Sozialversicherungsbeitragspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH
Vorliegen von Weisungsgebundenheit als entscheidendes Merkmal für eine abhängige Beschäftigung
Qualifizierte Mehrheit am Stammkapital und Sperrminorität (vorliegend verneint)
Tatbestand
Im Streit ist ein Prüfbescheid der Beklagten, mit dem Sozialversicherungsbeiträge und Umlagebeträge nachgefordert werden.
Die Klägerin wurde mit einem Stammkapital von 100.000 DM durch Gesellschaftsvertrag vom 28. Mai 1990 gegründet. Gegenstand
ihrer Tätigkeit ist der Handel mit technischen Artikeln, die Erbringung von Ingenieurdienstleistungen sowie die Fertigung
und Montage von mechanischen Baugruppen. Seit dem 18. Dezember 2009 sind die Gesellschafter der Klägerin die K H GmbH mit
einem Kapital- und Geschäftsanteil von 50.000,- DM sowie Herr V S mit zwei Kapital- und Geschäftsanteilen von je 25.000,-
DM. Die Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung sollen nach dem Gesellschaftsvertrag soweit zulässig mit einfacher Mehrheit
gefasst werden.
Der Beigeladene zu 3) ist auf der Grundlage eines auf unbestimmte Zeit geschlossenen Geschäftsführervertrags vom 1. Oktober
2007 zum (alleinigen) Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Er wurde von den Beschränkungen des §
181 BGB befreit. Für seine Tätigkeit bei der Klägerin erhielt er im Jahre 2010 ein steuerpflichtiges Entgelt in Höhe von 70.735,40
€ und im Jahre 2011 in Höhe von 68.685,60 €.
Die K H GmbH wurde von dem Beigeladenen zu 3) und dessen Ehefrau mit Gesellschaftsvertrag vom 5. August 2009 und einem Stammkapital
von 60.000,- € gegründet. Der Beigeladene zu 3) und seine Ehefrau halten je die Hälfte der Geschäftsanteile, sie sind beide
zu alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführern ihrer Gesellschaft berufen. Gegenstand des Unternehmens ist das Halten von
Anteilen an Gesellschaften jeder Rechtsform und der Handel mit allen nicht genehmigungspflichtigen Waren und Ingenieurdienstleistungen.
Die Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung sollen nach dem Gesellschaftsvertrag soweit zulässig mit einfacher Mehrheit
gefasst werden.
Vom 8. Dezember 2014 bis zum 12. März 2015 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch. Geprüft wurde
der Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013.
Nach Anhörung der Klägerin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 13. April 2015 eine Nachforderung für Beiträge zur Sozialversicherung
und für Umlagebeträge für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 in Höhe von 28.601,88 € nebst Säumniszuschlägen
für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar 2015 in Höhe von 14.431,50 €, insgesamt 43.033,38 € fest. Zur Begründung führte
sie aus, dass der Beigeladene zu 3) nur (mittelbarer) Minderheitsgesellschafter der Klägerin gewesen sei und nicht allein
über die notwendigen Branchenkenntnisse verfügt habe. Er habe für seine Tätigkeit ein angemessenes Arbeitsentgelt erhalten.
Von seiner persönlichen Abhängigkeit sei auszugehen. Es bestehe Versicherungspflicht in der Sozialversicherung. Beiträge zur
Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie Umlagebeträge seien nachzufordern, in der Kranken- und Pflegeversicherung verbleibe
es dagegen bei der privaten Absicherung. Der Klägerin sei hinsichtlich der Säumniszuschläge grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen,
weil sie versäumt habe, in einem Zweifelsfall eine verbindliche Auskunft der Clearingstelle nach §
7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) oder der nach §
28h SGB IV zuständigen Einzugsstelle einzuholen.
Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 3). Dieser
habe nicht nur wegen seiner Alleinvertretungsbefugnis und der Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens eine starke
Stellung als Geschäftsführer, sondern könne als Geschäftsführer und Gesellschafter der K H GmbH auch maßgeblichen Einfluss
in der Gesellschafterversammlung der Klägerin ausüben.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2015 zurück. Der Beigeladene zu 3) sei über die K
H GmbH nur zu 25 Prozent an der Klägerin beteiligt. Auch zusammen mit der dortigen Beteiligung seiner Ehefrau könne er die
Geschicke der Klägerin nicht maßgeblich steuern. Der Beigeladene zu 3) sei für ein festes monatliches Gehalt tätig geworden,
in seinem Geschäftsführerdienstvertrag seien Kündigungsfristen, Urlaubsansprüche sowie Lohnfortzahlung vereinbart. Seine Vergütung
sei als steuerpflichtiger Lohn abgerechnet worden. Ein nennenswertes Unternehmerrisiko habe er nicht getragen. Die bisherige
„Kopf und Seele“-Rechtsprechung des BSG sei überholt.
