Tatbestand:
Die Parteien - die seit über 40 Jahren miteinander verheiratet sind - streiten um Trennungsunterhalt für die Zeit ab August
2002. Der Beklagte ist Rentner; er bezieht aus seiner gesetzlichen Rente und seiner Betriebsrente monatliche Gesamteinkünfte,
die sich für die Zeit bis Juni 2003 auf 1.335 EUR beliefen und seitdem 1.345 EUR betragen. Die am 27. Januar 1940 geborene
Klägerin war während der Ehezeit aushilfsweise tätig und erzielt aus dieser Tätigkeit seit der Trennung monatlich 250 EUR.
Der Beklagte zahlte an die Klägerin im August 2002 335,75 EUR und in der Zeit von September 2002 bis April 2003 monatlich
544,38 EUR an Trennungsunterhalt. Für die Zeit ab Mai 2003 hat er eine monatliche Unterhaltspflicht in Höhe von 415,25 EUR
anerkannt.
Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts in Höhe von 571 EUR abzüglich der von August
2002 bis Mai 2003 geleisteten Unterhaltszahlungen verurteilt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Dagegen richtet
sich die - vom Oberlandesgericht zugelassene - Revision des Beklagten, mit der er Klagabweisung für die Zeit bis Mai 2003
sowie Herabsetzung des ab Juni 2003 geschuldeten Unterhalts auf den anerkannten Betrag in Höhe von monatlich 415,25 EUR begehrt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1104 f.
veröffentlicht ist, hat auf der Grundlage der Renteneinkünfte des Beklagten und des - nach Abzug pauschaler berufsbedingter
Aufwendungen sowie eines Erwerbstätigenbonus - bereinigten Erwerbseinkommens der Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbedarf
in Höhe von 571 EUR für die Zeit bis Juni 2003 und in Höhe von 576 EUR für die Zeit ab Juli 2003 ermittelt. Der Klägerin sei
kein höheres Einkommen als zuletzt mit monatlich 250 EUR erzielt anzurechnen. Im Hinblick auf die jahrzehntelange Ehedauer
erscheine es angemessen, den Umfang ihrer Erwerbsobliegenheit über das Trennungsjahr hinaus zu beschränken. Eine Ausweitung
ihrer Erwerbstätigkeit sei der Klägerin auch deswegen nicht mehr zumutbar, weil sie im Januar 2004 64 Jahre alt geworden sei
und "gewisse gesundheitliche Beeinträchtigungen plausibel dargelegt" habe.
Der Beklagte sei zur Zahlung des sich aus den ehelichen Lebensverhältnissen ergebenden Unterhaltsbedarfs leistungsfähig, zumal
ihm nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Düsseldorf und den davon in Bezug genommenen Anmerkungen
zur Düsseldorfer Tabelle lediglich ein Selbstbehalt in Höhe von 730 EUR monatlich zu belassen sei. Entgegen der Auffassung
des Beklagten bestehe auch keine Veranlassung, auf die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm abzustellen,
aus denen sich für den Ehegattenunterhalt ein "billiger Selbstbehalt" von 920 EUR ergebe. Die Revision hat das Berufungsgericht
zugelassen, weil "die Frage der (Nicht-)Anwendung außerbezirklicher unterhaltsrechtlicher Leitlinien bislang ... noch nicht
obergerichtlich entschieden" worden sei.
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Schon die Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§
1578 Abs.
1 BGB) entspricht nicht in allen Punkten der Rechtsprechung des Senats.
Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien von den Rentenbezügen
des Beklagten geprägt worden sind. Das wäre selbst dann der Fall, wenn die Rente an die Stelle eines im Zeitpunkt der Scheidung
noch bezogenen Erwerbseinkommens getreten wäre (Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 91 f.). Hier hat das Renteneinkommen die ehelichen Lebensverhältnisse schon deswegen geprägt, weil der Beklagte im Zeitpunkt
der Trennung der Parteien im August 2002 bereits Rente bezog.
