Sozialhilferecht - Anordnungsgrund, Bedarfsgemeinschaft, Belastungsgrenze, Krankenversicherung, Regelsatz, Sozialhilfe, Zuzahlung
Gründe:
Nachdem die Antragsteller mit Schriftsatz vom 24. März 2004 und der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 7. April 2004 übereinstimmend
das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt haben, soweit damit die Antragsteller die Verpflichtung
des Antragsgegners auf Gewährung einer Beihilfe aus Sozialhilfemitteln über den Betrag von 33,84 EUR hinaus begehrten, ist
dieser Teil des Verfahrens entsprechend §
92 Abs.
3 der
Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) einzustellen. Zugleich ist zur Klarstellung auszusprechen, dass der angefochtene Beschluss entsprechend der Vorschrift des
§
269 Abs.
3 der
Zivilprozessordnung (
ZPO) insoweit wirkungslos geworden ist, als damit der Antragsgegner zur Gewährung einer darlehensweisen Beihilfe über den Betrag
von 33,84 EUR hinaus verpflichtet worden ist.
Soweit der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel nicht nach den vorstehenden Ausführungen wirkungslos ist,
ist er auf die Beschwerde des Antragsgegners hin aufzuheben.
Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abzustellen (vgl. Finkelnburg/Jank,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdnr. 480 mit umfangreichen Nachweisen zur obergerichtlichen
Rechtsprechung auch des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs). Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - erst nach
ergangener einstweiliger Anordnung durch das Verwaltungsgericht während des Beschwerdeverfahrens Ereignisse eintreten, die
nunmehr das Vorliegen des Anordnungsanspruchs und/oder des Anordnungsgrundes entfallen lassen (HessVGH, Beschluss vom 3. Dezember
1982 - 9 TG 107/82 -, FEVS 32, 243; HessVGH, Beschluss vom 22. April 1992 - 6 S 435/92 -, NVwZ-RR 1992, 442). Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats liegen die gesetzlichen Voraussetzungen des §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.
Die Antragsteller begehren vom Antragsgegner einen Ausgleich für die von ihnen zu leistenden Zuzahlungen zu ihrer gesetzlichen
Krankenversicherung, die sie auf Grund der Regelungen in §
62 Sozialgesetzbuch 5. Buch (
SGB V) in der Fassung, die dieser durch Art. 1 Nr. 40 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November
2003 (BGBl. I Seite 2190) erhalten hat, zu erbringen hatten. Nachdem die Antragsteller zunächst Aufwendungen für die sogenannte Praxisgebühr und Zuzahlungen
zu Medikamenten in Höhe von insgesamt fast 125,00 EUR geltend gemacht hatten, die ihnen bereits im Monat Januar entstanden
waren, wurde ihnen im Verlauf des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben der gesetzlichen Krankenversicherung, bei dem der Antragsteller
freiwillig krankenversichert und die Antragstellerin ebenso wie ihre gemeinsamen vier Kinder familienversichert sind, vom
11. März 2004 mitgeteilt, dass von ihnen lediglich eine Zuzahlung von 1 vom Hundert (v.H.) geleistet werden müsse, was 33,84
EUR entspreche. Der von den Antragstellern mittlerweile bereits aufgewandte darüber hinausgehende Betrag für Zuzahlungen für
Medikamente und Praxisgebühr wurde ihnen erstattet. Da danach insoweit das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
beidseitig für erledigt erklärt worden ist, ist Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens lediglich noch der von den Antragstellern
geltend gemachte Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zur Abdeckung der verbliebenen Zuzahlungen in Höhe von 33,84 EUR. Zwar
ist dieser Betrag möglicherweise von der Krankenkasse zu niedrig bemessen worden, weil er von einer Jahresleistung von 3.384,00
EUR ausgeht, was (dividiert durch 12) einem Monatsbetrag von 282,00 EUR entspricht, während für den Antragsteller ein Regelsatz
für einen Haushaltsvorstand in Höhe von derzeit 297,00 EUR zugrunde gelegt wird, was zu einer Belastungsgrenze von 35,64 EUR
für das Jahr 2004 führen würde. Jedoch sind für das vorliegende Verfahren die von der Krankenkasse getroffene Entscheidung
und die daraufhin abgegebenen prozessualen Erklärungen maßgeblich. Für die begehrte Übernahme des verbleibenden Zuzahlungsbetrages
