Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten 2 Jahren vor Rentenbeginn
auf die Wartezeit
Anforderungen an einen Kausalzusammenhang zur Insolvenz bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einer Transfergesellschaft
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Der Kläger ist als Ehemann Sonderrechtsnachfolger der im September 1952 geborenen und im Jahr 2018 verstorbenen Versicherten
S. Diese war bis zum Juli 2012 bei der B GmbH beschäftigt, über deren Vermögen am 30.7.2012 durch Beschluss des Amtsgerichts
E das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Am 1.8.2012 schlossen die Versicherte, der Insolvenzverwalter und die R mbH (im Folgenden:
Transfergesellschaft) einen Vertrag über die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2012 und die gleichzeitige
Begründung eines neuen, bis zum 28.2.2013 befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft. Ab dem 1.3.2013 war
die Versicherte arbeitslos und bezog bis zum 28.2.2015 Arbeitslosengeld.
Auf ihren Rentenantrag bewilligte die Beklagte der Versicherten ab dem 1.10.2015 eine Altersrente für langjährig Versicherte
(Bescheid vom 29.10.2015). Wegen des vorzeitigen Rentenbezugs wurde diese Rente mit einem gekürzten Zugangsfaktor von 0,910
berechnet. Den Antrag auf Gewährung einer (höheren) Rente für besonders langjährig Versicherte lehnte die Beklagte mit der
Begründung ab, die Wartezeit von 45 Jahren sei nicht erfüllt. Die Versicherte habe nur 529 von den erforderlichen 540 Monaten
mit anrechenbaren Zeiten zurückgelegt. Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei
Jahren vor Rentenbeginn könnten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden. Die gesetzliche Ausnahmeregelung dazu sei nicht
erfüllt, weil der Arbeitslosengeldbezug nicht durch eine Insolvenz bedingt sei. Die Versicherte habe zuletzt einen Vertrag
mit der Transfergesellschaft geschlossen. Die sich daran anschließende Arbeitslosigkeit sei nur aufgrund der Befristung dieses
Transferarbeitsverhältnisses entstanden (Bescheid vom 31.7.2015; Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015).
Die Versicherte hat Klage erhoben und vorgetragen, sie wäre ohne die Insolvenz des früheren Arbeitgebers nicht in die Transfergesellschaft
gewechselt. Wäre sie unmittelbar nach der Insolvenz arbeitslos geworden, hätte sie die Voraussetzungen für eine Altersrente
für besonders langjährig Versicherte ohne Weiteres erfüllt. Das SG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Arbeitslosengeldbezug sei nicht durch die Insolvenz, sondern durch das Ende
des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft bedingt gewesen (Urteil vom 20.2.2017). Auf die Berufung
der Versicherten hat das Thüringer LSG das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte
aus der Versicherung der am 8.9.2018 verstorbenen S nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen an den Kläger zu zahlen. Die
Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn seien zu berücksichtigen und die Wartezeit als
erfüllt anzusehen. Die Insolvenz des früheren Arbeitgebers sei ursächlich für den Wechsel in die Transfergesellschaft und
wesentliche Bedingung für den Arbeitslosengeldbezug gewesen. Ein missbräuchliches Vorgehen zu Lasten der Rentenversicherung
sei "offenkundig" auszuschließen (Urteil vom 20.5.2020).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI. Der Arbeitslosengeldbezug der Versicherten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn sei nicht durch eine Insolvenz oder
vollständige Geschäftsaufgabe des letzten Arbeitgebers bedingt. Zwar stelle die Beendigung der Tätigkeit bei der B GmbH das
Ergebnis einer verfahrensrechtlich durch die
Insolvenzordnung (
InsO) gelenkten Tätigkeit dar. Letzter Arbeitgeber sei aber die Transfergesellschaft gewesen. Der Bezug von Arbeitslosengeld habe
unmittelbar darauf beruht, dass das befristete Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft geendet habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 20. Mai 2020 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des
Sozialgerichts Gotha vom 20. Februar 2017 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, das LSG habe zutreffend entschieden.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG).
Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG sowie den Bescheid vom 31.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 (§
95 SGG) aufgehoben und die Beklagte verurteilt, ab dem 1.10.2015 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus der Versicherung
der verstorbenen S Köhler an den Kläger als deren Sonderrechtsnachfolger (§
56 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB I) zu gewähren. Anspruchsgrundlage hierfür ist §
236b Abs
1 iVm Abs
2 Satz 1
SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz)
vom 23.6.2014 (BGBl I 787).
A. Dem Anspruch auf Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte steht zunächst nicht entgegen, dass die
Versicherte seit dem 1.10.2015 eine Altersrente für langjährig Versicherte (§
236 SGB VI) bezog. Nach §
34 Abs
4 Nr
3 SGB VI ist nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente der Wechsel in eine
andere Rente wegen Alters ausgeschlossen. Diese Regelung betrifft nicht den Anspruch auf eine andere Altersrente, die - wie
hier - vor oder gleichzeitig mit der bindend bewilligten oder bezogenen Altersrente beginnt (vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 13 mwN).
B. Die Versicherte erfüllte am 1.10.2015 die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig
Versicherte gemäß §
236b SGB VI. Ein solcher Anspruch besteht für Versicherte, die vor dem 1.1.1953 geboren sind, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet haben
(§
236b Abs
1 Nr
1 iVm Abs
2 Satz 1
SGB VI). Diese Voraussetzungen liegen vor. Auch hatte die Versicherte die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt (§
236b Abs
1 Nr
2 SGB VI).
Welche Zeiten auf die Wartezeit angerechnet werden, regelt §
51 Abs
3a Satz 1
SGB VI in der hier ebenfalls maßgeblichen Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 23.6.2014 (BGBl I 787). Danach werden
auf die Wartezeit von 45 Jahren Kalendermonate angerechnet mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit
(Nr 1), Berücksichtigungszeiten (Nr 2), Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (Nr 3 Buchst a),
Leistungen bei Krankheit (Nr 3 Buchst b) und Übergangsgeld (Nr 3 Buchst c), soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten
sind (Teilsatz 1), wobei Zeiten nach Buchst a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden (Teilsatz
2), es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe
des Arbeitgebers bedingt (Teilsatz 3). Ferner werden auf die Wartezeit von 45 Jahren unter bestimmten Voraussetzungen Kalendermonate
mit freiwilligen Beiträgen angerechnet (Nr 4).
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) hat die Versicherte in der Zeit vom 1.9.1969 bis zum 28.2.2015 insgesamt 546 Monate an rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt.
Vom 1.3.2013 bis zum 28.2.2015 handelte es sich ausschließlich um Pflichtbeitragszeiten während des Bezugs von Arbeitslosengeld
als Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (§
3 Abs
4 Nr
1 SGB III). Davon sind auch die in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zurückgelegten 17 Monate gemäß §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 2 und 3
SGB VI auf die Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monate) anzurechnen. In diesem Zeitraum war der Arbeitslosengeldbezug der Versicherten
durch eine Insolvenz des Arbeitgebers bedingt.
Zwar lag keine Insolvenz des letzten Arbeitgebers der Versicherten vor. Die Beklagte hat insofern zutreffend darauf hingewiesen,
dass die Versicherte hier zuletzt in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Transfergesellschaft stand, das mit Ablauf der
Befristung endete (zur Arbeitgebereigenschaft einer Transfergesellschaft vgl BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 18 und BAG Urteil vom 19.3.2014 - 5 AZR 299/13 (F) - juris RdNr 24). Die Versicherte wechselte hier aber nur aufgrund der Insolvenz ihres früheren Arbeitgebers in ein befristetes
Transferarbeitsverhältnis. Die formale Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses mit der rechtlich selbstständigen Transfergesellschaft
lässt bei wertender Betrachtung den nach §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI erforderlichen kausalen Zusammenhang mit der Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers jedoch nicht entfallen. Dies folgt insbesondere
aus systematischen Erwägungen sowie dem Sinn und Zweck der Regelungen des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 2 und 3
SGB VI, wie sie auch in der bisherigen Rechtsprechung verstanden worden sind.