Ebenso zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auch das Einkommen der Klägerin aus ihrer Aushilfstätigkeit die
ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat. Denn die Klägerin hat ein solches Einkommen schon während der Ehezeit und weiterhin
seit der Trennung erzielt. Soweit das Berufungsgericht dieses eheprägende Einkommen der Klägerin allerdings zur Höhe auf monatlich
250 EUR beschränkt hat, berücksichtigt es den unter Beweis gestellten Sachvortrag des Beklagten nicht erschöpfend.
a) Ob "gewisse gesundheitliche Beeinträchtigungen" oder das Alter der Klägerin von 64 Jahren einer Obliegenheit zur Ausweitung
ihrer Aushilfstätigkeit entgegenstehen, kann hier offen bleiben. Denn der Beklagte hat - wie die Revision zu Recht rügt -
unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Klägerin in den letzten 18 Jahren vor der Trennung in weiterem Umfang aushilfsweise
tätig gewesen sei und durchschnittlich mindestens 325 EUR monatlich verdient habe. Diese Tätigkeit habe sie erst im Zuge der
Trennung auf das nunmehr ausgeübte Maß reduziert.
Nach diesem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt kommt es nicht darauf an, ob die bei Verkündung des Berufungsurteils
fast 64 Jahre alte Klägerin ihre Aushilfstätigkeit über das bisherige Maß hinaus ausweiten muss. Entscheidend ist vielmehr
darauf abzustellen, ob die Klägerin aus unterhaltsrechtlicher Sicht ihr bisheriges Einkommen im Zusammenhang mit der Trennung
eigenmächtig auf monatlich 250 EUR reduzieren durfte. Umstände, die eine solche Einschränkung der Aushilfstätigkeit aus gesundheitlicher
Sicht erfordern, hat das Berufungsgericht nicht konkret festgestellt. Allein der Umstand, dass die Klägerin im Zeitpunkt der
Trennung fast 63 Jahre alt war, berechtigte sie nach der Rechtsprechung des Senats noch nicht, eine zuvor ausgeübte eheprägende
Tätigkeit zu reduzieren (Senatsurteil vom 3. Februar 1999 - XII ZR 146/97 - FamRZ 1999, 708, 709 f.). Das Berufungsgericht wird deswegen zunächst auf der Grundlage des streitigen Sachvortrags klären müssen, ob die
Klägerin ihre Aushilfstätigkeit erst im Zusammenhang mit der Trennung reduziert hat (so der Beklagte), oder ob die Reduzierung
schon Jahre vor der Trennung im Einvernehmen mit dem Beklagten erfolgt ist (so die Klägerin). Sollte sich der Sachvortrag
des Beklagten bestätigen, wäre die Reduzierung der Aushilfstätigkeit nur dann unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, wenn
die Klägerin substantiiert vorträgt und beweist, dass ihr eine Aushilfstätigkeit in dem zuvor ausgeübten Umfang aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr zumutbar war.
b) Soweit der Klägerin neben dem tatsächlich erzielten Einkommen aus ihrer Aushilfstätigkeit fiktive Einkünfte bis zur Höhe
ihres zuvor erzielten Einkommens zuzurechnen sind, sind diese nach der Rechtsprechung des Senats im Wege der Differenz- oder
Additionsmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen. Denn auch solche fiktiven Einkünfte hätten dann die ehelichen
Lebensverhältnisse der Parteien geprägt (Senatsurteil vom 7. September 2005 - XII ZR 311/02 - FamRZ 2005, 1979, 1981).
c) Für das weitere Verfahren wird das Berufungsgericht allerdings zu beachten haben, dass die Klägerin am 27. Januar 2005
65 Jahre alt geworden ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist sie mit Erreichen der allgemeinen Altersgrenze nicht mehr
verpflichtet, eine Erwerbstätigkeit auszuüben und kann diese deswegen jederzeit reduzieren oder vollständig aufgeben. Nur
wenn die Klägerin ihre Nebentätigkeit nach Renteneintritt weiterhin ausübt, bleibt das zusätzlich erzielte Einkommen nicht
schon deswegen vollständig unberücksichtigt, weil es überobligationsmäßig erzielt wird. Dann ist der unterhaltsrelevante Anteil
des überobligationsmäßig erzielten Einkommens nach Billigkeit zu ermitteln und - gegebenenfalls neben den eigenen Renteneinkünften
- im Wege der Differenz- oder Anrechnungsmethode in die Unterhaltsberechnung einzubeziehen (Senatsurteil vom 13. April 2005
- XII ZR 273/02 - FamRZ 2005, 1154, 1157 f.).
2. Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Prüfung aber auch deswegen nicht stand, weil es die Grenzen der Leistungsfähigkeit
des Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht eine Unterhaltspflicht nicht, soweit der Unterhaltschuldner infolge einer
Unterhaltsleistung selbst sozialhilfebedürftig würde. Dem Unterhaltspflichtigen muss schon aus verfassungsrechtlichen Gründen
jedenfalls der Betrag verbleiben, der seinen eigenen Lebensbedarf nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen sicherstellt (Senatsurteile
BGHZ 111, 194, 198 = FamRZ 1990, 849, 850 und vom 10. Juli 1996 - XII ZR 121/95 - FamRZ 1996, 1272, 1273; Scholz FamRZ 2004, 751, 757 ff.). Die finanzielle Leistungsfähigkeit endet jedenfalls dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage ist,
seine eigene Existenz zu sichern (BVerfG FamRZ 2001, 1685 f.; zur Höhe vgl. Klinkhammer FamRZ 2004, 1909, 1910 ff. und Schürmann FamRZ 2005, 148 f.).
Die Bemessung dieses - auch verfassungsrechtlich zu beachtenden - Mindestselbstbehalts ist nach ständiger Rechtsprechung des
Senats Aufgabe des Tatrichters. Dabei ist es diesem nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und Richtwerte anzulehnen, sofern
nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten (Senatsurteile vom 28. März 1984 - IVb ZR 53/82 - NJW 1984, 1614 und vom 23. September 1992 - XII ZR 157/91 - FamRZ 1993, 43, 44 f.). Die Oberlandesgerichte haben solche pauschalen Selbstbehaltssätze als Grenzen der Leistungsfähigkeit für den Verwandtenunterhalt
(§
1603 BGB) oder den Ehegattenunterhalt (§
1581 BGB) in ihre unterhaltsrechtlichen Leitlinien aufgenommen, stimmen dabei teilweise aber weder zur Höhe noch in der Abstufung
gegenüber anderen Unterhaltsansprüchen überein. Beim Ehegattenunterhalt wird zum Teil zusätzlich danach unterschieden, ob
der unterhaltsberechtigte Ehegatte minderjährige Kinder erzieht oder ob es sich um Trennungs- oder nachehelichen Ehegattenunterhalt
handelt.
Bei der Bemessung solcher Selbstbehalte haben die Gerichte die gesetzlichen Vorgaben zu beachten, die sich insbesondere aus
dem Wesen der Unterhaltspflicht und der Rangfolge des Anspruchs im Verhältnis zu anderen Unterhaltsberechtigten ergeben (Senatsurteil
vom 7. Dezember 1988 - IVb ZR 15/88 - FamRZ 1989, 272 f.). Deswegen hat es der Senat nicht gebilligt, dass der angemessene Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen volljähriger
Kinder (§
1603 Abs.
1 BGB) mit dem notwendigen Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsansprüchen minderjähriger und diesen nach §
1603 Abs.
2 BGB gleichgestellter Kinder gleichgesetzt wird (Senatsurteil vom 7. Dezember 1988 aaO.). Ebenso hat es der Senat aus Rechtsgründen
nicht für vertretbar und auch nicht für billig gehalten, dem unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten regelmäßig nur den
notwendigen Selbstbehalt zu belassen. Die darin zum Ausdruck kommende Gleichbehandlung des Unterhaltsanspruchs von Ehegatten
mit demjenigen minderjähriger Kinder, wie sie für das Rangverhältnis in §
1609 Abs.
2 Satz 1
BGB (noch) angeordnet ist, würde die gesteigerte Unterhaltspflicht nach §
1603 Abs.
2 BGB außer Betracht lassen. Der Regelungshintergrund dieser Vorschrift ist darin zu sehen, dass minderjährigen Kindern wegen ihres
Alters von vornherein die Möglichkeit verschlossen ist, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Lebensbedarfs
beizutragen (Senatsurteil vom 1. Dezember 2004 - XII ZR 3/03 - FamRZ 2005, 354, 355 m.w.N.). Das gilt für geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten nicht in gleichem Maße. Umgekehrt kann der gegenüber
dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder stärker ausgestaltete Charakter des Ehegattenunterhalts auch zu einer stärkeren