haben die Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht im Sinne von §
123 Abs.
3 VwGO i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO.
Die Antragsteller haben zunächst keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein solcher lässt sich aus keiner der in Betracht
zu ziehenden Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes in der ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung ableiten. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 BSHG besteht auf Sozialhilfe ein Anspruch (nur), soweit dieses Gesetz bestimmt, dass die Hilfe zu gewähren ist. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen
Kräften und Mitteln beschaffen kann. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig und auch vom Senat nicht anzuzweifeln, dass
die Antragsteller dem Grunde nach sozialhilfebedürftig nach den genannten Vorschriften sind, da sie zusammen mit ihren vier
Kindern vom Sozialamt des Antragsgegners derzeit laufende Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten. Gemäß § 21 Abs. 1 BSHG kann Hilfe zum Lebensunterhalt durch laufende und einmalige Leistungen gewährt werden. § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG sieht vor, dass laufende Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen nach
Regelsätzen gewährt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift sind sie abweichend von den Regelsätzen zu bemessen, soweit dies nach
der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist. Die danach vorgesehenen Regelleistungen erhalten die Antragsteller zusammen
mit ihren vier Kindern. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung - RegelsatzVO) in der Fassung, die die Bestimmung durch Art. 29 GMG erhalten hat, gehören zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift auch
die laufenden Leistungen u.a. für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und bei sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den
§§ 36 bis 38 des Gesetzes übernommen werden. Gleichzeitig ist durch Art. 28 Nr. 4 GMG der bisherige Abs. 2 des § 38 BSHG gestrichen worden, wonach Hilfen im Rahmen der Hilfe bei Krankheit den im Einzelfall notwendigen Bedarf in voller Höhe befriedigen
mussten, wenn finanzielle Eigenleistungen der Versicherten, insbesondere die Zuzahlung von Zuschüssen (Nr. 1) vorgesehen waren,
und nach den seinerzeit geltenden Vorschriften der §§
61 und
62 SGB V eine vollständige oder teilweise Befreiung durch die Krankenkasse nicht erfolgte. Aus dieser Neuregelung folgt, dass nach
dem Willen des Gesetzgebers im Rahmen der Krankenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz Beihilfen für die Zuzahlung von Zuschüssen im Sinne von §§
61,
62 SGB V nicht mehr zu gewähren, sondern die Aufwendungen hierfür nunmehr mit den Regelsätzen abgegolten sein sollen. Aus diesem Grunde
trifft §
62 SGB V in der Fassung, die er durch Art. 1 Nr. 40 GMG erhalten hat, in Absatz 2 Satz 5 eine Sonderregelung für die Bemessung der Belastungsgrenze für Versicherte, die Hilfe
zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz erhalten. Danach ist für die gesamte Bedarfgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvorstandes nach der Regelsatzverordnung maßgeblich. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen somit auch von Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach
dem Bundessozialhilfegesetz Zuzahlungen aus den ihnen gewährten Regelsätzen geleistet werden. Da der Gesetzgeber keinerlei Regelungen über eine etwaige
Anpassung der Regelsätze getroffen hat, geht er offenbar davon aus, dass den derzeitigen Beziehern von laufender Hilfe zum
Lebensunterhalt die Aufbringung aus den unverändert bleibenden Regelsätzen zugemutet werden soll. Damit bezweckt der Gesetzgeber
offensichtlich eine Gleichstellung der Bezieher von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz mit Personen, die ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreiten und hieraus ebenfalls bis zu einer bestimmten Belastungsgrenze
Zuzahlungen leisten müssen, obwohl die Leistungen der Sozialhilfe keinen Einkommenscharakter haben, sondern konkrete Bedarfslagen
abdecken sollen, was ungeachtet ihrer laufenden Gewährung auch für die Regelsätze gilt.