Dagegen richtet sich die am 14. Juli 2015 bei dem Sozialgericht Cottbus eingegangene Klage. Zur Begründung hat die Klägerin
vorgetragen, dass der Beigeladene zu 3) nicht abhängig beschäftigt gewesen sei und deswegen keine Grundlage für die Beitragsforderung
bestehe. Der Beigeladene zu 3) habe für die Klägerin gegenüber der Investitionsbank des Landes Brandenburg eine Bürgschaft
in Höhe von 335.520,00 € übernommen. Der Beigeladene zu 3) könne als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der K H
GmbH seinen Willen gegenüber dem anderen Gesellschafter der Klägerin durchsetzen. Dieser sei alleiniger Geschäftsführer einer
anderen operativ tätigen Gesellschaft in L.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 10. November 2016 abgewiesen. Für die Beurteilung, ob Gesellschafter-Geschäftsführer
in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden, seien nach der Rechtsprechung des BSG Besonderheiten zu beachten. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der in der Gesellschafterversammlung über eine beherrschende
Anzahl von Stimmen verfüge, sei automatisch nicht weisungsgebunden. Der Beigeladene zu 3) habe eine solche Rechtsposition
aber nicht inne. Er sei schon deswegen weisungsgebunden, weil er keinen direkten Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschaft
habe. Auch indirekt über die K H GmbH habe der Beigeladene zu 3) nicht die Möglichkeit, Beschlüsse zu verhindern. Dazu sei
nämlich ein entsprechender Beschluss der K-H GmbH erforderlich, den der Beigeladene zu 3) nicht von sich aus erzwingen könne.
Bei der K-H sei er nur in der Lage, einen Beschluss zu verhindern. Zudem sei für ihn ein Geschäftsführervertrag mit einem
monatlichen Gehalt vereinbart worden.
Gegen das ihr am 6. Dezember 2016 zugegangene Urteil des Sozialgerichts richtet sich die am 2. Januar 2017 bei dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Klägerin. Das Sozialgericht habe verkannt, dass der Beigeladene zu 3) wesentlichen
Einfluss auf sie - die Klägerin - habe, er insbesondere jede ihm nicht genehme Beschlussfassung verhindern könne. Sie - die
Klägerin - habe zwei gleich beteiligte Gesellschafter, von denen der eine die K H GmbH sei. Der Beigeladene zu 3) sei der
alleinvertretungsberechtigte Gesellschafter der K H GmbH und vertrete diese in den Gesellschafterversammlungen bei ihr - der
Klägerin. Er könne auch nicht gegen seinen Willen als Gesellschafter der K H GmbH abberufen werden. Der Gesellschaftsvertrag
der K H GmbH sehe auch nicht vor, dass ihr Geschäftsführer sein Stimmrecht bei ihr - der Klägerin - nur mit Zustimmung der
Gesellschafterversammlung ausüben dürfe. Allein maßgeblich sei deswegen das Alleinvertretungsrecht als Geschäftsführer. Zudem
seien der Beigeladene zu 3) und seine Ehefrau zu gleichen Anteilen Gesellschafter der K H GmbH. Sie hätten bereits bei Errichtung
dieser Gesellschaft mündlich einen Stimmrechtsbindungsvertrag geschlossen, den sie am 15. Dezember 2016 schriftlich bestätigt
hätten. Die Erteilung von Weisungen an den Beigeladenen zu 3) durch sie - die Klägerin - setze eine Mehrheit in der Gesellschafterversammlung
voraus, die nur im Wege einer Mitwirkung durch die K H GmbH erreicht werden könnte. Daran werde der Beigeladene zu 3) als
Geschäftsführer nicht mitwirken, seine Ehefrau werde durch die Stimmrechtsvereinbarung gebunden. Es sei rechtsformal und abwegig,
eine Sperrminorität allein deswegen zu verneinen, weil der Beigeladene zu 3) bei ihr - der Klägerin - selbst kein Stimmrecht
habe. Stimmrechtsbindungsverträge seien gesellschaftsrechtlich auch formlos möglich. Soweit das BSG dazu etwas anderes entschieden habe, betreffe das einen wesentlich anderen Sachverhalt, in dem die ordentliche Kündigung
des Stimmrechtsbindungsvertrags nicht ausgeschlossen gewesen sei. Außerdem könnten die Stimmrechte in der KH GmbH ohnehin
nur einheitlich ausgeübt werden, weil die GmbH ausweislich der beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste nur
über einen einzigen Geschäftsanteil in Höhe von 50.000,- € verfüge. Das Urteil des BSG v. 23. Februar 2021 - B 12 R 18/18 R - bestätige ihre - der Klägerin - Rechtsauffassung, weil dort streitig ein Sachverhalt gewesen sei, in dem der Geschäftsführer
einer GmbH noch nicht Geschäftsführer derjenigen GmbH gewesen sei, welche alleinige Gesellschafterin der als Arbeitgeber in