Der erkennende Senat hat in einer Entscheidung vom 17.8.2017 (B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 20 ff, anhängig am BVerfG: 1 BvR 323/18) ausgeführt, ein Bezug von Arbeitslosengeld sei nur insolvenzbedingt, wenn sich die Beendigung einer Beschäftigung - die
ihrerseits Ursache der Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für Arbeitslosengeld sei - als Ergebnis einer verfahrensrechtlich
durch die
InsO gelenkten Tätigkeit darstelle. Diese Voraussetzung lag im entschiedenen Fall nicht vor, weil ein Insolvenzverfahren zum Zeitpunkt
der Kündigung noch nicht eingeleitet war. Der 13. Senat des BSG hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 18) und für den Fall eines Wechsels in eine Transfergesellschaft im Hinblick auf eine mögliche
Insolvenz des Arbeitgebers die Voraussetzungen ebenfalls verneint. Erwogen hat der Senat allerdings, im Fall eines Wechsels
in eine Transfergesellschaft aus Anlass der tatsächlich eingetretenen Insolvenz des vorherigen Arbeitgebers einen Rückausnahmetatbestand
des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI anzunehmen (BSG aaO RdNr 21). Mit Urteilen vom 20.5.2020 und vom 22.3.2021 hat der 13. Senat sodann entschieden, dass für die Frage, ob der
Leistungsbezug durch die Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe "des Arbeitgebers" bedingt ist, nicht nur auf den letzten
Arbeitgeber vor dem Leistungsbezug abzustellen ist (B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 28 und B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 35). In dem zuletzt entschiedenen Fall war die Klägerin nach einer vollständigen Geschäftsaufgabe
zunächst arbeitslos, danach fünf Monate bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt und nach Kündigung in der Probezeit erneut
arbeitslos. Auch die erneute Arbeitslosigkeit hat der Senat als wesentlich bedingt durch die Geschäftsaufgabe des vorletzten
Arbeitgebers angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Kausalität iS von §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI ("bedingt") im Einzelfall nach der Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist (vgl BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 20 f und BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 33 ff). Jedenfalls bedarf es einer Auslegung der Vorschrift insbesondere anhand des Sinn und
Zwecks der Ausnahmen und Rückausnahmen des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 2 und 3
SGB VI (so im Ergebnis auch BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 37).
Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht gegen das von der Beklagten vertretene enge Verständnis des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI. Danach muss eine "Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers", nicht aber "des letzten Arbeitgebers"
vorliegen (vgl auch BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 35). Es ist damit nicht zwingend geboten, nur den letzten Arbeitgeber in den Blick zu nehmen.