Die Antragsteller machen im vorliegenden Fall offensichtlich auch nicht geltend, ihnen stehe ein Anspruch auf Erhöhung der
ihnen zu gewährenden Regelsätze durch den Antragsgegner zu. Sie begehren nämlich keine Erhöhung ihrer laufenden Leistungen,
sondern die Gewährung einer einmaligen Beihilfe für den Monat Januar 2004, weil bereits in diesem einen Monat von ihnen Zuzahlungen
in einer Höhe zu leisten waren, die ihre Belastungsgrenze gemäß § 62 Abs. 2 Satz 4 SBG V, die sich auf das gesamte Kalenderjahr bezieht (§ 62 Abs. 1 Satz, 1. Halbsatz SBG V), erreicht haben, und es ihnen nicht zuzumuten sei, diesen Gesamtbetrag aus den ihnen gewährten Leistungen für den genannten
Monat aufzubringen. Es besteht daher keine Veranlassung, auf die Frage einzugehen, ob trotz der Einbeziehung weiterer Bedarfslagen
in die Regelsatzleistung der Regelsatz gegenüber dem früheren Rechtszustand gleichwohl unverändert gelassen werden kann. Sieht
man die Festsetzung der Regelsätze in derzeit geltender Höhe als bedarfsgerecht in Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 BSHG in Bezug auf die bis zum 31. Dezember 2003 geltende Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Regelsatz VO an, müsste bei Einbeziehung einer weiteren Bedarfslage eine Bedarfsunterdeckung angenommen werden.
Wird hingegen unter Einbeziehung einer neuen Bedarfslage "Leistungen für Kosten bei Krankheit" der Regelsatz in gleicher Höhe
nunmehr als bedarfsgerecht angesehen, führt dies zu der Schlussfolgerung, dass er im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2003 den
seinerzeitigen (geringeren) Bedarf überschritten haben müsste. Da die Antragsteller jedoch offensichtlich keine Anpassung
ihres Regelbedarfes erstreben, sondern eine einmalige Leistung allein für den Monat Januar 2004, sieht der Senat keine Veranlassung,
näher auf diese Fragen einzugehen.
Die Antragsteller begehren offenbar auch keine Bemessung der Regelleistungen abweichend von den Regelsätzen im Sinne von §
22 Abs. 1 Satz 2 BSHG. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen zudem offensichtlich nicht vor. Eine die abweichende Regelung rechtfertigende
Besonderheit des Einzelfalles im Sinne der genannten Vorschrift besteht nämlich nur, wenn der Hilfesuchende einen laufenden
Bedarf geltend macht, der bei der generalisierenden Bemessung der Regelsatzleistungen nicht berücksichtigt worden ist und
der, weil einzelfallabhängig, auch nicht berücksichtigt werden konnte (Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., § 22, Rdnr. 11 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 5 C 55/92 -, BVerwGE 97, 232). Im vorliegenden Fall machen die Antragsteller jedoch keinen laufenden, sondern einen einmaligen Bedarf geltend, der zudem
nicht nur sie persönlich trifft, sondern alle Empfänger laufender Hilfe zum Lebensunterhalt, bei denen die Belastungsgrenze
gemäß §
62 Abs.
2 Satz 4
SGB V nicht erst im Laufe eines Jahres, sondern bereits innerhalb eines Monats erreicht wird. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG liegen daher erkennbar nicht vor.
§ 38 Abs. 2 BSHG in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung, der als Rechtsgrundlage für die Übernahme von Zahlungen von Zuschüssen
nach §§
61 und
62 SGB V angesehen werden konnte, kommt nunmehr als Rechtsgrundlage nicht mehr in Betracht, weil er - wie ausgeführt - durch Art.