Haftung und damit zu einem geringeren Selbstbehalt nach §
1581 BGB führen, als dieses auf der Grundlage des §
1603 Abs.
1 BGB gegenüber dem Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder der Fall ist. Denn nach §
1609 Abs.
2 BGB stehen Ehegatten zwar den Kindern im Sinne des §
1603 Abs.
2 BGB gleich; sonstigen Kindern gehen sie allerdings im Rang vor.
Nach dieser gesetzlichen Wertung ist es geboten, den Selbstbehalt gegenüber dem Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten
nach §
1581 BGB mit einem Betrag zu bemessen, der nicht unter dem notwendigen (§
1603 Abs.
2 BGB), aber auch nicht über dem angemessenen (§
1603 Abs.
1 BGB) Selbstbehalt liegt. Dabei wird es nicht zu beanstanden sein, wenn der Tatrichter für diesen - pauschalen - Ehegattenselbstbehalt
im Regelfall von einem etwa in der Mitte zwischen diesen beiden Beträgen liegenden Betrag ausgeht, wie der Senat schon für
den Unterhaltsanspruch nach §
1615 l Abs.
2 BGB entschieden hat (vgl. Senatsurteil vom 1. Dezember 2004 aaO., 355 f.). Für den Trennungsunterhalt fehlt zwar eine dem §
1581 BGB entsprechende Regelung, die den Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Ehegatten sicherstellt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
gebietet es jedoch, diese Vorschrift entsprechend anzuwenden, da sich auch der Anspruch auf Trennungsunterhalt wie jeder Unterhaltsanspruch
an der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auszurichten hat (BVerfG FamRZ 2002, 1397, 1398).
b) Der Senat hat die Leistungsfähigkeit im Rahmen des Ehegattenunterhalts (§
1581 BGB) bisher auch noch in weiterer Weise beschränkt (Senatsurteile BGHZ 109, 72, 83 ff. = FamRZ 1990, 260, 264 und vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357, 1358 f.; vgl. Wendl/Gutdeutsch, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 4 Rdn. 567 ff.). Dessen
bedarf es nach der neueren Rechtsprechung des Senats zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs eines getrennt lebenden oder geschiedenen
Ehegatten nicht mehr.
Um zu verhindern, dass der Unterhaltspflichtige gegenüber einem höheren eheangemessenen Unterhaltsbedarf bis zur Grenze eines
Mindestselbstbehalts hafte, und dadurch der Grundsatz der Halbteilung nicht mehr gewahrt werde, sei der eigene angemessene
Unterhalt im Sinne von §
1581 BGB, dessen Gefährdung den Einstieg in die Billigkeitsprüfung eröffnet, grundsätzlich mit dem eheangemessenen Unterhalt nach
§
1578 BGB gleichzusetzen. Nur eine solche Gleichsetzung des eigenen angemessenen Unterhalts in §
1581 BGB mit dem eheangemessenen Unterhalt im Sinne des §
1578 BGB könne vermeiden, dass der Unterhaltsberechtigte unter Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe seinen vollen
eheangemessenen Unterhalt erhalte, während der Verpflichtete erst dann nicht mehr als voll leistungsfähig behandelt werde,
wenn ein generell bestimmter, unter seinem eheangemessenen Bedarf liegender Selbstbehalt gefährdet würde. Die in §
1581 BGB vorgeschriebene Abwägung habe neben der Sicherung des Eigenbedarfs des Unterhaltspflichtigen auch den Zweck, das verfügbare
Einkommen so unter den (geschiedenen) Eheleuten zu verteilen, dass die dem Berechtigten zustehenden Unterhaltsleistungen nicht
in einem unbilligen Verhältnis zu den Mitteln stünden, die dem Verpflichteten für seinen eigenen Bedarf verblieben. Um diesem
Zweck voll gerecht zu werden, müsse die Billigkeitsabwägung aber bereits eröffnet sein, wenn der Verpflichtete den vollen
geschuldeten Unterhalt nicht ohne Gefährdung seines eigenen eheangemessenen Unterhalts leisten könne (Senatsurteile BGHZ 109,
aaO. = FamRZ aaO., 264 und vom 9. Juni 2004 - XII ZR 308/01 - FamRZ 2004, 1357, 1358 f.). Diese Rechtsprechung hatte allerdings zur Folge, dass in einer Vielzahl von Fällen - und zwar stets dann, wenn
das verfügbare Einkommen nicht ausreicht, um den beiderseitigen ursprünglich eheangemessenen Unterhalt einschließlich eines
eventuellen Mehrbedarfs zu befriedigen - der Unterhalt des berechtigten Ehegatten nach Billigkeitsgrundsätzen gemäß §
