Versicherungspflicht eines geschäftsführenden Gesellschafters in der gesetzlichen Rentenversicherung
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die von der Beklagten festgestellte
Versicherungspflicht der beigeladenen geschäftsführenden Gesellschafter der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit vom 10.7.2015 bis zum 30.7.2018 hinsichtlich der Beigeladenen zu 2. und
3. und hinsichtlich des Beigeladenen zu 4. vom 1.1.2016 bis 30.7.2018. Die Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG Karlsruhe vom 16.1.2020). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Das SG habe zu Recht darauf abgestellt, dass die beigeladenen Geschäftsführer mit einem Gesellschaftsanteil von jeweils 1/3 nicht
in der Lage gewesen seien, ihre minderheitsbedingte Weisungsgebundenheit aufzuheben oder abzuschwächen. Daran ändere auch
die schuldrechtliche Ergänzung zum Gesellschaftsvertrag vom 22.12.2015 über eine Einstimmigkeit in bestimmten Angelegenheiten
nichts. Die tatsächlich geübte Praxis der Gesellschafter, alle Geschäfte gemeinsam oder auch allein zu entscheiden, könne
die nach dem Gesellschaftsvertrag fehlende Rechtsmacht nicht überlagern. Die Übernahme von Bürgschaften sowie die Gewährung
von Darlehen lasse nicht auf eine selbstständige Tätigkeit schließen. Im Berufungsverfahren hätten sich keine neuen Gesichtspunkte
ergeben, die eine andere Beurteilung zuließen. Insbesondere könne der Hinweis auf die faktischen Verhältnisse oder die beschriebene
Situation der Gründungsphase verbunden mit dem Versuch, ein völlig neues Produkt einzuführen, nicht zu einer anderen Beurteilung
führen. Denn nach der Rechtsprechung des BSG sei eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" nicht anzuerkennen. Die Geschäftsführer- Anstellungsverträge enthielten - wie schon
das SG zutreffend dargelegt habe - im Wesentlichen arbeitnehmertypische Regelungen (Urteil vom 12.10.2021). Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen
(§
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG). Die Klägerin hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über
den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung
durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung
ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des §
162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und
des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich
ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Klägerin wirft die Fragen auf,
"ob bei mit einem Gesellschaftsanteil von weniger als 50% am Gesellschaftskapital beteiligte geschäftsführende Gesellschafter
- wie die an der Klägerin/Beschwerdeführerin mit einem Gesellschaftsanteil von jeweils 33% beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer
N und S im Zeitraum vom 10.07.2015 bis zum 31.07.2018, der geschäftsführende Gesellschafter T im Zeitraum vom 01.01.2016 bis
zum 30.07.2018 - für die Feststellung des Typus der Beschäftigung als abhängig Beschäftigte generell auf die auf Grund der
Minderheitsbeteiligung fehlende Rechtsmacht als überragendes Kriterium abzustellen ist und sämtliche weiteren Indizien dahinter
zurückzustehen haben - und das unabhängig von Größe, Zweck und Struktur der Gesellschaft. Ist also der in §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV für die Feststellung einer nichtselbständigen Arbeit in einem Beschäftigungsverhältnis genannte Anhaltspunkt einer Tätigkeit
nach Weisung auch dann bei der nach dem Gesamtbild der Tätigkeit vorzunehmenden Zuordnung der Tätigkeit zum Typus der abhängigen
Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit das überragende Merkmal, wenn die Gesellschaft im ganz wesentlichen nur aus den
geschäftsführenden Gesellschaftern selbst besteht?"
Insoweit fehlen hinreichende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen. Eine Rechtsfrage ist dann als
höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist
sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen
sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage
geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Deshalb ist zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine Auseinandersetzung damit erforderlich, ob und inwieweit die bisher
ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung bereits hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage bietet.