28 Nr. 4 GMG aufgehoben worden ist.
Auf die Gewährung einer einmaligen Beihilfe im Sinne von § 21 Abs. 1 BSHG haben die Antragsteller keinen Anspruch. Allerdings dürfte dem nicht entgegenstehen, dass die genannte Vorschrift allein
Leistungen zum Lebensunterhalt erfasst, während Aufwendungen, die aus Anlass einer Krankheit entstehen, herkömmlich der Hilfe
in besonderen Lebenslagen in Form der Hilfe bei Krankheit nach Abschnitt 3, Unterabschnitt 4 des Bundessozialhilfegesetzes
zugerechnet werden. Die Antragsteller machen nämlich im vorliegenden Fall gerade geltend, auf Grund der nach den Neuregelungen
von ihnen zu leistenden Zuzahlungen bei Krankheit aus ihrem Regelsatz verbliebe ihnen kein ausreichender Teil desselben mehr,
der zur Abdeckung des sonstigen laufenden Lebensunterhaltes ausreiche. Die Gewährung einer einmaligen Leistung scheidet jedoch
grundsätzlich aus, soweit diese Leistung zu einer Bedarfsgruppe gehört, die nach § 22 BSHG und § 1 RegelsatzVO ihrer Art nach dem Regelbedarf zuzuordnen ist (so auch Schellhorn/Schellhorn, a.a.O., § 21, Rdnr. 7 j unter Hinweis
u.a. auf BVerwG, Urteil vom 5. November 1992 - BVerwG 5 C 21/92 -, FEVS 43, 445). Es entspricht der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, dass Bedarfslagen, die nach §
22 BSHG und § 1 RegelsatzVO durch die Regelsätze abgedeckt werden, keinen Anspruch auf einmalige Leistungen im Sinne von § 21 Abs. 1 BSHG begründen können (HessVGH, Urteil vom 16. Juni 1992 - 9 UE 1166/90 -, DÖV 1993, 674 - nur Leitsatz -), und zwar auch dann nicht, wenn sich der Regelsatz als zu niedrig bemessen erweisen sollte. Da - wie bereits
ausgeführt - auf Grund der Neufassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO durch Art. 29 GMG die "Kosten bei Krankheit" von den
Regelsätzen erfasst sind, kann hierfür eine einmalige Beihilfe gemäß § 21 Abs. 1 BSHG nicht gewährt werden.
An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass mit der Neufassung vom Gesetzgeber in Abweichung von der Systematik
des Bundessozialhilfegesetzes eine bisher der Hilfe bei Krankheit und damit der Hilfe in besonderen Lebenslagen zuzurechnende
Bedarfslage nunmehr offenbar der Hilfe zum Lebensunterhalt zugeordnet worden ist. Es ist davon auszugehen, dass diese "Systemdurchbrechung"
vom Gesetzgeber politisch gewollt ist. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist nicht zu erkennen, da die Einteilung der
Hilfearten nach dem Bundessozialhilfegesetz und ihre konkrete Ausformung nicht durch die Verfassung vorgegeben ist und damit der Dispositionsfreiheit des Gesetzgebers
unterliegt. § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG legt zwar fest, dass Regelsätze für laufende Leistungen zum Lebensunterhalt zu gewähren sind, verbietet damit aber nicht
die Gewährung anderer Bedarfslagen in Form von laufenden Leistungen und damit auch nicht die Einbeziehung derselben in die
Regelsätze nach der Regelsatzverordnung.
Die Regelung des § 15 b BSHG, die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss als Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Verpflichtung des Antragsgegners
zur Gewährung eines Darlehens herangezogen worden ist, ist bei Fällen der vorliegenden Art nicht einschlägig. Die genannte
Bestimmung erlaubt die Gewährung eines Darlehens bei vorübergehender Notlage. Sie hat jedoch zur Voraussetzung, dass sich
ein Anspruch auf Sozialhilfe aus anderen Rechtsvorschriften ergibt und regelt lediglich die Modalitäten der Hilfegewährung,
indem sie eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Sozialhilfe als verlorener Zuschuss zu gewähren ist, für den Fall zulässt,
dass die Sozialhilfe voraussichtlich nur für kurze Dauer zu gewähren ist (so auch LPK-BSHG, 6. Aufl. § 15 b Rdnr. 1). Dies setzt aber voraus, dass überhaupt ein Anspruch auf Gewährung von Sozialhilfe besteht. Die Regelung schränkt
somit aus Sicht des Hilfesuchenden seine Ansprüche insofern eher ein, als er bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen
und ordnungsgemäßer Ermessensausübung durch den Sozialhilfeträger (nur) ein Darlehen erhält, und bietet keine Rechtsgrundlage
für eine ausdehnende Hilfe an den Hilfesuchenden.