1581 BGB zu bemessen ist.
Dieser Auslegung des §
1581 BGB für die Bemessung der Leistungsfähigkeit gegenüber einem Anspruch auf Ehegattenunterhalt sind allerdings nicht alle Oberlandesgerichte
gefolgt. Während die Mehrzahl der Oberlandesgerichte nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats den Selbstbehalt gegenüber
Ehegatten grundsätzlich mit dem eheangemessenen Unterhaltsbedarf des Berechtigten nach §
1578 BGB gleichsetzt, sehen andere Oberlandesgerichte eine solche Anhebung über einen festen Mindestselbstbehalt hinaus nicht vor
(so die Oberlandesgerichte Brandenburg, Koblenz, Naumburg und Schleswig, jeweils FamRZ 2005, 1306 ff. unter 21.4).
Dieser zusätzlichen Grenze der Leistungsfähigkeit nach den individuellen ehelichen Lebensverhältnissen bedarf es nicht mehr.
aa) Richtig ist zwar, wie der Senat schon bislang betont hat, dass ein unterhaltsberechtigter Ehegatte nicht unter Verstoß
gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe einen höheren eheangemessenen Unterhalt erhalten kann, während der Verpflichtete
erst dann als nicht mehr leistungsfähig behandelt wird, wenn ein generell bestimmter, womöglich unter seinem eheangemessenen
Bedarf liegender Ehegattenselbstbehalt gefährdet würde. Dieses Ergebnis wird nach der neueren Rechtsprechung des Senats aber
schon im Rahmen der Bedarfsbemessung sichergestellt.
Gemäß §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB bestimmt sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfordert
die Bedarfsermittlung deshalb regelmäßig eine konkrete Feststellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die den ehelichen
Lebensstandard bestimmt haben. Dass auf diese Weise auch ein Unterhaltsbedarf ermittelt werden kann, der unter dem Selbstbehalt
eines Unterhaltsverpflichteten gegenüber (sogar minderjährigen) Kindern liegt, veranlasst keine Korrektur. Der eheliche Lebensstandard
ist grundsätzlich individuell angelegt. Er kann wirtschaftlich über oder unter dem Niveau von Tabellenwerten liegen, die in
der Regel auf durchschnittlich ermittelten Kosten der allgemeinen Lebensführung beruhen und Besonderheiten daher nicht berücksichtigen.
Darin unterscheidet er sich von dem Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen, der auf der Grundlage der Sozialhilfesätze mit
Mindestbeträgen pauschaliert werden kann. Der Bedarf eines unterhaltsberechtigten Ehegatten kann auch nach der Scheidung je
nach den Umständen des Einzelfalles beispielsweise dadurch beeinflusst werden, dass infolge gemeinschaftlichen Wirtschaftens
mit anderen Personen - etwa Verwandten - die Generalkosten insbesondere für Wohnen niedriger gehalten werden können als im
Falle des Alleinlebens. Inhalt der Unterhaltspflicht gegenüber einem geschiedenen Ehegatten ist es deswegen nicht, dem Berechtigten
unter allen Umständen das so genannte Existenzminimum zu sichern - das ist notfalls Sache des Sozialhilfeträgers -, sondern
nach Maßgabe des §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB die Fortsetzung derjenigen - möglicherweise auch engen - Lebensverhältnisse zu ermöglichen, die die Ehe prägen (Senatsurteil
vom 11. Januar 1995 - XII ZR 122/93 - FamRZ 1995, 346, 347). Somit ist regelmäßig schon durch die Bedarfsermittlung auf Seiten des Unterhaltsberechtigten sichergestellt, dass
dem Unterhaltspflichtigen ein - unter Berücksichtigung des Erwerbstätigenbonus - ebenso großer Anteil des verfügbaren Einkommens
verbleibt, wie ihn der Unterhaltsberechtigte beanspruchen kann.