Dem Gesetzgebungsverfahren lassen sich Hinweise nur insoweit entnehmen, als Transferarbeitsverhältnisse dort bereits Gegenstand
der Erörterungen waren. Im Entwurf zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz wurde das Transferkurzarbeitergeld ausdrücklich als
ein Beispiel für Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung iS des späteren §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Buchst a
SGB VI genannt (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 18/909 S 20 f). Den in den Anhörungen formulierten Erwägungen,
unter Einbeziehung von Transferkurzarbeit könne die Beendigung der Erwerbstätigkeit sogar schon ab Vollendung des 60. Lebensjahres
erfolgen und nach sich anschließenden zwei Jahren Arbeitslosengeldbezug mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine abschlagsfreie
Altersrente bezogen werden (vgl Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins (DAV), Ausschussdrucks 18(11)82 S 78 unter II.1.d.),
ist der Gesetzgeber nicht gefolgt. Letztlich wurde den in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Bedenken hinsichtlich eines
Zusammenwirkens von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit dem Ziel der Frühverrentung (vgl zB Stellungnahme der Bundesagentur
für Arbeit, Ausschussdrucks 18(11)82 S 33) Rechnung getragen und zur Vermeidung von Fehlanreizen die auf die Wartezeit anrechenbaren
Zeiten in §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 2
SGB VI eingegrenzt. Um Härtefälle zu vermeiden, wurde sodann der Teilsatz 3 angefügt (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Arbeit und Soziales, BT-Drucks 18/1489 S 26). Weitere Korrekturen der Wartezeitregelungen erfolgten nicht. Der Gesetzgeber
hat mithin Fallgestaltungen mit einer Beteiligung von Transfergesellschaften im Blick gehabt, aber keine besondere Regelung
hierfür getroffen.
Systematische Erwägungen sprechen dafür, dass der Bezug von Arbeitslosengeld auch dann durch eine Insolvenz des Arbeitgebers
bedingt ist, wenn im Anschluss an die Insolvenz zunächst ein Arbeitsverhältnis mit einer selbstständigen Transfergesellschaft
begründet wird. Zwar ist §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen (vgl BSG Urteil vom 11.3.2021 - B 5 RE 2/20 R - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 vorgesehen = juris RdNr 28 mwN; Möllers, Juristische Methodenlehre,
4. Aufl 2021, § 4 RdNr 123 und § 6 RdNr 32 ff). Der Übergang in eine Transfergesellschaft ist jedoch eine typische Folge einer
Insolvenz oder einer grundlegenden betrieblichen Veränderung (zur Bedeutung von Transfergesellschaften im Insolvenzverfahren
vgl Staufenbiel, ZInsO 2010, 497; Kampshoff/Urban-Crell in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht, 4. Aufl 2020, Anhang VII RdNr 565 ff). Die Einrichtung
von Transfergesellschaften ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, um den Eintritt von Arbeitslosigkeit von Beschäftigten
zu vermeiden, deren Arbeitsplätze infolge betrieblicher Umstrukturierungen wegfallen. Aufgabe der Transfergesellschaften ist
es, die Betroffenen bei der Suche nach einer Anschlussbeschäftigung auch durch Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsfähigkeit
zu unterstützen (vgl Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 20.10.2020 - BT-Drucks 19/23804
S 10 f). Dementsprechend fördert das
SGB III Arbeitnehmer, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, bei Teilnahme an sog Transfermaßnahmen (§
110 SGB III) und sieht die Leistung von Transferkurzarbeitergeld vor (§
111 SGB III). Durch Maßnahmen der Vermittlungsunterstützung und beruflichen Qualifizierung sollen die Chancen erhöht werden, schnellstmöglich
wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden. Mit der Einführung des Transferkurzarbeitergelds und der Verkürzung
der Höchstbezugsdauer auf zwölf Monate sollte der "Nutzung des Instrumentes zur Frühverrentung auf Kosten der Beitragszahler
... effektiv ein Riegel vorgeschoben" und "die Beschäftigungschancen Älterer" verbessert werden, "wenn diese nicht mehr systematisch
in den Vorruhestand gedrängt werden" (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks 15/1515
S 93 zu § 216b Abs 8).