Als Rechtsgrundlage für die "Hilfegewährung in Sonderfällen" kommt allenfalls § 15 a Abs. 1 Satz 1 BSHG in Betracht, wonach Hilfe zum Lebensunterhalt in Fällen, in denen nach den vorstehenden Bestimmungen die Gewährung von Hilfe
nicht möglich ist, gewährt werden kann. Diese Norm bietet somit bei Vorliegen ihrer gesetzlichen Voraussetzungen eine Anspruchsgrundlage
für Ansprüche eines Hilfesuchenden, die unter Anwendung der allgemeinen Regelungen nicht in Betracht kommt. Allerdings steht
sie unter der einschränkenden Voraussetzung, dass diese Hilfegewährung zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer
vergleichbaren Notlage gerechtfertigt sein muss. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall offensichtlich nicht erfüllt.
Eine der Sicherung der Unterkunft vergleichbare Notlage setzt jedenfalls eine ähnlich gewichtige Notsituation voraus, in der
die Lebensführung des Hilfesuchenden in vergleichbar empfindlicher Weise wie bei dem Verlust der Unterkunft beeinträchtigt
ist (Mergler/Zink, BSHG, Stand Mai 2003, § 15 a, Rdnr. 8). Es erscheint bereits zweifelhaft, ob in Fällen der vorliegenden Art die Annahme einer in diesem Sinne gewichtigen
Notlage in Betracht kommt, da diese ihrer Natur nach nur vorübergehend besteht. Jedenfalls ist eine solche Notlage im vorliegenden
Fall nicht gegeben. Die von den Antragstellern geltend gemachte "Unterdeckung" ihres Lebensunterhaltes beläuft sich lediglich
auf einen Betrag von 33,84 EUR für den Monat Januar 2004. Damit verbleibt ihnen auch für den genannten Monat jedenfalls das
zum Lebensunterhalt Unerlässliche im Sinne von § 25 Abs. 2 BSHG, worauf noch einzugehen sein wird. Eine dem Verlust der Unterkunft vergleichbare Notlage besteht somit auf Seiten der Antragsteller
offensichtlich nicht.
Andere Rechtsgrundlagen sind weder vorgetragen noch erkennbar. Dies gilt auch für eine darlehensweise Übernahme der Kosten
der Antragsteller. Zwar weisen sie zutreffend darauf hin, dass in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung
der gesetzlichen Krankenversicherung vom 8. September 2003 (BT-Drucks. 15/1525) zu der dort vorgesehnen und mittlerweile in
Kraft getretenen Aufhebung des § 38 Abs. 2 BSHG ausgeführt wird, die Sozialhilfeträger könnten Kosten darlehensweise übernehmen, wenn die Belastungsgrenze nach §
62 SGB V in Einzelfällen innerhalb eines kurzen Zeitraumes erreicht würde (BT-Drucks. 15/1525, S. 167), jedoch stellt diese Äußerung
weder eine eigenständige Rechtsgrundlage dar, noch wird von den Entwurfsverfassern eine ins Auge gefasste Rechtsgrundlage
genannt. Es ist nicht auszuschließen, dass damit kein Rechtsanspruch der Hilfesuchenden gemeint war, sondern lediglich eine
Handlungsbefugnis auf Seiten der Sozialhilfeträger, gegebenenfalls auch ohne konkrete Ermächtigungsgrundlage im Bundessozialhilfegesetz, wobei hier die Frage, ob dies mit der Gesetzesbindung der Verwaltung und dem Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes vereinbar
sein kann, nicht vertieft zu werden braucht. Jedenfalls können die Antragsteller allein aus den Ausführungen in der Begründung
zum genannten Gesetzentwurf keinen Anspruch gegen den Antragsgegner ableiten.
Nach alldem haben die Antragsteller bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Sie haben zudem auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Selbst wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen ein Anspruch
der Antragsteller auf Gewährung einer einmaligen Leistung - sei es als verlorener Zuschuss oder als Darlehen - angenommen
werden könnte, fehlte es im vorliegenden Fall jedenfalls an der Dringlichkeit einer gerichtlichen Regelung. Es liegt nämlich
kein wesentlicher Nachteil im Sinne von §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO vor, der durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewendet werden müsste.