Zwar bestimmt sich der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB). Dieser Bezug schließt es jedoch nicht aus, nacheheliche Entwicklungen schon bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen.
So können sich nach der Rechtsprechung des Senats Einkommensverbesserungen, die erst nach der Scheidung beim unterhaltspflichtigen
Ehegatten eintreten, bedarfsteigernd auswirken, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum Zeitpunkt
der Scheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war und wenn diese Erwartung die ehelichen Lebensverhältnisse bereits
geprägt hatte. Umgekehrt können auch nach der Scheidung eintretende Einkommensminderungen für die Bedarfsbemessung nicht grundsätzlich
unberücksichtigt bleiben, sofern sie nicht auf einer Verletzung der Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten beruhen
oder durch freiwillige berufliche oder wirtschaftliche Dispositionen des Unterhaltsverpflichteten veranlasst sind und von
diesem durch zumutbare Vorsorge aufgefangen werden können (Senatsurteil BGHZ 153, 358, 364 f. = FamRZ 2003, 590, 591). Wie der Senat schon wiederholt ausgesprochen hat, müsste es auf Unverständnis stoßen, wenn eine nach der Trennung
eintretende Arbeitslosigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten nicht schon die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern
erst seine Leistungsfähigkeit beeinflusst. Gleiches gilt für eine dauerhafte Absenkung der Erwerbseinkünfte des Unterhaltsschuldners
nach der Scheidung. Auch hier muss es der Unterhaltsberechtigte hinnehmen, dass der Bemessungsmaßstab für seinen Unterhaltsanspruch
gegenüber den Verhältnissen im Zeitpunkt der Scheidung abgesunken ist (Senatsurteil BGHZ 153 aaO.).
Der Senat hat deshalb in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich ausgesprochen, dass die Anknüpfung der nach §
1578 Abs.
1 Satz 1
BGB maßgebenden Umstände an den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils schon nach ihrem Zweck für den unterhaltsberechtigten
Ehegatten keine die früheren ehelichen Lebensverhältnisse unverändert fortschreibende Lebensstandardgarantie begründet, deren
Erfüllung nur in den Grenzen fehlender Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten an dessen dauerhaft veränderte
wirtschaftliche Verhältnisse angepasst und nur insoweit auch "nach unten korrigiert" werden kann. Für eine solche Absicherung
böte das Recht des nachehelichen Unterhalts, das - jedenfalls im Prinzip - nur die Risiken der mit der Scheidung fehlgeschlagenen
Lebensplanung der Ehegatten und der von ihnen in der Ehe praktizierten Arbeitsteilung angemessen ausgleichen will, keine gedankliche
Rechtfertigung. Das Unterhaltsrecht will den bedürftigen Ehegatten nach der Scheidung wirtschaftlich im Grundsatz nicht besser
stellen, als er sich ohne die Scheidung stünde. Bei Fortbestehen der Ehe hätte ein Ehegatte die negative Einkommensentwicklung
des anderen Ehegatten wirtschaftlich mit zu tragen. Es ist nicht einzusehen, warum die Scheidung ihm das Risiko einer solchen
- auch vom unterhaltspflichtigen Ehegatten hinzunehmenden - Entwicklung, wenn sie dauerhaft und vom Schuldner nicht durch
in Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit gebotenen Anstrengungen vermeidbar ist, abnehmen soll (Senatsurteil BGHZ 153 aaO.,
368 = FamRZ aaO., 592). Nichts anderes kann für sonstige Änderungen der maßgeblichen Verhältnisse gelten, wenn sich dadurch
das dem Unterhaltspflichtigen verfügbare Einkommen vermindert. Treten z.B. vorrangige oder gleichrangige weitere Unterhaltsberechtigte
hinzu, muss sich auch das auf den Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten auswirken. Für den Trennungsunterhalt ergibt
sich das schon aus der bisherigen Rechtssprechung des Senats, wonach die ehelichen Lebensverhältnisse jedenfalls durch die
Entwicklung bis zur Rechtskraft der Scheidung geprägt werden (Senatsurteil vom 25. November 1998 - XII ZR 98/97 - FamRZ 1999, 367, 368 f.).