Frage stehenden GmbH gewesen sei und an der der Geschäftsführer eine Sperrminorität hielt. Dem Urteil des BSG v. 10. Dezember 2019 - B 12 KR 9/18 R - sei nur zu entnehmen, dass es für die Frage der Selbständigkeit eines GmbH-Geschäftsführers allein auf seine im Gesellschaftsrecht
wurzelnde Rechtsmacht ankomme. Diese könne sich auch mittelbar über eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung ergeben. Auf
die sozialrechtliche Anerkennung einer Stimmbindungsabrede komme es nicht an, weil sich die Rechtsmacht des Beigeladenen zu
3), ihm nicht genehme Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu verhindern, bereits anderweitig ergebe.
Es könne auch nicht darauf ankommen, dass es zwischen der K-H und der Klägerin keine Beherrschungsvereinbarung gebe. Eine
GmbH als Alleingesellschafterin sei auch ohne besondere Vereinbarung herrschend. Das gelte auch für eine Beteiligung mit nur
50 Prozent, sofern den anderen Gesellschaftern keine Sonderrechte eingeräumt würden. Die Stimmrechte der K H GmbH könnten
nicht uneinheitlich ausgeübt werden, weil sie nur in einem einzigen Geschäftsanteil wurzelten. Der Beigeladene zu 3) werde
sich bei einer Abstimmung in der Gesellschafterversammlung bei ihr - der Klägerin - über ihm nicht genehme Beschlüsse nicht
der Stimme enthalten. Er könne darauf auch nicht durch die Gesellschafterversammlung der K H GmbH verpflichtet werden, weil
er dort einen Stimmanteil von 50 Prozent habe. Zudem sei die zwischen dem Beigeladenen zu 3) und seiner Ehefrau getroffene
Stimmbindungsabrede als rechtswirksamer Gesellschafterbeschluss anzusehen, an dem sich das Abstimmungsverhalten der Geschäftsführer
auszurichten habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 10. November 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2015 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2015 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 3. Dezember 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Durch angenommenes Teilanerkenntnis hat sie in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2021 auf die weitere Geltendmachung
von Säumniszuschlägen verzichtet. Im Übrigen meint sie, dass der Beigeladene zu 3) eigene Beschlüsse gegenüber dem anderen
Gesellschafter der Klägerin nicht durchzusetzen könne, selbst wenn er zusammen mit seiner Ehefrau in der Lage wäre, jedwede
Beschlussfassung gegen sich selbst zu verhindern. Der in der K H GmbH abgeschlossene Stimmbindungsvertrag sei ohne Belang.
Der Geschäftsführer einer GmbH sei nach § 37 Abs.1 GmbHG an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden. Er sei abhängig beschäftigt, wenn er nicht über die Mehrheit am
Gesellschaftskapital oder eine Sperrminorität verfüge. Maßgebend sei die rechtliche Befugnis, nicht die tatsächliche Handhabung.
Bei der Klägerin verfügten jeweils der Gesellschafter V S und die K H GmbH über eine Sperrminorität. Bei der K H GmbH habe
der Beigeladene zu 3) keinen maßgeblichen Einfluss, sondern nur eine Sperrminorität. Das änderten etwas weder die angebliche
Befugnis des Beigeladen zu 3), aufgrund seiner Alleinvertretungsbefugnis nach eigenem Gutdünken abstimmen zu können, noch
die Stimmbindungsvereinbarung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten
verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid
der Beklagten vom 13. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2015 in der Fassung des Teilanerkenntnisses
vom 3. Dezember 2021 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte fordert mit Recht
von der Klägerin anlässlich einer Betriebsprüfung Beiträge zur Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung
und Umlagebeträge für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 3) in dem Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011
nach. Der von der Klägerin angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 5
SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen ihrer Prüftätigkeit (§ 28p Abs. 1 Satz 1
SGB IV) Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem
Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift findet nach
§ 10 Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) und §
359 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) Anwendung auch auf die Erhebung von Umlagen nach dem AAG und die Insolvenzgeldumlage.