Dem entspricht es, dass der bisherige Arbeitgeber in die Maßnahmen der Transfergesellschaft in verschiedener Hinsicht eingebunden
ist. Er muss sich an der Finanzierung aller Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt
(Transfermaßnahmen) angemessen beteiligen (§
110 Abs
1 Satz 2
SGB III, vgl Apidopoulos in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz,
SGB III, 7. Aufl 2021, §
110 RdNr 18, 25). Die Agentur für Arbeit leistet dazu nur einen Zuschuss (§
110 Abs
2 SGB III). Auch sind für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld betriebliche Voraussetzungen zu erfüllen (§
111 Abs
3 SGB III), wobei insbesondere gewährleistet sein muss, dass die Organisation und Mittelausstattung den angestrebten Integrationserfolg
erwarten lassen (vgl §
111 Abs
3 Satz 1 Nr
3 SGB III). Hier verdeutlicht den besonderen Zusammenhang von Insolvenz und Übernahme der Beschäftigten des insolventen Unternehmens
durch die Transfergesellschaft die dreiseitige Vereinbarung vom 1.8.2012. Daran beteiligt war für die B GmbH der vom Insolvenzgericht
ernannte Insolvenzverwalter (§
27 Abs
1 Satz 1
InsO), der in die Arbeitgeberstellung der weiter fortbestehenden Arbeitsverhältnisse (§
108 Abs
1 Satz 1
InsO) eintrat (zur verfahrensrechtlich durch die
InsO gelenkten Tätigkeit vgl BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 20 ff). Mit dem Vertrag wurde das bisherige Arbeitsverhältnis beendet und gleichzeitig das
sich daran anschließende Transferarbeitsverhältnis begründet.
Auch der Sinn und Zweck der Regelungen des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 SGB VI sprechen dafür, in Konstellationen wie hier eine kausale Verknüpfung des Bezugs von Entgeltersatzleistungen mit der Insolvenz
des vorletzten Arbeitgebers anzunehmen. Dass Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten
zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden (§
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 2
SGB VI), soll Fehlanreize vermeiden, über den Arbeitslosengeldbezug in die abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte
zu wechseln. Verhindert werden soll eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Zusammenwirken von Arbeitgeber und
Arbeitnehmer zwecks Frühverrentung des Versicherten (vgl auch BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 24 ff und BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 28 mwN). Die zur Vermeidung von Härtefällen eingefügten Rückausnahmetatbestände des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 3
SGB VI schließen dies weitgehend aus. In den Fällen der Insolvenz oder der vollständigen Geschäftsaufgabe ist dem Arbeitgeber regelmäßig
die freie Entscheidung über die Fortführung bestimmter Arbeitsverhältnisse entzogen (vgl BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 31; zur Insolvenz ausführlich BSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 28 ff).
Der Fall einer befristeten Übernahme in eine Transfergesellschaft nach einer Insolvenz des Arbeitgebers stellt sich nicht
wesentlich anders dar. Auch in einer solchen Konstellation ist ein kollusives Zusammenwirken mit dem Ziel der Frühverrentung
nicht anzunehmen (vgl BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 §
51 Nr 3, RdNr 28). Wie bereits ausgeführt, haben Transfergesellschaften nach dem
SGB III die Funktion, die Beschäftigten weiterzuqualifizieren und in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Insofern wird mit
dem Instrument der Transfergesellschaft die gleiche Intention verfolgt wie mit der Ausschlussvorschrift des §
51 Abs
3a Satz 1 Nr
3 Teilsatz 2
SGB VI, nämlich Frühverrentungen zu verhindern. Ließe man diese besonderen Zusammenhänge außer Acht und würde man wegen der Begründung
des befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft den erforderliche Kausalzusammenhang verneinen, würde dies
der arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung einer Verbesserung der Beschäftigungschancen zuwiderlaufen. Gerade ältere Arbeitnehmer
würden auf den Wechsel in eine solche Transfergesellschaft verzichten, um sich die Möglichkeit einer Altersrente für besonders
langjährig Versicherte auch unter Berücksichtigung des Bezugs von Arbeitslosengeld zu erhalten. Ob das vom Gesetzgeber mit
den Transfergesellschaften verfolgte arbeitsmarktpolitische Ziel in der Praxis auch in allen Fällen erreicht wird (kritisch
vgl BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 28), ist für die Auslegung hier ohne Bedeutung.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.