme.
In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. November 2009 (Beginn 10:21 Uhr, Ende 14:07) ist u.a. protokolliert,
dass der Prozessbevollmächtigte am Verhandlungstag nach 10:00 Uhr auf dem Flur angetroffen wurde und von der Vorsitzenden
angeboten wurde, um 11:00 Uhr erscheinen zu können. Ein Wiederaufruf des Rechtsstreits ist um 14:04 Uhr erfolgt. Für die Beteiligten
ist niemand erschienen. Danach ist folgender Beschluss protokolliert: "Es soll eine Entscheidung nach Lage der Akten ergehen".
Mit Urteil vom 23. November 2009 - ohne mündliche Verhandlung -, der Klägerin zugestellt am 25. Januar 2010, hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, es habe eine Entscheidung nach Lage der Akten nach §
126 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) ergehen können, weil zum Termin zur mündlichen Verhandlung keiner der Beteiligten erschienen sei. Der Prozessbevollmächtigte
sei auch zu einer anderen Terminsstunde nicht erschienen. Er sei jedoch auf dem Gerichtsflur angetroffen und darauf hingewiesen
worden, dass anderweitig angesetzte Termine zwischenzeitlich aufgehoben werden konnten und ausreichend Zeit zu einer anderen
Terminsstunde bestehe. Daran habe dieser offensichtlich kein Interesse gehabt und sei am Terminstag nicht mehr erschienen.
Ein Beteiligter habe keinen Anspruch darauf, dass die jeweiligen Kammervorsitzenden ihre Termine wechselseitig absprechen.
Die Vereinbarung einer anderweitigen Terminsstunde wäre unschwer möglich gewesen. Eine Vertagung hingegen sei nicht tunlich
gewesen. Aufgrund der klaren und eindeutigen Auskunft des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 14. Oktober 2009 habe die Klage
keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Es sei Sache des Prozessbevollmächtigten, die Klägerin diesbezüglich zu beraten und aufzuklären.
Das Medizinprodukt Gepan® instill sei nach §
31 Abs.
1 SGB V i.V.m. §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V i.V.m. den AMR in der vertragsärztlichen Versorgung nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig.
Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 25. August
2010 gegen das Urteil des SG vom 27. Januar 2010 (richtig: 23. November 2009) zugelassen.
Die Klägerin verweist darauf, dass ihr Prozessbevollmächtigter der Vorsitzenden am anberaumten Terminstag mitgeteilt habe,
sie wolle an der mündlichen Verhandlung teilnehmen. Die Therapie mit Gepan® instill sei bei den bei ihr vorliegenden Erkrankungen
die einzig mögliche Therapie. Zwischenzeitlich sei die Myopathie manifestiert bestätigt.
Der Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24.
November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2009 zu verurteilen, ihr die entstandenen Kosten für
Gepan® instill in Höhe von 596,00 EUR zu erstatten sowie sie zukünftig von diesen Kosten freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Gründe des in erster Instanz ergangenen Urteils.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der geheimen Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§
124 Abs.
2 SGG).
Auf die mit Beschluss vom 25. August 2010 zugelassene Berufung war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit
nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und die Sache an das
Gericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen
eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift. Wesentlich ist der Mangel, wenn das Urteil des Sozialgerichts auf ihm beruhen
kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. 2008, §
159 Rdnr. 3a).
Das erstinstanzliche Verfahren leidet an solchen Mängeln. Bei seiner Entscheidung hat das SG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach §
62 SGG und Art.
103 des Grundgesetzes (
GG) verletzt. Dieser Grundsatz macht es erforderlich, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben,
sich zu dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Zwar ist dem Anspruch
auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§
110 Abs.
1 Satz 1
SGG), der Beteiligte ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Termin eröffnet wird (vgl. Bundessozialgerichts
(BSG), Beschluss vom 21. Juli 2005 - Az.: B 11a/11 AL 261/04 B m.w.N., nach juris); jedoch muss ein Termin zur mündlichen
Verhandlung nach §
202 SGG i.V.m. §
227 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) bei Vorliegen erheblicher Gründe aufgehoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 10. August 1995 - Az.: 11 RAr 51/95 m.w.N., nach juris).
Solche erheblichen Gründe haben hier vorgelegen. Das SG war aufgrund der Verlegungsanträge vom 28. Oktober 2009, 12. und 19. November 2009 verpflichtet, den anberaumten Termin zur
mündlichen Verhandlung am 23. November 2009 aufzuheben oder zu verlegen.
Bereits mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2009 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Verlegung des Termins zur mündlichen
Verhandlung beantragt, seine Verhinderung durch eine Verhandlung vor der 17. Kammer des SG mitgeteilt und deren Ladung vom 15. Oktober 2009 vorgelegt. Damit hat er einen erheblichen Grund i.S.d. §
227 ZPO für die Verlegung des Termins geltend und glaubhaft gemacht. Nach §
227 ZPO sind im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung Termine grundsätzlich der Parteiherrschaft entzogen und dem Gericht zugewiesen,
das seinerseits die Änderung von Terminen nur unter bestimmten Voraussetzungen anordnen darf. Erheblichen Gründen ist jedoch
bei der Terminierung Rechnung zu tragen. Auch im zivilgerichtlichen Verfahren wird eine Terminskollision als erheblicher Grund
anerkannt. Dabei genießt der zeitlich zuerst anberaumte Termin Vorrang, es sei denn, er ließe sich deutlich einfacher verlegen
