Leistungsverpflichtung der Krankenversicherung bei Implantation eines Magenbandes, Anspruch auf rechtliches Gehör im sozialgerichtlichen
Verfahren
Gründe:
I
Die bei der beklagten Ersatzkasse versicherte, 1955 geborene Klägerin ist mit ihrem Begehren, wegen erheblichen Übergewichts
ein Magenband eingesetzt zu erhalten (Gastric-banding-Operation), lediglich mit ihrer Klage beim Sozialgericht (SG) erfolgreich gewesen (Urteil vom 13. Februar 2006). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das
SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, da nicht alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien
(Urteil vom 22. Juni 2006).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und beruft sich auf die
grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits und Verfahrensfehler.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 iVm §
169 Abs
3 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung
und des Verfahrensfehlers (Zulassungsgründe des §
160 Abs
2 Nr
1 und
3 SGG).
1. Den Darlegungserfordernissen an eine Grundsatzrüge genügt eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann, wenn eine Rechtsfrage
klar formuliert und ausgeführt wird, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie
klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100
§ 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Beschwerde misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung
bei:
"1.
Ist zur Verpflichtung der Kostenübernahme für eine Gastric-banding-Operation durch die gesetzliche Krankenversicherung Voraussetzung
die Teilnahme an einem langjährigen integrierten Therapiekonzept, wenn eine genetische Disposition und langjährige und stationäre
Bemühungen zur Gewichtsreduktion vorliegen?
2.
Welche Voraussetzungen für Gastric-banding-Verfahren müssen bei langjährigem (mehr als 20-jährigem) Leidensweg mit ständig
steigendem Gewicht für die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse vorliegen?"
Auch wenn man in diesem Vorbringen klar formulierte Rechtsfragen sehen will, fehlt es jedenfalls an den erforderlichen Darlegungen
dazu, inwiefern diese klärungsbedürftig sein könnten. Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig, wenn
sie bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG SozR
1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Deshalb hätte sich die Beschwerde eingehend mit der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung
auseinandersetzen und darlegen müssen, inwiefern trotz dieser Rechtsprechung noch Klärungsbedarf besteht (vgl dazu auch BSG
SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). Die Beschwerde hat hierzu lediglich vorgetragen, das Bundessozialgericht (BSG) habe sich
nur ein Mal in dem Verfahren B 1 KR 1/02 R mit dem Problem der Kostenübernahme für das Gastric-banding-Verfahren beschäftigt, ohne dass es auf die Einzelheiten der
Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten habe eingehen können, da die Sachverhaltsaufklärung nicht umfassend durchgeführt
gewesen sei. Wie die Fülle der am Verhandlungstage vor dem 5. Senat des LSG terminierten Verfahren zur Kostenübernahme des
Gastric-banding-Verfahrens zeige, sei Klärungsbedürftigkeit für die Kriterien der Voraussetzungen einer Kostenübernahme gegeben.
Mit diesem Vorbringen setzt sich die Beschwerde nicht hinreichend damit auseinander, dass der Senat in seinem Urteil vom 19.
Februar 2003 (BSGE 90, 289, 291 ff, 295 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 mwN) ua entschieden hat, die Implantation eines Magenbandes komme nur als ultima ratio
und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe weiterer Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Wieso mit
Blick auf diese Entscheidung noch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung verblieben sind, hat die Beschwerde indes nicht
dargelegt.
Soweit die Beschwerde dagegen in der Sache an das Urteil des Senats vom 19. Februar 2003 anknüpft und im Rahmen der Ausführungen
zu "Klärungsfähigkeit" ausführt, für die Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit komme es allein darauf an, ob die
Klägerin alle ihr zumutbaren konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, verdeutlicht sie, dass es ihr im Kern
nicht um die vom Senat beantwortete Rechtsfrage, sondern um die tatsächliche Frage geht, ob bei der Klägerin noch Raum für
zumutbare konservative Behandlungsmöglichkeiten besteht. Insoweit handelt es sich aber nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung.
2. Die Beschwerde hat mit ihrem Vorbringen einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet, das LSG habe gegen das Verbot
verstoßen, rechtliches Gehör zu gewähren.
a) Die Beschwerde beruft sich zunächst darauf, das LSG habe nicht selbst darauf hingewiesen, es wolle im Gegensatz zum Erstgericht
auf die Äußerungen des Medizinischen Dienstes der Krankensicherung zu dem so genannten "Optifast-Programm" oder entsprechenden
Behandlungen im vertragsärztlichen Rahmen für seine Entscheidung entscheidend abstellen. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen
kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, genügt es nicht, lediglich den Verstoß gegen eine bundesrechtliche
Verfahrensvorschrift zu rügen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 160 Nr 44). Vielmehr ist auch die Bezeichnung der Umstände erforderlich,
die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 26, 36). Daran fehlt es. Die Beschwerde setzt sich schon nicht hinreichend damit auseinander, dass zentraler Streitpunkt des
Berufungsverfahrens das Vorbringen der Beklagten gewesen ist, die Therapiemöglichkeiten bei der Klägerin seien noch nicht
ausgeschöpft gewesen. Das LSG hatte die hierzu erhobenen Beweise zu würdigen (§
128 Abs
1 Satz 1
SGG). Es ist von daher nicht ersichtlich, inwieweit in dem Vorgehen des LSG eine Gehörsverletzung liegen könnte, einschlägige
Hinweise aus den Akten in seine Beweiswürdigung einzubeziehen, von denen die Klägerin jedenfalls durch die Akteneinsichtnahme
ihrer Prozessbevollmächtigten Kenntnis haben konnte.
Die Beschwerde hat sich im Rahmen ihrer Darlegungen zudem nicht mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt,
wonach das rechtliche Gehör (§
62 SGG; Art
103 Abs
1 Grundgesetz; Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) bloß verhindern soll, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Auffassungen, Tatsachen oder
Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten. In diesem Rahmen besteht jedoch kein allgemeiner Verfahrensgrundsatz,
der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung
hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu
erörtern (vgl zB BSG, Beschluss vom 21. November 2000 - B 2 U 288/00 B; BSG SozR 3-1500 §
153 Nr 1; Hauck in Zeihe, Das
Sozialgerichtsgesetz und seine Anwendung, Stand 1. Mai 2006, §
105 RdNr 9a mwN). Ebenso wenig besteht danach die Pflicht des Gerichts, die Beteiligten auf alle nur möglichen Gesichtspunkte
hinzuweisen und seine Rechtsauffassung zu der Rechtssache bzw zu den Erfolgsaussichten zu erkennen zu geben (vgl auch zB BSG,
Beschluss vom 5. August 2004 - B 13 RJ 206/03 B).
b) Auch das weitere Beschwerdevorbringen bezeichnet nicht hinreichend eine Gehörsverletzung. Die Beschwerde trägt lediglich
vor, die Ablehnung einer Terminsverlegung habe den die Klägerin vertretenen Fachanwalt für Sozialrecht gehindert, das LSG
in der mündlichen Verhandlung aufzufordern, das Ergebnis der Vorberatung darzulegen und hierauf mit entsprechenden Beweisanträgen
zu reagieren. Es fehlt aber an einer Darlegung dazu, was die in der mündlichen Verhandlung durch einen Rechtsanwalt vertretene
Klägerin daran gehindert haben könnte, genau so vorzugehen. Zudem setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass
das LSG - wie ausgeführt - einer solchen Aufforderung nicht hätte folgen müssen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 3 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.