Zwar ist bei fehlender Deckung eines nach dem Bundessozialhilfegesetz anerkannten Bedarfs grundsätzlich eine besondere Dringlichkeit für eine einstweilige Anordnung im Sinne von 123 Abs. 1 Satz
2
VwGO anzunehmen (vgl. Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 1239), jedoch kann in Ausnahmefällen die Eilbedürftigkeit fehlen, wenn der
Hilfesuchende darauf verwiesen werden kann, den bestehenden Bedarf in zumutbarer Weise vorläufig anderweitig zu decken (so
auch Finkelnburg/Jank, a.a.O., Rdnr. 1238). Verbreitet wird die Auffassung vertreten, durch eine einstweilige Anordnung abzuwendende
wesentliche Nachteile in §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO seien dann nicht gegeben, wenn dem Hilfesuchenden noch das zum Leben unerlässliche im Sinne von § 25 Abs. 2 BSHG verbleibe, was mit etwa 75 bis 80 v.H. des Regelsatzes angenommen wird (so etwa OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.
Mai 2002 - 12 B 423/02 -, FEVS 54, 174; vgl. auch die Darstellungen bei LPK-BSHG, a.a.O., Anhang III, Rdnr. 144 m.w.N. zur Rechtsprechung). Diese Grenze ist bereits nach den Darlegungen der Antragsteller
im vorliegenden Fall offensichtlich nicht erreicht, so dass unter Zugrundelegung dieser Auffassung ein Anordnungsgrund jedenfalls
zu verneinen wäre. Der Senat sieht keine Veranlassung, im vorliegenden Fall näher darauf einzugehen, ob dieser Auffassung
zu folgen ist. Selbst wenn nämlich die Grenze für die Annahme eines wesentlichen Nachteiles im Sinne von §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO und damit für die Annahme eines Anordnungsgrundes bereits bei Vorenthaltung eines Anteils von 5 v.H. des maßgeblichen Regelsatzes
anzunehmen sein sollte, wie die Antragsteller unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofs
(Beschluss vom 23. Januar 1995 - 12 CE 94.2781 -, FEVS 46, 141) meinen, wäre diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht
erfüllt.
Nach Auffassung des Senats muss nämlich bei der Beurteilung, ob der im konkreten Fall begehrte Betrag sich (noch) innerhalb
der genannten Grenze von 5 v.H. des Regelbedarfs hält, nicht allein auf die den Antragstellern gewährten Regelsätze abgestellt
werden, sondern auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft, die die Antragsteller zusammen mit ihren vier Kindern bilden und für
die Regelleistungen in Höhe von insgesamt 1.471,00 EUR monatlich zu Grunde gelegt werden. Dies folgt daraus, dass auch die
Belastungsgrenze nach §
62 SGB V sich auf den gesamten Haushalt bezieht bzw. bei Beziehern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG gemäß §
62 Abs.
2 Satz 5
SGB V auf die gesamte Bedarfsgemeinschaft. Zwar wird insofern nach der genannten Regelung nur der Regelsatz des Haushaltsvorstandes
für die Berechnung zu Grunde gelegt, jedoch bezieht sich die Belastungsgrenze gleichwohl auf den der Bedarfsgemeinschaft insgesamt
zuzumutenden Zuzahlungen. Von der genannten Belastungsgrenze werden im Falle der Antragsteller nämlich auch solche Zuzahlungen
erfasst, die für Medikamente fällig werden, die zur Behandlung der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Kinder dienen.
So haben die Antragsteller selbst vorgetragen, in dem von ihnen noch begehrten Betrag von 33,84 EUR seien 10,00 EUR für eine
Praxisgebühr enthalten, die von einer ihrer Töchter entrichtet werden musste. Es kann nach Auffassung des Senats im zu beurteilenden
Zusammenhang nicht entscheidungserheblich sein, für welche der eine Bedarfsgemeinschaft bildenden Personen konkret die Zuzahlungen
aufzuwenden sind. Vielmehr sind diese aus dem der Bedarfsgemeinschaft insgesamt zustehenden Regelsatzleistungen zu entrichten
und gehen insgesamt zu Lasten der der Gemeinschaft gewährten Regelsatzhilfe, so dass auch bei der Beurteilung, ob nach den
obigen Ausführungen die Grenze von 5 v.H. erreicht wird, auf die der Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewährten Leistungen abzustellen
ist. Da den Antragstellern zusammen mit ihren vier Kindern Regelsatzleistungen in Höhe von insgesamt 1.471,00 EUR gewährt
wurden und werden, bedeuten die von der Bedarfsgemeinschaft aufzubringenden Zuzahlungen in Höhe von insgesamt 33,84 EUR lediglich
einen Anteil von 2,3 v.H. hiervon, so dass die oben genannte Grenze bei weitem nicht erreicht ist.