bb) Die genannte Einschränkung des sich aus der Ehe ergebenden Unterhaltsbedarfs folgt auch aus dem Grundsatz der unterhaltsrechtlichen
Halbteilung. Dieser Gedanke der Gleichbehandlung beider Ehegatten ist nicht darauf beschränkt, dem Unterhaltspflichtigen die
Hälfte seines im Zeitpunkt der Unterhaltsleistung vorhandenen Einkommens zu belassen, wenn er nicht durch Erfüllung seiner
Erwerbsobliegenheit weitere Einkünfte sicherstellen kann. Der Halbteilungsgrundsatz gebietet vielmehr schon bei der Bedarfsermittlung,
dem Unterhaltspflichtigen wie dem Unterhaltsberechtigten von seinem eigenen anrechenbaren Erwerbseinkommen einen - die Hälfte
seines verteilungsfähigen Einkommens (sogar) maßvoll übersteigenden - Betrag anrechnungsfrei zu belassen (Senatsurteile vom
26. September 1990 - XII ZR 45/89 - FamRZ 1991, 304, 305 und vom 10. Oktober 1990 - XII ZR 99/89 - FamRZ 1991, 307, 310). Aus entsprechenden Erwägungen hat der Senat auch das Maß des einer nicht verheirateten Mutter nach §
1615 l Abs.
2 BGB zu gewährenden Unterhalts schon auf der Bedarfsebene nach dem Halbteilungsgrundsatz begrenzt (Senatsurteil vom 15. Dezember
2004 - XII ZR 121/03 - FamRZ 2005, 442, 443).
cc) Weil deswegen schon bei der Bedarfsbemessung (§
1578 BGB) nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Teilhabe vermieden werden kann, dass ein Ehegatte einen nach günstigeren Verhältnissen
bemessenen vollen eheangemessenen Unterhalt erhält, während der Unterhaltsverpflichtete auf einen geringeren Ehegattenselbstbedarf
verwiesen ist, bedarf es keiner entsprechenden Einschränkung (erst) im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
(§
1581 BGB). Im Einklang mit der Rechtsprechung zur Leistungsfähigkeit beim Verwandtenunterhalt (§
1603 BGB) ist deswegen auch die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Ehegatten erst dann beeinträchtigt, wenn der eigene angemessene
Unterhalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet ist, weil ihm kein eigenes Einkommen verbleibt, das einen nach dem Wesen des
Unterhaltsanspruchs für den Regelfall festzusetzenden Mindestbetrag unterschreitet. Dafür, den stets zu beachtenden angemessenen
Unterhalt des Unterhaltspflichtigen (§
1581 BGB) für den Regelfall mit einem dem Wesen des Ehegattenunterhalts entsprechenden festen Betrag auszufüllen, spricht auch der
Wortlaut des Gesetzes, der sich insoweit von §
1603 Abs.
1 BGB nicht unterscheidet. Dass dieser Ehegattenselbstbehalt nach dem Rang und dem Wesen des Unterhaltsanspruchs gegenüber anderen
Unterhaltsansprüchen zwischen dem für minderjährige Kinder geltenden notwendigen Selbstbehalt (§
1603 Abs.
2 BGB) und dem z.B. gegenüber volljährigen Kindern geltenden angemessenen Selbstbehalt (§
1603 Abs.
1 BGB) liegen sollte, ist oben schon ausgeführt.
3. Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben.
Für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen wird das Berufungsgericht zunächst auf der
Grundlage des streitigen Sachvortrags die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden eigenen Einkünfte der Klägerin aus ihrer
Aushilfstätigkeit feststellen müssen.
Für die Prüfung der Leistungsfähigkeit des Beklagten ist es Sache des Tatrichters, einen auf der Grundlage dieser Rechtsprechung
angemessenen Ehegattenselbstbehalt zu bestimmen. Dabei ist es dem Oberlandesgericht nicht verwehrt, sich an Erfahrungs- und
Richtwerte anzulehnen, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung erfordern. Auf die mit der Zulassung
angesprochene Frage der Anwendung unterschiedlicher Leitlinien verschiedener Oberlandesgerichte kann es hingegen nicht ankommen,
weil solche Leitlinien immer nur Richtwerte enthalten, während besondere Umstände im Einzelfall stets eine Abweichung davon
zulassen.