als der zeitlich nachfolgende Termin (vgl. Wöstmann in Saenger,
Zivilprozessordnung, 1. Aufl. 2006, §
227 Rdnr. 6).
Die Ladung zum Termin der 17. Kammer lag zeitlich vor der Ladung der 38. Kammer. Aus der Akte ist nicht ersichtlich, dass
er einfacher zu verlegen gewesen wäre als der später geladene Termin der 38. Kammer. Laut der am 8. Juli 2009 von der Klägerin
unterschriebenen Prozessvollmacht hatte sie zudem nur einen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt,
sodass die Notwendigkeit der Prüfung der Wahrnehmung des Termins durch einen anderen Prozessvertreter des Sozialverbandes
- wie mit Verfügung der Vorsitzenden der 38. Kammer vom 2. November 2009 verlangt - nicht bestand. Die Klägerin war auch nicht
gehalten, einen anderen Prozessbevollmächtigten zu stellen oder zumindest einen Terminvertreter zu beauftragen, weil ihr nicht
ohne schwerwiegende Gründe vorgeschrieben werden konnte, sich durch einen anderen als den Prozessvertreter ihres Vertrauens
vertreten zu lassen (vgl. BSG, Beschluss vom 26. Juni 2007 - Az.: B 2 U 55/07 B, nach juris). Solche Gründe sind nicht ansatzweise ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Vorsitzenden der 38. Kammer besteht
auch keine Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten sich am Terminstag zur Verfügung zu halten oder sich mit ihr auf dem
Gerichtsflur auf eine andere Terminsstunde zu einigen. Dies widerspricht bereits dem Grundsatz, dass nach §
110 Abs.
1 SGG Ort und Zeit der mündlichen Verhandlung den Beteiligten in der Regel zwei Wochen vorher mitzuteilen sind. Nur so hätte letztlich
auch die Klägerin ihr Recht auf rechtliches Gehör und Teilnahme an der mündlichen Verhandlung wahrnehmen können. Der Wiederaufruf
des Rechtsstreits um 14:04 ist mit §
110 SGG ebenfalls nicht in Einklang zu bringen.
Die Klägerin hat die Verletzung des rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß gerügt. Auf dieser Verletzung kann das Urteil des Sozialgerichts
beruhen. Wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass eine entsprechende
Verletzung, die einen Verfahrensbeteiligten daran hindert, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, für die Entscheidung
ursächlich geworden ist (vgl. BSG, Beschluss vom 21. Juli 2005, aaO., BSG, Urteil vom 10. August 1995 - Az.: 11 RAr 51/95 m.w.N., nach juris).
Die Nichtverlegung der mündlichen Verhandlung verletzt überdies das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren
("fair trial"). Es erfordert u.a. Rücksichtnahme auf die Verfahrensbeteiligten in der konkreten Situation (vgl. BSG, Urteil
vom 10. August 1995, aaO., m.w.N.). Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte einen erheblichen Grund für die Nichtwahrnehmung
des Termins angegeben. Insoweit hatte die Klägerin ebenfalls keine Möglichkeit, ihr Recht auf Teilnahme an der mündlichen
Verhandlung mit dem Prozessbevollmächtigten ihres Vertrauens wahrzunehmen.
Da das SG aus den bereits genannten Gründen verpflichtet war, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, lagen die Voraussetzungen
für eine Entscheidung nach Aktenlage nach §
126 SGG und damit einem Abweichen von dem Grundsatz der mündlichen Verhandlung nicht vor.
Der Senat hält es im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens für sachgerecht und zweckmäßig, die Streitsache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen. Zwar könnte er das rechtliche Gehör nachholen, der Anspruch auf ein faires erstinstanzliches Klageverfahren
kann jedoch nur durch das SG verwirklicht werden. Den Beteiligten würde bei Zurückverweisung des Rechtsstreits eine Instanz verloren gehen. Zudem ist
der Rechtsstreit auch nicht entscheidungsreif. Das SG hat lediglich eine Prüfung dahingehend vorgenommen, ob das Medizinprodukt Gepan® instill nach §
31 SGB V zu Lasten der GKV verordnungsfähig ist. Ein Anspruch der Klägerin auf die Therapie mit dem Medizinprodukt Gepan® instill
wäre jedoch auch unter dem Aspekt des Anspruchs auf ärztliche Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V i.V.m. §
28 Abs.
1 SGB V prüfen, weil sie durch Besonderheiten geprägt ist, die einer Beschränkung der Prüfung auf arzneimittelrechtliche Maßstäbe
entgegenstehen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - Az.: B 1 KR 27/02 R, Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2010 - Az.: L 9 KR 10/08, beide nach juris). Die Anwendung des Medizinproduktes ist zwingend durch den Arzt vorzunehmen. Dieser bringt mit Hilfe eines
Katheters die gebrauchsfertige Lösung in die zuvor entleerte Blase direkt an den Wirkort ein (vgl. http://www.pohl-boskamp.com).
Diese zwingende Vorgehensweise ist mit der Übergabe eines Medizinproduktes nicht vergleichbar. Es dürfte daher eine Beurteilung
nach den Grundsätzen des für die Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des in der vertragsärztlichen Versorgung
maßgeblichen §
135 Abs.
1 SGB V vorzunehmen sein. Insoweit wäre ebenfalls zu prüfen, ob die Klägerin an einer sehr seltenen, einer systematischen Erforschung
von darauf bezogenen Therapiemöglichkeiten nicht zugänglichen Erkrankung leidet, für die keine anderen Therapiemöglichkeiten
zur Verfügung stehen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, aaO.).
Das Sozialgericht wird bei der erforderlichen erneuten Entscheidung über den Rechtsstreit auch über die Kosten des Berufungsverfahrens
zu entscheiden haben.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.