Die Klägerin bezieht sich pauschal auf "Entscheidungen des Bundessozialgerichtes vom 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, vom 29.07.2015, B 12 KR 23/13 R, vom 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, vom 14.03.2018, B 12 R 5/16 R, vom 04.06.2019, B 12 R 11/18 R und vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R" und leitet daraus ab, dass der Senat im Ergebnis der nach §
7 SGB IV durchzuführenden Gesamtschau nur noch darauf abstelle, ob der jeweilige Gesellschafter-Geschäftsführer eine Rechtsmacht innehabe,
die ihn in die Lage versetze, ihm missliebige Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern, sei es auf Grund
einer Mehrheitsbeteiligung von mehr als 50% am Gesellschaftskapital, oder einer gesellschaftsvertraglich eingeräumten echten
Sperrminorität. Diese auf eine schematische Beurteilung nach dem jeweiligen Beteiligungsverhältnis hinauslaufende Zuordnung
der Tätigkeit eines minderheitsbeteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers ohne Sperrminorität werde dem Erfordernis einer
Gesamtschau, welche sämtliche einzelfallbezogenen Umstände feststelle und gewichte, nicht in allen Fällen gerecht. Insbesondere
dann, wenn es an den in §
7 Abs
1 SGB IV genannten Merkmalen einer Beschäftigung fehle, sei "die Rekursion auf die Rechtsmacht für eine Gesamtschau unzureichend".
Die Klärung der Rechtsfrage, ob Gesellschafter-Geschäftsführer, die am Gesellschaftskapital mit weniger als 50% beteiligt
seien und über keine echte Sperrminorität verfügten, selbstständig Tätige sein könnten und damit nicht der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Recht der Arbeitsförderung unterlägen, habe grundsätzliche Bedeutung und sei
klärungsbedürftig.
Letztlich stellt die Klägerin damit die von ihr selbst aufgezeigten Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung als für
den vorliegenden Fall nicht passend infrage, ohne darzulegen, dass diesen in Rechtsprechung oder Literatur grundsätzlich widersprochen
worden seien. Nur dann wäre aber die erneute Klärungsbedürftigkeit hinreichend dargelegt (vgl zu diesem Darlegungserfordernis BSG Beschluss vom 23.6.2010 - B 12 KR 14/10 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 21.6.2016 - B 10 EG 5/16 B - juris RdNr 10 mwN). Für die Behauptung, die Fallkonstellation unterscheide sich so weit von den bisher entschiedenen Fällen, dass daraus auch
keine Anhaltspunkte zu entnehmen seien, fehlt es an einer substantiierten Auseinandersetzung mit der bisherigen höchstrichterlichen
Rechtsprechung. Dies gilt auch für den klägerischen Hinweis, dass die GmbH gerade aus den geschäftsführenden Gesellschaftern
bestehe und eine Tätigkeit nach Weisungen in diesen Fällen wegen Personenidentität nicht angenommen werden könne (vgl zB BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 zu einer Steuerberatungsgesellschaft mbH mit vier Gesellschafter-Geschäftsführern oder BSG Urteil vom 23.2.2021 - B 12 R 15/19 R - BSGE 131, 266 = SozR 4-2400 § 7 Nr 54 zur fehlenden Einflussnahmemöglichkeit innerhalb eines dreiköpfigen Stiftungsvorstands). Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass es Fälle - zB von Franchisenehmern oder Subunternehmern - gebe, in denen die Zuordnung
zu einer selbstständigen Tätigkeit nur wegen des Innehabens von Rechtsmacht "im Grunde nicht begründbar" sei, hilft dies nicht
weiter. Denn mit dieser Gruppe ist die Klägerin schon deshalb nicht vergleichbar, weil das LSG hier gerade das Fehlen der
Rechtsmacht festgestellt hat.
Die Klägerin legt im Kern ihre eigene von der Auffassung des LSG und der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtsansicht
dar. Darauf lässt sich aber keine Grundsatzrüge gründen. Die Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unbeachtlich (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 13 mwN).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 sowie § 63 Abs 2 Satz 1 GKG. Sie entspricht der Festsetzung des LSG.