Ein zur Erfüllung titulierter Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder erzieltes Einkommen ist, soweit der Unterhalt auch
tatsächlich geleistet wird, über die in § 30 SGB II definierten Freibeträge hinaus bei der Berechnung des ALG II anrechnungsfrei
»1. Nach einer internen Anordnung der Bundesagentur für Arbeit (Ziff. 11.5 der Verwaltungshinweise zu § 11 SGB II) sind Zahlungen
auf Unterhaltsansprüche von dem nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 SGB II bereinigten Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen,
wenn
- es sich um Unterhaltspflichten gegenüber Personen handelt, die gegenüber den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft des Unterhaltspflichtigen
vorrangig sind oder diesen zumindest im Rang gleichstehen und
- wenn der Unterhaltspflichtige die tatsächliche Erbringung der Unterhaltszahlungen nachweist.
2. Daher bleibt ein zur Erfüllung titulierter Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder erzieltes Einkommen, soweit der Unterhalt
auch tatsächlich geleistet wird, über die in § 30 SGB II definierten Freibeträge hinaus bei der Berechnung des ALG II anrechnungsfrei.«
Entscheidungsgründe:
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht
hat zu Recht die zur Erhebung einer Abänderungsklage begehrte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Rechtsverfolgung verweigert (§
114 ZPO).
Der Kläger hat schon die Voraussetzungen für die begehrte Abänderung nicht schlüssig dargetan. Wird Abänderung einer Jugendamtsurkunde
über Kindesunterhalt begehrt, ist zu unterscheiden: Enthält die Urkunde eine Vereinbarung oder liegt ihr eine Vereinbarung
zugrunde, ist sie nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an veränderte Verhältnisse anzupassen. Handelt
es sich hingegen um eine lediglich einseitige Verpflichtungserklärung des Unterhaltsschuldners, wird diese den Regeln des
deklaratorischen Schuldanerkenntnisses unterstellt. In allen Fällen obliegt es dem Abänderungskläger, sowohl die der früheren
Festsetzung zugrunde liegenden Verhältnisse als auch deren wesentliche Änderung darzulegen. Der Kläger hat zwar angegeben,
er habe bei Errichtung des Titels ein monatliches Einkommen von ca. 2.050,00 DM gehabt. Hieraus erklärt sich aber nicht die
vereinbarte Höhe von 110 % des Regelbetrages, weil nach der seinerzeit gültigen Regelbetrag-Verordnung bei einem Einkommen
bis 2.400,00 DM lediglich 100 % des Regelbetrages geschuldet gewesen wären. Sollte der Verpflichtung zur Zahlung eines höheren
Unterhalts eine Vereinbarung zugrunde liegen, wäre diese auch für die nunmehr begehrte Abänderung zu beachten.
Darüber hinaus hat das Familiengericht zu Recht darauf verwiesen, dass der Kläger die behauptete Leistungsunfähigkeit nicht
hinreichend dargetan hat. Wer arbeitslos ist, muss sich auch in Zeiten vor Arbeitslosigkeit intensiv um einen Arbeitsplatz
bemühen. Dem wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Zwar hat er eine Aufstellung über "Bewerbungsaktivitäten und Stellensuche"
für die Monate August bis Oktober 2005 zu den Akten gereicht und behauptet, sich in gleicher Weise auch weiterhin um eine
Erwerbstätigkeit zu bemühen. Jedoch ist er - unabhängig von der Frage, ob die Bemühungen in diesem Zeitraum den hohen Anforderungen
des §
1603 Abs.
2 BGB genügen - bereits seit Oktober 1998 arbeitslos. Dazu, was er in der Zeit von Oktober 1998 bis einschließlich Juli 2005 -
das sind fast 7 Jahre! - unternommen hat, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, fehlt jeder Vortrag.
Hinzu kommt, dass dem Kläger eine weitergehende Erwerbstätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung möglich wäre,
als derzeit im Umfang von nur 200 EUR ausgeübt, ohne dass der Mehrverdienst auf das von ihm bezogene ALG II angerechnet würde. Ein zur Erfüllung titulierter Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder erzieltes Einkommen ist, soweit
der Unterhalt auch tatsächlich geleistet wird, über die in § 30 SGB II definierten Freibeträge hinaus bei der Berechnung des ALG II anrechnungsfrei. Nach einer internen Anordnung der Bundesagentur für Arbeit (Ziff. 11.5 der Verwaltungshinweise zu § 11
SGB II) sind nämlich Zahlungen auf Unterhaltsansprüche von dem nach § 11 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 SGB II bereinigten Einkommen
des Unterhaltspflichtigen abzuziehen, wenn
- es sich um Unterhaltspflichten gegenüber Personen handelt, die gegenüber den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft des Unterhaltspflichtigen
vorrangig sind oder diesen zumindest im Rang gleichstehen und
- wenn der Unterhaltspflichtige die tatsächliche Erbringung der Unterhaltszahlungen nachweist.
Um solche Ansprüche handelt es sich bei dem hier geschuldeten Kindesunterhalt.
Allerdings gelten die hohen Anforderungen zur Erwerbsobliegenheit nach ständiger Rechtsprechung des Senates nur soweit es
um die Verpflichtung zur Zahlung des Regelbetrages, nicht aber eines darüber hinausgehenden Unterhalts geht. Entgegen der
in der Beschwerde geäußerten Ansicht des Klägers ist aber nicht deswegen Prozesskostenhilfe für eine Herabsetzung des Titels
auf 100 % des Regelbetrages zu bewilligen. Dieses Begehren scheitert nämlich an der erforderlichen Wesentlichkeitsgrenze.
Zwar gilt insoweit nicht die von der Rechtsprechung vielfach für die Abänderung von Urteilen für erforderlich angesehen Schwelle
von 10 % (vgl. Gerhardt in Handbuch Fachanwalt Familienrecht, 5. Aufl., 6. Kapitel, Rn. 649). Jedoch erfordert auch die Abänderung
sonstiger - nicht in Rechtskraft erwachsener - Unterhaltstitel wie die hier in Frage stehende Jugendamtsurkunde aus Gründen
des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit eine Abänderung von einigem Gewicht. Die insoweit erforderliche "Opfergrenze"
ist hier nicht überschritten. Der derzeitige Zahlbetrag hinsichtlich des titulierten Unterhalts von 110 % des Regelbetrages
beläuft sich auf 257,00 EUR (272,00 EUR abzüglich nach §
1612 b Abs.
5 BGB anrechenbaren Kindergeldes von 15,00 EUR). Eine Verringerung auf den Regelbetrag von 247,00 EUR beinhaltet eine Abänderung
von unter 4 %. Damit ist auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden beengten wirtschaftlichen Verhältnisse die einzuhaltende
Opfergrenze nicht überschritten.