Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung
Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung als Anrechnungszeiten
Beitragslose Anrechnungszeiten
Gründe:
Mit Urteil vom 23.8.2018 hat das LSG Niedersachsen-Bremen das Recht des Klägers auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur
Rentenversicherung für Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung, die bereits als Anrechnungszeiten berücksichtigt sind, verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) und macht eine Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) geltend.
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 1.10.2018 genügt nicht der gesetzlichen Form, denn
er hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach §
160a Abs
2 Satz 3
SGG gebotenen Weise dargetan.
1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage zu bezeichnen
und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich)
sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Um die Klärungsbedürftigkeit aufzuzeigen, muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich
sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt;
hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung.
Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenkreis noch keine Entscheidung getroffen hat bzw dass sich aus der bereits ergangenen höchstrichterlichen
Rechtsprechung keine Anhaltspunkte für dessen Beantwortung ergeben (vgl Senatsbeschluss vom 3.1.2011 - B 13 R 195/10 B - juris RdNr 9). Auch und insbesondere zur Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht
seine Entscheidung stützt, genügt die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der
einschlägigen Literatur und Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG, im Einzelnen aufgezeigt werden, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 3.4.2017 - B 12 KR 92/16 B - juris RdNr 16 mwN).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger trägt vor, dass §
207 SGB VI für den Regelfall aller Akademiker gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil diesen die Schließung der - durch nachträgliche
Gesetzesänderung entstandenen - Versorgungslücke durch Beitragsnachzahlungen für Zeiten schulischer und Hochschulausbildung
verwehrt werde, während anderen Gruppen wie Langzeitstudenten, Selbständigen und im Ausland lebenden Deutschen die Nachzahlung
für vergangene Zeiträume erlaubt werde. Überdies liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, weil der
Gesetzgeber diesen Zeiten ihre vormals bestehende Bewertung mit Rentenpunkten entzogen habe, ohne den Versicherten die Schließung
der dadurch entstehenden Versorgungslücken zu erlauben.
Unabhängig davon, ob dem Kläger damit die Formulierung einer hinreichend konkreten Rechtsfrage gelingt, legt er jedenfalls
die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Thematik nicht hinreichend dar. Hinsichtlich des behaupteten Grundrechtsverstoßes
fehlt es - anders als erforderlich - bereits an jeglicher substanzieller Argumentation zum Bedeutungsgehalt der einfachgesetzlichen
Norm, der Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung und der Verletzung der konkreten Regelung des
GG (vgl zB BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 1 KR 79/16 B - juris RdNr 7), zu der hier insbesondere auch Ausführungen zu den Gemeinsamkeiten bzw Unterschieden der angesprochenen Vergleichsgruppen
gehören müssten. Außerdem setzt sich der Kläger auch nicht ansatzweise mit der vom LSG zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung
zur Verfassungsmäßigkeit der Reduzierung der Anrechnungszeiten und der Abschmelzung der Bewertung von Zeiten schulischer Ausbildung
auseinander (vgl BVerfG Beschluss vom 27.2.2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272-302 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7; Senatsurteile vom 13.11.2008 - B 13 R 43/07 R - juris und vom 19.4.2011 - B 13 R 27/10 R - BSGE 108, 126-144 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3) und legt nicht dar, ob sich daraus Anhaltspunkte für die Beantwortung seiner Frage ergeben.
Ein näheres Eingehen auf die Senatsentscheidung vom 19.4.2011 (BSGE 108, 126 = SozR 4-2600 § 74 Nr 3) wäre auch im Zusammenhang mit dem Hinweis des Klägers auf die überwiegend geschlossenen Versichertenbiografien
von männlichen Akademikern geboten gewesen. Denn dort ist ausdrücklich nicht beanstandet worden, dass der Gesetzgeber beim
Abbau der rentenrechtlichen Bewertung von "beitragslosen" Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung gerade bei denjenigen
Versicherten (hier: Absolventen von Hochschulen) ansetzt, die die dadurch bedingte Minderung ihrer Rentenanwartschaften und
Renten finanziell voraussichtlich besser verkraften können (vgl BSG Urteil vom 19.4.2011, aaO, RdNr 61-64).
2. Ebenfalls unzulässig ist die Beschwerde, soweit der Kläger eine Divergenz der angegriffenen Berufungsentscheidung zum Urteil
des BSG vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - geltend macht.
Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind insbesondere ein
oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende
aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher
zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht
(stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Diesen Anforderungen genügt die Begründung nicht.
Der Kläger zitiert zwar aus einer Entscheidung des BSG (Urteil vom 14.3.2006 - B 4 RA 55/04 R - BSGE 96, 83 = SozR 4-2600 § 166 Nr 2, RdNr 33). Es fehlt aber bereits an hinreichenden Ausführungen dazu, dass es sich bei dem von ihm
herangezogenen Halbsatz des BSG, der aus einem mit "zB" eingeleiteten Klammerzusatz stammt, nicht nur um eine beiläufige Bemerkung im Umfeld der entschiedenen
Rechtsfrage - also ein nicht divergenzfähiges obiter dictum (vgl BSG Beschluss vom 11.4.2016 - B 12 KR 57/15 B - juris RdNr 10) - handelt, sondern um einen tragenden Rechtssatz.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.