Mit Recht ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid von einer Versicherungs- und Umlagepflicht für den Beigeladenen zu
3) ausgegangen. Nach §
1 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) und §
25 Abs.
1 Satz 1
SGB III unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für beschäftigte Arbeitnehmer sind auch Umlagebeträge nach § 7 AAG und §
358 Abs.
2 SGB III zu zahlen.
Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie
für die Umlagepflicht erforderliche Beschäftigung wird in §
7 Abs.
1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine
Beschäftigung sind nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine
Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit,
Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere
bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige
Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über
die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige
Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des
Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - und Urteil vom 12. November 2015 - B 12 KR 10/14 R -, zitiert jeweils nach juris).
Entscheidendes Merkmal für eine abhängige Beschäftigung ist das Vorliegen von Weisungsgebundenheit. Der Beigeladene zu 3)
war als Geschäftsführer der Klägerin, einer GmbH, tätig. Im Allgemeinen gilt für den Geschäftsführer einer GmbH, dass kein
abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn er mindestens über die Hälfte des Stammkapitals verfügt und damit einen
maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft besitzt (Urteile des BSG vom 11. November 2015 - B 12 KR 10/14 R - juris RdNr. 23 und vom 4. Juli 2007 - B 11a AL 5/06 R - juris Rdnr. 16; vgl. Zieglmeier in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
[Stand: Juli 2021] §
7 SGB IV RdNr. 156). Verfügt der Gesellschafter-Geschäftsführer dagegen über weniger als 50 v. H. des Stammkapitals, stellt dieser
Umstand in der Regel ein Indiz dafür dar, dass er abhängig beschäftigt ist. Das Indiz kann zwar durch besondere Umstände entkräftet
werden, so dass auch bei einem unter 50 v. H. liegenden Anteil Selbstständigkeit möglich ist. Allerdings wird der mitarbeitende
Gesellschafter bei diesem Kapitalanteil in der Regel an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, die er nicht endgültig
beeinflussen kann und durch die ihm Weisungen erteilt werden können, gebunden sein, so dass von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis
auszugehen ist. In diesem Zusammenhang ist nicht maßgebend, ob dem Geschäftsführer tatsächlich Weisungen von der Gesellschafterversammlung
erteilt worden sind. Entscheidend ist, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer die Rechtsmacht hatte zu verhindern, dass ihm
Weisungen erteilt werden. Wollte man anders entscheiden, gäbe es Fälle der „Schönwetter-Selbständigkeit“, in denen erst nach
Beendigung der Tätigkeit anhand des bisherigen Ausbleibens von Weisungen festgestellt werden könnte, ob es sich um eine selbständige
Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Das stünde indessen im Widerspruch zu dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit
sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände, die schon zu Beginn der Tätigkeit gegeben sein müssen
(Urteile des BSG vom 11. November 2015 - B 12 KR 2/14 R, - und - B 12 KR 10/14 R -, zitiert nach juris).
An diesen Grundsätzen gemessen war der Beigeladene zu 3) in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 bei der
Klägerin abhängig beschäftigt. Er verfügte weder über eine qualifizierte Mehrheit am Stammkapital der Klägerin noch über eine
Sperrminorität, mittels derer er ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung hätte verhindern können.
Der Beigeladene zu 3) unterlag dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung der Klägerin. Nach § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang
ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt,
durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Aus dieser Vorschrift ergibt sich ein absolutes Weisungsrecht der
Gesellschafterversammlung gegenüber den Geschäftsführern für jegliche Tätigkeit. Zwar ist § 37 GmbHG dispositiv, zumindest soweit nicht der Kernbereich der Gesellschafterrechte und sogenannte Grundlagengeschäfte betroffen
sind. Die Gesellschafter der Klägerin zu 1) haben jedoch keinen Gebrauch von der Möglichkeit gemacht, eine von § 37 GmbHG abweichende Regelung in dem Gesellschaftsvertrag festzuschreiben. Zudem ist in § 1 Abs. 2 des Geschäftsführervertrags ausdrücklich bestimmt, dass der Beigeladene zu 3) die Weisungen der Gesellschafterversammlung
der Klägerin zu befolgen hat.