Der Senat weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall selbst dann die von den Antragstellern selbst angenommene Grenze von
5 v.H. nicht erreicht würde, wenn entgegen den obigen Ausführungen nicht auf die Regelsätze für die gesamte Bedarfsgemeinschaft
abzustellen sein sollte, sondern lediglich auf die den Antragstellern selbst gewährten Regelsätze in Höhe von insgesamt 535,00
EUR monatlich. Unter diesen Umständen müsste nämlich auch die Praxisgebühr von 10,00 EUR bei der Vergleichberechnung unberücksichtigt
bleiben, die nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller nicht für sie, sondern für eine ihrer Töchter aufzuwenden war. Es
verbliebe somit ein Zuzahlungsbetrag allein für die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens in Höhe von nur noch 23,84 EUR,
was etwa 4,45% von 535,00 EUR entspricht, so dass die von den Antragstellern selbst angenommene Grenze nicht erreicht würde.
Unabhängig davon, dass die Tochter der Antragsteller nicht Beteiligte des vorliegenden Verfahrens ist, ergäbe sich auch für
sie keine Unterschreitung der genannten Grenze. Da minderjährige mitversicherte Kinder nach der gesetzlichen Regelung keine
Praxisgebühr zu entrichten haben, muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Tochter, die die Praxisgebühr entrichtet
haben soll, um die 1982 geborene Tochter handelt, die mit den Antragstellern in Haushaltsgemeinschaft lebt. Der auf sie entfallende
Regelsatz beträgt 238,00 EUR, so dass 5 v.H. hiervon einen Betrag von 11,90 EUR bedeuten, den die von ihr entrichtete Praxisgebühr
von 10,00 EUR ebenfalls unterschreitet.
Nach alldem haben die Antragsteller auch keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil es an einem abzuwendenden wesentlichen
Nachteil im Sinne von §
123 Abs.
1 Satz 2
VwGO fehlt.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners hin ist daher der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel insoweit aufzuheben, als
er nicht bereits nach den Eingangs gemachten Ausführungen gegenstandslos ist, und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abzulehnen.
Insoweit haben die Antragsteller gemäß §
154 Abs.
1 VwGO als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu tragen.
Gleiches gilt für die Kosten des beidseitig für erledigt erklärten Teils des Verfahrens, über die gemäß §
161 Abs.
2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist, da davon auszugehen
ist, dass die Antragsteller auch insofern bei einer streitigen Entscheidung unterlegen wären. Für diesen Teil gelten nämlich
die obigen Ausführungen des Senats über die fehlende Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs sinngemäß. Zudem teilt der
Senats die Auffassung der Vorinstanz, dass sich die Antragsteller für die von ihnen zunächst getätigten Zuzahlungen, die über
die für sie geltende Belastungsgrenze des §
62 Abs.
2 Satz 4
SGB V hinausgehen, darauf verweisen lassen mussten, einen entsprechenden Erstattungsantrag bei ihrer Krankenkasse zu stellen und
diesen gegebenenfalls unter Inanspruchnahme sozialgerichtlicher Hilfe zu verfolgen. Die Antragsteller haben dies auch zwischenzeitlich
erfolgreich getan, so dass davon auszugehen ist, dass von Anfang an eine anderweitige Selbsthilfemöglichkeit der Antragsteller
bestand und damit zumindest insofern auch kein Anordnungsgrund gegeben war.
Die Gerichtskostenfreiheit erfolgt aus §
188 Satz 2
VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß §
152 Abs.
1 VwGO unanfechtbar.