War der Beigeladene zu 3) danach an die Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden, setzt die Annahme einer selbständigen
Tätigkeit voraus, dass er jederzeit in der Lage war, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Eine Mehrheit in der Gesellschafterversammlung
der Klägerin hatte der Beigeladene zu 3) nicht. Nach 7.9 des Gesellschaftsvertrags werden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung
grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst, nach 7.8 des Gesellschaftsvertrags entfallen auf je 100.- DM eines Geschäftsanteils
eine Stimme. Der Beigeladene zu 3) selbst war am Stammkapital der Klägerin nicht beteiligt, das zu je 50 v.H. in den Händen
der K H GmbH und Herrn V S lag. Kraft einer eigenen Mehrheit an den Geschäftsanteilen konnte er daher nicht erreichen, dass
die Gesellschafterversammlung der Klägerin immer in seinem Sinne entschied.
Der Beigeladene zu 3) war auch nicht kraft einer ihm eingeräumten Sperrminorität in der Lage, ihm nicht genehme Entscheidungen
der Gesellschafterversammlung jederzeit verhindern zu können. Zwar war der Beigeladene zu 3) alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer und zu 50 v.H. Gesellschafter der K-H GmbH, welche ihrerseits in der Gesellschafterversammlung der Klägerin
stimmberechtigt war. Das reicht für eine Sperrminorität indessen nicht aus, weil neben dem Beigeladenen zu 3) auch dessen
Ehefrau alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin und zu 50 v.H. Gesellschafterin der K H GmbH war.
Durch die Rechtsprechung des BSG (Urt v. 23. Februar 2021 - B 12 R 18/18 R - Rn 18) ist zwar klargestellt, dass sich ein erheblicher Einfluss des Geschäftsführers einer GmbH auch über den Einfluss
ergeben kann, den er in einer anderen GmbH (Muttergesellschaft) ausüben kann, die ihrerseits an der GmbH beteiligt ist, bei
der seine abhängige Beschäftigung in Frage steht. Das setzt aber voraus, dass er nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen
in der Lage sein muss, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der (Tochter-)GmbH zu verhindern, in der er selbst Geschäftsführer
ohne eigene Beteiligung am Gesellschaftskapital ist.
Da sich das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Klägerin nach den Geschäftsanteilen bestimmt und 50 v.H des Kapitals
von Herrn V S gehalten werden, müsste der Beigeladene zu 3) jederzeit in der Lage sein, ein Abstimmungsverhalten der K H GmbH
zu erreichen, das sich gegen die von dem anderen Gesellschafter der Klägerin gestellten Anträge stellt. Nur so kann er verhindern,
dass die Gesellschafterversammlung der Klägerin ihm Weisungen erteilt. In der Gesellschafterversammlung der K-H GmbH werden
Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, die sich nach den Geschäftsanteilen bestimmen
(§ 7 Gesellschaftsvertrag der K H GmbH), die je zur Hälfte von dem Beigeladenen zu 3) und seiner Ehefrau gehalten werden (§
4 Gesellschaftsvertrag der K H GmbH). Der Kläger war daher gesellschaftsrechtlich nicht jederzeit in der Lage, einen Beschluss
der Gesellschafterversammlung der K H GmbH herbeizuführen, welcher auf die Abgabe einer Gegenstimme zu einem von dem anderen
Gesellschafter der Klägerin gestellten Antrag gerichtet ist.
Auch seine Stellung als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der K H GmbH ermöglichte dem Beigeladenen zu 3) nicht,
jederzeit wirksam eine Gegenstimme zu einem von dem anderen Gesellschafter der Klägerin gestellten Antrag abzugeben. Zwar
gehört die Ausübung von Stimmrechten kraft Beteiligung in anderen Gesellschaften zu den laufenden Angelegenheiten der Geschäftsführung,
zu der für den Geschäftsführer keine besondere Ermächtigung durch die Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Hier liegt
es aber so, dass die Ehefrau des Beigeladenen zu 3) nicht nur gleichberechtigte Mitgesellschafterin, sondern ebenso alleinvertretungsberechtigte
Gesellschafterin der K H GmbH war. Bei einem entgegengesetzten Abstimmungsverhalten der Ehefrau in einer Gesellschafterversammlung
bei der Klägerin wäre nach dem Grundsatz, dass bei inhaltlich widersprüchlichem Verhalten nichts rechtswirksam erklärt wird,
ein von beiden Geschäftsführern für die K H GmbH abgegebenes gegenläufiges Votum weder als Zustimmung noch als Ablehnung anzusehen.
Vielmehr wäre keine Stimme abgegeben worden. Nach § 47 GmbHG entscheidet in der Gesellschafterversammlung einer GmbH aber die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, so dass sich der andere
Gesellschafter der Klägerin dann mit seinem Antrag durchsetzen könnte.
An diesem Befund ändert die von der Klägerin in Bezug genommene Stimmrechtsvereinbarung zwischen dem Beigeladenen zu 3) und
seiner Ehefrau nichts. Diese Stimmrechtsvereinbarung ist schon nach dem Vortrag der Klägerin erst am 15. Dezember 2016 verschriftlich
worden und lag damit während des hier streitigen Zeitraums nur in mündlicher Form vor. Nach der Rechtsprechung des BSG sind bei der Bewertung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse Vereinbarungen und Abreden, die außerhalb des Gesellschaftsvertrags
getroffen worden sind, nicht zu berücksichtigen (Urteil des BSG vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R - juris Rn. 23). Änderungen des Gesellschaftsvertrages sind nur bei notarieller Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister
sozialversicherungsrechtlich erheblich (BSG v. 23. Februar 2021 - B 12 R 18/18 R - Rn 22). Insoweit komm es auch nicht darauf an, ob die zwischen dem Beigeladene zu 3) und seiner Ehefrau geschlossene
Vereinbarung als eine an die Geschäftsführer gerichteter Beschluss der Gesellschafterversammlung der K-H angesehen werden
kann. Die Vereinbarung ist bereits wegen fehlender Schriftform unbeachtlich. Eine Berücksichtigung nachträglich vorgetragener
mündlicher Abreden wäre mit dem Grundsatz unvereinbar, dass das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung bereits bei Aufnahme
der Tätigkeit anhand objektiver Kriterien eindeutig bestimmbar sein muss.
Darüber hinaus wird aus dem Wortlaut der von der Klägerin vorgelegten Vereinbarung nicht erkennbar, welches Abstimmungsverhalten
für den Fall vereinbart worden ist, dass die Initiative zur Beschlussfassung bei einer Beteiligungsgesellschaft nicht von
den Gesellschaftern der K H GmbH, sondern von einem anderen Gesellschafter der Beteiligungsgesellschaft ausgeht. Allgemein
in der Vereinbarung formuliert ist ein Mitwirkungsverbot der Geschäftsführer der K H GmbH bei der Beschlussfassung in einer
Beteiligungsgesellschaft, solange nicht ein entsprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung der K H GmbH vorliegt.
Einen solchen Beschluss kann der Beigeladene zu 3) aber - wie bereits erwähnt - nicht gegen den Willen seiner Ehefrau herbeiführen.
Der Senat kann in diesem Zusammenhang unentschieden lassen, ob es bei dem Fehlen einer Einigung zwischen den Gesellschaftern
der K H GmbH möglich wäre, deren Stimmen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin zu splitten, um so eine uneinheitliche
Einschätzung der Gesellschafter der K H GmbH auszudrücken. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der
Rechtsauffassung der Klägerin in der Literatur eine uneinheitliche Stimmabgabe auch dann für möglich gehalten wird, wenn die
Stimmen aus nur einem Geschäftsanteil stammen (vgl. etwa Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 47 Rn 463). Auch die Möglichkeit zu einer uneinheitlichen Stimmabgabe würde aber nichts daran ändern, dass der Beigeladene zu
3) nicht die Rechtsmacht hatte, sämtliche Stimmen der K H GmbH in seinem Sinne auszurichten, was indessen erforderlich wäre,
um das Ergehen von ihn betreffenden Weisungen durch die Gesellschafterversammlung der Klägerin auszuschließen. Daraus ergibt
sich, dass der Beigeladene zu 3) in dem streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin nicht selbständig tätig war.
Fehler hinsichtlich der Berechnung von Beiträgen und Umlagen sind nicht ersichtlich und nicht geltend gemacht. Die an den
Beigeladenen zu 3) gezahlten Entgelte sind durch die bei der Betriebsprüfung vorgefundenen Unterlagen belegt. Damit hat die
Beklagte die streitige Nachforderung mit Recht erhoben.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen, weil noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage vorliegt, wie die Rechtsmacht eines alleinvertretungsberechtigten
Geschäftsführers in einer GmbH zu bewerten ist, wenn es wegen der Bestellung mehrerer alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer
die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen gibt.